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Aspirin und PIK3CA-Mutationen beim kolorektalen Karzinom Aspirin and PIK3CA Mutation in Colorectal Cancer Z Gastroenterol 2014; 52: 306–307 M. M. Kirstein, A. Vogel Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover Domingo E, Church DN, Sieber O, Ramamoorthy R, Yanagisawa Y, Johnstone E, Davidson B, Kerr DJ, Tomlinson IPM, Midgley R. Evaluation of PIK3CA Mutation As a Predictor of Benefit From Nonsteroidal AntiInflammatory Drug Therapy in Colorectal Cancer. J Clin Oncol 2013; 31 (34):4297 – 4305

Hintergrund Das kolorektale Karzinom (KRK) ist eines der häufigsten Karzinome weltweit und die zweithäufigste tumorvermittelte Todesursache in Europa (Siegel R et al. CA Cancer J Clin 2011; 61: 212 – 236). Anhand zahlreicher Beobachtungs- und Interventionsstudien konnte bereits ein präventiver Effekt durch Aspirin in der Entstehung von kolorektalen Polypen und sequenziell kolorektaler Neoplasien gezeigt werden (Algra AM, Rothwell PM. Lancet Oncol 2012; 13: 518 – 527; Rothwell PM et al. Lancet 2011; 377: 31 – 41; Flossmann E, Rothwell PM. Lancet 2007; 369: 1603 – 1613; Chan AT et al. JAMA 2005; 294: 914 – 923). In der aktuellen S3-Leitlinie ist in der asymptomatischen Bevölkerung die medikamentöse Hemmung der Cyclooxygenase(COX)-2 zur Prophylaxe des KRK jedoch nicht empfohlen bei bisher fehlenden Daten aus prospektiv randomisierten Studien. Im Sinne einer Tertiärprävention bzw. adjuvanten Therapie konnte kürzlich anhand zweier voneinander unabhängiger, retrospektiver Analysen zweier prospektiver Studien gezeigt werden, dass eine reguläre niedrig dosierte Einnahme von Aspirin (≤ 100 mg/ Tag) zu einem verbesserten Überleben nach Resektion eines Kolonkarzinoms mit Mutation im PIK3CA-Gen führt.

Zusammenfassung Domingo E et al. nutzen das Kollektiv der VICTOR-Studie für eine umfangreiche Bio-

markeranalyse an 896 Tumoren, um den Einfluss einer selektiven und unselektiven medikamentösen COX2-Hemmung zu untersuchen. In dieser prospektiv randomisierten, placebokontrollierten Studie wurde der Einfluss des COX-2-Hemmers Rofecoxib auf das rezidivfreie und Gesamtüberleben von Patienten im UICCStadium II und III nach Resektion des Primarius untersucht. Nach Bekanntgabe der kardiovaskulären unerwünschten Arzneimittelwirkung von Rofecoxib 2004 wurde jedoch die Rekrutierung nach 2434 Patienten beendet. Begleitmedikation einschließlich des unspezifischen COX1- und 2-Hemmers Aspirin wurde während der Follow-up-Visiten erfragt und dokumentiert. Patienten wurden als Aspirineinnehmer klassifiziert bei bereits bestehender regulärer und niedrig dosierter Einnahme zum Zeitpunkt der Randomisierung oder auch mit Beginn im Rahmen des Follow-ups. Die Biomarkeranalyse erfolgte mittels Sanger-Sequenzierung von PIK3CA-Mutationen im Exon 9 und 20. Mit Ausnahme von 69 Tumoren wurden alle Proben vor nicht chirurgischer Therapie gewonnen. Überdies hinaus erfolgten weitere Sequenzierungen von Mutationen in KRAS, BRAF, FBXW7 und TP53 (Exons 5 bis 8). Zudem wurde die tumorale COX-2-Expression immunhistochemisch in 798 Tumoren untersucht, wobei eine starke Färbung (3 +) als Überexpression gewertet wurde. Der primäre Endpunkt dieser Studie war die Untersuchung des prädiktiven Nutzens von PIK3CA-Mutation für ein verbessertes rezidivfreies Überleben durch Rofecoxib bzw. Aspirin. Sekundär wurde entsprechend das Gesamtüberleben untersucht und die Ergebnisse mit COX-2Expression korreliert. Von den 896 Patienten, deren Tumorproben zur Analyse verfügbar waren, waren 445 (49,7 %) in den Placebo- und 451 (50,3 %) in den Rofecoxibarm randomisiert worden. 125 (14 %) Patienten nahmen Aspirin ein. PIK3CA-Mutationen wurden bei 104 Patienten (11,6 %) gefunden ohne signifikanten Unterschied zwischen der Rofecoxib- und Placebokohorte und der Aspirin- und Kein-Aspirinkohorte. PIK3CA-Tumore waren signifikant häufiger KRAS-mutiert. Eine COX-2Überxpression wurde insgesamt bei 168 (11,1 %) Tumoren nachgewiesen, allerdings ohne signifikante Häufung in den PIK3CA-mutierten Tumoren. Rofecoxibeinnahme führte weder bei Patienten mit PIK3CA-wildtypen noch mutierten Tumoren zu einer signifikanten

