946

Peters u. a.: Antibakterielle Wirksamkeit von Pipemidsäure und Nalidixinsäure

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 946-948

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Antibacterial in-vitro activity of pipemidic acid and nalidixic acid

The in-vitro activity of nalidixic acid and pipemidic acid was Vergleichende Untersuchungen investigated in a combined study in 450 freshly isolated bacterial strains using the agar dilution G. Peters, H. Freiesleben, R. Marre, H. Metz, H. Tannenberg und G. Pulverer test. Gram-positive cocci were Hygiene-Institut der Universität zu Köln (Direktor: Prof. Dr. G. Pulverer), Institut fur Medizinische Mikrobiologie der resistant to both substances Medizinischen Hochschuk Lübeck (Direktor: Prof. Dr. W. Henkel) und Fachbereich Medizin am Landesuntersuchungsamt fur except for a few pipemidic aciddas Gesundheitswesen Südbayern in München (Leiter: Prof. Dr. H. Metz) sensitive staphylococci. Both substances had good antibacteIn einer Gemeinschaftsstudie wurde im Agar-Verdünnungstest die Inrial activity in the gram-negative spectrum. However, the MIC vitro-Wirksamkeit der Nalidixinsäure und der Pipemidsäure an 450 values of pipemidic acid were frisch isolierten Bakterienstämmen geprüft. Gram-positive Kokken waren generally clearly lower than of nalidixic acid. Only gegen beide Substanzen resistent, mit Ausnahme einiger Pipemidsäure- those pipemidic acid showed activity sensibler Staphylokokken. Im gram-negativen Bereich war die antiagainst Pseudomonas aeruginosa. the in-vitro results showed bakterielle Wirksamkeit beider Substanzen gut, jedoch lagen die .MHK- Thus that pipemidic acid has clear-cut Werte der Pipemidsäure meist deutlich niedriger als die der Nalidixin- and valuable advantages for the of urinary tract infecsäure. Gegen Pseudomonas aeruginosa erwies sich nur die Pipemidsäure treatment tions when compared with als wirksam. Nach den In-vitro--Ergebnissen hat somit die Pipemidsäure nalidixic acid.

eindeutige und für die Behandlung von Infektionen der Harnwege bedeutsame Vorteile gegenüber der Nalidixinsäure. Pipemidsäure* ist ein neues synthetisches Derivat der Piromidsäure (4, 5). Sie besitzt damit eine strukturelle Verwandtschaft zur Nalidixinsäure, die schon seit längerem bei der Therapie von Harnwegsinfektionen eingesetzt wird (1, 3). Das Wirkungsspektrum der Pipe-

wird in hoher Konzentration im Urin ausgeschieden. Die Verträglichkeit scheint auch bei längerer Dosierung gut zu sein (2). Wegen ihrer bakteriologisch-pharmakologischen Eigenschaften wird die Pipemidsäure zur Thera-

midsäure liegt wie das der Nalidixinsäure fast ausschließlich im gram-negativen Bereich (2, 6). Zwischen beiden Substanzen kommen Paralleiresistenzen vor. Mutationshäufigkeit und Mutationsrate zur Resistenz sollen jedoch

schlagen.

bei der Pipemidsäure wesentlich geringer sein (2). Die gntibakterielle Aktivität von Pipemidsäure wird durch den pH-Wert und die Anwesenheit von Serum kaum beeinflußt (2, 6). Als weiterer Vorteil wird die hohe Aktivität von Pipemidsäure gegen Pseudomonas aeruginosa genannt (6).

pie von Infektionen der ableitenden Harnwege vorgeWir haben die In-vitro-Wirksamkeit der Pipemidsäure im Vergleich mit der bislang bei Harnwegsinfektionen gebräuchlichen Nalidixinsäure an einer regional möglichst breit gestreuten Anzahl von Erregerstämmen geprüft. Die Untersuchungen wurden zu etwa gleichen Teilen am Hygiene-Institut der Universität Köln, am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Hochschule Lübeck und im Fachbereich Medizin am Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen Südbayern in München durchgeführt.

