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Eine kurze Geschichte der Hörforschung III. Mikroskopische Anatomie A. H. Gitter, S. Preyer

Zusammenfassung

Die moderne Anatomie des Ohres begann mit der Einfuhrung des Lichtmikroskops und histologischer Techniken. Nachdem Huschke 1824 die ,,papilla spiralis acoustica" beschrieben hatte, gelang es Corti 1851, die Binnenstruktur des Sinnesepithels darzustelHaarzellen und len. Corti entdeckte auch die wenig später fand Deiters die inneren Haarzellen. Leydig entdeckte 1857 die Sinneshärchen auf den Haarzellen. Hensen zeigte 1863, daf die Hörnervenendigungen bis zu den Haarzellen führen und Retzius konnte 1892 zeigen, da die Nervenfasern an der Basis der Haarzellen enden. Er folgerte daraus, daS die Haarzellen die cigentlichen Rezeptoren des Hörorgans seien. Hensen, Retzius und Held lieferten morphometrische Daten der Cochlea, und die letzteren sind bis heute weitgehend gültig. Held gelang 1926 die Isolierung einzelner, ,,le-

bendfrischer" Haarzellen. Engstrom führte 1955 die

Transmissionselektronenmikroskopie und Lim 1969 die Rasterelektronenmikroskopie in die Horforschung em. Die im Elektronenmikroskop darstellbaren Feinstrukturen sind zum Beispiel wichtig für das Verstãndnis der mechanischen Ubertragung der Schallenergie auf die Rezeptorzellen im Innenohr. So zeigte Kimura 1965, daf? die Spitzen der Sinneshàrchen der äugeren Haarzellen in die Unterseite der Tektorialmembran hineinragen, wãhrend Sinneshärchen der inneren Haarzellen keinen Kontakt mit der Tektorialmembran besitzen.

A Brief History of Hearing Research — III. Microscopic Anatomy

The present review provides merely a glimpse of the vast field of modern anatomy of the ear, which began with the introduction of the light microscope and histological techniques. Owing to the poor accessibility and small size of the inner ear, the investigation of its structure was highly dependent on the development of modern histological techniques, i. e. fixation,

embedding, sectioning and staining of tissue, which took place in the 19th century. In 1824 Huschke discovered the papilla spiralis acoustica and in 1851 Corti described the structure of the sensory epithelium of the inner ear, and also detected the outer hair cells. A little later Deiters also found the inner hair cells, while Leydig discovered the stereocilia on the hair cells. In 1863 Hensen showed that the hair cells were provided with nerve endings, but it was Retzius who proved that the nerve fibres terminate at the basal end of the hair cells. He concluded from his studies that the hair cells are the actual receptors of the organ of hearing. Hensen, Retzius and Held provided morphometric data of the cochlea which are still largely valid today. In 1926 Held managed to isolate single hair cells. He also described two different types of nerve fibre in the cochlea. In 1926, Kolmer was the first to propose that apart from afferent nerve fibres there might also be an efferent innervation of the cochlea. In 1942 this was confirmed by Rasmussen. In animal experiments, he and others demonstrated the efferent nature of the olivo-cochlear bundle by dividing the nerve, which subsequently showed secondary descend-

ing degeneration. Transmission electron microscopy

was first-employed in otology by Engstrdm in 1955 and scanning electron microscopy by Lim in 1969. A knowledge of the ultrastructure of the organ of Corti promoted a better understanding of cochlear mechanics; for example, it was shown by Kimura in 1965 that the tips of stereocilia of outer hair cells terminate in grooves at the

lower surface of the tectorial membrane, while, inner hair cells are not in contact with it.

Laryngo-Rhino-Otol. 70 (1991) 417—421

Georg Thieme Verlag Stuttgart New York

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Universitltsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Tubingen (Direktor: Prof. Dr. med. H-P. Zenner)

