Quiz Radiologe 2014 · 54:800–802 DOI 10.1007/s00117-014-2715-6 Online publiziert: 26. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

A. Schaudinn1 · Y. Papke2 · G. Borte1 · T. Kahn1 1 Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig 2 Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Plastische Chirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig

Vorderer Knieschmerz traumatischer Genese Fallbericht zu einer   seltenen Differenzialdiagnose

Anamnese

Klinischer Befund

Ein 63-jähriger Patient stellte sich 2 Tage nach einem Fahrradsturz erstmals in unserer Notaufnahme vor. Er war ohne Fremdeinwirkung mit der linken Körperseite, insbesondere mit Schulter, Ellenbogen, Knie und Unterschenkel auf eine Bordsteinkante gefallen. Seit dem Sturzereignis hatten Schmerzen und Bewegungseinschränkung im Bereich der linken Schulter zugenommen.

Bei Aufnahme wurden eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Schulterprellung links festgestellt. Nachdem initial keine Schmerzen des linken Beins bestanden, traten im weiteren Verlauf der ambulanten Nachbehandlung jedoch zunehmend Beschwerden am linken Fuß und Kniegelenk auf. Bei Wiedervorstellung 5 Wochen nach dem Unfall ergab die klinische Untersuchung ein deutliches Beugedefizit des linken Kniegelenks mit Schmerzen in der Kniekehle bei pas-

Abb. 1 8 3-T-MRT des betroffenen Kniegelenks. a T2-TSE-Sequenz sagittal, b T2-TSE-Sequenz transversal. c DESS-3-D-Sequenz sagittal. TSE Turbospinecho, DESS „double echo steady state“

D Wie lautet Ihre Diagnose?

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siver Fortführung der Beugung. Zudem bestanden persistierende infrapatellare Schmerzen und ein subjektives Instabilitätsgefühl des Gelenks.

Weiteres Procedere Zum Ausschluss knöcherner Verletzungen wurden eine Röntgenaufnahme des Kniegelenks in 2 Ebenen und eine Patellazielaufnahme angefertigt. Zusätzlich wurden eine Sonographie sowie eine MRT des Kniegelenks durchgeführt (. Abb. 1).

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Diagnose: Isolierte Ruptur des Hoffa-Fettkörpers Röntgenologisch konnten knöcherne Verletzungen im Bereich des Kniegelenks ausgeschlossen werden. In der Sonographie ließ sich ein intraartikulärer Erguss nachweisen. Im MRT zeigte sich eine isolierte Ruptur des Hoffa-Fettkörpers mit Dislokation der femurseitigen Anteile des fragmentierten Fettkörpers in den Bereich des Innenmeniskusvorderhorns (. Abb. 2). Zudem stellte sich korrespondierend zum sonographischen Befund eine begleitende intraartikuläre Ergussbildung dar. Hinweise auf assoziierte Band- oder Knochenverletzungen ergaben sich nicht.

Therapie Unter moderater Schmerzmedikation (Ibuprofen und Metamizol-Tropfen p. o.) und konservativer ambulanter Behandlung mithilfe einer Bandage waren sowohl Schmerzen als auch Bewegungseinschränkungen des Kniegelenks rückläufig. Elf Wochen nach dem Unfallhergang (6 Wochen nach Therapiebeginn) wurden vom Patienten kaum noch Beschwerden geschildert, sodass sich keine Indikation für eine MR-Verlaufskontrolle ergab.

Definition Die isolierte Ruptur des Hoffa-Fettkörpers ist ausgesprochen selten [1]. Ursächlich ist zumeist ein direkter Schlag auf die Infrapatellarregion oder ein Hyperextensionstrauma mit Kompression des Fettkörpers zwischen Femurkondylen und Tibiaplateau. Der Fallbeschreibung entsprechend besteht die klinische Relevanz traumatischer Verletzungen des HoffaFettkörpers insbesondere in der ausgeprägten Schmerzsymptomatik. Diese ergibt sich aus der reichen Innervation des Fettkörpers. Als Verletzungsfolgen resultieren zudem meist eine deutliche Bewegungseinschränkung und Steifheit des Kniegelenks. Im Falle inkorrekter verzögerter Diagnostik und Therapie können langfristige Einschränkungen der Kniegelenkfunktionen auftreten [2].