Material und Methodik 1-IOOC

Getestet wurden frische Isolate von derzeit klinisch bedeutungsvollen

o C14 H17 N

503

Pipemidsäure

Pipemidsäure wird nach oraler Gabe rasch resorbiert, erscheint in beträchtlicher Konzentration im Serum und * 8Aethy1-S,8-dihydro-S-oxo-2-(1-piperaziny1)-pyrido[2,3-d1pyrimidin-6-carbonsäure 001 2-0472/79

gram-negativen und gram-positiven Bakterienarten mit insgesamt 450 Stammen. Die Testisolate verteilen sich etwa gleich auf die drei untersuchenden Institute. Geprüft wurden die Chemotherapeutika Pipemidsäure und Nahdixinsäure. Der MHK-Testbereich umfaßte zehn verschiedene Konzentrationsstufen von 0,19 ig/ml bis loo fig/mi.

Die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) erfolgte gemäß den I[CS-Empfehiungen im Agar-Verdünnungstest.

Zur flüssigen Vorkultur wurde Müller-Hinton-Bouillon und als

0629 - 0946 $ 02.00 © 1979 Georg Thieme Publishers

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Antibakterielle In-vitro -Wirksamkeit von Pipemidsäure und Nalidixinsäure

947

Peters u. a.: Antibakterielle Wirksamkeit von Pipemidsiure und Nalidixinsäure

Nr. 26, 29. Juni 1979, 104. Jg.

Tab. 1. Minimale Hernmkonzentration (MHK) von Pipemidsäure (PPA) und Nalidixinsäure (NA) bei gram-positiven Erregern Gesamtzahl der getesteten Stämme

Staphylococcus aureus

32

plasmakoagulasenegative Staphylokokken

31

Mikrokokken

10

Zahl der Stämme mit einer MHK (iWml) von 0 19

0,39

078

1 56

3 12

625

PPA

12,5

1

NA

50

100

13

11 11

5

2

7

11 8

3

PPA

4

NA PPA

19

6

2

3

13

7

1

2

2

NA

Streptococcus pyogenes (Gruppe A)

40

Streptococcus agalactiae (Gruppe B)

36

Streptococcus faecalis (Enterokokken)

34

Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)

18

8

PPA

NA

1

PPA

1

NA PPA

1

NA

forming units). Positive und negative Leerkontrollen sowie eine Aktivitätskontrolle wurden immer mitgeführt. Die Ergebnisse wurden nach l8stündiger Bebrütung bei 37 °C (bei Mikrokokken bei 32° C) abgelesen. Beide Chemotherapeutika wurden jeweils parallel in einem Ansatz mit denselben Bakterienstämmen geprüft.

Ergebnisse Tabelle 1 zeigt den MHK-Testbereich von Pipemidsäure

und Nalidixinsäure bei 201 gram-positiven Erregern. Für beide Chemotherapeutika sind die absoluten Stammzahlen für die jeweiligen MHK-Werte angegeben. Bei Mikrokokken, Streptococcus pyogenes (Gruppe A), Strepto-

coccus agalactiae (Gruppe B), Streptococcus faecalis (Enterokokken) und Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) lagen die MHK-Werte von Pipemidsäure und Nalidixinsäure für fast alle getesten Stämme im Bereich von 50 ig/ml und höher. Lediglich bei einer Anzahl von Staphylokokken, wobei die plasmakoagulase-negativen Vertreter überwogen, gab es für die Pipemidsäure, nicht dagegen für die Nalidixinsäure, MHK-Werte von 6,25 ig/ml bis 25 tg/ml. Die In-vitro-Wirksamkeit von Pipemidsäure und Nálidixinsäure bei 249 gram-negativen Erregern ergibt sich aus der Tabelle 2, wo wiederum für die einzelnen MHKWerte die absolute Zahl der gehemmten Stämme angegeben ist. Bei E. cou wurden 31 von 32 Stämmen von Pipemidsäure in einer Konzentration von 1,56 sg/mI oder weniger gehemmt. Dagegen erstreckte sich der MHK-Bereich

von Nalidixinsäure von 0,39 bis > 100,0 ig/ml. Für die meisten Klebsiella-Stämme (Kiebsiella pneumoniae und Klebsiella oxytoca) lagen die MHK-Werte

5 10

PPA NA

Testmedium Müller-Hinton-Agar verwendet, Zur Kultivierung von Streptococcus pyogenes, Streptococcus agalactiae und Streptococcus pneumoniae diente ein Nährboden mit 5°/o defibriniertem Hammelblut. Das Inokulum betrug jeweils 10-10 Bakterien du (colony

> loo

25

4 4

36 28

1

35 32

3 5

20

8

1

33

2

io

S

1

6

11

von Pipemidsäure bei 1,56 und 3,12 tg/ml, während für Nalidixinsäure der MHK-Bereich 6,25 bis 12,5 tg/ml dominierte. Eine ähnliche Verteilung zeigte sich bei den getesteten Enterobacter-Stämmen (Enterobacter aerogenes und Enterobacter cloacae), wobei der MHK-Bereich für beide Substanzen zwischen 0,78 und 12,6 og/ml lag.