418 Laryngo-Rhino-Otol. 70 (1991)

Mit der im 16.Jahrhundert einsetzenden medizinischen Grundlagenforschung wurde auch das Ohr, soweit mit unbewaffnetem Auge moglich, anatomisch beschrieben. Als Pioniere der modernen Anatomie gelten Xavier Bichat (1771—1802) und George Cuvier (1773—1836). Sie wandten sich ab von einer rein deskriptiven Anatomic und hin zur physiologischen Anatomie und Pathophysiologic. Noch ohne Verwendung von Mikroskopen isolierte Bichat, der Beschreiber des Wangenfettkorpers, Gewebe und verwandte erstmals gezielt histologische Techniken, wie Austrocknung, Verwesung, Auslaugung und Abkochen. Er verstand die isolierten Gewebe als ,,Einzelmechanismus des Gesamtmechanismus" (2). Unter dem Emflul des Cartesischen Denkens, dal die Natur rationell und daher funktionell sei, beschrieb Cuvier den men schlichen Körper als eine funktionelle Organisation, bei der die Organe nicht nebeneinander liegen, sondern in einer gemeinsamen Aktion zusammenwirken (4). Vor diesem geistigen Hintergrund entwickelte auch die Anatomic des Ohrcs im 19. Jahrhunderts eine mehr funktionelle Betrachtungsweisc. So woilte Politzer das Ohr anatomisch in 2 Hauptabschnitte, den schalleitenden und den schallempfindenden Apparat unterschieden wissen. Er begrundete dies in dem Kapitel Anatomische Eintheilung des Gehörorgans seines berühmten Lehrhuchs der Ohrenheilkunde (29): ,,Diese Eintheilung werden wir, da sic vom physiologischen Standpunkte die cinzig richtige ist, in der Folge beibehalten, um so mehr, da sich mit dieser auf physiologischer Grundlage beruhenden Einthcilung, die ältcre bisher gangbare anatomische Eintheilung des Gehorgangs in das mittlere und innere Ohr, vercinigen läft."

Die funktionelle Betrachtungsweise erforderte die Suche nach den Rezeptorelementen im Innenohr und deren Innervierung. Fortschritte in der anatomischen Forschung whrend der letzten zwei Jahrhundertc wurden durch die Fortschritte von Physik und Chemie ermoglicht, vor afleni durch die Entwicklung der Licht-, und später der Elektronen- und Rasterelektronenmikroskopie sowie durch die Einfuhrung histologischer Techniken. Der englische Naturforscher Robert Hooke (1635—1703), nach dem das Hookesche Gesetz der Mechanik benannt ist, beschrieb bereits in seinem Buch Micrographia or Some Physiological Descriptions of Minutes Bodies made by Magnifying Glasses with Observations und Inquiries Thereupon von 1665 (18), em Mikroskop in der noch heute Form. Er war einer der ersten Forscher, der das Mikroskop zu wissenschaftlichen Zwccken nutzte und beobachtete mit diescm Mikroskop die ersten ,,Zellen" am Korkrindenpraparat. Aber erst 1872 fertigte Carl Zeiss in Kooperation mit Ernst Abbe wissenschaftlich berechnete Mikroskoplinsen, die nicht mehr die früheren chromatischen und spharischen Abbildungsfchler aufwiesen. Die Entwicklung der Methoden dcr Gewebefixierung, Einbettungs- und Schneideverfahren und histologischen Färbemethoden begann am Anfang des 19.Jahrhunderts. Damir waren die technischen Voraussetzungen für die mikroanatomische Beschreibung des Hororgans im 19.Jahrhundert gegeben. Für die Beitrãge der Histochemie in der Innenohrforschung sei auf die Monographie von W. Schàtzle (35) verwiesen.

AuIeres und Mittelohr Otologen und Anatomen der Jahrhundertwende interessierten sich sehr für die Form des augeren Ohres. So beschäftigt sich mehr als em Drittel von Schwalbes Text das Ohr in Hoffmanns Lehrbuch der Anatomic des Menschen (36) mit dem Ohr. In vergicichenden anatomischen Studien zur Tierwelt und durch Untersuchungen von verschiedenen sozialen Schichten der Gesellschaft, von Menschenrassen oder psychiatrisch Kranken soliten Gesetzmãf3igkeiten der Ohrform festgestellt werden. So will Schwalhe (36) festgestellt haben, daf das weibliche Ohr sich entwicklungsgeschichtlich weiter vom tierischen Ohr entfernt habe als das männliche. Er entwarf em Zählkartenschema für die Kiassifizierung der Ohrform:

,,Die Variationen, vc1che die Form der Ohrmuschel, ahgesehen von Alter und Geschlecht, zeigt, haben als Grundlage für die Beurteilung der als ,Degenera-

tionszeichen' bei Geisteskranken und Verbrechern beschriebenen Anomalien Bedeutung gewonnen."

