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Fortschr. Röntgenstr. 126, 5 (1977) 496--499 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Bezoar des Osophagus Von D. Koischwitz, H. G. Rohner und H. Cremer 3 Abbildungen Radiologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. P. Thurn(, Medizinische Klinik (Direktor: Prof. Dr. H. J. Dengler), Pathologisches Institut (Direktor: Prof. Dr. P. Gedigk) der Universität Bonn

Bezoare sind Pseudotumoren des Gastrointestinaltrakts, die sich aus verfestigten Nahrungsbestandteilen oder verschluckten Fremdkörpern bilden. Aufgrund ihrer Zusammensetzung werden Phytobezoare, Trichobezoare, Lackbezoare, Medikamentenbezoare u. a. m. unterschieden. Bei der überwiegenden Zahl der bisher

mitgeteilten Beobachtungen handelt es sich um Bezoare des Magens (De Bakey u. Ochsner, 1938 und 1939; Tondrean u. Kirklin, 1950). Seltener finden sich Bezoare im Dünndarm (Nagel

u. Bergera, 1960; Galanshi, 1972) oder im Kolon (Wilson u. Mitarb., 1964; Townsend u. Mitarb., 1973). Dabei wird für die meisten Dünndarmbezoare angenommen, daß sie sich im Magen

Benoit (1971) über je ein aus Speiseresten aufgebautes Ösophagusbezoar, Munsell (1973) stellt ein Phytobezoar in einem epiphrenischen Ösophagusdivertikel vor und Belmont (1952), Voinchet u. Mitarb. (1974) sowie Caquet u. Mitarb. (1974) fanden je ein Medikamentenbezoar des Ösophagus. Aufgrund der Seltenheit des Krankheitsbildes berichten wir deshalb über einen Patienten mit einem Ösophagusbezoar.

Kasuistik

gebildet haben und erst später in den Dünndarm gelangt sind.

48jähriger Patient in reduziertem Allgemeinzustand. Seit vier

Gelegentlich reichen Bezoare des Magens ins Duodenum oder in den unteren Ösophagus hinein (De Bakey u. Ochsner, 1938 und

Jahren wegen eines chronischen Nierenversagens infolge maligner

Nephrosklerose im chronischen Dialyseprogramm. Seit vier 1939). Jedoch sind Bezoare, die sich im Ösophagus gebildet Tagen im Anschluß an eine im Liegen eingenommene Mahlzeit haben und ausschließlich im Ösophagus lokalisiert sind, äußerst zunehmende Schmerzen beim Schlucken mit Projektion hinter selten. In der Literatur konnten wir nur wenige einschlägige das obere Sternum. Jetzt extreme Dysphagie, Sialorrhoe. Jeder Beobachtungen finden. So berichten De Bakey und Ochsner Versuch, Flüssigkeit zu sich zu nehmen verstärkt die Schmerzen (193S ud 1 939), Mc7O'r1 n. Paulson (1967) sowie Gauthier- und bewirkt sofortige Regurgitation.

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Abb. la und b. Bezoar des Osophagus von 18 cm Länge, das im oberen Ösophagusdrittel der Wand anhaftet und im unteren Ösophagus frei flottiert.

Abb.lb

Abb. la

Abb. 2a

Abb. 2b

Abb. 2a und b. Histologisches Präparat. H. E. Vergrößerung a) 120 x und b) 300 x. Altere Fibrinfäden mit Erythrozyten; daneben pflanzliche Nahrungsbestandteile (P), regressiv veränderte Muskelfasern (M) sowie nekrotisches Fettgewebe (F) und Bakterienhsufen,

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weise finden sich Ulzerationen und Blutungen. Ein Ösophaguskarzinom kann auch endoskopisch nicht sicher ausgeschlossen werden.

Histologie (Abb. 2) Histologisch erkennt man nicht mehr ganz frisches Fibrin, welches

von Erythrozyten durchsetzt wird. Daneben sieht man nekrotisches Fettgewebe, regressiv veränderte Muskelfasern sowie pflanzliche Nahrungsbestandteile mit Bakterienhaufen.

Verlauf Vollständige Normalisierung der Schluckbeschwerden nach der Extraktion des Bezoars. Eine Ösophagusröntgenkontrolle zwei Wochen nach der Bezoarentfernung ergibt normale Verhältnisse (Abb. 3). Der Patient stirbt drei Monate später an seinem Grundleiden unter den Zeichen eines Herz-Kreislaufversagens.