Ein deutlich anderes Bild boten die Testergebnisse bei Serratia (Serratia marcescens und Serratia liquefaciens). Hier erstreckte sich der MHK-Bereich beider Chemotherapeutika von 1,56 bis > 100 tg/ml. Der Einstieg in den wirksamen MHK-Bereich erfolgte aber bei Pipemidsäure mit der größeren Anzahl von Stämmen. Im übrigen

entsprachen sich die MHK-Werte beider Substanzen weitgehend.

Pseudomonas aeruginosa erwies sich mit einer Ausnahme als resistent gegen Nalidixinsäure (MHK-Werte von 100 1gIml). Dagegen wurde die überwiegende Anzahl der Stämme von der Pipemidsäure in den-Konzentrationen von 3,12 bis 25 ig/ml gehemmt, nur vier Stämme waren resistent. Die Mehrzahl der Proteus-mirabilis-Stämme zeigte für

Pipemidsäure MHK-Werte von 1,56 bis 3,12 tg/ml und für Nalidixinsäure MHK-Werte von 3,12 bis 12,5 tg/mI.

Ein Stamm war gegenüber Pipemidsäure und zwei Stämme waren gegenüber Nalidixinsäure resistent. Bei indol-positiven Proteus-Stämmen (Proteus vulgaris, Proteus morganii und Proteus rettgeri) hemmte Pipe-

midsäure die meisten Stämme bei einer Konzentration von 1,56 tg/ml, Nalidixinsäure bei einer Konzentration

von 3,12 tg/ml. Lediglich bei Nalidixinsäure gab es einen resistenten Stamm. Bei Proteus inconstans erstreckte sich der MHK-Bereich für die Pipemidsäure von 1,56 bis 25 tg/ml, ein Stamm war resistent. Der MHK-

Bereich von Nalidixinsäure reichte bei vier resistenten Stämmen von 3,12 bis 25 pg/ml.

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BaKterienart

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Peters u. a.: Antibakieriefle Wirksamkeit von Pipemidsäure und Nalidixinsäure

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Tab. 2. Minimale Hemmkonzentration (MHK) von Pipemidsäure (PPA) und Nalidixinsäure (NA) bei gram-negativen Erregern

Escherichia coli Klebsiella

Enterobacter Serratia

32 38 33 37

Pseudomonas aeruginosa

32

Proteus mirabilis

31

Zahl der Stämme mit einer MHK (.tg/ml) von 0 19 '

0 39

PPA NA

0 78

1,56

3 12

6 25

125

3

28 4

15

7

3

17

12

3 16

10

1

PPA NA

4

PPA NA

2

6 8

2 17

1

3

16

9

5

3

5

17

8

1

5

8

NA indol-positive Proteus spp.

30

Proteus inconstans

16

PPA

1

20

NA

4

PPA

3

NA

Diskussion Sowohl Pipemidsäure als auch Nalidixinsäure erwiesen sich bei den getesteten gram-positiven Keimen als nahezu unwirksam. Lediglich bei einem Teil der Staphylokokken zeigte die Pipemidsäure einen In-vitro-Effekt, während Nalidixinsäure auch hier unwirksam war. Bezogen auf den vorgeschlagenen Anwendungsbereich bei Infektionen der ableitenden Harnwege ist das Fehlen der In-vitroWirksamkeit beider Substanzen gegenüber Streptococcus faecalis (Enterokokken) bedeutsam. Die In-vitro-Wirksamkeit von Pipemidsäure im gramnegativen Bereich war gut, teilweise sehr gut. Mit Ausnahme von Pseudomonas aeruginosa wurde die Mehrzahl der Teststämme in den Konzentrationsbereichen von 0,78 ag/ml bis 3,12 tg/ml gehemmt. Ausgesprochene Speziesresistenzen, wie im gram-positiven Bereich,waren nicht zu beobachten. Lediglich bei einigen Gattungen beziehungsweise Spezies kamen ganz vereinzelt resistente Stämme vor (Pseudomonas aeruginosa, Serratia, Proteus mirabilis, Proteus inconstans und E. coli). Bei Kiebsiella, Enterobacter und indol-positiven ProteusStämmen gab es keine resistenten Stämme. Besonders bemerkenswert ist auch die überwiegend gute In-vitroWirksamkeit gegenüber Pseudomonas aeruginosa, ob-