Veränderung des rezidivfreien Überlebens verglichen mit Placebo (HR 0,87; 95 % CI 0,64 – 1,16; p = 0,34/ HR 1,2; 95 % CI 0,53 – 2,72; p = 0,66). Ebensowenig wurde das Gesamtüberleben durch Rofecoxib bei Patienten mit PIK3CA-mutierten oder wildtypen Tumoren verändert. Hingegen war die Einnahme von Aspirin verglichen mit keiner Einnahme mit einem signifikant verbesserten rezidivfreien Überleben bei Patienten mit PIK3CA-mutierten Tumoren (HR, 0,11; 95 % CI 0,001 – 0,832; p = 0,027; p (Interaktion) = 0,024) assoziiert. Dies konnte nicht bei Patienten mit unmutierten PIK3CA-Tumoren gezeigt werden (HR 0,92; 95 % CI 0,60 – 1,42; p = 0,71). In der PIK3CA-mutierten Kohorte führte Aspirin zu einem tendenziell verlängerten Gesamtüberleben, ohne allerdings Signifikanz zu erreichen aufgrund der kleinen Patientenzahl. Das Outcome war entsprechend einer COX2-Überexpression tendenziell verbessert sowohl durch Rofecoxib als auch Aspirin verbessert (HR 0,74; 95 % CI 0,36 – 1,51; p = 0,40/HR 0,55; 95 % CI 0,16 – 1,91; p = 0,35).

Kommentar In dieser retrospektiven Analyse einer großen Phase-III konnte gezeigt werden, dass eine PIK3CA-Mutation im Tumor ohne Nutzen für eine Therapie mit Rofecoxib ist, aber mit einem signifikant verringerten Rezidivrisiko durch eine reguläre, niedrig dosierte Einnahme von Aspirin assoziiert ist. Die Ergebnisse decken sich mit einer Arbeit aus dem Jahr 2012 (Liao X et al. N Engl J Med 2012; 367: 1596 – 1606), in der ebenfalls in einer retrospektiven Analyse einer prospektiven Kohortenstudien gezeigt werden konnte, dass die Einnahme von Aspirin bei Vorliegen einer PIK3CAMutation im Tumor zu einem signifikant höheren tumorspezifischen Überleben (HR 0,18; 95 % CI 0,06 – 0,61; p < 0,001) und Gesamtüberleben führte (HR 0,96; 95 % CI 0,69 to 1,32; p = 0,76). Das PIK3CA-Gen kodiert für eine katalytische Untereinheit der Phosphatidylinositolkinase-3 (PI3K), die in verschiedenen malignen Tumoren aktiviert ist. Die Aktivierung von PI3K wird über die Phosphatase PTEN gesteuert. PI3K wiederum aktiviert durch die AKT und PDK1-Kinasen zahlreiche nachgeschaltete Effektoren wie mTOR (mammalian target of rapamycin), Glycogen-Synthase-3 (GSK3) und Forkhead Box O (FOXO), die kritische zelluläre Prozesse wie Apoptose, Translation,

Kirstein MM et al. Aspirin und PIK3CA-Mutationen … Z Gastroenterol 2014; 52: 306–307 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1356386

