Leitthema Hautarzt 2013 · 64:728–735 DOI 10.1007/s00105-013-2590-5 Online publiziert: 21. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

M. Augustin Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg

Sachgerechte Off-labelVerordnung in der Praxis Für viele Krankheitsentitäten in der Dermatologie gibt es keine explizit zugelassenen Arzneimittel. In einer Vielzahl dermatologischer Behandlungssituationen ist somit aus medizinischen und ethischen Gründen die Verordnung von Arzneimitteln außerhalb des Zulassungstextes eine Notwendigkeit. Verordnungen im Off-label-Use sind deshalb ein integraler Bestandteil der qualifizierten dermatologischen Therapie.

Hintergrund Off-label-Use (OLU) ist die Verordnung zugelassener Arzneimittel außerhalb des zugelassenen Indikationsbereiches. Medikamente dürfen grundsätzlich nicht im OLU zulasten der GKV verordnet werden. Ausnahmen sieht die Arzneimittel-Richtlinie unter folgenden Bedingungen vor: F Eine positive Empfehlung der Expertengruppe beim BfArM ist gegeben, und F eine Anerkennung des OLU als bestimmungsgemäßer Gebrauch durch den pharmazeutischen Unternehmer liegt vor, und F der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Empfehlung in die Arzneimittel-Richtlinie übernommen. Wichtig: Für nicht in dieser Richtlinie geregelten OLU bleibt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verordnungsfähigkeit im Einzelfall unberührt. Hierzu zählen praktisch alle dermatologischen Indikationen. Unter folgenden Umständen ist durch das Bundessozialgericht (Urteil vom

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19.03.2002, Az: B 1 KR 37/00 R) die Verordnung noch nicht zugelassener Arzneimittel im OLU zulasten der GKV zuge­ lassen worden: 1. Es liegt eine schwerwiegende Erkrankung vor, d. h.: lebensbedrohlich oder mit starker, nachhaltiger Beeinträchtigung der Lebensqualität. 2.  Es gibt keine gleichwertige, alternative zugelassene Therapie, d. h.: Zugelassene Präparate waren zuvor versucht worden, jedoch weniger wirksam oder nebenwirkungsträchtig. 3. Es besteht Aussicht auf Behandlungserfolg, d. h.: 1 das Präparat befindet sich in Phase III, bzw. es besteht ein Zulassungsantrag, oder 1 die Wirksamkeit ist durch kontrollierte Studien belegt, und das Präparat stellt einen Standard in der Dermatologie dar. Die Versorgung dermatologischer Krankheiten beruht zu einem Großteil auf Arzneimitteltherapien. Mit topischen oder systemischen Therapeutika werden über 2000 Krankheitsentitäten an der Haut versorgt. Nur für einen kleinen Teil dieser Krankheiten – in erster Linie für die häufigeren Dermatosen – liegen zu den eingesetzten Therapeutika Zulassungsstudien vor und können somit Verordnungen gemäß dem Zulassungsstatus erfolgen. Ein Großteil der dermatologischen Erkrankungen muss dementsprechend mit Arzneimitteln im OLU behandelt werden. Problemverstärkend wirkt sich aus, dass die Zulassungsstudien in den letzten Jahren immer stärker fokussierte Indikatio-

