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Analyse der Arbeitsfähigkeit und gesundheitsbezogenen Lebensqualität im Rahmen bewegungsbezogener Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung in einem mittelständischen Unternehmen Analysis of Workplace Health Promotion and its Effect on Work Ability and Health-Related Quality of Life in a Medium-Sized Business Institute

Schlüsselwörter ▶ betriebliche Gesundheits● förderung ▶ Arbeitsfähigkeit ● ▶ Lebensqualität ● ▶ körperliche Aktivität ● Key words ▶ workplace health promotion ● ▶ work ability ● ▶ health-related quality of life ● ▶ physical activity ●

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1372625 Online-Publikation: 8.5.2014 Gesundheitswesen 2015; 77: 357–361 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0941-3790 Korrespondenzadresse Bianca Biallas, M. Sc. Zentrum für Gesundheit durch Bewegung und Sport Deutsche Sporthochschule Köln Am Sportpark Müngersdorf 6 50933 Köln [email protected]

B. Biallas1, I. Froböse2, M. Zöller2, C. Wilke2 1 2

Zentrum für Gesundheit durch Bewegung und Sport, Deutsche Sporthochschule Köln, Köln Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln, Köln

Zusammenfassung

Abstract

Die vorliegende Arbeit untersucht die Entwicklung der Arbeitsfähigkeit und gesundheitsbezogenen Lebensqualität (gLQ) in einem mittelständischen Unternehmen nach der Implementierung von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung mit dem Schwerpunkt Bewegung. Die Untersuchungsgruppe umfasst 75 Personen mit einem Durchschnittsalter von 36,6 ± 10,63 Jahren (55 Männer, 20 Frauen). Damit kann eine Teilnahmequote von 47 % erreicht werden. Die Ergebnisse zeigen, dass kaufmännische Angestellte signifikante Unterschiede in der Lebensqualität hinsichtlich körperlicher und psychischer Aspekte sowie in der Arbeitsfähigkeit aufweisen. Inaktive zeigen signifikante Veränderungen in der Lebensqualität für die Bereiche körperliche, psychische Aspekte und Kontext. Aktive weisen nur in der Arbeitsfähigkeit signifikante Verbesserungen auf. Als Schlussfolgerung kann festgehalten werden: D`ie Förderung der sportlichen Aktivität im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung wirkt sich positiv auf die Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten aus und ist somit ein Gewinn für die einzelne Person genauso wie für das Unternehmen.

This study analyses the effect of workplace health promotion on work ability and healthrelated quality of life in white-collar and bluecollar workers in a medium-sized business. The intervention group contains 75 subjects with a mean age of 36.6 ± 10.63 years (55 men, 20 women). The participation rate is 47 %. White-collar workers show improvement in their health-related quality of life regarding physical and psychological aspects and work ability. Physically inactive employees show improvement in their health-related quality of life regarding physical and psychological aspects as well as context. Active employees only show significant improvement in terms of work ability. In conclusion, the promotion of exercise in the context of occupational health promotion has a positive effect on quality of life and work ability of employees and, thus, is a benefit for both the individual as well as the business itself.

Einleitung

mentierung von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung mit dem Schwerpunkt Bewegung.







In der modernen Arbeitswelt sieht sich die Gesundheit des Arbeitnehmers einer steigenden Zahl an Risikofaktoren ausgesetzt. Fühlt sich der Arbeitnehmer beeinträchtigt, wirkt sich dies auf die empfundene Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit aus. Sportliche Aktivität nimmt positiven Einfluss auf die Gesundheit und damit auf die Faktoren Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit [1–4]. Die vorliegende Arbeit untersucht die Entwicklung der Arbeitsfähigkeit und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (gLQ) in einem mittelständischen Unternehmen nach der Imple-

Lebensqualität Trotz des allgemein steigenden Interesses verschiedener Forschungsrichtungen herrscht bislang kein einheitlicher Konsens über die Definition von Lebensqualität. Die WHO betrachtet Lebensqualität als subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben, welche durch den Gesundheitszustand in körperlicher, psychischer und sozialer Hinsicht sowie persönlicher Überzeugungen beeinflusst wird [5]. In der

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Autoren

Tab. 1 Beschreibung der Untersuchungsgruppe. Alter Ø Geschlecht männlich weiblich gesamt Sportliche Aktivität aktiv inaktiv gesamt Tätigkeitsbereich kaufmännisch gewerblich gesamt

