516

Akute Tonsillitis — Peritonsillitis — Paratonsillarabszell:

Differentialdiagnose durch flexible Endosonographie W fleppt', W Issing2 I

Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. H. Weidauer) 2Klinik und Poliklinik Dir Hals-Nasen-Ohrenkranke der Universität Miinchen (Direktor: Prof. Dr. E. Kastenbauer)

____________

Zur Beurteilung des Stellenwertes der flexi-

blen Endosonographie in der Diagnostik akuter Tonsillenerkrankungen und ihrer Komplikationen wird Erfahrungen an 59 Patienten berichtet. Die Ergebnisse zeigen, dalI die flexible Endosonographie in der Lage ist, die Krankheitsbilder akute Tonsillitis, Peritonsillitis und ParatonsillarabszeB zu differenzieren und insbesondere retrotonsilläre Abszedierungen

mit ihren unter Umständen lebensgefáhrlichen Komplikationen frUhzeitig zu erfassen.

Schlüsselwörter Flexible Endosonographie — Differentialdia-

gnose Tonsillitis Paratonsillarabszeil

Einleitung Der Paratonsillarabszell ist die hãufigste Komplikation der akuten Tonsillitis und insbesondere aufgrund eines

drohenden Larynxödems sowie eines Einbruches in den parapharyngealen Raum geflirchtet (1,6—8). Trotz einer pathognomonischen Beschwerdesymptomatik mit mehrtagigem freiem Interval! nach akuter Angina, neu einsetzenden Schluckbeschwerden, Fieber und beginnender Kieferklemme fehlen jedoch klinisch oft die typischen Zeichen einer paratonsillären Abszedierung. Insbesondere retrotonsillär gelegene Abszesse können nach mehrfachen negativen Probepunktionen ilbersehen

Acute Tonsillitis — Peritonsihitis —

Paratonsilar Abscess: Diagnosis by Flexible Endosonography

The role of flexible endosonography in diagnosis of acute tonsillitis and their complications was investigated in 59 patients. Our results show that flexible endosonography enables the examiner to differentiate acute tonsillitis from peritonsillitis and paratonsillar abscess. In particular, abscesses of retrotonsillar spread possibly leading to life-threatening complications can be detected in an early stage. Key words Flexible Endosonography — Differential DiParatonsillar Abscess

agnosis — Tonsillitis

konservativ behandelt wurden, erfolgte bei 21 Patienten infolge des Verdachtes auf Paratonsillarabszeil eine Tonsillektomie ,,a chaud", bei acht Patienten die Spaltung eines Peritonsillarabszesses in Lokalanästhesie. Eine präoperatlve Probepunktion wurde bei allen 29 Patienten mit dem klinischen Verdacht auf ParatonsillarabszeB durchgefuhrt. I 8mal fiel die Punktion positiv aus; in 11 Fallen (5 Pen-, 2 Retrotonsillarabszesse, 4 Peritonsill itiden) fehlte die Eiteraspiration. Die endosonographische Untersuchung erfolgte vor Einleiten der Therapie bzw.

vor Durchfiihrung von Operation und Punktion mit einer flexiblen, digital ftihrbaren Ultraschallsonde, die unter einem Einmalhandschuh getragen und nach Schleimhautanbsthesie auf die Tonsillenoberfläche aufgesetzt wurde (Abb. 1,2). Dabei standen wahiweise Frequenzen von 5 und 7,5 MHz zur Verfugung.

und als akute Tonsillitis bzw. Peritonsillitis fehlinterpretiert werden.

Abb. 1 Flexible

In Anbetracht derjungsten Ergebnisse flber den

Einsatz der flexiblen Endosonographie zur Darstellung von Mundhöhlen- und Oropharynxkarzinomen (4,5) stellt sich die Frage, inwieweit das Verfahren auch zur Differentialdiagnostik der akuten Tonsillitis und ihrer Komplikationen herangezogen werden kann.

Materiah/Methode Tm Rahmen einer Studie wurden 59 Patienten untersucht, von denen 30 an einer akuten Tonsillitis, 22 an einem Pen-, 3 an einem Retrotonsillarabszell sowie 4 an ciner Peritonsilhitis litten. Wahrend alle 30 Personen mit klinisch eindeutigen akuten Tonsillitiden Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992) 516 518 Georg Thieme Verlag Stuttgart New York

Endosonographie: Digital fuhrbare Ultraschallsonde mit wahlweiser Untersuchungsfrequenz von 5 und 7,5 MHz.

