Der interessante Fall 857

Seltene Ursache einer Stenose des äußeren Gehörgangs

thologischen Veränderungen. Die Mittelohrschleimhaut war jedoch aufgelockert.

Diagnose

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Eine 60-jährige Frau stellte sich in der Klinik für HNO-Heilkunde mit einer Stenose des linken äußeren Gehörgangs vor. Die Patientin klagte über eine progrediente Hörminderung sowie zunehmende Schwierigkeiten bei der Reinigung des Gehörgangs. Schwindel und Tinnitus lagen nicht vor. Es bestand ein Zustand nach 3-maliger Tympanoplastik sowie Mastoidektomie des linken Ohres in auswertigen Kliniken. Zuletzt war 2004 aufgrund einer Gehörgangsstenose eine Operation erfolgt. Damals wurde aufgrund des CT-Befunds der Verdacht auf eine fibröse Dysplasie des Os temporale mit Verlegung des äußeren Gehörgangs gestellt. Zum Zeitpunkt der Vorstellung war der linke Gehörgang erneut obstruiert.

zur operativen Gehörgangserweiterung und sanierenden Ohroperation gestellt.

Die histologische Aufarbeitung des Materials aus dem äußeren Gehörgang ergab ▶ Abb. 4). ein Meningeom WHO Grad I (●

Therapie

Verlauf

Intraoperativ fanden sich insbesondere vom Dach und der Vorderwand des knöchernen Gehörgangs ausgehende ossifizierende Strukturen, welche sich in das Lumen des äußeren Gehörgangs vorwölbten. Diese wurden abgetragen und ▶ Abb. 3). Das histologisch aufgearbeitet (● Trommelfell zeigte sich intakt und narbig verändert. Nach Auslösen des Trommelfells fanden sich im Mittelohr keine pa-

Das im Anschluss an die Operation durchgeführte MRT zeigte keinen Anhalt für ein Meningeom. Es wurde ein meningealer Reizzustand, am ehesten aufgrund chronisch entzündlicher Prozesse in dieser Region gesehen. Zusätzlich erfolgte eine neurochirurgische Vorstellung, welche den MRT-Befund bestätigte, sodass von einer vollständigen Entfernung des Meningeoms auszugehen war und ein intrakranielles Meningeom ausgeschlossen werden konnte. Die Patientin verblieb in engmaschiger HNO-ärztlicher und neurochirurgischer Kontrolle. Bei einer Wiedervorstellung nach 6 Monaten war der linke Gehörgang weit, jedoch noch schmierig belegt, sodass eine Streifenbehandlung mit antibiotischen Salben emp-



Befund



Die linksseitige Stenose des knöchernen Gehörgangs umfasste ca. drei Viertel der Zirkumferenz. Hinter der Stenose zeigte sich der Gehörgang schmierig belegt. Das Trommelfell war nicht einsehbar. Der weitere HNO-Status war unauffällig. Die Tonschwellenaudiometrie ergab links eine kombinierte Schwerhörigkeit mit Senke der Schallempfindungsschwelle zwischen 2 und 4 kHz auf 30 dB und einer durchschnittlichen Schallleitungskomponente von 20–30 dB. In der Computertomografie stellten sich ausgeprägte Sklerosierungen der temporalen Schuppe mit periostalen Auflagerungen und deutlicher Hypertrophie dar. Es bestand bildmorphologisch der Verdacht auf eine fibröse Dysplasie. Zusätzlich wurde eine weichteildichte Ummauerung der Gehörknöchelchenkette beschrieben, wobei ein Cholesteatom nicht ausgeschlos▶ Abb. 1 und 2). sen werden konnte (●



Abb. 1 CT-morphologische Darstellung der Stenose des linken äußeren Gehörgangs (weißer Pfeil). Abb. 3 Einengung des äußeren linken Gehörgangs (weißer Pfeil) durch knochenähnliches Material (schwarzes Sternchen = Gehörgangsdach).

Verdachtsdiagnose



Zur weiteren diagnostischen Abklärung und unter dem Verdacht einer fibrösen Dysplasie des Os temporale mit Cholesteatom des Mittelohrs wurde die Indikation

Abb. 2 Knochenvermehrung mit milchglasartiger Struktur im Bereich des Os temporale (schwarzes Sternchen).

Abb. 4 Histologische Aufarbeitung des entnommenen Materials mit Bild eines intraossären Meningeoms WHO Grad I. HE-Färbung.

Hädicke J et al. Seltene Ursache einer Stenose … Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 857–858 ∙ DOI 10.1055/s-0034-1384528

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Anamnese

fohlen und ein erneuter Kontrolltermin vereinbart wurde.