36,6 ± 10,63 Häufigkeit 55 20 75 52 23 75 57 18 75

Medizin und Gesundheitsforschung ist der Terminus Lebensqualität erst spät in den 1970er Jahren eingeführt worden. Aus der Beziehung zwischen Gesundheit und Lebensqualität heraus etablierte sich schnell der Begriff „gesundheitsbezogene Lebensqualität“ (gLQ). Bullinger & Ravens-Sieberer [6] sehen die gLQ weniger als statische Größe, sondern als ein änderungssensitives Phänomen, die auf körperlichen, psychischen, sozialen und funktionalen Aspekten des Befindens und der Funktionsfähigkeit der Person beruht [7]. Ein vorrangiges Ziel der Lebensqualitätsforschung heute ist es, die weiterführende epidemiologische Information für Gesundheitsforschung und Politik ableiten zu können [8].

Arbeitsfähigkeit Unter Arbeitsfähigkeit wurde anfangs das Potenzial einer Person verstanden, eine gegebene Aufgabe zu einem gegebenen Zeitpunkt zu bewältigen [9]. Dabei sollte die Entwicklung der individuellen funktionalen Kapazität unbedingt ins Verhältnis zur Arbeitsanforderung gesetzt werden. Diese Größen unterliegen Veränderungen und müssen alterns- und altersgerecht gestaltet werden. Die Arbeitsfähigkeit stellt aufgrund ihrer Tragweite eine wichtige Grundlage für das allgemeine und persönliche Wohlbefinden dar. Eine schlechte Arbeitsfähigkeit ist mit einem erhöhten Risiko für Muskelskelettkrankheiten, krankheitsbedingter Abwesenheit und vorzeitigem Ruhestand verbunden [10]. Die Aktualität der Auseinandersetzung mit der Arbeitsfähigkeit ist gestiegen, da die demografische Entwicklung der Gesellschaft und die steigenden Anforderungen im Arbeitsleben zunehmend wahrgenommen werden [11].

Betriebliche Gesundheitsförderung und körperliche Aktivitätsprogramme Die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) orientiert sich an der Ottawa-Charta und wendet diese Vorgaben im Betrieb an [12]. Das zentrale Anliegen der BGF ist es, gleichermaßen Gesundheitsrisiken zu mindern und Chancen für die Erhaltung und Förderung der Gesundheit zu nutzen bzw. zu erhöhen. Betriebe rechnen bei Maßnahmen der BGF meist mit einer unmittelbaren Verbesserung der Produktivität und einer Senkung von Krankheitskosten [13]. Die BGF ist jedoch weitaus mehr als eine Kostenreduktion. Sie ist fester Bestandteil einer innovativen Unternehmenskultur [14]. Durch die Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter soll auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessert werden [15, 16].

Die Steigerung der sportlichen Aktivität verspricht verschiedene positive Effekte auf die individuelle Gesundheit [17, 18]. Ein gezieltes Bewegungsangebot vermag in einer besseren Motivation der Arbeitnehmer zu resultieren, um ihren sitzenden Lebensstil aufzugeben [19]. Studienergebnisse belegen zwar, dass die körperliche Fitness durch Programme der BGF gesteigert werden kann, jedoch sind Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Programmen zur körperlichen Aktivitätssteigerung auf arbeitsbezogenen Auswirkungen aufgrund von methodischen Mängeln bislang inkonsistent [17, 20]. Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, die Effekte von bewegungsbezogenen Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung auf die gLQ und die Arbeitsfähigkeit darzustellen. Es wird untersucht, welche Veränderungen die Interventionen in Anbetracht des Bewegungsverhaltens der Arbeitnehmer in der Freizeit (aktiv/inaktiv) und im Beruf (kaufmännisch/gewerblich) bewirken. Dabei wird folgenden Fragestellungen nachgegangen: ▶ Unterscheidet sich die Wirkung der Interventionen hinsichtlich gLQ und Arbeitsfähigkeit auf kaufmännische und gewerbliche Mitarbeiter? ▶ Unterscheidet sich die Wirkung der Interventionen hinsichtlich gLQ und Arbeitsfähigkeit auf aktive und inaktive Arbeitnehmer?

