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Deutsche Medizinische Wochenschrift

Böcker u. a.: Darstellung der regionalen Lymphknoten der Harnblase

Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1030-1031

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Eine neue Methode zur Darstellung der regionalen Lymphknoten der Harnblase

A new method of demonstrating

Ein vorläufiger Bericht

Pedal lymphography as used up to now does not fully demonstrate the lymphatic drainage of the bladder. A new method is presented in which LipiodolUltra-Fluid is injected into the submucosal layer of the bladder wall under endoscopic vision. In 27 endovesical lymphographies the following lymph nodes could be demonstrated the anterior, lateral and posterior vesical, the obturator, the external and internal iliac and the common iliac nodes.

Urologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. H. Dettmar), Pathologisches Institut (Direktor: Prof. Dr. H. Meessen( und Chirurgische Klinik (Direktor der Klinik A: Prof. Dr. K. Kremer( der Universität Düsseldorf

Die bisher durchgeführten pedalen Lymphographien erfassen nicht vollständig den Lymphabfluß der Harnblase. Es wird eine neue Methode vorgestellt, mit der Lipiodol®-Ultra-Fluid unter endoskopischer Sicht in die Submucosa der Harnblasenwand injiziert wird. Bei 27 endovesikalen Lymphographien konnten die Ln. vesicales anteriores, posteriores et laterales, die Ln. obturatorii, die Ln. iliaci externi et interni und die Ln. iliaci communes dargestellt werden. Die Wand der menschlichen Harnblase besitzt ein relativ dichtes Lymphgefäßsystem mit feinkapillären Aufzweigungen (11). Uber kleinere Sammelgefäße (Kollektoren) erfolgt der Lymphabfluß in die regionalen Lymphknoten (7, 8). Die efferenten Lymphgefäße der Harnblase drainieren die Lymphonoduli (Ln.) vesicales anteriores et posteriores et laterales, Ln. glutaei superiores und Ln. obturatorii, sie finden Anschluß an die Gruppe der Ln. iliaci externi mediales, intermedii et laterales (2, 5). Vereinzelt bestehen Verbindungen zur Gruppe der Ln. iliaci communes (7). Die Abflußbahnen wurden experimentell durch Feststellung von Tuschepartikeln in den Lymphknoten, nach Injektion einer Farbsubstanz in die Harnblasenwand (1, 10) oder durch Kontrastdarstellung im Rahmen lymphangiographischer Untersuchungsverfahren nachgewiesen (S). Die bisher durchgeführten pedalen Lymphographien führen allerdings nur zu inkonstanten Lymphknotendarstellungen, wobei sie den lymphatischen Abfluß der Harnblase mit ihren regionalen Lymphknoten nicht voll erfassen (2). Gerteis (3) fand bei der direkten Lymphographie vom Fußrücken (pedale Lymphographie) die Ln. glutaei superiores in 48,3%, die Ln. obturatorii in 3,5% und die Ln. vesicales anteriores et laterales in keinem Fall mit Kontrastmittel gefüllt, Fuchs (2) machte ähnliche Angaben. Angeregt durch die Erfahrungen und Ergebnisse der Arbeiten von Gibert und Lee (4) sowie Schacht und Mitarbeitern (13) über Nachweis und Darstellung von Lymphknoten nach Injektion von Kontrastmittel (Lipiodol-UItra-FIuid) in Organe anderer Lokalisation (indirekte Lymphographie), haben wir den Versuch unternommen, die regionalen Lymphknoten der menschlichen

Harnblase darzustellen.

Methode Durch den Arbeitsschaft eines Zystoskops wurde eine flexible Sonde mit einem Kunststoffschlauch und einer vorschiebbaren Injektionsnadel in die Harnblase eingebracht. Unter Sicht wurde die Nadel bis zu 1,3 mm tief in die Submucosa eingestochen. Die Einstichstellen lagen im allgemeinen kreis- oder halbkreisförmig um den Tumor oder am Blasenhals. Lipiodol-Ultra-Fluid als Kontrastmittel wurde mit einer Motorpumpe (Perfusor) in die Submucosa infiltriert. Bei einer Injektionsdauer von jeweils bis zu 6 Minuten wurden bis zu 5 ml Lipiodol insgesamt deponiert. Die Untersuchung wurde in Spinal- oder Periduralanästhesie durchgeführt, der Untersuchungsvorgang dauerte 60-90 Minuten. Röntgenuntersuchungen erfolgten direkt nach der Untersuchung, ferner nach 6, 24, 48 und 72 Stunden und später bis zu 2 Wochen. Alle Patienten wurden operiert (transurethrale Elektroresektion oder Zystektomie), die Operationspräparate wurden histologisch untersucht.