nen beinhalten und somit der Anteil an zulassungskonformen Behandlungssituationen weiter rückläufig ist. Sind beispielsweise in weit zurückliegenden Zulassungen wie bei den systemischen Glukokortikosteroiden noch Termini wie „bei entzündlichen Hautkrankheiten“ verwendet worden, so werden etwa die aktuell zugelassenen Calcineurininhibitoren eingeschränkt auf „nur bei schweren therapierefraktären Formen und fehlenden Behandlungsalternativen“. Ein weiterer gravierender Sachverhalt ist für die Verordnung von Dermatika bei seltenen Erkrankungen das geringere Aufkommen an Studiendaten trotz hoher Behandlungsnotwendigkeit. Trotz seiner hohen versorgerischen Bedeutung ist der OLU in der Dermatologie nur in wenigen wissenschaftlichen Arbeiten aufgegriffen worden und ist das Aufkommen an Publikationen hierzu gering [1, 2, 3]. In einer AOK-Studie aus Baden-Württemberg fanden sich bei Kindern von 0 bis 16 Jahren im Jahr 1999 unter 1,7 Mio. Verordnungen insgesamt 13,2% im Off-label-Modus [4]. Die höchsten Raten wurden bei Augen-, HNO- und Hauterkrankungen gefunden (jeweils >60% OLU-Anteil), wobei lediglich Verordnungen von Allgemeinmedizinern, Kinderärzten und Internisten in die Analyse gelangten. Unter topischen Präparaten lag die Rate an OLU-Verordnungen bei 63,8%. In einer US-amerikanischen Analyse der landesweiten Verschreibungen in den Jahren 1990 bis 1997 bei Hauterkrankungen wurden 200 Mio. Visiten ausgewertet [5]: 32% aller Verordnungen waren „off-label“. Off-label-Medikamente gehören damit nach dem Fazit

der Autoren zum Standard der dermatologischen Behandlung. Eine französische Studie aus dem Jahr 2003 unterstreicht die Bedeutung des OLU in der Dermatologie. Hier wurden die Verordnungen der Clinique Dermatologique, Centre Hospitalier Universitaire Rouen analysiert. Der Anteil an OLU lag insgesamt bei 14% der dermatologischen Patienten [6]. Erst in den letzten Jahren wurden in mehreren Ländern Arbeitsgruppen tätig, die für einzelne Indikationen und Medikamente den OLU systematisch erarbeiteten, etwa bei Aza­ thioprin [7], Ciclosporin A [8], Imiquimod [9], Acitretin [10], Allopurinol [11], Mycophenolatmofetil [12], Tacrolimus [13, 14] oder Immunglobulinen [15]. Besonders intensiv wurden die monoklonalen Antikörper/Biologika auf ihre Eignung für weitere, außerhalb der Zulassungstexte liegenden Indikationen geprüft und diskutiert [16, 17, 18, 19, 20, 21, 22].

Barrieren der Versorgung im Off-label-Modus Auch bei eindeutiger medizinischer Indikation berichten viele Dermatologen in Praxis und Klinik über erhebliche Probleme bei der Verordnung im Off-labelModul, insbesondere von höherpreisigen Arzneimitteln. Sowohl die medizinische Notwendigkeit (z. B. Diskussion der Krankheitsschwere) als auch die Evidenz (Aussicht auf Therapieerfolg) werden von den MDKs und Krankenkassen nicht selten infrage gestellt. Der unverhältnismäßig hohe bürokratische Aufwand und die nicht selten über viele Wochen verschleppte Behandlungszeit gehen zulasten der Versorgenden und ihrer Patienten. In einer Umfrage äußerten praktisch alle Dermatologen die Notwendigkeit des OLU, und über 90% gaben Probleme mit der bürokratischen Abwicklung an.

Dermatologisch relevante Arzneimittel mit bedeutenden Off-label-Indikationen In der Dermatotherapie wird eine große Zahl von Arzneimitteln ohne entsprechenden Zulassungsstatus benötigt. Hierzu zählen insbesondere Immunsuppressiva und immunmodulierende Substanzen, aber auch Therapeutika für andere Indikationen (. Tab. 2).