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

Zusammenfassung

Akute Tonsillitis — Peritonsillitis — Paratonsillarabsze/3

Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992) 517 echoleere Areale wiesen auf lokalisierte Kryptenabszesse, inho-

mogene teilweise hyporeflexible Bezirke auf Detrituspfropfe bin. Im Gegensatz hierzu war die Peritonsillitis (Abb. 4) durch eine echoarme, auf das peritonsiiiare Gewebe Raumforderung gekennzeichnet. Die Tonsillenkapsel — normalerweise em schmaler echoreicher Saum — lie!3 sich oft nicht

mehr scharf abgrenzen. Peritonsillär eingestreute, meist unregelmäl3ig begrenzte, echoleere Bezirke waren bei einer beginnenden Abszedierung zu beobachten.

Abb. 2 Flexible Endosonographie: Bei der Untersuchung wird die Ultraschallsonde unter einem Einmalhandschuh getragen und ggf. nach Obertlachenanasthesie auf die interessierende Schleimhaut-

Ergebnisse

Mit der gezeigten Untersuchungstechnik konnten sowohi ffir die klinisch eindeutigen Tonsillitiden, als auch ihre Komplikationen charakteristische endosonographische Befunde ermittelt werden, wenngleich bei drei operierten Patienten die präoperative endosonographische Diagnose nicht mit Einmal wurde em kleiner dem Operationssitus Peritonsiliarabszefi als Peritonsillitis, zweimal eine Peritonsillitis als beginnender Peritonsillarabszel3 fehiinterpretiert. Alle drei Retrotonsillarabszesse konnten präoperativ sicher endosonographisch erkannt werden.

Nicht akut entzündlich veränderte Tonsillen stellen sich normalerweise echoarm dar, sind gut abgrenzbar und besitzen aufgrund oberflächiicher Luftblasen belle Reflexstreifen. Bei den im Rahmen der Studie untersuchten Patienten mit akuter Tonsillitis fanden sich vergröl3erte, jedoch weiter gut abgrenzbare echoarme Tonsillen (Abb. 3). Kleinere eingestreute

Abb. 4 Flexible Endosonographie einer Peritonsillitis. Die echoarme Raumforderung greift auf des peritonsillare Gewebe Uber und ist telweise nicht mehr exakt von der Umgebung abzugrenzen (Pfeile).

Bei Vorliegen eines Peritonsillarabszesses (Abb. 5 a) fand sich zwischen Unterkieferschallschatten und Tonsille cine echoarme Raumforderung mit gröl3eren echoleeren Arealen. Nach Abszel3spreizung (Abb. Sb) verschwanden die echoleeren Areale. Die mit Blut, Luftblasen und Sekret an-

geffihite Abszel3höhle erschien irthomogen und wies em hypore-

flexibles bis echoreiches irreguläres Binnenecho auf. Alle 3 Retrotonsillarabszesse konnten in der vor]iegenden Studie endosonographisch diagnostiziert werden. Während der transkutanen B-mode-Sonographie die retrotonsilläre Abszedierung entging, gelang ihr der Nachweis endosonographisch. Der AbszeB liel3 sich in alien Fallen als hinter der Tonsille gelegenes, echoleeres Areal darstellen und war gut von der echoarmen, akut entzündlich veränderten Tonsille abgrenzbar (Abb. 6).

Diskussion Die flexible Endosonographie ist eine Untersuchungsmethode, die sich in der Darstellung von Mundhöhlenund Oropharynxtumoren auch im Vergleich mit anderen budgebenden Verfahren bewährt hat (4,5) und gerade bei kleinen his m ittelgrol3en Prozessen dieser Lokalisation als diagnosti sches

Mittel der Wahi anzusehen ist (4). Darüber hinaus kann die Endosonographie zur Darstellung von Eisbergtumoren der

Abb. 3 Flexible Endosonographie einer akuten Tonsillitis. Man erkennt typischerweise elne vergroBerte, jedoch gut abgrenzbare, echoarme Tonsille (Pfeile).

Glandula parotis eingesetzt werden (2). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dal3 flexibel endosonographisch auch eine Differenzierung der akuten Tonsillitis und ihrer unler Urnständen lebensgefáhrlichen Komplikationen gelingt.

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

region aufgesetzt.