Methodik



Untersuchungsgut Die Untersuchung findet in einem mittelständischen Unternehmen der Objekteinrichtungs- und Renovierungsbranche statt. Die Mitarbeiter des Betriebes lassen sich in die Gruppen Vertrieb und Gewerbe einteilen. Von insgesamt 160 Mitarbeitern nehmen 75 Personen (47 %) an den Interventionen teil. Insgesamt umfasst die Untersuchungsgruppe 55 Männer (73 %) und 20 Frauen (27 %). Das Durchschnittsalter beträgt 26,6 ± 10,63 Jahre ▶ Tab. 1). Die Teilnehmer werden gemäß ihrer sportlichen Ak(● tivität in 2 Gruppen eingeteilt. Als aktiv werden diejenigen bezeichnet, die pro Woche 2 Stunden und mehr sportlich aktiv sind und inaktiv sind all jene, die weniger als 2 Stunden pro Woche Sport treiben. Zudem werden alle teilnehmenden Mitarbeiter hinsichtlich der Tätigkeitsform in gewerbliche und kaufmännische Arbeitnehmer eingeteilt, um eine Aussage der durchgeführten Maßnahmen für die unterschiedlichen Anforderungsbereiche im Unternehmen zu gewährleisten. Entsprechend des Tätigkeitsbereichs variieren die Belastungen, die auf die Mitarbeiter wirken. Der Vertrieb, der überwiegend aus Bildschirmarbeitsplätzen besteht, stellt insbesondere psychische Belastungen (Leistungsdruck, Stress u.ä.) dar. Die gewerblichen Mitarbeiter, die überwiegend in der Fertigung arbeiten, sehen sich primär physischen Belastungen ausgesetzt.

Untersuchungsverfahren Die Erfassung des Bewegungsverhaltens wird mithilfe eines Fragebogens [21] durchgeführt. Es werden die aktuelle körperliche bzw. sportliche Aktivität und derzeit ausgeübte Sportarten sowie frühere sportliche Aktivitäten erhoben. Die Arbeitsfähigkeit wird mit dem Work Ability Index (WAI) ermittelt. Der Fragebogen gliedert sich in 7 Dimensionen und bezieht sich auf die rein subjektive Bewertung der physisch und psychisch hervorgerufenen Beanspruchungen durch die Arbeit, den aktuellen Gesundheitszustand und die aktuell vorhandenen Leistungspotenziale.

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Untersuchungsdurchführung Die Intervention wird in Form einer offiziellen Informationsveranstaltung und in persönlichen Gesprächen sowie über schriftliche Aushänge vorgestellt. Vor und nach den Interventionen finden schriftliche Befragungen im Rahmen einer sportmedizinischen Untersuchung im Abstand von 12 Monaten statt (T1 und T2). Das BGF-Angebot zielt insgesamt darauf ab, berufs- und freizeitbedingte Belastungen zu kompensieren. Das umfangreichste Angebot ist das Bewegungsprogramm, das primär aus einer Reihe regelmäßig stattfindender Sportangebote in Kursform besteht. Diese umfassen sowohl Angebote zur Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit (z. B. Nordic-Walking, Indoor-Cycling) als auch zur Verbesserung der Kraftfähigkeit (z. B. Body-Workout, Hanteltraining). Die Maßnahmen finden in der Regel einmal wöchentlich über eine Dauer von 60 min außerhalb der Arbeitszeit in den Räumlichkeiten von Kooperationspartnern statt. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch den Arbeitgeber.

Statistische Verfahren Die Daten werden in die Software SPSS Version 18.0 eingegeben und ausgewertet. Bei allen verwendeten Fragebögen handelt es sich um abhängige Stichproben, die metrisch skaliert sind. Zur Untersuchung der Einflussfaktoren auf die abhängige Variable wird die 2-faktorielle Varianzanalyse genutzt. Es wird zudem auf Unterschiede im Messzeitpunkt- und Gruppenvergleich gesucht. Mithilfe des T-Tests für gepaarte bzw. ungepaarte Stichproben wird die Interaktion zwischen den Hauptmerkmalen Zeit und Gruppe auf signifikante Unterschiede hin überprüft.