Wichtige Indikationen mit Bedarf nach Off-label-Use Unter der großen Zahl von Erkrankungen, für die Arzneimittel mit Zulassungsstatus fehlen, hat eine Arbeitsgruppe der DDG wichtige Zielindikationen definiert, die zukünftig in Form einer Positivliste einmalig und verbindlich geklärt werden sollten (. Tab. 1). Hierzu zählen ins-

Zusammenfassung · Abstract Hautarzt 2013 · 64:728–735  DOI 10.1007/s00105-013-2590-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 M. Augustin

Sachgerechte Off-label-Verordnung in der Praxis Zusammenfassung Hintergrund.  In der Dermatologie werden über 2000 eigenständige Krankheitsentitäten behandelt. Selbst für einige der häufigeren unter ihnen gibt es keine explizit zugelassenen Arzneimittel. Weitere Limitationen im Zulassungsstatus bestehen bei Hautkrankheiten von Kindern und Jugendlichen, in der Schwangerschaft und bei hoher Komorbidität. In einer Vielzahl dermatologischer Behandlungssituationen ist somit aus medizinischen und ethischen Gründen die Verordnung von Arzneimitteln außerhalb des Zulassungstextes eine Notwendigkeit. Vor dem Hintergrund erschwerter formaler und rechtlicher Rahmenbedingungen zur Verordnung im Off-label-Use (OLU) ist die Kenntnis der regulatorischen Maßgaben des OLU für jeden versorgenden Dermatologen unerlässlich. Methoden.  Die vorliegenden Daten wurden den maßgeblichen Quellen des SGB V, den Arzneimittelrichtlinien und den juristischen Schriften zur Rechtsprechung über OLU entnommen.

Ergebnisse.  Für den OLU bei dermatologischen Erkrankungen gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung. Nur wenige Indikationen bzw. Arzneimittel sind bisher in der dem Gemeinsamen Bundesausschuss aufgetragenen Bearbeitung enthalten. Ein Großteil der notwendigen Versorgung im OLU bezieht sich daher auf die Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichtes. Demnach ist ein OLU in Ausnahmefällen zu rechtfertigen – und aus sozialrechtlicher Sicht sogar vom Patienten einforderbar –, wenn die vorliegende Indikation eine schwere lebensbedrohliche oder die Lebensqualität nachhaltig mindernde Erkrankung darstellt, eine zweckmäßige Therapie im zugelassenen Bereich nicht verfügbar ist und begründete Aussicht auf Behandlungserfolg vorliegt. Zur sachgerechten Verordnung im OLU gehören dementsprechend die sorgfältige Herausarbeitung und Dokumentation aller vorausgegangenen Therapien, des patientenseitigen Leidensdruckes und die Kenntnis der internationalen Li-

teratur über Studien zum gewählten Präparat. OLU betrifft ca. 5–15% der notwendigen Arzneimittelverordnungen in der Dermatologie und etwa 30 Arzneimittel sowie mehrere hundert Indikationen in der Routineversorgung. Für die Praxis baut das CVderm derzeit mit dem E-Skin eine Datenbank für Dermatologen zur Erleichterung des OLU in der Dermatologie auf (http://www.arzneimittelleitfaden.de). Fazit.  Verordnungen im OLU sind ein integraler Bestandteil der qualifizierten dermatologischen Therapie. Trotz regulatorischer und rechtlicher Hürden können diese bei Kenntnis der juristischen und formalen Sachlage durchgeführt werden. Schlüsselwörter Krankheitsentitäten · Arzneimittel · Zulassung · Indikationen · Verordnung

Appropriate off-label prescription in practice Abstract Background.  More than 2,000 different types of disease entities are treated in dermatology. Even for some of the more commonly occurring diseases there is no explicitly approved medication. Further limitations in the approval status can be found for skin diseases in children and adolescents, in pregnancy and with multiple comorbidities. Therefore, for medical and ethical reasons in many dermatological treatment situations prescription of medications off label is necessary. Against the background of the difficult formal and legal framework conditions for off-label prescription, knowledge of the regulations on off-label use is essential for dermatologists. Methoden.  The presented data were taken from the essential sources of the social security statutes V (SGB V), pharmaceutical guidelines and legal texts on jurisprudence of offlabel use.