Die Anatomic der schon Aristoteles bekannten Paukenhöhle (11) und ihre topographischen Beziehungen wurden in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts präzisiert. Der obere Paukenhöhlenraum wurde mit 3 Synonyma belegt (29), die his heute noch in Gebrauch sind: cavum epitympanale (Schwalbe), Attic (Leidy) und Kuppelraum (Hartmann). Toynbee entdeckte 1852, daf. die Tuba Eustachii nicht sthndig gehffnet ist, sondern in Ruhe geschiossen wird und sich nur bei besonderen Muskelbewegungen öffnet (44). Shrapnell beschrieb 1832 ausführlich

die Anatomic des Trommelfelles und nach ihm ist daher die pars flaccida benannt (38). Von Tröltsch erwãhnte 1859

erstmals die, nach ihm benannte, hintere Trommelfeiltasche (45). Er untersuchte auch die nervale Versorgung des Trommelfells. Prussak sah 1867 die obere Trommelfelinische, die nach ihm benannt wurde (30). Watsuji (47) zeigte 1903, da!3 das Trommelfell nicht ganzlich unelastisch ist, sondern zahlreiche elastischc Fasern enthiilt.

Innenohr

Die noch heute gebrauchlichen anatomischen Bezeichnungen der Cochleabestandtci]e gehen im wesentlichen zurück auf die Nomenklatur von A. v. Koelliker (24), in dessen Würzburger Institut auch Aiphonso Corti arbeitete. Koelliker die àltercn Bezeichnungen von Huschke und anderen nur tcilwcise und vereinheitlichte die verwirrende Namenvielfalt der ncucntdeckten Zellen und Gewebe. So erhielten zum Beispiel die auditorischen Rezeptorzellcn, die Corti, in Anlehnung an Huschke, als Zähne der zwcitcn Reihe bezeichnet hatte, und die Hensen Stãbchenze!lcn nannte, den Namen Haarzellen. Dagegen wurden die von Deiters entdeckten Stützzellen, die Deiters und Hensen Haarzellen genannt hatten, von Koelliker als Deiterssche Zellen bezeichnet. Das Sinnesepithel

Emil Huschke (19) war 1824 der erste, der die ,,papilla spiralis acoustica" beschricb und sic als die erregbare Struktur der Cochlea verstand. Als Corti 1851 die Binnenstruktur der papilla basilaris der Cochlea entdeckte

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Einleitung

A. H. Gitter, S. Preyer

Geschichte der HOrforschung — III. Mikroskopische Anatomie

Laryngo-Rhino-Otol. 70 (1991) 419

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Abb. 1

Der Ausschnitt aus Tafel XXXIV aus Hensens Arbeit ,,Zur Morphologie der Schnecke des Menschen und der Saugethiere" von 1863 (16)zeigtdas Cortische Organ. Abb. 17 zeigt das Epithel der Scala media im Querschnitt. c) Haarzellen, d) StUtzzellen mit hervorgequollenem Zellinhalt. In Abb. 18 sieht man Teile des Cortischen Organs des Menschen, A) eine innere Pfeilerzelle des Cortischen Tunnels, B) den Cortischen Tunnel, und C) eine deformierte emzelne Haarzelle. Abb. 19 zeigt einen Schnitt durch das Cortische Organ des Menschen und die darunterliegenden Fasern der Basilarmembran. Abb. 20 zeigt schematisch die Breitenzunahme der Basilarmembran des Menschen von der Cochleabasis (links) zur Cochleaspitze (rechts). Abb. 21 zeigt einen Langsschnitt durch das Cortische Organ des Kindes, Gut erkennbar sind äu6ere Haarzellen mit ihren Sinnesharchen. Abb. 22 zeigt Teile des sich entwickelnden Cortischen Organs im Rinderembryo. Abb. 23 zeigt die Tektorialmembran des Menschen. An der inneren Kante sind netzformige Auflagerungen zu sehen. Abb. 24 zeigt die Cochlea eines Kindes im Querschnitt. Abb, 25 zeigt Fasern und Zellen der Basilarmembran des Kindes.