Ergebnisse Bisher konnte bei 27 Patienten eine endovesikale Lymphographie der Harnblase durchgeführt werden. Nach histologischer Absicherung bestand diese Gruppe aus zwei Fällen mit Urocystitis cystica (Abbildung 1a'), sieben Fällen mit Harnblasenpapillomen (drei gutartige, vier atypische) und 18 Fällen mit Harnblasenkarzinomen.

Komplikationen oder unerwünschte Nebenreaktionen (Allergie) haben wir nicht beobachtet. Das Kontrastmittel verteilt sich nach der Injektion innerhalb von 10 Stunden in der Submucosa der Hamblasenwand, dabei lassen sich zum Teil tumorbedingte

Aussparungen erkennen. Nach 10-12 Stunden kommen zarte, lang ausgezogene Kontrastmittelstraßen der tieferen Wandschichten zur Darstellung. Histologisch konnten diese bei Zystektomiepräparaten als Lymphkapilla*

Abbildungen 1-3 siehe Tafeln Seite 1037-1038

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R. Bäcker, F. Huth und A. Jünemann

the regional lymph nodes of the urinary bladder

ren und Lymphsammelgefäße nachgewiesen werden. Die Lipiodol-führenden Lymphgefäße sind weitgestellt und lassei eine schaumzellige Reaktion des Endothels auf das Kontrastmittel erkennen (Abbildung lb). Diese Kontrastmittelstraßen überkreuzen nicht selten die Blasenmitte. Nach 24 Stunden füllen sich die ersten regionalen Lymphknoten der Harnblase, das Lymphogramm ist meist nach 2-3 Tagen vollständig. Spätere Speicheraufnahmen liefern keine weiteren Informationen. Mit der beschriebenen Methode kamen folgende Lymphknoten zur Darstellung (Abbildung 2 und 3): Ln. vesicales anteriores, posteriores et laterales, Ln. obturatorii, Ln. iliaci externi et interni, Ln. iliaci communes. Histologisch zeigen diese Lymphknoten die typische grobvakuoläre Fremdkörperreaktion auf das gespeicherte Lipiodol (Abbildung 1 c und d).

Diskussion In der klinischen Urologie hat die lymphographische Tumordiagnostik beim Harnblasenkarzinom einen festen Platz im Rahmen der komplexen Untersuchungsverfahren (12), obwohl sie in der Fragestellung beginnender tumoröser Invasion perivesikaler Lymphknoten bisher enttäuscht hat (9). Bei der pedalen Lymphographie wird das Kontrastmittel in bekannter Weise nach der Technik von Kinmonth (6) an beiden Fußrücken intralymphatisch injiziert. Der Lymphabfluß der Harnblase wird mit dieser Methode jedoch unvollständig erfaßt, da nur die regionalen Lymphknoten dritter Ordnung Kontrastmittel konstant speichern und damit der röntgendiagnostischen Beurteilung zugänglich sind. Durch endoskopische Injektion von Kontrastmittel in die Harnblasenwand ist es erstmals möglich geworden,

Rocker u. a.: Darstellung der regionalen Lymphknoten der Harnblase

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die regionalen Lymphknoten erster und zweiter Ordnung anzufüllen. Dabei zeigte sich auch ein kontinuierlicher Abfluß des Kontrastmittels bis in die Lymphonoduli iliaci externi et communes. Eine frühe röntgenologische Beurteilung beginnender tumoröser Infiltration von Harnblasentumoren und die Erfassung von Metastasen in den regionalen Lymphknoten erscheinen möglich. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob mit Hilfe dieser Methode eine präzisere Indikationsstellung zur chirurgischen Behandlung bösartiger Harnblasentumoren und eine gezielte Beseitigung metastatischer Tumorabsiedlungen möglich sind. Literatur Baker, R.: A physiological study of vesical lymphatics. J. Urol. (Baltimore) 71)1954), 435. Fuchs, W. A.: Die Lymphographie bei Harnblasentumoren. Radiologe 8 (1968), 180.