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Results.  There are no standardized regulations on off-label use for dermatological diseases in Germany. Only a few indications and pharmaceuticals have as yet been included in the processing procedure by the Federal Joint Committee. The large proportion of the necessary treatment in off-label use refers to the jurisprudence, in particular the Federal Social Court. According to this an off-label use can be justified in exceptional cases, and from the sociolegal perspective can even be demanded by patients, if the existing indications re­ present a serious life-threatening disease or one which permanently reduces the quality of life, a suitable therapy under approved conditions is not available and there is a wellfounded prospect of successful treatment. For appropriate prescription in off-label use it is necessary to carry out an appropriate and thorough evaluation and documentation of previous treatment and of the degree of suf-

fering on the side of the patient and to have knowledge of the international literature on studies involving the selected substance. Offlabel use is involved in approximately 5-15 % of necessary pharmaceutical prescriptions in dermatology and affects some 30 drugs and several hundred indications in routine treatment. Currently the CVderm is constructing a databank for dermatology called E-skin for simplification of off-label use in dermatology (http://www.arzneimittelleitfaden.de). Conclusion.  Prescriptions for off-label use are an integral component of qualified dermatological treatment. Despite regulatory and legal hurdles off-label use can be implemented with knowledge of the juridical and formal conditions. Keywords Disease entities · Pharmaceuticals · Approval · Indications · Prescriptions

Tab. 1  Vorschläge einer „Positivliste“

Tab. 1  (Fortsetzung)

Tab. 1  (Fortsetzung)

dermatologischer Indikationen und Arzneimittel zur Schaffung einer Verordnungssicherheit im Off-label-Use bei schweren Hautkrankheiten. (Mod. nach Brockmeyer [3])

6. Mycophenolatmofetil 7. Penicillin G 10 Mega 8. Interferon-γ 9. Colchicin 10. Mycophenolatmofetil 11. Biologika Psoriasis pustulosa und PPP 1. Biologika Pyoderma gangraenosum 1. Ciclosporin A 2. Mycophenolatmofetil 3. Immunglobuline i.v. 4. Cyclophosphamid 5. Biologika Rosazea 1. Tacrolimus topisch 2. Pimecrolimus topisch Systemischer Lupus erythematodes 1. Ciclosporin 2. Mycophenolatmofetil 3. Methotrexat Urtilariavaskulitis 1. Mycophenolatmofetil 2. Azathioprin 3. DADPS Vasculitis allergica 1. Ciclosporin A 2. Azathioprin 3. Immunoglobuline (IVIG) Warzen, Condylomata 1. Bleomycin intraläsional 2. Verrucae vulgaris: Imiquimod Malignome der Haut Kutane Lymphome 1. Acitretin 2. Methotrexat 3. Cyclophosphamid 4. Bleomycin 5. Doxorubicin 6. Adriamycin 7. Prednisolon Malignes Melanom 1. Interferon-α im Stadium IV 2. Temodal 3. Fotemustin 4. Carmustin 5. Lomostin (CCNU) 6. Bleomycin 7. Interleukin-2 8. Vinblastin 9. Cisplatin

Merkel-Zell-Karzinom der Haut 1. Methotrexat 2. 5-Flourouracil 3. Cyclophosphamid 4. Cisplatin 5. Doxorubicin Metastasiertes Plattenepithelkarzinom und Basalzellkarzinom der Haut 1. 5-Flourouracil 2. Methotrexat 3. Doxorubicin

Immunologisch bedingte Hauterkrankungen Alopecia areata 1. (Diphenylcyclopropenon) 2. Hochdosis-Steroid-Puls-Therapie Atopisches Ekzem 1. Biologika 2. Leukotrienrezeptorantagonisten 3. (Azathioprin) 4. (Mycophenolatmofetil) Bullöses Pemphigoid 1. Antibiotikatherapie Chronische Urtikaria 1. Leukotrienantagonisten 2. Ciclosporin A 3. (Azathioprin) Dermatomyositis 1. Prednisolon 2. Mycophenolatmofetil 3. Methotrexat 4. Ciclosporin A 5. Biologika Lichen ruber 1. PUVA 2. Ciclosporin Crème (Lichen ruber mucosae) 3. Tacrolimus S. Morphea 1. Hoch dosierte UVA1-Therapiea 2. Tacrolimus S. Necrobiosis lipoidica 1. Prednisolon 2. ASS 3. Pentoxifillin 4. Nicotinamid 5. Dipyridamol Pemphigus vulgaris 1. Prednisolonb 2. Cyclophosphamid 3. Ciclosporin 4. Immunglobuline 5. Mycophenolatmofetil 6. Biologika Progressive systemische Sklerodermie 1. Azathioprin 2. Ciclosporin 3. Methotrexat 4. Enalapril 5. Alprostadil