Der Hörneru

Corti konnte 1851 den Hörnerven nur bis zum Periost des Labium tympanicum verfolgen und glaub-

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te, daI er in der Scala tympani frei ausliefe (3). Kölliker zeigte 1854, da die Nervenfasern durch Löcher in der Basilarmembran (Habenula perforata) in das Sinnesepithel der Cochlea führen. Max Schultze wies 1858 nach, daI im Vestibularorgan der Fische em Nerv in das Sinnesepithel

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Abb.2 In derZeichnung des Cortischen Organs von Ranvier(31) aus dem Jahre 1875 ist die morphologische Struktur des Gewebes bemerkenswert gut erhalten. ci = innere Haarzellen, ce = äu8ere Haarzellen, pi = innere Pfeilerzellen, pe = uBere Pteilerzellen, = Tekiorialmembran.

(3), beschrieb er auch die zellulãren Elemcnte des Sinnesor-

gans am Nativpràparat und fand schon jene Zellen, die heute als äuIere Haarzellen bezeichnet werden. Allerdings beschrieb er noch nicht die Sinneshärchen und erkannte auch njcht die Funktion der Zellen. Die inneren Haarzellen wur-

den von Deiters (5) entdeckt. Hensen (16) schrieb 1863, da1 es Leydig gewesen sei, der erstmals die Sinneshàrchen beschrieben hat. Held (15) gelang 1926 die Isolierung emzelner, ,,lebendfrischer" Haarzellen aus Cochlea (Abb.2) und Vestibularapparat. Weiterhin hat Held (15)1926 die Schneckentrennwand der photographierten Cochlea vermessen, und damit die Daten von Retzius (34) präzisiert.

führt und sich dort verzweigt. Hensen (16) untersuchte das Cortische Organ anhand von histologischen Schnitten und deutete 1863 an, daI die Hörnervenendigungen bis zu den Haarzellen führen. Rosenberg beschrieb 1868 die Endigung des Hörnerven an den Haarzellen. Boettcher (1869) und Waldeyer (1872) fanden unabhãngig voneinander eine Endigung der Nervenfasern sowohl an den àuIeren als auch an den inneren Haarzellen (33). Retzius beschrieb 1881, daf die cochlea-versorgenden Nervenfasern nur an der Basis der Haarzellen enden und folgerte daraus, daI die Haarzellen die einzigen Endorgane des Hörnerven seien (33). Er entdeckte am Nativpraparat besondere Strukturen am basalen Ende der Haarzellen (34). Held erkannte mittels Methylenblaufãrbung auIen am basalen Ende isolierter augerer Haarzellen der Cochlea kleine Körnerhaufen, die er als Neurosomen bezeichnete; es ist moglich, daI diese ,,Neurosomen" efferente Synapsen waren. In semen Untersuchungen mit der Nervenversilberungstechnik von 1898 bis 1926 beschrieb er bereits die 2 verschiedenen Ncrvenfasertypen der Cochlea: die radiãren und die spiralig verlaufenden Nervenfasern. Bei den spiralig verlaufenden Fasern konnte er 4 eigenstãndige Nervenfaserzüge unter-

scheiden (15). Held sah, daI meistens eine Nervenfaser mehrere Haarzellen innerviert und umgekehrt eine Sinneszelle von mehreren Nervenfasern versorgt wird. Nur selten erschienen einzelne Nervenfasern unverzweigt und endeten

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A. H. Gitter, S. Preyer

420 Laryngo-Rbino-Otol. 70 (1991) Abb.3 Lebendfri-

Elektronenmikroskopie

denen am basalen Ende mittels Methylenblaufarbung ,,Neurosomen" sichtbar gemacht wurden.

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I3ere Haarzellen von Held 1926 (15), bei

ciner F-Iaarzelle. Diese Befunde wurden von späteren Forschern bestatigt (28). Kolmer, der die Untersuchungen von Held kannte, sprach 1926 erstmals die Vermutung aus, es könne sich bei den Spiralfaserzugen, die keinen Kontakt zu den Ganglienzellen des ganglion spirale haben, urn efferente Nervenfasern handeln (25). Es gelang allerdings erst Rasmussen das efferente olivo-cochleäre Nervenbiindel auf ganzer Strecke zu verfolgen. Er benannte es entsprechend seinem Verlauf (32). Erst Tierversuche mit Durchtrennung des olivo-cochleãren Bündels und Beobachtung der darauffolgenden Wallerschen Degeneration erbrachten den Beweis einer efferenten Innervation der Cochlea (22, 41, 43, 48). an