Gerteis, W.: Lymphographie und topographische Anatomie des Beckenlymphsystemes (Enke: Stuttgart 1966). Gibert, P., B. J. Lee: Direct transtissue intra-organ lymphography. Technique and results. Lymphology 6 (1973), 19.

Hauswirth, H.: Klassische Metastasierungswege. Radiologe 8 (1968), 158.

Kinmonth, 1. B.: Lymphoangiography in man. Clin. Sei. 11)1952), 13. Kubic, S.: Anatomie des Lymphsystems. Radiol. clin. (Basel) 42 11973), 243.

Kubic, S.: The efferent vessels and the regional lymph nodes of the kidney, the ureter, the urinary bladder, and the male genital organs. In: Ruttimann, A. (rd.): Progress in Lymphology I (Thieme: Stuttgart 1967), 179. Mayor, G.: Urology. In: Riittimann, A. (rd.): Progress in Lymphology I (Thieme: Stuttgart 1967), 178. Powell, O.: Studies in the lymphatics of the female urinary bladder. Surg. Gynec. Obstet. 78 (1944), 605. Renyi-Vamos, F.: Das Lymphsystem der Harnblase. Acta chir. Acad. Sci. hung. 1(1960), 33. Rummelhardt, S., H. Fussek: Die Lymphangloadenographie in der Urologie. Urologe 9 (1970), 333. Schacht, U., A. Jünemann, H. J. Becker, F. Huth, D. Moschinski, P. P. Palomba: Erste Ergebnisse der Lymphographie des menschlichen Magens. Dtsch. med. Wschr. 99 (1974), 616.

Dr. R. Böcker Urologische Universitätsklinik

Prof. Dr. F. Huth Pathologisches Institut der Universität

Privatdozent Dr. A. Jünemann Chirurgische Universitätsklinik A 4000 Düsseldorf, Moorenstr.

S

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Nr. 27, 2. Juli 1976, 101. Jg.

Zur Arbeit Böcker u. a. (Seite 1030-1031)

Eine neue Methode zur Darstellung der regionalen Lymphknoten der Harnblase

4' pl

Abb. 1 a. Gefaltete Harnblasenwand mit chronischer Urocystitis. Basal eine grob-vakuoläre Auflockerung und Fremdkörperreaktion der Submucosa 7 Tage nach Injektion von Lipiodol. Hämatoxylin-Eosin, 28 : 1.

Abb. 1 b. Dilatation eines Lymphgefäßplexus in der äußereii Harnblasenwand mit angedeuteter schaumzelliger Reaktion des F.udothels unter Lipiodoltransport. Hämatoxylin-Eosin, 110: 1.

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1038 Zur Arbeit Böcker u. a. (Seite 1030-1031)

Abb. I d. Riesenzellige Reaktion neben vakuolärer Aussparung im lymphatischen Gewebe desselben Lymphknotens nach Lipiodolspeicherung. Hämatoxylin-Eosin, 304: 1.

Abb. 1 e. Dilariertes klappentragencles affetenres Lymphgefäß eines grobblasig aufgelockerten paravesikalen Lymphknorens (oben) unter Lipiodolspeicherung. Hämatoxylin - Eosin, 65 1. :

Abb. 2. Links: Lymphogramm eines Patienten mit Harnblasenkarzinom. Deutliche Darstellung eines Ln. vesicalis anterior ohne Kontrastmitteldefekte. Rechts: Röntgenbild des operativ entfernten Lymphknotens (Vergrößerung 4 1) mit einem afferenten Lymphgefäß (oben). :

Abb. 3. Lymphogramm eines Patienteii mit inoperablem Harnblasenkarzinom. Mehrere regionale Lymphknoten (Pfeile) kommen zur Darstellung, zum Teil

mit Kontrastmittelaussparungen.

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Eine neue Methode zur Darstellung der regionalen Lymphknoten der Harnblase

[A new method of demonstrating the regional lymph nodes of the urinary bladder (author's transl)].

Pedal lymphography as used up to now does not fully demonstrate the lymphatic drainage of the bladder. A new method is presented in which Lipiodol-Ult...
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