besondere Autoimmunerkrankungen der Haut, seltenere entzündliche Erkrankun-

4. Bleomycin PPP Pustulosis palmoplantaris.aKeine Off-labelTherapie im eigentlichen Sinne, da kein Arzneimittel. bNach heutiger Diktion Indikation im Zulassungsbereich, () in Klammern: Ergänzungen der Listung von Brockmeyer et al. durch den Verfasser.

gen sowie Wundkrankheiten und dermatoonkologische Indikationen. Weitere Ergänzungen wären wünschenswert, etwa zum Pruritus. Mit Blick auf häufige dermatologische Indikationen ohne ausreichende Arzneimittelzulassungen sind seltenere Erkrankungen und komplexe Leiden ohne dermatologische Kernindikationen besonders häufig betroffen. Für die Behandlung der systemischen Sklerodermie liegen beispielsweise mit den Glukokortikoidsteroiden und Cyclophosphamid nur 2 Medikamente vor, die zulassungskonform eingesetzt werden können. Ein weitaus größerer Anteil an benötigten Medikamenten muss stattdessen ohne Zulassungsstatus eingesetzt werden.

Systematik der sachgerechten Arzneimittelverordnung im Off-label-Use Innerhalb des Entscheidungsganges zu einer sachgerechten Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung stellt sich die Frage nach dem OLU grundsätzlich, wenn der vorgesehene Wirkstoff ein Arzneimittel darstellt und keiner weiteren Einschränkung durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Arzneimittelrichtlinien unterliegt (. Abb. 1). D Im Regelfall ist bei fehlender

zulassungskonformer Anwendung keine Verordnung zulasten der GKV möglich. Der Hautarzt 10 · 2013 

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Leitthema

Ist die Verordnung wirtschaftlich, ausreichend, notwendig, zweckmäßig?

Geplante Verordnung aufgrund dermatologischer Indikation

Nein

KEINE GKVVerordnung

Ja Nein

Ja

Rezeptpflichtiges AM?

Ist das Präparat ein AM?

Nein

Alter unter 12 J./18 J.* Ja

Ausnahmebestand nach „OTC“-Liste?

Unwirtschaftlich nach AMR?

Nein

KEINE GKVVerordnung

Nein

KEINE GKVVerordnung

Ja

Ja

Nein

Ist das Präparat ein MP?

KEINE GKVVerordnung

Ja

Ist das MP verordnungsfähig? Ja

Nein

Ja

Nein

KEINE GKVVerordnung

Liegt ein „Lifestyle“-AM vor?

KEINE GKVVerordnung

Ja

Verordnung

Nein Zulassung für Indikation, Alter, Dosierung etc.? Ja

Nein

Off-label-Use notwendig?

Nein

KEINE GKVVerordnung

Nein

KEINE GKVVerordnung

Ja

Kriterien für Off-label-Use erfüllt? Verordnung** Ja

Verordnung mit besonderer Begründung

Abb. 1 8 Schematisches Vorgehen bei der sachgerechten Verordnung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. J Jahre, AM Arzneimittel, MP Medizinprodukt, AMR Arzneimittelrichtlinien, GKV-Verordnung Verordnung zulasten der GKV, OTC-Liste Liste der zugelassenen Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 SGBV. *Kinder bis vollendetes 12. Lebensjahr und Jugendliche zwischen vollendetem 12. und vollendetem 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörung. **Ausschluss aut idem prüfen. (Mit freundl. Genehmigung, M. Augustin et al., http://www.arzneimittelleitfaden.de)

Wenn ein für die medizinische Indikation zweckmäßiges, ausreichendes und wirtschaftliches Arzneimittel verordnet werden soll, die Zulassung hierfür jedoch nicht gegeben ist (. Abb. 1), dann ist die Frage der Notwendigkeit nochmals kritisch zu prüfen. Liegt auch diese vor, so gilt es, die Kriterien des OLU zu prüfen.

