Biomedizinische Technik Band 37 Heft 1-2/1992

Endoskopische Operationen am Kniegelenk

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Biomed. Technik 37 (1992), 11-13

J. Scholz Th. Kühling Th. Turczynsky

Die Vorteile der Arthroskopie des Kniegelenkes The Advantages of Arthroscopic Knee Surgery Orthopädische Abteilung des Krankenhauses Berlin-Neukölln (Chefarzt Dr. J. Scholz)

Schlüsselwörter: Arthroskopie, arthroskopische Operationen, Endoskopie, Meniskektomie, Videoketten Endoskopische Operationen sind weitaus gewebeschonender als konventionelle chirurgische Eingriffe. Durch die Entwicklung eines optischen Systems, das durch eine Chipkamera mit einer Videokette verbunden ist, sind arthroskopische Operationen, insbesondere am Kniegelenk, bei hervorragender Bildqualität und Befunddokumentation möglich. Neben dem gewebeschonenden Vorgehen verbessern sich die diagnostischen Möglichkeiten und die Eingriffe können auf das absolut notwendige Minimum beschränkt werden. Dies bedeutet insbesondere für die Meniskuschirurgie, daß bei Meniskusverletzungen nur die zerstörten Areale entfernt werden und der erhaltene Restmeniskus weiterhin seinen wesentlichen Anteil an der Biomechanik des Kniegelenkes behält. Die aktuellen technischen Geräte, die Operationstechnik und die Vorteile der Arthroskopie des Kniegelenkes werden dargestellt. Key-words: Arthroscope — arthroscopic procedures — endoscope — menisectomy — video chains Arthroscopic surgery causes considerably less soft tissue damage than conventional surgery. As the result of the development of an optical System employed with a chip camera and a video chain arthroscopic knee surgery can be ideally documented with excellent picture quality. Besides the advantage of soft-tissue sparing procedures, diagnosis is substantially improved and operative procedures can be kept to a minimum. This means, in particular in the case of meniscus procedures, that only the damaged areas are removed, this minimising changes to the biomechanics of the knee. The technical equipment, the arthroscopic surgery technic and the advantages of the knee arthroscopy are discussed.

Die endoskopische Darstellung von Körperhöhlen ist für den Arzt reizvoll, bietet sie ihm doch die Möglichkeit einer direkten unverfälschten Betrachtung von Organsystemen und die Chance, ohne größere Gewebszerstörungen Eingriffe vorzunehmen. Die Darstellung großer Höhlen wie die Blase, der Bauchhöhle und des Magens war bereits mit einfacheren optischen Instrumenten möglich und wird seit etwa 100 Jahren durchgeführt.

verbessert. Neben dieser zusätzlichen operationstechnischen Sicherheit bietet das Monitorbild den Vorteil der besseren Beurteilbarkeit und erlaubt sowohl dem Operateur als auch dem Operationsassistenten und dem Patienten eine direkte Mitbeurteilung des Befundes. Parallel zu dieser Entwicklung wurde ein Instrumentarium konzipiert, das teils mechanisch bedient, teils motorgetrieben alle operativen Eingriffe im Gelenk auf kleinstem Raum ermöglicht.

Auch für diagnostische und therapeutische Behandlungsverfahren am Bewegungsapparat schien ein vergleichbares Vorgehen reizvoll. Bereits 1920 und 1921 erschienen erste Erfahrungsberichte von Bircher und Watanabe über die Arthroskopie des Kniegelenkes. Das Kniegelenk bot sich als erstes geeignetes Gelenk für endoskopische Darstellungen an, da es ebenfalls aufgrund seiner anatomischen Bauweise eine erreichbare und überschaubare Gelenkhöhle besitzt. Schwierigkeiten mit einer mangelhaften Bildqualität wurden erst Anfang der 70er Jahre mit der Entwicklung optischer Systeme gelöst, die ein ausreichend scharfes Bild bei ausreichender Lichtstärke boten. Ale problematisch angesehen wurden Sterilitätsprobleme, da die direkte Nähe des Auges des Untersuchen mit dem sterilen Instrumentarium ein Infektionsrisiko darstellte. Diese Problematik wurde entscheidend durch die Kopplung der Arthroskope mit steril verpackbaren Videokamera*