Ergebnisse



Gesundheitsbezogene Lebensqualität Die Ergebnisse im Bereich der gesundheitlichen Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit verdeutlichen, dass die kaufmännischen Angestellten in allen Dimensionen Verbesserungen aufweisen. Signifikante Unterschiede im Zeitpunktvergleich bestehen bei den körperlichen (p < 0,001) und psychischen Aspekten (p < 0,05). Die Mitarbeiter des Gewerbes weisen inkonsistente, nicht signifikante Veränderungen auf. Auch der Gruppenvergleich und die Interaktion von Gruppe und Zeitpunkt sind nicht signifikant ▶ Tab. 3). (● Im Vergleich der sportlichen Aktivität weisen Inaktive stärkere Veränderungen auf als Aktive. Die Veränderungen sind signifikant für die Bereiche körperliche (p < 0,001) und psychische Aspekte (p < 0,001), Kontext (p < 0,05). Aktive weisen in der Arbeitsfähigkeit signifikante Unterschiede auf (p < 0,05). Signifikante Gruppenunterschiede bestehen während T1 hinsichtlich der körperlichen (p < 0,001) und psychischen Aspekte (p < 0,001) sowie dem Kontext (p < 0,01). Eine signifikante Interaktion von Gruppe und Zeitpunkt ist im Bereich der körperlichen (p < 0,01) ▶ Tab. 4). und psychischen Aspekte (p < 0,05) zu finden (●

Arbeitsfähigkeit Die 7 Einzelskalen werden in einem Gesamtscore zusammengefasst. Hinsichtlich der Tätigkeitsform zeigt der Zeitpunktvergleich, dass sich sowohl kaufmännische als auch gewerbliche Mitarbeiter verbessert haben. Die Verbesserung ist jedoch nur für kaufmännische Angestellte signifikant (p < 0,001). Signifikante Unterschiede im Gruppenvergleich und der Interaktion von ▶ Tab. 5). Im Bereich der Gruppe und Zeitpunkt bestehen nicht (● sportlichen Aktivität weisen die Ergebnisse positive Veränderungen für sowohl die Gruppe der Aktiven als auch der Inaktiven auf. Der Gesamtscore der Inaktiven verbessert sich in höherem Maße als jener der Aktiven. Die Veränderungen beider Gruppen sind signifikant (p < 0,05; p < 0,01). Ein signifikanter Unterschied im Gruppenvergleich und in der Interaktion aus ▶ Tab. 5). Gruppe und Zeitpunkt besteht nicht (●

Diskussion



Tab. 2 Bewertung der Arbeitsfähigkeit (nach Tuomi et al., 2001) [31].

Methode

Punktwert

Arbeitsfähigkeit

Ziel von Maßnahmen

7–27 28–36 27–43 44–49

schlecht mittelmäßig gut sehr gut

Arbeitsfähigkeit wiederherstellen Arbeitsfähigkeit verbessern Arbeitsfähigkeit unterstützen Arbeitsfähigkeit erhalten

Von insgesamt 160 Arbeitnehmern haben 75 Personen an der Untersuchung teilgenommen. Dies entspricht einem Anteil von rund 47 % des gesamten Betriebes. Die Befragung wird im Rahmen einer sportmedizinischen Untersuchung standardisiert in einer festen Abfolge durchgeführt, sodass gleiche Voraussetzungen

Tab. 3 Interventionseffekte auf die Summenscores der gLQ von kaufmännischen und gewerblichen Angestellten. Summenscore

Körperliche Aspekte Psychische Aspekte Soziale Aspekte Kontext

Gruppe

Kaufm. Gewerbl. Kaufm. Gewerbl. Kaufm. Gewerbl. Kaufm. Gewerbl.

n

57 18 57 18 45 17 57 18

T1

4,24 ± 0,44 4,27 ± 0,31 3,68 ± 0,63 3,52 ± 0,48 4,26 ± 0,42 4,25 ± 0,36 4,17 ± 0,56 4,20 ± 0,39

T2

4,45 ± 0,33 4,34 ± 0,40 3,86 ± 0,48 3,79 ± 0,38 4,35 ± 0,40 4,17 ± 0,41 4,23 ± 0,56 4,20 ± 0,50

Zeitpunktvergleich

Gruppenvergleich

Interaktion

Signifikanz (p)

Signifikanz (p)

Signifikanz (p)