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erhoben worden sind. Bei einer Mutationshäufigkeit zwischen 12 und 17 % sind zudem die Subgruppen der aspirineinnehmenden, PIK3CA-mutierten Patienten in beiden Studien entsprechend klein. Prospektiv-randomisierte Phase-III-Studien einer adjuvanten Therapie mit Aspirin bzw. dem COX-2-Inhibitor Colecoxib bei Patienten mit kurativ reseziertem KRK wurden bereits initiiert und rekrutieren aktuell Patienten. Zum einen wird Aspirin im Dukes C und Hochrisiko Dukes B KRK (ASCOLT-Studie, ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00 565 708) und zum anderem der COX-2-Inhibitor Colecoxib ergänzend zu einer adjuvanten Behandlung mit FOLFOX bei Patienten mit UICCStadium-III (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01 150 045) evaluiert. Beide Studien wurden vor der Erkenntnis des prädiktiven Werts einer PIK3CA-Mutation für eine Aspirintherapie veranlasst, sodass hier erneut mit kleinen Subgruppenanalysen zu rechnen ist. Dies gilt insbesondere für die ASCOLT-Studie, die 1200 Patienten einzuschließen plant im Gegensatz zu immerhin 2500 geplanten Patienten der Colecoxib-Studie. Prospektiv randomisierte Studien mit Aspirin bei Patienten mit ausschließlich PIK3CA-mutierten Tumoren werden wahrscheinlich nicht umsetzbar sein. Die Herausforderung wird darin bestehen, genügend Patienten einzuschließen, die im Rahmen der Studie nach der aktuellen Datenlage bewusst auf Aspirin verzichten. Von Interesse ist zuletzt auch die Frage nach einem profitablen Effekt von Aspirin in der palliativen Situation bei Patienten mit bestehendem und/oder metastasiertem KRK. Schlussfolgernd sind weitere präklinische und klinische Studien nötig, um die Wirk-

mechanismen besser verstehen, weitere Biomarker wie PTEN, KRAS oder andere identifizieren und die bisherigen Daten validieren zu können. Für die Praxis stellt sich aber schon heute die Frage, ob PIK3CA-Mutationen nach kurrativer Resektion eines KRK bestimmt und eine additive Therapie mit Aspirin – auch außerhalb einer Leitlinienempfehlung – mit den Patienten diskutiert werden kann. Prof. Dr. Arndt Vogel Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str.1 30625 Hannover Tel.: + 49/5 11/5 32 95 90 Fax: + 49/5 11/5 32 83 92 [email protected]

Kommentierte Referate können von jedem interessierten Kollegen verfasst werden. Sie sollten zuvor beim Koordinator angemeldet werden. Die formale Gestaltung orientiert sich an den publizierten Referaten (Kurzzitate im Text!). Einreichung nicht über die Online-Manuskripteinreichung des Thieme Verlags, sondern via E-mail an den Koordinator der Kommentierten Referate. Prof. Dr. Stefan Müller-Lissner Park-Klinik Weißensee Schönstraße 80, 13086 Berlin Tel. + 49 30 96 28 36 00, Fax 36 05, [email protected]

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Proliferation oder Metabolismus regulieren. Zudem wurde im KRK eine Aktivierung des Wnt/ß-catenin-Signalweges über PI3K beschrieben. Die zugrunde liegenden Mechanismen von Aspirin und PI3K sind hingegen nur unzureichend verstanden. Zum einen geht man von einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB durch PI3K/ Akt aus, der in der Folge die Expression von COX-2 induziert. Zum anderen wurde eine Hemmung des Wnt/ß-catenin-Signalweges durch Aspirin beschrieben. Letztlich mag auch die unselektive COX-2-Hemmung durch Aspirin mit der einhergehenden COX-1-Hemmung die besseren klinischen Ergebnisse verglichen mit einer selektiven COX-2-Inhibition bedingen. COX-2 wird primär in Kolonkarzinomzellen, während COX-1 vornehmlich in Endothelzellen exprimiert, in denen durch Aspirin über eine COX-1-Inaktivierung die Angiogenese gehemmt werden kann. Neben den Effekten auf den Primarius über COX-2 sind daher bislang nicht untersuchte endovaskuläre Mechanismen von Aspirin mit Auswirkung auf Mikrometastasierung denkbar. Schließlich werden PIK3CA auch unterschiedliche Effekte entsprechend einer Mutation im Exon 9 oder 20, sowie überlappende, mit KRAS-Mutation assoziierte Effekte zugeschrieben. Unter anderem wurde vermutet, dass PIK3CA-Mutation im Exon 20 ein Ansprechen gegenüber einer Therapie mit EGFR-Inhibitoren vorhersagt. Folglich scheint es möglich zu sein, dass PIK3CA-Mutation als prädiktiver Biomarker für weitere therapeutische Substanzen über Aspirin hinaus fungieren kann. Hier bleiben Untersuchungen abzuwarten. Einschränkend muss betont werden, dass die Daten beider Studien retrospektiv

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