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Sind diese erfüllt, sollte eine Verordnung mit besonderer Begründung angestrebt werden. Im anderen Fall ist die Verordnung zulasten der GKV nicht möglich. Stattdessen sollte mit dem Patienten gemeinsam geklärt werden, ob ein Selbstkauf des Arzneimittels möglich ist.

Hinweise für die Verordnung von Dermatika im Off-label-Modus Die Verordnung von Medikamenten im Off-label-Modus kann bei sachgerechter Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen und bei Beachtung der formellen Anforderungen fast immer ohne Regressri-

Tab. 2  Wichtige dermatologische Wirkstoffe mit Beispielen für zulassungskonforme Anwen-

dungen und für Off-label-Use. (Mod. nach Roter Liste 2013 und Fachinformationen) Wirkstoff

Acitretin

Handelsname (weitere möglich) Neotigason®

Dermatologische Indikationen nach Zulassung

Weitere notwendige Indikationen (Beispiele)

Psoriasis pustulosa Psoriasis vulgaris Ichthyosis Hyperkeratosis palmoplantaris Lichen ruber, Ichthyosis Morbus Darier Pityriasis rubra pilaris SLE Dermatomyositis Polyarteriitis nodosa Pemphigus vulgaris Bullöses Pemphigoid Morbus Behçet SLE

Adjuvante Therapie nichtmelanozytärer Malignome der Haut

Azathioprin

Imurek®

Chloroquin

Resochin®

Ciclosporin A

Immunosporin®

Psoriasis vulgaris Atopische Dermatitis Morbus Behçet

Cyclophosphamid

Endoxan®

Dapson

Dapson Fatol®

Fumarsäureester Hydroxychloroquin

Fumaderm®

Pemphigus vulgaris Bullöses Pemphigoid Sklerodermie MF + CTCL Psoriasisarthritis Dermatomyositis SLE PAN Morbus Wegener Dermatitis herpetiformis Bullöse Dermatose der Kindheit Subkorneale Pustulose Erythema elevatum et diutinum Lepra Psoriasis vulgaris

Quensyl®

SLE

Isotretinoin

Roaccutan® Aknenormin®

Acne conglobata + fulminans

MCDD Sklerodermie (PSS) Vaskulitiden Urtikaria(-Vaskulitiden) Pyoderma gangraenosum Atopische Dermatitis CDLE Porphyria cutanea tarda Sarkoidose REM-Syndrom Prurigo simplex subacuta SLE Dermatomyositis Sarkoidose Sklerodermie (PSS) Pemphiguserkrankungen Lichen ruber mucosae Alopecia areata Morbus Behçet Skleromyxödem Pyoderma gangraenosum

Acne inversa

Granuloma anulare Kutane Sarkoidose Necrobiosis lipoidica CDLE Porphyria cutanea tarda Sarkoidose REM-Syndrom Rosazea