˂ 0,001 ≥ 0,05 ˂ 0,05 ≥ 0,05 ≥ 0,05 ≥ 0,05 ≥ 0,05 ≥ 0,05

T1

T2

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

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In Form eines Punktescores kann die aktuelle Situation (Ist-Analyse) erfasst und die Auswertung (Evaluation) von umgesetzten Maßnahmen auf die Arbeitsfähigkeit beschrieben werden [22] ▶ Tab. 2). Die subjektive gesundheitsbezogene Lebensqualität (● wird per Lebensqualitätsfragebogen von Hanssendoose und Schüle [23] erfasst. Er besteht aus 42 Items und gliedert sich in die Dimensionen körperliche, psychische und soziale Aspekte sowie Kontextfaktoren. Dabei wird nach dem individuellen Verhalten oder nach definierten Alltagssituationen gefragt, welche eine Einschätzung des aktuellen Befindens bzw. der Lebensqualität ermöglichen.

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Tab. 4 Interventionseffekte auf die Summenscores der gLQ von sportlich aktiven und inaktiven Mitarbeitern. Summenscore

Körperliche Aspekte Psychische Aspekte Soziale Aspekte Kontext

Gruppe

aktiv inaktiv aktiv inaktiv aktiv inaktiv aktiv Inaktiv

n

T1

52 23 52 23 41 21 52 23

T2

4,35 ± 0,35 4,02 ± 0,46 3,81 ± 0,61 3,25 ± 0,35 4,32 ± 0,36 4,14 ± 0,47 4,28 ± 0,47 3,94 ± 0,55

4,43 ± 0,35 4,40 ± 0,33 3,91 ± 0,46 3,69 ± 0,42 4,32 ± 0,37 4,27 ± 0,48 4,26 ± 0,51 4,16 ± 0,60

Zeitpunktvergleich

Gruppenvergleich

Interaktion

Signifikanz (p)

Signifikanz (p)

Signifikanz (p)

≥ 0,05 < 0,001 ≥ 0,05 < 0,001 ≥ 0,05 ≥ 0,05 ≥ 0,05 < 0,05

T1

T2

< 0,001

≥ 0,05

< 0,01

< 0,001

≥ 0,05

< 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

< 0,01

≥ 0,05

≥ 0,05

Summenscore

WAI Gesamtscore WAI Gesamtscore

Gruppe

Kaufm. Gewerbl. aktiv inaktiv

n

57 18 52 23

T1

42,36 ± 4,42 42,28 ± 3,41 42,55 ± 4,13 41,87 ± 4,32

T2

43,97 ± 3,02 42,67 ± 4,10 43,66 ± 3,44 43,65 ± 3,16

und eine Vergleichbarkeit der erhobenen Ergebnisse bestehen. Da die Erhebung im Unternehmen selbst stattgefunden hat, muss die Frage der Beantwortung im Sinne einer sozialen Erwünschtheit in Betracht gezogen werden [24]. Der Zeitpunkt der Befragung (nach der körperlichen Untersuchung) ist kritisch zu sehen, da die Teilnehmer erschöpft aus der körperlichen Untersuchung den Fragebogen ausfüllen müssen. Um mögliche Störfaktoren zu vermeiden, sollte die Befragung zu Beginn erfolgen. Alle BGF-Angebote werden ausschließlich in Firmenumgebung durchgeführt, sodass Beschäftigte mit einem weiter entfernten Wohnsitz Schwierigkeiten haben, diese Angebote regelmäßig wahrzunehmen. Bei dem vorliegenden Untersuchungsgut handelt es sich um eine natürliche Stichprobe ohne Kontrollgruppe und einer ungleichen Verteilung der Geschlechtergruppen. Hier muss die Gefahr eines Selections Bias betrachtet werden [25]. Auch ein Fehler der zweiten Art kann aufgrund der kleinen Fallzahl nicht ausgeschlossen werden [26]. Insgesamt muss somit der Transfer der Ergebnisse auf die Grundgesamtheit vorsichtig gehandhabt werden. Eine Untersuchung mit einer größeren Stichprobe ist dazu notwendig.