Auf der Basis dieser technischen Entwicklung sind nunmehr nicht nur arthroskopische Darstellungen des Kniegelenkes, sondern fast aller Gelenke möglich. Aufgrund der gewebsschonenden standardisierten Technik der Arthroskopie wird diese jetzt routinemäßig zur Diagnostik unklarer Befunde an Gelenken und zu operativen Eingriffen eingesetzt. Im Bereich des Kniegelenkes werden Meniskusschäden, Kapsel-, Band- und Knorpelläsionen sowie entzündliche und tumoröse Erkrankungen cndoskopisch diagnostiziert und behandelt. Technik der Arlhroskopie und apparative Ausstattung

Die Untersuchung des Kniegelenkes erfolgt in örtlicher oder regionaler Betäubung bzw. in Vollnarkom». Kino derartige Narkose ist erforderlich, da das optische Syitem mit einem Außendurchmesser von 6,5 mm nicht

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ausreichend schmerzfrei in das Kniegelenk eingeführt werden kann und Manipulationen an der Gelenkinnenhaut höchst schmerzhaft sind. Das Arthroskop besteht aus einer röhrenartigen Trokarhülse mit Zu- und Ablaufhahn, um ein Auffüllmedium (Flüssigkeit, Gas) zu- bzw. ablaufen zu lassen. Dieses Trokar wir mittels eines starren Mandrins in das Gelenk eingeführt, der Mandrin durch das optische System ersetzt. Die arthroskopische Optik entspricht einem Linsen- und Lichtleitsystem (Glasfaserbündel). Die heute gebräuchlichen Stablinsensysteme verfügen über einen weiten Blickwinkel und eine gute Bildhelligkeit. Winkeloptiken von 0°, 30° und 70° ermöglichen eine vollständige Beurteilung aller Gelenkabschnitte. Das Lichtsystem besteht aus einer regelbaren Kaltlichtquelle von 100 bis 250 Watt und einem Lichtleitkabel aus Fiberglas. Das optische System einschließlich Trokar wird an ein Videokettensystem angeschlossen, das aus Videokamera, Videorecorder und ggf. Videoprinter besteht. Die Zu- und Ablaufsysteme des Trokars ermöglichen die gleichzeitige Auffüllung des intraartikulären Raumes mit Flüssigkeiten oder Gasen, um diesen »aufzublähen«, was die Übersichtlichkeit verbessert. Durchgesetzt haben sich hierbei Flüssigkeiten (Ringer-Lösung oder Kochsalzlösung), die mit definiertem Druck über Rollenpumpensysteme eingebracht werden können. Die Umf angsdif f erenz zwischen Innendurchmesser des Trokars und Außendurchmesser der Optik bestimmt die Durchflußrate für das Auffüllmedium. Über eine zweite stichförmige Perforationsstelle von Haut und Kniegelenkkapsel lassen sich unter Sicht des Arthroskopes Operationsinstrumente einführen. Im Laufe der Zeit wurde eine Fülle von Instrumenten wie Tathaken, Scheren, Feilen, Küretten, Messer, Elektromesser sowie motorgetriebene Shaver entwickelt, die alle Eingriffe an allen Gelenkbinnenstrukturen schonend ermöglichen.

Bild 1. Trokarhülse mit spitzem und stumpfem Trokar.

Bild 2. Optik mit Chipkamera.