Hintergrund Der Hoffa-Fettkörper gilt aufgrund seiner engen Lagebeziehung zu Patella, Femur und Tibia auch als „vordere Kreuzung des Kniegelenks“. Posttraumatische Verletzungen des Hoffa-Fettkörpers sind häufig, werden in der radiologischen Literatur jedoch nur selten diskutiert. Läsionen des Hoffa-Fettkörpers treten insbesondere in Assoziation mit ligamentären Verletzungen des Kniegelenks oder

einer Patellaluxation auf. Sie sollten daher in der radiologischen Differenzialdiagnose des vorderen Knieschmerzes, v. a. hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Erkennen dieser Begleitverletzungen, nicht übersehen werden [3]. So ist die Verletzung des Hoffa-Fettkörpers als indirektes Zeichen für die Ruptur des vorderen Kreuzbands beschrieben [4]. Darüber hinaus zählt die Konturunterbrechung des Fettkörpers zu den radiographischen Zeichen einer Patellarsehnenruptur. Differenzialdiagnostisch sollte zudem eine begleitende Patellaluxation ausgeschlossen werden, wofür eine Läsion des Hoffa-Fettkörpers als indirektes Zeichen gilt. In einer MR-basierten Studie an 18 untersuchten Patienten mit einer Patellaluxation zeigte sich in allen Fällen eine pathologische Veränderung des Hoffa-Fettkörpers, in 12 von 18 Fällen eine Fettkörperruptur und in 17 von 18 Fällen ein Fettkörperödem [5]. Verletzungen des Hoffa-Fettkörpers können jedoch auch Folge rezidivierender Fettkörpereinklemmungen, dem sog. Hoffa-Syndrom (Fatpad-Impingementsyndrom) sein. Hierbei kommt es in Folge von (Mikro-)Traumen zu Inflammation, begleitender Hämorrhagie und schließlich zur Hypertrophie des Fettkörpers. Unter wiederholter Hyperextension führt dies zur hinteren Einklemmung des Fettkörpers zwischen der femorotibialen Gelenkfläche. Diese

Abb. 2 8 a T2-TSE-Sequenz sagittal. Isolierte Ruptur (gestrichelte Pfeile) des Hoffa-Fettkörpers (mit Stern markiert). Femurseitiger rupturierter Anteil des Fettkörpers (gestrichelt umrandet) allseits von Gelenkerguss (GE) umgeben und in den Bereich des Innenmeniskus (IM) disloziert. Patella (P), Patellarsehne (PS) und vorderes Kreuzband (VKB) sind nicht betroffen. b T2-TSESequenz transversal. Darstellung des intrakondylär (FK Femurkondylen) gefangenen Anteils des kompartimentierten HoffaFettkörpers (Stern). c DESS-3-D-Sequenz sagittal. Der stark hyperintens abgebildete Gelenkerguss (GE) lässt die Dislokation des femurseitigen Fettkörperfragments (F) deutlich erkennen. Schmale Gewebebrücke (gestrichelter Pfeil) zum restlichen Fettkörper (Stern). TSE Turbospinecho, DESS „double echo steady state“ Der Radiologe 8 · 2014 

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Lesetipp chronischen Veränderungen treten v. a. bei regelmäßiger sportlicher Betätigung bei jungen Patienten auf.