Außer kleinen Narben in der Ösophagusschleimhaut kein wesentlich krankhafter Befund am Osophagus zu erkennen.

Diskussion Die Entstehung der Bezoare im Gastrointestinaltrakt erfordert besondere Dispositionsfaktoren. In der Literatur wird darauf hingewiesen, daß eine Kombination von Stase der Nahrungsmittel im Gastrointestinaltrakt sowie Aufnahme nichtverdaulicher Sub-

Ösophagus nach Bezoarentfernung. Freie Passage. Keine Stenose. Kein Tumor. Abb. 3.

Röntgenbefund (Abb. la und b) Im oberen Ösophagusdrittel erkennt man eine 18 cm lange, polypöse, das Ösophaguslumen ausfüllende Struktur, die bis ins untere Ösophagusdrittel hinabreicht und im kranialen Abschnitt

der Ösophaguswand fest anhaftet, während sie im kaudalen Bereich frei im Ösophaguslumen flottiert. Beurteilung: Fremdkörper im Ösophagus. Ein Ösophaguskarzinom im oberen Ösophagusdrittel als Ursache für die Fremdkörperretention kann nicht sicher ausgeschlossen werden.

stanzen, ungenügendes Kauen, Zahndefekte und Tachyphagie die Bildung von Bezoaren begünstigt (McNamara u. Paulson, 1967; Townsend u. Mitarb., 1973; Poulet u. Cocheton, 1974). Am Ösophagus werden Motilitätsstörungen, wie sie z. B. bei der Achalasie bestehen, als begünstigender Faktor für die Bezoarentstehung genannt (McNamara u. Paulson, 1967). Dabei ist im Zusammenhang mit dem von uns beobachteten Patienten von Interesse, daß Motilitätsstörungen des Gastrointestinaltrakts bei Patienten mit chronischem Nierenversagen gehäuft angetroffen werden. Townsend u. Mitarb. (1973) fanden bei 5% ihrer Patienten mit chronischem Nierenversagen Bezoare und führen zur Erklärung die relative Inaktivität sowohl des Patienten wie des Gastrointestinaltrakts während der langen Dialysezeiten an. Außerdem soll nach Ansicht der genannten Autoren die Veränderung des Hydratationszustands der Patienten während der wiederholten Dialysen die Bezoarentstehung begünstigen. Für den von uns beobachteten Patienten darf jedoch aufgrund der pathologisch-anatomischen Untersuchung angenommen werden, daß Fibrinaustritte und Blutungen auf dem Boden einer erosiven Ösophagitis am Anfang der Kausalkette der Bezoarentstehung gestanden haben. Die radiologische Diagnose eines Bezoars ist nicht in allen Fällen leicht. Liegt der Fremdkörper frei im Lumen und ist der Befund konstant, so ist ein Bezoar sehr wahrscheinlich. Haften Bezoare jedoch der Wand an, so ergeben sich differentialdiagnostische Schwierigkeiten gegenüber einem Malignom (Galanski, 1972), wie auch in dem von uns beobachteten Fall ein Malignom nicht eindeutig ausgeschlossen werden konnte. Auch das gleichzeitige Vorkommen von Bezoaren und Karzinomen wird beschrieben (Frank, 1959). Histologie sowie Endoskopie und Röntgenverlaufs-

kontrolle nach Bezoarentfernung klären jedoch die Situation. Die Therapie des Ösophagusbezoars besteht in seiner Entfernung.

Dabei besteht die Möglichkeit des operativen, transthorakalen

Endoskopie

Vorgehens (McNamara u. Paulson, 1967; Gauthier-Benoit, 1971), der medikamentösen Bezoarauflösung sowie der endoskopischen

20 cm distal der oberen Zahnreihe findet sich ein als Fremdgewebe

Extraktion (Munsell, 1973; Voinchet u. Mitarb., 1974; Caquet u. Mitarb., 1974). Das endoskopische Vorgehen stellt u. E. die optimale Therapie dar, weil das Risiko für den Patienten gering ist und seine Beschwerden sofort behoben sind (Rohner u. Mit-

imponierendes Material. Mit der Fremdkörperfaßzange werden sukzessive alle Teile des Fremdkörpers entfernt, bis man mit dem Instrument die Kardia erreicht. Die Ösophagusschleimhaut ist danach im Bereich des Fremdkörpers hochrot gefärbt, stellen-

arb., 1977).

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Auszug aus dem Obduktionsprotokoll

Kleine Mitteilungen - Buchbesprechungen

Belmont, M. H.: Esophageal obstruction due to methylcellulose. J. