Leitthema Hautarzt 2014 DOI 10.1007/s00105-013-2654-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

J. Wohlrab Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)

Grundlagen der topischen Therapie Um professionelle topische Therapie umsetzen zu können, bedarf es einiger Grundlagenkenntnisse zum molekularen Aufbau sowie zur physikochemischen Organisation des Stratum corneum. Darüber hinaus müssen die pharmakologischen Eigenschaften des eingesetzten Wirkstoffs sowie die Eigenwirkung des verwendeten Vehikelsystems bekannt sein. Weiterhin sind die Einflussfaktoren von Bedeutung, die die Interaktion der galenischen Formulierung mit dem Hautorgan bestimmen und für ein optimiertes Nutzen-RisikoVerhältnis gezielt angepasst werden können. Die Bedeutung der epikutanen Applikation von Wirksubstanzen, barriereprotektiven Systemen und Medizinprodukten hat sich objektiv in den letzten Jahren nicht grundlegend verändert. Nach wie vor werden Erkrankungen des Hautorgans überwiegend topisch therapiert. Dennoch sind die Entwicklungen in der Pharmakologie der letzten Jahre von Systemtherapeutika, insbesondere Biologika geprägt worden, die das Armentarium des Therapeuten erheblich erweitert haben. Dies trifft insbesondere für Indikationen zu, die als Systemerkrankungen mit ausgeprägter kutaner Symptomatik identifiziert wurden. Durch den starken Erkenntniszuwachs für zahlreiche dermatologische Indikationen auf pathogenetischer und biotechnologischer Ebene ist die Präsenz der topischen Therapie in den Hintergrund getreten, ohne dass es hierfür fundierte inhaltliche Gründe gibt [1, 2]. Die topische Applikation ist nach wie vor kostengünstig, bewährt und

etabliert [3]. Die sich seit der Einführung der Biologika drastisch intensivierten regulatorischen Anforderungen hinsichtlich der Evidenzdaten zur Wirksamkeit und Sicherheit liegen für die meisten Topika nicht in dem Maße vor, wie wir sie von den Neuzulassungen der letzten Jahre kennen. Dennoch erfüllen die zugelassenen Fertigarzneimittel unter den Topika alle regulatorischen Voraussetzungen an die Sicherheit und Wirksamkeit. Für Rezepturarzneimittel gelten besondere Bedingungen, die an anderer Stelle näher erläutert und bewertet werden. Auch die Nutzung der Haut als Applikationsorgan zur Realisierung einer systemischen Bioverfügbarkeit, die durch den Einsatz sog. transdermaler Pflastersysteme erzielt werden kann, hat hinsichtlich der praktischen Relevanz zunehmende Bedeutung für die topische Applikation erlangt. Grundsätzlich gilt, dass die topische Therapie und die damit verbundenen biologischen, physikochemischen, regulatorischen und pharmakologischen Grundlagenkenntnisse zum Rüstzeug einer jeden Dermatologin und eines jeden Dermatologen gehören.

Haut als Zielorgan für die epikutane Applikation Die kutane Bioverfügbarkeit epikutan applizierter Wirksubstanzen wird vorwiegend durch die Interaktion des galenischen Systems mit dem Stratum corneum (SC) als unmittelbare Kontaktschicht bestimmt [4]. Aus pharmakologischer Sicht sind 2 Prozesse innerhalb des SC für den Substanzfluss von Bedeutung, die Barriere- und die Reservoirfunktion (. Abb. 1).

Bedeutsam ist dabei auch, dass das SC keine homogene Struktur darstellt, sondern nach der Bildung und kompakter Strukturierung im Stratum compactum durch einen enzymatisch gesteuerten Desquamationsprozess aufgelockert wird (Stratum disjunctum; [5]). Somit wird den beiden genannten Funktionsbereichen eine diametrale Bedeutung innerhalb der Strukturebenen des SC zuerkannt [6]. Das Maximum der Barrierefunktion liegt demnach im Stratum compactum und das der Reservoirfunktion im Stratum disjunctum. Letztere dient als privilegierter Akzeptor für epikutan applizierte und liberierte Phasen [7]. Für die kutane Gesamtkinetik eines Wirkstoffs ist dies entscheidend, da Maximalkonzentrationen in tieferen Hautschichten reduziert werden und der Penetrationsprozess verzögert wird. Gleichzeitig können große Mengen liberierter Wirkstoffanteile auch nach relativ kurzen Applikationszeiten aufgenommen und bioverfügbar werden. Dies gilt insbesondere für lipophile Substanzen, da diese nur in sehr geringem Maße durch die hydrophile vitale Epidermis aufgenommen werden können. Insgesamt wird dadurch deutlich, dass die mikromorphologischen Verhältnisse sowohl als anatomische Varianz (z. B. Felder- vs. Leistenhaut) als auch unter pathologischen Bedingungen (z. B. epidermale Proliferations- bzw. Differenzierungsstörung) unmittelbare Auswirkungen auf das pharmakokinetische Profil einer epikutan applizierten Substanz haben. Genau hierin liegt die Kompetenz des Dermatologen, da durch detaillierte Kenntnis der spezifischen Bedingungen, insbesondere bei erkrankter Haut, die Auswahl, ZusammenDer Hautarzt 2014 

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Leitthema setzung und Anwendung des Topikums adaptiert werden sollte [8].

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Für den Substanzfluss innerhalb des Stratum corneum sind die Barriere- und die Reservoirfunktion von Bedeutung

Abb. 1 8 Darstellung der Liberation eines Wirkstoffs aus einer topischen Applikationsform mit Penetration ins Stratum corneum sowie der quantitativen Bedeutung der Barriere- und Reservoirfunktion

Abb. 2 8 Exozytose von Lipiden aus den „Odland bodies“ in den Interzellularraum bei Enddifferenzierung eines Keratinozyten und Darstellung der Organisation der lipophilen Phase zu Membrannetzwerken des Stratum corneum. CER Ceramid

Abb. 3 8 Darstellung der Passagerouten in und durch das Stratum corneum

Bekanntlich besteht das SC aus 3 funktionsstrukturell wichtigen Einheiten, die abgetrennte Mikromilieus darstellen und damit die Barriere realisieren [9]. Im Rahmen der Differenzierung der Keratinozyten entstehen Korneozyten, die zwar avital, dennoch metabolisch hochaktiv sind. Diese werden von einer komplex aufgebauten membranartigen Struktur („cornified envelope“) umgeben, die durch ihre geringe Permeabilität, insbesondere für hydrophile Phasen, die Integrität des Korneozyten sichert. Darüber hinaus wird der interkorneozytäre Raum von einer Mischung verschiedener Lipide, Proteine und Wasser ausgefüllt, die durch ihre besonderen physikochemischen Eigenschaften das morphologische Äquivalent der Barriere- und Reservoirfunktion bilden. Die physikalische Barrierefunktion des SC, die als semipermeables System verstanden werden muss, wird durch das komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher physikochemischer Molekülgruppen und zellulärer Bestandteile bestimmt [10]. Nach heutigem Kenntnisstand sind für die Barrierefunktion nicht nur die Quantität und Qualität der einzelnen Komponenten, sondern insbesondere deren molekulare Ordnung, also ihre Molekülstellung zueinander von entscheidender Bedeutung [11]. Insgesamt lassen sich komplexe physikochemische und biologische Konditionen benennen, die unter physiologischen Bedingungen die regulierte Barriere realisieren. Für pathologische Hautzustände sind neben indikationsspezifischen auch krankheitsphasenspezifische und individualpathologische Veränderungen von Bedeutung.

Lipophile Bestandteile des Stratum corneum Die keratinozytäre Lipidsynthese ist weitgehend autonom reguliert und stellt neben Cholesterol und Cholesterolderivaten

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Zusammenfassung · Abstract auch freie Fettsäuren unterschiedlicher Kettenlänge sowie Triglyzeride bereit (. Abb. 2). Zudem werden im endoplasmatischen Retikulum der Keratinozyten Ceramide synthetisiert, die sich substanziell von Molekülen anderer Lipidklassen durch ihre anisomerische Molekülstruktur unterscheiden [12]. Aufgrund von Ladungsunterschieden innerhalb des langkettigen Moleküls können Ceramide spontan lyotrope Mesophasen, also flüssigkristalline Membranstrukturen, bilden [13]. Die funktionell bedeutenden Ceramide des SC besitzen im Unterschied zu Phospholipiden 2 Alcylketten, die wiederum in der Länge variieren. Zudem weisen diese in Abhängigkeit vom Hydratationsgrad differente Konfigurationen auf, sodass verschiedene Membranmodelle ein komplexes Netzwerk aus Membranabschnitten mit polymorphem Phasenverhalten beschreiben [14]. Die dynamische Ordnung des Gesamtsystems wird in seiner Komplexität zunehmend verstanden und gewinnt mehr und mehr praktische Bedeutung in der Entwicklung moderner galenischer Vehikelsysteme.