Engström (7) fiihrte 1955 das Elektronenmikroskop in die Otologie em. Er beschrieb in ersten Untersuchungen Microvilli auf der Oberfläche von Hensenund Deiterszellen der Meerschwein chencochlea. Weitere ausführliche Arbeiten zur transmissionselektronenmikroskopischen Morphologie des Felsenbeines finden sich in den darauffolgenden Jahren beispielsweise bei Smith (40), Friedmann und Mitarb. (10), lurato (21), Hilding (17), Duvall (6), Spoendlin (42) und Flock (8). So konnte Flock (9) zeigen, da1 die rnakrornolekularen Fibrillen der Sinneshàrchen aus Aktinfilarnenten bestehen. Da nach moderner anatornischer Nomenkiatur aktinhaltige Zellfortsàtze als Villi und tubulinhaltige Zcllfortsätze als Zilien bezeichnet werden, soliten nunmehr die Sinneshàrchen der cochleãren Haarzelle Stereovilli (griech.: stereos = steif) genannt werden. Einen wesentlichen Beitrag konnten elektronenmikroskopische Untersuchungen leisten in der Aufklarung der Art des Kontaktes zwischen Stereovilli und Tektorialmernbran. Während einige Histologen wie Held (15), Kolmer (25) und Hardesty (13) die Tektorialmembran frei, aber an die Spitzen der Stereovilli eben heranreichend, gesehen hatten, war für die Hörtheorien von ter Kuile (26) und von Bekesy (1) em stabiler Kontakt von Stereovillusspitzen und Tektorialmembran Voraussetzung für die Scherbewegungen der Stereovilli. Erst horizontale elektronenmikroskopische Serienschnitte der Kontaktregion von Kim ura zeigten 1965, da die Spitzen der Sinneshärchen der äuIeren Haar zellen tatsàchlich für eine kurze Strecke in die Unterseite derTektorialmembran hineinragen und Grübchen hinterlassen (23). Bereits nach dem Ergebnis dieser ersten Untersuchung schienen die Stereovilli der inneren Haarzellen keinen derartigen Kontakt zur Tektorialmembran zu haben. Mit Hilfe der Elektronenmikroskopie konnte auch gezeigt werden, da6 die Lamina reticularis mit ihren Schiugleisten

cinen ionendichten Abschlu zwischen Endo- und Penlymphraurn gewahrleistet. Kontrastierungsrnethoden mit Schwermetallverbindungen, z. B. Thoriurndioxid, wurden eingefuhrt urn die Aufklarung der Ultrastruktur der Innenohrgewebe zu erleichtern (20). Die Rasterelektronenmikroskopie wurde 1969 durch Lim (27) in die Otologie eingeführt. Mit ihrer Hilfe gelang eine gute räumliche Darstellung der Oberflächenstrukturen des Hörorgans.

Die nicht-sensorischen Teile der Cochlea

Siebenmann (39) beschrieb 1894 die Blutversorgung des Innenohres. Seit den grundlegenden Arbeiten von Shambaugh (37) zu Anfang unseres Jahrhunderts gilt die Stria vasculanis als hauptsachlicher Ursprung der Endolymphe (46). Guild (12) beobachtete 1925 beim Meerschweinchen eine F!üssigkeitsströmung vorn Ductus cochleans zurn Saccus endolyrnphaticus hin und schlo6 daraus,

da der Saccus die Endolymphe resorbiert, und nicht als dessen Quelle anzusehen sei, wie zuvor von Hasse und Streeter behauptet worden war. Die lichtmikroskopische morphologische Beschreibung des Innenohres von Held (15) und Kolmer (25) in den 1920cr Jahren wurden erst durch die Elektronenrnikroskopie entscheidend verbessert. Em historischer Rückblick auf die Erforschung von Sulcus externus und Ligamentum spirale findet sich bei Duvall (6).

Danksagung Wir danken Prof. Dr. H.-P. Zenner und Dr. W. Giebel (Tubingen) für die kritische Durchsicht der Arbeit.

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Geschichte der Horforschung — 111. Mikroskopische Anatomic

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° 46

° 48

Dr. phil. nat. Alfred H. GEtter Universitãtsklinik für Hals-Nasen-Ohrcn-Heilkunde Silcherstr. 5 W-7400 Tübingen

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6 Duvall, A. J.: The ultrastructure of the external sulcus in the guinea

Laryngo-Rhino-Otol. 70 (1991) 421

[A brief history of hearing research. III. Microscopic anatomy].

The present review provides merely a glimpse of the vast field of modern anatomy of the ear, which began with the introduction of the light microscope...
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