siko durchgeführt werden. Allerdings ist damit ein erhöhter Aufwand verbunden, der für die Routineversorgung häufig inakzeptabel erscheint. Sieht der behandelnde Arzt die Voraussetzungen eines OLU als gegeben an, sollte er bei der Krankenkasse als Kostenträger deren schriftliche Zustimmung zur Erstattungsfähigkeit einholen. Erfolgt die Zustimmung des Kostenträgers, kann ein Kassenrezept ausgestellt werden. Stellt der Arzt ohne vorherige Zusage des Kostenträgers ein Kassenrezept aus, dann besteht das Risiko, dass er in Regress genommen wird, und die Frage, ob ein OLU vorgelegen hat, wird im Regressverfahren abzuklären sein. Lehnt die Krankenkasse die Erstattungsfähigkeit ab oder holt der Arzt bei dem Kostenträger keine vorherige Auskunft ein, dann sollte er dem Patienten ein Privatrezept ausstellen und es ihm überlassen, sich bei der Krankenkasse um Erstattung zu bemühen. Eine effektivere Arzneimitteltherapie kann dementsprechend vor allem durch eine stärkere Standardisierung sowie durch Nutzung vorhandener Ressourcen wie der Datenbank des SOLUderm erreicht werden. Diese Datenbank baut Wissen und Erfahrungen in der Durchführung des OLU bei Hautkrankheiten auf. Sie bietet für viele Indikationen die notwendige Datengrundlage an und fasst für die Begründung der Off-label-Verordnungen das Aufkommen an Evidenz (Aussichten auf Behandlungserfolg) zusammen. Für Dermatologen ist die Nutzung dieser Datenbank kostenfrei.

Zukünftige Handlungsbedarfe Der Off-label-Status zahlreicher dermatotherapeutischer Medikamente ist nicht durch medizinische, sondern formelle Determinanten begründet. Diese dürfen dem Anspruch des Patienten auf die notwendige und zweckmäßige Therapie sowie insbesondere dem Gebot der ethisch motivierten, humanen Krankenbehandlung nicht im Wege stehen. Die vermeintliche Abwendung von Schäden durch die Arzneimitteltherapie ist nur in den seltensten Fällen ein hinreichender Grund zur Unterlassung einer entsprechenden Off-label-Therapie. Bei den meisten auch Der Hautarzt 10 · 2013 

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Leitthema Tab. 2  Wichtige dermatologische Wirkstoffe mit Beispielen für zulassungskonforme An-

wendungen und für Off-label-Use. (Mod. nach Roter Liste 2013 und Fachinformationen) (Fortsetzung) Wirkstoff

Handelsname (weitere möglich)

Dermatologische Indikationen nach Zulassung

Weitere notwendige Indikationen (Beispiele)

Methotrexat

Lantarel® MTX®

Psoriasis vulgaris Psoriasisarthritis

Psoriasis pustulosa Morbus Reiter SLE MF Morbus Haley-Haley Dermatomyositis Bullöses Pemphigoid Pemphiguserkrankungen Sarkoidose Psoriasis vulgaris Morbus Behçet Pemphiguserkrankungen SLE Vaskulitiden Dermatomyositis Sklerodermie (PSS) Alopecia areata Lichen ruber Periorale Dermatitis Pyoderma gangraenosum Vitiligo Autoimmunerkrankungen Psoriasis vulgaris und Psoriasisarthritis

Mycofenolatmofetil

Cellcept®

Tacrolimus, topisch

Protopic®

Atopische Dermatitis

Tacrolimus, systemisch Biologika Adalimumab

Prograf®



Humira®

Psoriasis vulgaris Psoriasisarthritis

Etanercept

Enbrel®

Infliximab Remicade®

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Psoriasis vulgaris Psoriasisarthritis

Psoriasis vulgaris Psoriasisarthritis

Ustekinumab

Remicade®

Psoriasis vulgaris

Belimumab

Benlysta®

SLE, aktive, Autoantikörper-positive Form

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Pyoderma gangraenosum Morbus Behçet Acne inversa/Hidradenitis suppurativa Vaskulitis Sarkoidose Kollagenosen Weitere Autoimmunerkrankungen der Haut Pyoderma gangraenosum Morbus Behçet Vaskulitis Sarkoidose Kollagenosen Weitere Autoimmunerkrankungen der Haut Pyoderma gangraenosum Morbus Behçet Acne inversa/Hidradenitis suppurativa Vaskulitis Sarkoidose Kollagenosen Weitere Autoimmunerkrankungen der Haut Pyoderma gangraenosum Acne inversa/Hidradenitis suppurativa Pityriasis rubra pilaris CDLE

vorgenannten Therapeutika sind vielmehr das Nebenwirkungsspektrum und das Schadenspotenzial bereits bekannt, und es kann eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung ohne Weiteres getroffen werden. Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, eine klare, den Patienteninteressen entsprechende und zugleich den Arzt schützende, einheitliche Sachlage für den OLU herbeizuführen.