Hydrophile Phase des Stratum corneum Die Barrierefunktion wird zudem wesentlich durch die Quantität der hydrophilen Phase in Mikromilieus bestimmt. Die Verteilung des Wassers innerhalb der Mikrokompartimente des SC lässt sich in mindestens 2 Fraktionen beschreiben. Neben sog. freiem Wasser wird eine Fraktion von gebundenem Wasser definiert. Letztere setzt sich aus einer mobilisierbaren und einer fixierten Subfraktion zusammen. Die Nomenklatur zielt dabei auf den dynamischen Austausch hydrophiler Valenzen zwischen den einzelnen Kompartimenten ab. Unter fixiertem Wasser versteht man vordergründig den Wasseranteil, der in Korneozyten durch starke hygroskopische Kräfte, vermittelt durch proteolytisch generierte Aminosäuren, gebunden ist und quasi für den Austausch nur sehr retardiert zur Verfügung steht. Unter besonderen Bedingungen kann durch schwellfähige Membrananteile gebundenes Wasser liberiert und in die freie Wasserphase überführt werden. Hier wird die funktionell bedeutsame Wasserphase

des SC gesehen. Das freie Wasser wird zudem durch hygroskopische Moleküle, die zusammen als „natürlicher Feuchthaltefaktor“ (NMF) bezeichnet werden, in den einzelnen Mikrokompartimenten gebunden und steht im Austausch mit der Wasserphase der vitalen Epidermis sowie der Umwelt (transepidermaler Wasserfluss; [15, 16]). Wesentlicher Bestandteil des NMF sind neben Aminosäuren insbesondere Pyrollidoncarbonsäuren, Lactat, Harnstoff und anorganische Ionen [17]. Diese werden durch die Keratinozyten synthetisiert und in Abhängigkeit vom Differenzierungsgrad freigesetzt.

Grundlagen der Galenik topischer Präparationen Aktive Substanzen können in das SC diffundieren (penetrieren) bzw. das SC durchdringen (permeieren). Die meisten Substanzen permeieren das SC entlang der zahlreichen hydrophilen korneodesmosomalen Strukturen über die sog. interzelluläre Passageroute ([18, 19], . Abb. 3). Es wird aber davon ausgegangen, dass sich in Abhängigkeit von den physikochemischen Eigenschaften der Wirksubstanz, des Vehikels und der sich während des Penetrationsprozesses ändernden Konzentrationsverhältnisse eine Umverteilung hinsichtlich der Passagewege ergeben kann. Lipophile Wirkstoffe penetrieren bevorzugt über die unpolare, lipophile Route durch laterale Diffusion entlang der lipophilen Kohlenwasserstoffketten der SC-Lipide. Die bestimmenden Einflussfaktoren der Penetration werden durch das Fick-Diffusionsgesetz beschrieben. Auch wenn z. B. bei kolloidalen Vehikelsystemen darüber hinausgehende Einflussfaktoren wirken, so sind doch Konzentrationsunterschiede zwischen der Präparation (Donor) und der Haut (Akzeptor), Freisetzung der Wirksubstanz aus dem Donor, Diffusionseigenschaften des Akzeptors und Kontaktzeit die praktisch bedeutsamsten Stellschrauben einer galenischen Optimierung.