Diskussion



Die Aufnahme der Patientin und auch die gehörgangserweiternde Operation erfolgten aufgrund der Vorbefunde alio loco unter der Verdachtsdiagnose fibröse Dysplasie. Interessant ist, dass sowohl der klinische und der bildmorphologische, als auch der intraoperative Befund diese Verdachtsdiagnose stützten. Daher war das histologische Ergebnis eines intraossären Meningeoms überraschend. Intrakranielle Meningeome gehören zu den häufigsten Hirntumoren (15–18 %). Ektope (extradurale) Meningeome sind hingegen sehr selten. Für die Entstehung ektoper Meningeome gibt es 4 Theorien: Erstens: Es handelt sich um die Erweiterung eines intrakraniell gelegenen Meningeoms. Zweitens: Sie entstehen durch die Auswanderung von Arachnoidzellen entlang von Nervenscheiden. Drittens: Es sind Metastasen von intrakraniellen Meningeomen [Michel et al., Ann Otol Rhinol Laryngol 1979, 88: 407–412]. Viertens: Durch ein Trauma mit erhöhtem äußerem Druck auf den Kopf (z. B. bei der Geburt) werden arachnoidale Zellen in extradurale Bereiche verschleppt [Van Tassel et al., Skeletal Radiol 1991, 20: 383–386]. Es sind nur wenige Fälle bekannt, in denen ektope Meningeome im Bereich des Ohres und des Os temporale auftreten ( < 1 % aller Meningeome). In den meisten Fällen wird über eine intrakranielle Ausdehnung des Prozesses berichtet. Es gibt nur einige Einzelfallberichte, in denen ein Kontakt zu den Meningen nicht nachgewiesen werden konnte. Diese wurden meist diagnostiziert, bevor moderne bildgebende Verfahren wie MRT- und CT-Untersuchungen regulär Einzug in die Diagnostik fanden. Eine der größten Studien zu ektopen Meningeomen im Bereich des Os temporale stammt von Thompson et al., 2003 und umfasst 36 Fälle, wobei der Tumor meist im Mittelohr (n = 25) und nur selten im äußeren Gehörgang zu

finden war (n = 4) [Thompson et al., Mod Pathol 2003,16: 236–245]. Im äußeren Gehörgang äußert sich das ektope Meningeom meist durch eine polypöse Vorwölbung. Es existieren nur Einzelfallbeschreibungen, in denen sich ein intraossäres Meningeom als Wandverdickung, ähnlich einer Exostose oder der fibrösen Dysplasie des Gehörgangs darstellt [Kumar et al., Eur Arch Otorhinolaryngol 2006, 263: 426–429]. Ob bei dem vorliegenden Fall von einem intraossären Meningeom ohne Verbindung zu den Meningen auszugehen ist, kann aufgrund der mehrfachen Voroperationen nicht beantwortet werden. In dem uns vorliegenden MRT ist aktuell kein intrakranielles Meningeom oder ein meningiomverdächtiger Prozess zu erkennen. Auszuschließen ist jedoch nicht, dass bei der vor Jahren durchgeführten Mastoidektomie die Dura freigelegt und meningeales Gewebe in den Bereich des äußeren Gehörgangs verschleppt wurde. Therapeutisch wird in der Literatur die komplette Exzision des intraossären Meningeoms empfohlen, nur so kann ein weiteres Wachstum verhindert werden. Rezidive werden in Abhängigkeit vom Nachbeobachtungszeitraum in 7–84 % der Fälle beschrieben [Thompson et al., Mod Pathol 2003,16: 236–245]. Eine zusätzliche Radiatio kann bei Meningeomen erwogen werden. Hier fehlen jedoch Studien für intraossäre Meningome. Da das ektope Meningeom sehr langsam wächst, wird eine Nachbeobachtungsperiode von mind. 10–15 Jahren empfohlen. Die Magnetresonanztomografie ist hierbei als bildgebendes Verfahren der Computertomografie überlegen. Im vorgestellten Fall erfolgen regelmäßige otologische Nachkontrollen. Im weiteren Verlauf werden MRT- und CT-Bildgebung erfolgen, um ein Rezidiv sicher ausschließen zu können oder aber im Fall eines Wiederauftretens des intraossären Meningeoms zügig intervenieren zu können. Die CT-morphologische Ähnlichkeit des intraossären Meningeoms mit der fibrösen Dysplasie, einer ebenfalls seltenen

Ursache für eine Stenose des äußeren Gehörgangs, ist bereits mehrfach in der Literatur beschrieben worden [Hamilton et al., Am J Neuroradiol 2006, 27: 2204– 2209]. Beide zeigen eine Verdickung der betroffenen knöchernen Strukturen und können eine „milchglasähnliche“ Erscheinung im CT aufweisen. Hilfreich bei der Differenzierung kann hierbei das Alter der Patienten sein, da die fibröse Dysplasie vorrangig bei jüngeren Patienten diagnostiziert wird und meist mit der Pubertät zum Stillstand kommt. Das intraossäre Meningeom hingegen tritt gehäuft bei Frauen (Frauen: Männer = 3:2) im Alter von 40–60 Jahren auf und zeigt ein langsames Wachstum. Eine sichere Abgrenzung des intraossären Meningeoms auch von anderen Differenzialdiagnosen, wie bspw. Paragangliomen, Schwannomen, Karzinomen oder Melanomen, erlaubt jedoch nur die Probengewinnung mit histologischer Aufarbeitung.

Fazit für die Praxis



▶ das intraossäre Meningeom als Ursache einer Stenose des äußeren Gehörgangs stellt ein extrem seltenes Krankheitsbild dar ▶ in der Schnittbildgebung lässt es sich schwer von anderen tumorösen Raumforderungen, wie z. B. der fibrösen Dysplasie, unterscheiden, daher ist eine histologische Sicherung essenziell ▶ therapeutisch ist eine vollständige Entfernung des Meningeoms anzustreben ▶ aufgrund der hohen Rezidivwahrscheinlichkeit sowie dem langsamen Wachstum sollte die Nachbeobachtungsperiode 10–15 Jahre betragen

Interessenkonflikt: Kein Interessenkonflikt angegeben. J. Hädicke, J. Langer, K. Begall; HNO, Ameos Klinikum, Halberstadt

Hädicke J et al. Seltene Ursache einer Stenose … Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 857–858 ∙ DOI 10.1055/s-0034-1384528

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858 Der interessante Fall

[A rare cause of an external ear canal stenosis].

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