»

Es ist dringend notwendig, eine einheitliche Sachlage für den Off-label-Use herbeizuführen Angesichts der weiterhin bestehenden Restriktionen sollte dies idealerweise eine Positivliste mit rational begründeten Therapiehinweisen für den geschützten OLU sein. Solange eine entsprechende verbindliche Listung von Indikationen nicht vorliegt, bedarf es eines erheblichen Mehraufwandes für die verordnenden Dermatologen, um in allen medizinisch begründeten und vertretbaren Fällen den Patienten die ihnen zustehende Arzneimittelversorgung zukommen zu lassen. Die Kenntnis der dafür wichtigen Bestimmungen sowie die gute Dokumentation sind essenziell.

Unterstützung der Arzneimittelversorgung im Off-label-Use durch das Projekt „SOLUderm“ In diesem Projekt unterstützen das CVderm und das Iderm in Kooperation mit dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (federführend Prof. Dr. Fritz) die verordnenden Dermatologen mit einer Datenbank von gesicherten Anwendungen und einschlägiger unterstützender Literatur zum OLU.

Fazit für die Praxis F Verordnungen im OLU sind ein integraler Bestandteil der qualifizierten dermatologischen Therapie. F Trotz regulatorischer und rechtlicher Hürden können Verordnungen im OLU bei Kenntnis der juristischen und formalen Sachlage durchgeführt werden.

Tab. 2  Wichtige dermatologische Wirkstoffe mit Beispielen für zulassungskonforme An-

wendungen und für Off-label-Use. (Mod. nach Roter Liste 2013 und Fachinformationen) (Fortsetzung) Wirkstoff

Handelsname (weitere möglich)

Dermatologische Indikationen nach Zulassung

Weitere notwendige Indikationen (Beispiele)

Certulizumab Golimumab Omalizumab

Cimzia®

Schwere rheumatoide Arthritis

Psoriasisarthritis

Simponi®

Psoriasisarthritis

Psoriasis vulgaris

Xolair®

Schweres persistierendes allergisches Asthma

Rituximab

MabThera®

Non-Hodgkin-Lymphom und andere Lymphome Schwere rheumatoide Arthritis im Kombination mit MTX

Atopische Dermatitis Mastozytose Chronische Urtikaria Lupus erythematodes Dermatomyositis Vaskulitis Blasenbildende Autoimmundermatosen Graft-vs.-host-Reaktion

SLE systemischer Lupus erythematodes, MCDD „mixed connective tissue disease“, CDLE dhronisch diskoider Lupus erythematodes, PSS progressive systemische Sklerodermie, MF Mycosis fungoides, CTCL kutanes T-ZellLymphom, PAN Panarteriitis nodosa, MTX Metothrexat.

F Zur sachgerechten Verordnung im OLU gehören die sorgfältige Herausarbeitung und Dokumentation aller vorausgegangenen Therapien, des patientenseitigen Leidensdruckes und die Kenntnis der internationalen Literatur über Studien zum gewählten Präparat. F Für die Praxis baut das CVderm derzeit mit dem E-Skin eine Datenbank für Dermatologen zur Erleichterung des OLU in der Dermatologie auf (http://www.arzneimittelleitfaden. de).

Korrespondenzadresse Prof. Dr. M. Augustin Institut für Versorgungsforschung in der   Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) Martinistr. 52, 20246 Hamburg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  M. Augustin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Der Hautarzt 10 · 2013 

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[Appropriate off-label prescription in practice].

More than 2,000 different types of disease entities are treated in dermatology. Even for some of the more commonly occurring diseases there is no expl...
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