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Aktive Substanzen können in das Stratum corneum diffundieren bzw. es durchdringen

Hautarzt 2014 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00105-013-2654-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 J. Wohlrab

Grundlagen der topischen Therapie Zusammenfassung Eine Vielzahl von Dermatosen wird durch eine epikutane Applikation von Wirksubstanzen therapiert. Planung, Konzeption, Durchführung und Überwachung der topischen Therapie zählen zu den Kernkompetenzen der Dermatologie. Dies setzt Grundlagenkenntnisse zur physikochemischen Organisation der Hautschichten, insbesondere des Stratum corneum, sowie zur Interaktion der Wirksubstanz und des Vehikelsystems mit dem Hautorgan voraus. Zudem sind pharmakokinetische Grundkenntnisse und die Besonderheiten für die epikutane Applikation notwendig, um professionell ärztlich handeln zu können. Schlüsselwörter Stratum corneum · Barrierefunktion · Reservoirfunktion · Penetration · Dermatosen

Basics of topical therapy Abstract Numerous dermatoses are treated with topically applied substances. Planning, conception, implementation and monitoring of topical therapies are dermatological core competencies. This requires fundamental knowledge about the physicochemical structure of skin layers, especially the stratum corneum, as well as about the interaction of both the active substance and the vehicle system with the skin. Professional treatment also requires basic knowledge about pharmacokinetics and the special features of epicutaneous drug administration. Keywords Stratum corneum · Barrier function · Reservoir function · Penetration · Dermatoses

Um die Bioverfügbarkeit einer Wirksubstanz in den jeweiligen Zielkompartimenten der Haut zu ermöglichen und zu optimieren, werden spezielle Vehikelsysteme eingesetzt, die den molekularen Gegebenheiten entsprechen und deren Eigenwirkung die physikochemischen Gesamtbedingungen gezielt manipulieren [20]. Um eine aus therapeutischer Sicht optimierte topische Präparation einsetzen zu können, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Essenziell ist die KenntDer Hautarzt 2014 

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Leitthema nis von den pathogenetischen Bedingungen der jeweiligen Dermatose, die nicht nur das pharmakologische Zielkompartiment identifizieren, sondern auch das galenische Grundprinzip bestimmen. Zudem müssen die physikochemischen Eigenschaften der Wirksubstanz Beachtung finden, um das Zusammenspiel mit dem Akzeptor Haut und dem Vehikel kalkulieren zu können [21]. Diese komplexen Zusammenhänge erfordern somit die Kooperation medizinischer und pharmazeutischer Kompetenz, um einen optimierten therapeutischen Effekt sicherzustellen. Neben Fertigarzneimitteln (sog. Spezialitäten) und Medizinprodukten stehen für die Therapie von Erkrankungen auch Rezepturarzneimittel zur Verfügung. Zur sog. Basistherapie (auch Pflegetherapie) werden meist kosmetische Präparationen mit dem Ziel empfohlen, durch Barrieresubstitution den Einfluss externer Triggerfaktoren zu reduzieren und prophylaktisch bzw. proaktiv die Krankheitsaktivität zu supprimieren.

Vehikelsysteme für die topische Applikation Die detaillierte Kenntnis über die Zusammensetzung von Vehikelsystemen und die Möglichkeiten der sinnvollen und stabilen Verarbeitung von Wirksubstanzen gehört zu den Kernkompetenzen eines Pharmazeuten. Auch wenn dem Arzt grundsätzlich die therapeutische Freiheit zuerkannt wird, so bedeutet dies nicht, dass unsinnige, unwirtschaftliche oder obsolete Rezepturen verordnet werden dürfen. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von Vehikelsystemen in der Rezeptur gewissen Grundregeln unterworfen, denen standardisierte Rezepturen (Magistralrezepturen) Rechnung tragen. Für das Verständnis der Zusammenhänge ist darüber hinaus wichtig, dass sich die Nomenklatur der Vehikelsysteme im pharmazeutischen und dermatologischen Sprachgebrauch unterscheidet. Deutlich wird dies bei der Verwendung von Salben, unter denen ein Pharmazeut in der Regel eine wasserfreie Zubereitung eines Fettes oder einer Mischung von Fetten, ein Dermatologe eher eine lipophile Creme versteht. Die Verwirrung wird dadurch noch verstärkt, dass die Vehikelbezeichnung auf Ferti-