wohl einige Stämme resistent waren und die MHKWerte generell höher lagen als bei den übrigen getesteten gram-negativen Keimen. Nalidixinsäure wies im geprüften gram-negativen Bereich ebenfalls eine meist gute In-vitro-Wirksamkeit auf.

Im Vergleich mit der Pipemidsäure markieren jedoch drei Fakten einen deutlichen Unterschied:

1. Bei der überwiegenden Mehrzahl der gram-negativen Keime liegen die MHK-Werte der Pipemidsäure zum Teil deutlich unter denen der Nalidixinsäure, was im Hinblick auf die erreichbaren Serum- und Harnspiegel von therapeutischer Wichtigkeit sein kann.

1

2

> 100

19 7

1

4

11

3 15

5 2

2 12

2 3

1 1

11

3

1

1

7

2

1

2

2 5

3 3

1 1

2

8

23

1

1

1

9

5

2

1

1

1

PPA

100

2

22

PPA NA

50

1

9

PPA NA

25

1

1

1 1

1

3

Die Anzahl der in-vitro-resistenten Keime ist bei der Pipemidsäure niedriger.

Pipemidsäure zeigt im Gegensatz zur Nalidixinsäure auch bei den meisten Pseudomonas-aeruginosaStämmen eine In-vitro-Wirksamkeit. Die für die Pipemidsäure in einigen Fällen beobachtete Staphylokokken-Wirksamkeit ändert nichts an der Fest-

stellung, daß der Indikationsbereich für die Pipemidsäure ausschließlich bei gram-negativen Keimen zu suchen ist. Die bei uLnseren Untersuchungen festgestellten Vorteile der In-vitro-Aktivität der Pipemidsäure gegen-

über der Nalidixinsäure könnten sich in der Therapie von Infektionen der ableitenden Harnwege günstig auswirken. Literatur Atlas, E., H. Clark, F. Silverblatt, M. Turck: Nalidixic acid and oxolinic acid in the treatment of chronic bacteriuria. Ann. intern. Med. 70 (1969), 122.

De Lagudie, P.: L'acide pipémidique, nouvel antibactérien dc synthèse. J. Pharmacol. clin. 1 (1974), 155. Lesher, G. Y., E. J. Froelich, M. D. Grunt, J. H. Baileg, R. P. Brundage: 1 ,8-Naphthyridine derivates. A new class of chemotherapeutic agents. J. med. pharm. Chem. S (1962), 1063. Matsumoto, J., S. Minan: Pyrido-(2,3 - d(-pyrimidine antibacterial

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Shiinizu, M., S. Nakamura, Y. Takase: Antibacterial properties of piromidic acid. Chemotherapy 19 (1971), 379.

Shinsizu, M., Y. Takse, Sb. Nakamura, H. Katae, A. Minami, K. Nakata, S. moue, M. Ishiyama, Y. Kubo: Pipemidic acid, a new antibacterial agent active against Pseumononas aeruginosa. In vitro properties. Antimicrob. Agents Chrrnother. 8 (1975), 132.

Dr. G. Peters, Prof. Dr. G. Pulverer Hygiene-Institut der Universität 5000 Köln 41, Fürst-Pückler-Str. 56 Dr. H. Freiesleben, Dr. R. Marre Institut für Medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Hochschule 2400 Lübeck, Ratzeburger Allee 160

Prof. Dr. H. Metz, Dr. H. Tannenberg Fachbereich Medizin Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen Südbayern 8000 München 19, Lazarettstr. 62

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Bakterienart

Gesamtzahl der getesteten Stämme

[Antibacterial in-vitro activity of pipemidic acid and nalidixic acid (author's transl)].

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