Therapie und Verlauf Traumatische Läsionen des Hoffa-Fettkörpers werden in der Regel konservativ behandelt. Unter vorübergehender Schmerzmedikation und dem Einsatz von Kniebandagen kann zumeist eine komplette Beschwerderemission erreicht werden. Mit der Arthroskopie steht ein weiteres diagnostisches bzw. therapeutisches Verfahren zur Verfügung. Angesichts der Gefahr langfristiger Funktionseinschränkungen des Kniegelenks und der Bedeutung für die Diagnose schwerwiegender Begleitpathologien sollten Läsionen des Hoffa-Fettkörpers in der radiologischen Differenzialdiagnose des vorderen Knieschmerzes nicht übersehen werden.

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  A. Schaudinn, Y. Papke, G. Borte, T. Kahn geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Saddik D, McNally EG, Richardson M (2004) MRI of Hoffa’s fat pad. Skeletal Radiol 33:433–444 2. Duri ZA, Aichroth PM, Dowd G (1996) The fat pad. Clinical observations. Am J Knee Surg 9(2):55–66 3. Maurel B, Le Corroller T, Cohen M et al (2010) Infrapatellar fat pad: anterior crossroads of the knee. J Radiol 91:841–855 4. Robertson PL, Schweitzer ME, Bartolozzi AR, Ugoni A (1994) ACL tears: evaluation of multiple signs with MR imaging. Radiology 193(3):829–834 5. Apostolaki E, Cassar-Pullicino VN, Tyrrell PN, McCall IW (1999) MRI appearances of the infrapatellar fat pad in occult traumatic patellar dislocation. Clin Radiol 54(11):743–747

Epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland Seit Ende 2011, dem Abschluss des stufenweisen (Neu-)Aufbaus des Epidemiologischen Krebsregisters in Baden-Württemberg, besteht in Deutschland erstmals eine flächendeckende epidemiologische Krebsregistrierung. Die Krebsregister beschreiben nicht nur das epidemiologische Krebsgeschehen, sondern erlauben auch die Erforschung möglicher Ursachen der Krebsentstehung sowie die Beurteilung der Effekte von Früherkennungsprogrammen und anderen gesundheitspolitischen Maßnahmen, auch in der Versorgungsforschung. In Ausgabe 1/2014 der Zeitschrift Bundesgesundheitsblatt werden diese verschiedenen Aspekte in unter anderem folgenden Leitthemenbeiträgen analysiert:

Fazit für die Praxis F Verletzungen des Hoffa-Fettkörpers sind aufgrund resultierender Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk von klinischer Bedeutung – ihre Diagnostik basiert auf der MRT. F Die isolierte Ruptur des Hoffa-Fettkörpers ist äußerst selten, ihre Therapie ist konservativ. F Für häufige Begleitverletzungen, wie Rupturen des vorderen Kreuzbands bzw. der Patellarsehne oder eine Patellaluxation gilt die Verletzung des Hoffa-Fettkörpers als indirektes diagnostisches Zeichen.

Korrespondenzadresse Dr. A. Schaudinn Klinik und Poliklinik   für Diagnostische und   Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Leipzig, Liebigstr. 20, 04103 Leipzig Alexander.Schaudinn@ medizin.uni-leipzig.de

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F Von regionalen Daten zu bundesweiten Aussagen F Krebsepidemiologische Daten im Internet F Klinische und epidemiologische Krebsregister F Aktives Monitoring kleinräumiger Krebshäufungen F Epidemiologische Forschung mit den Daten der Krebsregister F Kohortenstudie zur Krebsinzidenz bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 Bestellen Sie diese Ausgabe zum Preis von 16,- EUR zzgl. Versandkosten bei Springer Customer Service Center Kundenservice Zeitschriften Haberstr. 7 69126 Heidelberg Tel.: +49 6221-345-4303 Fax: +49 6221-345-4229 E-Mail: [email protected] Suchen Sie noch mehr zum Thema? Mit e.Med, dem Online-Paket von Springer Medizin, können Sie schnell und komfortabel in über 500 medizinischen Fachzeitschriften recherchieren. Weitere Infos unter springermedizin.de/ eMed.

[Anterior knee pain of traumatic origin : Case report on a rare differential diagnosis].

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