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garzneimitteln ebenfalls nicht der pharmazeutischen Nomenklatur entsprechen muss. Für das dermatologische Portfolio im Alltag ist es deshalb wichtig, sich auf bestimmte Magistralrezepturen zu fokussieren und den Einsatz auf klinische Behandlungssituationen zu beziehen. Die bisherigen Sammlungen von Magistralrezepturen nehmen diesen praktischen Aspekt der Systematik bisher leider nur unzureichend auf, sodass aus Sicht des klinisch tätigen Dermatologen häufig eine gewisse Unordnung und Unübersichtlichkeit resultieren [22]. Da selbst in der Magistralrezeptur routinierte Kolleginnen und Kollegen für die Therapie überwiegend nur 5 bis 10 verschiedene Rezepturen einsetzen, liegt die Kunst nicht im Gebrauch der Vielfalt, sondern eher in der qualitativen Auswahl aus der Vielfalt. Die Orientierung in der Auswahl einer topischen Präparation sollte vordergründig an Wirkstoffkategorien erfolgen und sekundär das Vehikelsystem einbeziehen. Grundsätzlich gilt, dass je länger eine topische Therapie zum Einsatz kommt, desto bedeutender die Eigenwirkung des Vehikels für die therapeutische Effektivität der Präparation ist. So ergeben sich klinisch relevante Effekte durch Okklusion (z. B. Salbe) bzw. Überhydratation (z. B. Hydrogele) häufig erst nach mehrtägiger Anwendung [23]. Für die Anfangsphase der Therapie spielt die rasche Bioverfügbarkeit der Wirksubstanz im galenischen Zielkompartiment die entscheidende Rolle. Hier ist die Bedeutung des Vehikels eher darin zu sehen, wie rasch der Wirkstoff aus der Grundlage liberiert wird und in das Reservoir SC eindringen kann. Daher auch die Begriffszuordnung „Vehikelsystem“. Praktisch bewährt hat sich ein vereinfachtes Denkschema, welches die Quantität der enthaltenen Phasen eines Vehikelsystems als Orientierung nutzt und dabei pharmazeutische Details vernachlässigt. Neben einphasigen Systemen (Lösungen) werden hydrophile Creme, lipophile Creme, Salbe, Emulsion (inklusive wasserfreie Absorptionsgrundlagen), Lotion, Gel und andere (z. B. Paste, Schüttelmixtur usw.) unterschieden. Natürlich sollte man die physikochemischen Hintergründe einer Emulsion bzw. eines Gels kennen, aber Detaildiskussionen bergen die

Gefahr der Verwirrung und praktisch wenig relevanten Definition von Sonderstellungen und Ausnahmen. Weniger kann also mehr sein!

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Bei einer professionellen Therapie sollte die Auswahl der Wirksubstanz im Vordergrund stehen Dadurch wird auch deutlich, dass Übersichten mit einer Zuordnung von Vehikelsystemen zu bestimmten klinischen Bildern (die im Übrigen in vielen Lehrbüchern als konservierte Tabellen seit frühen Auflagen mitgeführt werden) möglicherweise als Groborientierung geeignet sind, aber die dargestellte Komplexität nicht im ausreichenden Maße widerspiegeln. Tendenziell hat sich praktisch bewährt bei akut entzündlichen Zuständen hydrophilen und bei chronisch entzündlichen Zuständen lipophilen Vehikeln den Vorzug zu geben. Dennoch sollte bei einer professionellen Therapie die Auswahl der Wirksubstanz im Vordergrund stehen, die wegen physikochemischer Besonderheiten möglicherweise eine grobe Abweichung von den genannten Grundsätzen notwendig macht. Die optimale galenische Konzeption kann man also nur im konkreten Fall bzw. in der konkreten Behandlungssituation erarbeiten.

Fazit für die Praxis F Eine optimierte topische Therapie kann nur gelingen, wenn die klinischen und pathogenetischen Charakteristika einer Dermatose bekannt sind und im Kontext mit den physikochemischen und pharmakologischen Eigenschaften des arzneilichen Wirkstoffs sowie dem galenischen System gesehen werden. F Die Anwendung von Spezialitäten oder standardisierten Rezepturen garantiert die notwendige pharmazeutische Qualität und therapeutische Sinnhaftigkeit des Topikums. F Neben anerkannten therapeutischen Regeln und Kenntnis der evidenzbasierten indikationsbezogenen Therapieempfehlungen wird der therapeutische Erfolg in der topischen Applika-

tion vielfach durch die Erfahrung des Therapeuten und die Anpassung an die individuelle Behandlungssituation gewährleistet.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. J. Wohlrab Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40, 06097 Halle (Saale) [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  J. Wohlrab gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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