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Eine ungewöhnliche Differentialdiagnose zum Zungengrundkarzinom: Malakoplakie E. Seifert1, M. Jockers1 , P. Pfiester2 1 2

Hals-Nasen-Ohren-Klinik am Klinikum Mannheim, Universitat Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. U. Ganzer) Pathologisches Institut am Klinikum Mannheim, Universität Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. U. Bleyl)

Abb.1 Malako-

Anhand des Failbeispieles eines 68jãhrigen Patienten wird die Malakoplakie als Differentialdiagnose zum Zungengrundkarzinom dargestelit. Bisher sind sieben Patienten mit einer Manifestation dieser chronisch-entzundhchen Veranderung im Kopf-HalsBereich bekannt geworden. Die Histologie wird diskutiert; es folgt eine Empfehlung zur Therapie und eine kurze Literaturflbersicht. An Unusual Differential Diagnosis in Cancer of the Base of the Tongue: Malacoplakia

A rare case is presented of a 68-year-old patient, suffering from malacoplakia of the base of the tongue. Up to now, only seven patients with manifestations of this chronic inflammatory disease in head and neck have been reported. Histologic features and therapeutic approaches are discussed, followed by a short review of the literature.

Fallbeschreibung Em 68jãhriger Patient klagt seit eineinhalb Jahren zunehmende Schluckbeschwerden und Stimmveränderung. In einer HNO-Klinik war seinerzeit kein pathologischer Befund diagnostiziert worden.

Em Jahr später suchte der Patient erneut einen

Die Malakoplakie ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die hauptsächlich den Urogenitaltrakt, an zweiter Stelle den Gastrointestinaltrakt befällt. Eine Manifestation dieser Krankheit in anderen Organen ist in Einzelfällen beschrieben worden. Als Ursache der Malokoplakie vermutet man eine histiozytare Entzundungsreaktion bei gestörtem intrazellularem Bakterienabbau.

HNO-Arzt wegen dieser Beschwerden auf. Dabei wurde eine Verdnderung am linken Zungengrund festgestellt, die klinisch einem Plat-

tenepithel-Karzinom enrsprach. Mit dieser Einweisungsdiagnose wurde der Patient in unserer Kliriik aufgenommen. Bei der Inspektion des Mundes imponierte am linken Zungengrund em Ca. 10mm grofer brauner Wall mit zentralem Ulkus (Abb. 1). Bei der Palpation des Befundes lieI sich der Krater eher weich als typischerweise derb tasten. Der Proze1 war auf den Zungengrund selbst beschrãnkt. Vergrof?erte Lymphknoten liefen sich nicht palpieren, die iibrigen Spiegelbefunde waren unauffällig. Bei der histologischen Aufarbeitung

einer Probeexzision aus dem Zungengrund wurde statt des wahrscheinlichen Plattenepithelkarzinoms eine Malakoplakie diagnostiziert.

Zum Ausschlu1 eines zusätzlichen Herdes dieser Erkrankung wurden eine Röntgenuntersuchung des Thorax, eine Sonographie des Oberbauches und em Knochenszintigramm durchge-

führt. Weiter wurde der Patient zystoskopiert, gastroskopiert und koloskopiert. Alle Untersuchungen gaben keinen pathologischen Befund. Wegen des geringen Leidensdruckes lehnte dee Pa tient eine Therapie ab. Laryngo-Rhino-Otol. 69 (1990) 88—90 Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

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plakie linker Zungengrund

Zusammenfassung

Ungewohnliche Differentialdiagnose zum Zungengrundkarzinom: Malakoplakie

Laryngo-Rhino-Otol. 69 (1990) 89

Mikroskopisch finden sich zahireiche rnononukleäre Phagozyten, Histiozyten (sog. von Hansemann-Zellen) und meist intrazellulär gelegene kalkhaltige Körperchen, sog. Kalkospheriten oder Michaelis-Gutmann-Körperchen (Abb. 2).

Abb.2 Malakoplakie: Ansammiung groBer Makrophagen mit intrazellulär gelegenen Michaelis-Gutmann-Körperchen (DiastasePAS, Vergr. 4Omal, fotogr. nachvergror3ert).

Diskussion

Die Erstbeschreibung der typischen Zelleinschlüsse dieser Erkrankung erfolgte 1902 durch Michaelis und Gutmann (11), danach durch von Hansemann (7), der den Begriff ,,Malakoplakie" prãgte. Bisher sind sie-

ben Patienten mit einer Malakoplakie irn Kopf-Hals-Bereich bekannt geworden, und zwar zwei mit Manifestationen an den Tonsillen (5, 8), einer mit einer Manifestation im Nasopharynx (10), im Mittelohr (2), in der Kieferhöhle (13), in der Zunge(9) und in der Gi. Parotis(4). Der haufigste Manifestationsort der ingesamt seltenen Krankheit ist zu fast 60% das Urogenitalsystem, gefolgt vorn Gastrointe-

stinaltrakt mit ungefahr 12%. Bei der urogenitalen Form sind Frauen viermal so häufig betroffen wie Manner, bei sich dieses Verhältnis. anderen Regionen im Körper Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 50 Jahren, es sind aber auch Kinder mit Malakoplakie bekannt geworden. Bei der gastrointestinalen Form — und hierurn handelt es sich vermutlich bei einer Manifestation am Zungengrund — unterscheidet man drei Formen:

1. Unifokale Mukosaläsion 2. Multifokale Mukosaläsion 3. Ausgedehnte Lasionen (12) hãufig an ManDie Patienten leiden gelernährung, Kachexie oder anderen systemischen Erkrankungen. Bei der urogenitalen Form ist der Urin mit E. coli infiziert; Ietzteres wird als em Grund dafür diskutiert, da11 die Inzidenz bei Frauen in diesem Fall hóher als bei Männerri ist. Eine genetische Prädisposition scheint durch familiar gehauftes Auftreten nicht ausgeschlossen zu sein.

Makroskopisch äuIert sich die Malakoplakie als eine gelblich-bräunliche weiche Infiltration, oft mit zentraler Ulzeration und einer peripheren Hyperämie. In der frühen Phase bleibt das Oberflächenepithel intakt (15). Dieser Befund, der auf den ersten Buck an em Plattenepithelkarzinom erinnern könnte, ist palpatorisch aber nicht

derb, sondern eher weich (malakos, griechisch =weich).

Experimentell lassen sich die Kalkospheriten durch Injektion von Endotoxin und Antigenkomplexen von E. coli in Hoden und Nieren von Ratten erzeugen (3). Die Michaelis-Gutmann-Körper und die haufig anzutreffenden Bruchstücke von Bakterien in den Phagolysosomen im frühen Stadium der Erkrankung legen elite Störung im Abbau von Bakterien nahe. Auch die Existenz sog. ,,membranous whorls" in den Phagolysosomen und den Michaelis-Gutrnann-Körpern, die als Endprodukt der Phagozytose angesehen werden, scheinen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu spielen.

Bei vielen Patienten wurde em erhöhtes C-reaktives Protein nachgewiesen, eine verminderte Anzahl von T-Zellen und em hoher Anteil an Nulizellen. Intrazel-

lulãres cGMP, das die Freisetzung lysosomaler Enzyme fördert, ist ebenfalls vermindert (1).

Therapievorschlag und Prognose

Vitamin C bewirkt eine Steigerung von cGMP in Monozyten. Cholinergika verstarken die Produktion von I-Glukuronidase, einem lysosomalen Enzym, das den Abbau von Bakterien beschleunigt. Als Cholinergikum wird Bethanechol (z. B. Myocholine-Glenwood®) eingesetzt, zusätzlich das intrazellulär aktive Antibiotikum Gotrimoxazol (1, 16).

Dieses dreifache Therapieschema mit Vitamin C, Bethanechol und Cotrimoxazol wird auch bei der gastrointestinalen Manifestation der Malakoplakie empfohien, die als aggressive Form gilt und in etwa 35% der Fälle zu der Entstehung von Malignomen führt (14). Oftmals ist die Heilung eines Gebietes vom Auftreten einer erneuten Làsion an anderer Stelle im Organismus begleitet. Die Mortalitat, insbesondere bei Befall wichtiger Organe, kann bis zu 50% betragen.

Obwohl es sich bei der Malakoplakie urn keine maligne Erkrankung im eigentlichen Sinne handelt, ist eine langfristige Nachkontrolle erforderlich, urn eine Zunahme des Befundes rechtzeitig zu erkennen und dern Patienten jederzeit die Moglichkeit zu einer Therapie anbieten zu können.

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Die meisten Untersucher beschreiben eine Grenzmernbran urn die Michaelis-Gutrnann-Körper (Stanton und Mitarb. 1981). Elektronenrnikroskopisch wurden verschiedene Reifungsgrade dieser Kalkospheriten dargesteilt. Sie enthalten zu 95% em Glykolipid und zu 5% einen anorganischen Anteil, der aus Kaizium, Phosphor und Eisen besteht (16). Die Michaelis-Gutmann-Körper sind PASpositiv utid vorzugsweise paranukleär lokalisiert.

F. Seifert send Mitarb.: Malakoplakie

90 Laryngo-Rhino-Otol. 69(1990) Literatur

Dr. med. E. Seifert HNO-Klinik am Klinikum Mannheim

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Occurrence

Universitlt Heidelberg Theodor-Kutzer-Ufer 1—3 D-6800 Mannheim 1

in a Family. Dis. Colon Rectum 31

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(1988) 390—393

[An unusual differential diagnosis of cancer of the base of the tongue: malacoplakia].

A rare case is presented of a 68-year-old patient, suffering from malacoplakia of the base of the tongue. Up to now, only seven patients with manifest...
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