Ergebnisse



Der Großteil der Teilnehmer einer Befragung bewertet die körperliche Aktivität als einen wesentlichen Teil der persönlichen gLQ [27]. Der Vergleich der Tätigkeitsform verdeutlicht, dass die kaufmännischen Mitarbeiter wesentlich von den BGF-Maßnahmen profitieren. Insbesondere im körperlichen und psychischen Bereich sind die Veränderungen signifikant. Diese Erkenntnis stützt andere Erkenntnisse [19, 28], dass sich eine Verbesserung der gLQ durch reguläre körperliche Aktivität erzielen lässt, indem das psychologische Wohlbefinden und die physiologische Funktionsfähigkeit verbessert werden. Es könnte daher angenommen werden, dass die körperliche Aktivität der gewerblichen Mitarbeiter deutlich über jener der kaufmännischen Angestellten liegt und somit Veränderungen im körperlichen Bereich

Zeitpunktvergleich

Gruppenvergleich

Interaktion

Signifikanz (p)

Signifikanz (p)

Signifikanz (p)

< 0,001 ≥ 0,05 < 0,05 < 0,01

T1

T2

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

≥ 0,05

vor allem bei kaufmännischen Mitarbeitern zu erwarten sind. Hinsichtlich des Aktivitätsvergleichs zeigt sich eine positive Wirkung von körperlicher Aktivität im betrieblichen Setting auf die gLQ. Dabei scheinen vor allem die inaktiven Mitarbeiter von den Maßnahmen zu profitieren, denn sowohl körperliche als auch psychische Aspekte verbessern sich signifikant. Deutliche Gesundheitseffekte durch sportliche Aktivität zeigen sich insbesondere bei Bewegungsabstinenten [29]. Die inaktiven Beschäftigten haben somit die physischen, psychischen und sozialen Gesundheitswirkungen des Sports zuvor nicht genutzt [30], sodass die Wirkungen durch die Teilnahme am Bewegungsprogramm ersichtlich werden. Beide Mitarbeitergruppen weisen im Bereich der Arbeitsfähigkeit eine Verbesserung auf, die jedoch nur für die kaufmännischen Angestellten signifikant ist. Dies entspricht finnischen Ergebnissen [9], dass die Arbeitsfähigkeit von körperlich arbeitenden Beschäftigten signifikant schlechter als die von geistig arbeitenden Mitarbeitern ist. Der Gesamtscore beider Gruppen ist zu ▶ Tab. 2, 5). Beide beiden Zeitpunkten als „gut“ zu bewerten (● Gesamtscores liegen deutlich über den Ergebnissen anderer Studien. Bei Bewohnern der Stadt Lodz liegen die Mittelwerte bei 41,1 Punkten [31], bei finnischen Angestellten bei 40,6 Punkten [32] und für Büro-Angestellte bei 41,0 Punkten [33]. Im Vergleich der sportlichen Aktivität weisen beide Mitarbeitergruppen signifikante Verbesserungen im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit auf, wobei die Inaktiven größere Veränderungen aufweisen. Diese Steigerung wird erklärbar, indem der Grad der Aktivität maßgeblich zu einer verbesserten Einschätzung der momentanen Arbeitsfähigkeit beiträgt [33]. Die Gesamtscores beider Gruppen sind als „gut“ zu bewerten und liegen ebenfalls über den Ergebnissen der Vergleichsstudien. Um einem langfristigen Verlust der bis dato guten Arbeitsfähigkeit sowohl der kaufmännischen und gewerblichen als auch aktiven und inaktiven Mitarbeiter entgegen zu wirken, sollten weitgreifende Maßnahmen im Rahmen der BGF weiterhin durchgeführt werden.

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Tab. 5 Interventionseffekte auf den Gesamtscore des WAI von kaufmännischen und gewerblichen sowie sportlich aktiven und inaktiven Mitarbeitern.

Fazit Die Förderung der sportlichen Aktivität im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung wirkt sich positiv auf die Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten aus und ist somit ein Gewinn für die einzelne Person genauso wie für das Unternehmen. Das Setting Betrieb eignet sich insbesondere um die Zielgruppe der Männer zu erreichen [34]. Dennoch müssen Angebote zielgruppenspezifischer umgesetzt werden, um Erfolge zu gewährleisten und die Partizipation der Mitarbeiter zu erhöhen [35].

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[Analysis of workplace health promotion and its effect on work ability and health-related quality of life in a medium-sized business].

This study analyses the effect of workplace health promotion on work ability and health-related quality of life in white-collar and blue-collar worker...
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