Vergleicht man den Stellenwert der Arthroskopie und arthroskopische Eingriffe gegenüber konventionellen diagnostischen Möglichkeiten und Eingriffen am Kniegelenk, dann ergeben sich folgende Gesichtspunkte: Die direkte optische Beurteilung sämtlicher Kniebinnenstrukturen ist allen anderen diagnostischen Maßnahmen überlegen, so daß von einer gesicherten Diagnosestellung ausgegangen werden kann. Die konventionelle Darstellung des Knieinnenraumes durch Artnrotomie ist weitaus traumatisierender und ermöglicht wegen der Enge des intraartikulären Raumes keine vollständige Übersicht. Endoskopische Operationen am Meniskus, an den Kniebandstrukturen und am Knorpel sind äußerst gewebsschonend und erlauben insbesondere für die Meniskuschirurgie den Eingriff auf das unbedingt erforderliche Ausmaß zu beschränken. Dies bedeutet, daß

Bild 3. Instrumente für arthroskopische Operationen.

lediglich die geschädigten Anteile eines Meniskus entfernt werden und somit der meist weitaus größere und erhaltenswerte Anteil dieser Knorpelstruktur geschont werden kann. Dies ist deshalb von wesentlicher Bedeutung, weil für die komplexe Biomechanik des Kniege-

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lenkes der Meniskus als bewegungsführende und stoßdämpfende Struktur von eminenter Bedeutung ist. Der Totalverlust des Meniskus führt langfristig zu unwiederbringlichen Knorpelschädigungen [l, 2].

Bild 4. Rollenpumpe, Kaltlichtquelle und Antriebseinheit für motorgetriebene Instrumente.

Eine derart differente Meniskuschirurgie ist, insbesondere in den hinteren Gelenkabschnitten ohne endoskopische Darstellung auf konventionell chirurgischem Weg nicht möglich. Entsprechend der äußerst geringen Gewebetraumatisierung, die alleine in zwei stichförmigen Perforationen von Haut und Gelenkkapsel besteht, ist die Rehabilitation eines endoskopisch operierten Kniegelenkes weitaus kürzer und unproblematischer als dies nach Arthrotomien der Fall gewesen ist, da die vollständige Durchtrennung der fibrösen und seriösen Kniegelenkkapsel eine mehrwöchige Ausheilungsphase erforderte. In vergleichbarer Weise lassen sich neben der bereits erwähnten Meniskus- und Bandchirurgie auch Knorpelveränderungen durch revitalisierende Maßnahmen oder Knorpelglättungen transarthroskopisch mühelos behandeln.

Bild 5. In das Kniegelenk eingebrachtes Arthroskop mit Lichtkabel. Zu- und Abüuß für Spülflüssigkeit.

Wegen der gesicherten Vorteile der Arthroskopie und der besonderen Betroffenheit des Kniegelenkes für Unfall- oder verschleißbedingte Schädigungen ist die Zahl der endoskopischen Eingriffe am Kniegelenk hoch. In der Orthopädischen Abteilung des Krankenhauses Berlin-Neukölln werden deshalb pro Jahr ca. 600 Kniegelenkarthroskopien durchgeführt. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist neben einer exakten Diagnostik des Kniebinnenschadens gleichzeitig eine endoskopische Operation erforderlich. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten konnte im Vergleich zu einer konventionellen Operationstechnik des Kniegelenkes von mehr als 10 Tagen auf 4 Tage gesenkt werden. Die Arthroskopie des Kniegelenkes stellt somit eine den Patienten wenig belastende sichere endoskopische Behandlungsmöglichkeit dar, die neben einer exakten Diagnosestellung auch ein gewebsschonendes operatives Vorgehen ermöglicht. Literatur:

[1] Dietschi, C.: Spätresultate nach Meniscektomie. Inaug. Diss., Zürich 1971. [2] Johnson, R. L, D. B. Kettclkamp, W. Clark, P. Leaverton: Factors af fecting late Results after Meniscektomie. J. Bone Jt.Surg56A,719(1974). 525

Bild 6. Bildschirm und arthroskopieche Darstellung einer MCniskueteilruptur.

Anschrift der Autoren: Orthopädische Abteilung Krankenhaus Berlin-Neukolln HuciowerStralJe48 D-1000 Berlin 47

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[Advantages of arthroscopy of the knee joint].

Arthroscopic surgery causes considerably less soft tissue damage than conventional surgery. As the result of the development of an optical system empl...
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