518 Laiyngo-Rhino-OtoI. 71(1992)

Abb. 5a Flexibie Endosonographie eines Feritonsillarabszesses (Quer-

Abb. 5 b Flexible Eridosonographie des Feritonsillarabszesses (vgl.

schnitt). Laterosuperior, zwischen Tonsille (I) und Unterkieferschallschatten (UK) findet sich eine echoarme Raumforderung mit echoleeren Bezirken (Pfeile),

Abb. Sa) nach AbszeBspaltung (Langsschnitt). Die ehemals echoleeren Bezirke (Abszel3hOhle) sind verschwunden. An ihrer Stelle findet man echoreiche bis echoarme irregulare Binnenechos (Pfeile), weiche der mit Blut, Sekret und Luft gefUliten AbszeBhdhle entsprechen.

haften Kieferldemme im Rahmen eines Paratonsillarabszesses.

In diesen Fallen ist trotz qualitativer Abstriche auf die transkutane Sonographie zurückzugreifen. In alien Ubrigen Fallen bie-

tet das Verfahren die Vorteile einer schnell verfiigbaren, bei entspreehender Lokalanästhesie für den Patienten wenig belastenden Untersuehungsmethode.

Literatur

2

Abb. 6 Flexible Endosonographie eines Retrotonsillarabszesses (Langsschnitt). Hinter der Tonsille (echoarmes Areal) ist eine kleine, abgrenzbare echoleere Raumforderung (Abszedierung) zu erkennen (Pfeil).

Im Unterselited zur akuten Tonsillitis. welche endosonographisch durch eine vergrol3erte, echoarme, gut abgrenzbare Tonsille charakterisiert ist, findet man bei Vorliegen einer Peritonsillitis eine auf den peritonsillaren Raum fende echoarme, teilweise nicht exakt abgrenzbare Zone. Treten im Bereich der peritonsillären echoarrnen Zone echoleere Bezirke auf, mu!) von einer begirmenden Abszedierung ausgegangen werden. Em klassischer Paratonsillarabszefl ist durch eine meist laterosuperior (Pen-), seltener posterior (Retrotonsillarab-

szefl) der Tonsille gelegene echoleere, teilweise eehoarme Raumforderung charakterisi ert.

Nach unseren bisherigen Erfaht-ungen ist die flexible Endosonographie nieht nor in der Diagnostik retrotonsillarer (3), sondern auch peritonsillarer Abszedierungen der transkutanen Sonographie fiberlegen. A Is problemati sch erwei-

sen sich lediglieh endosonographisehe Untersuchungen bei Kindern sowie bei Patienten mit einer ausgeprägten, schmerz-

Dodds, B., A. .1 IvIaniglia: Peritonsillar and Neck Abscesses in the Pediatric Age Group. Laryngoscope 98 (1988) 956 959 f-Ieppt, W: Flexible Endosonographie zur Diagnostik von Eisbergtumoren der Glandula Parotis. Ultraschall Kim. Prax. 6 (1991) 102— 104 Heppt, W A. .1 Tasman: Retrotonsillarabszel3: Diagnostik durch flexible Endosonographie. HNO 39 (1991) 236 238 Heppi, IF, IF Issing: The role of flexible endosonography in diagnostic imaging of tumors of the oral cavity and oropharynx. J. cranio. max. surg. 20 (1992) 34—39 Heppt, IF: Flexible Fndosonographic: Fin neucs bildgcbendcs Verfahren im 1-IINO-Bereich. Otorhinolaryngol. nova 2 (1992) 39 42 Herbild, 0., P Bonding: Peritonsillar Abscess: Recurrence Rate and Treatment. Arch. Otolaryngol. 107 (1981) 540 542 Litman, R. et al.: A Retrospective Study of Pcritonsillar Abscesses.

Far Nose Throat J. 66 (1987)21 24 Pvfourei; H.: EntzOndungen des Rachens. In Berendes, .J., R. Link, F Zbllner (1-Irsg.): Hals-Nasen-Ohrcnheiflcunde in Praxis und Klinik,

Bd. III. Thiemc, Stuttgart New York (1982) 4.42 4.48

Dr. WHeppt Univ.-HNO-Klinik Heidelberg Im Neucnheimcr Feld 400 6900 I-leidelbcrg

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

W Heppi, W Issing

[Acute tonsillitis--peritonsillitis--paratonsillar abscess: Differential diagnosis by flexible endosonography].

The role of flexible endosonography in diagnosis of acute tonsillitis and their complications was investigated in 59 patients. Our results show that f...
279KB Sizes 0 Downloads 0 Views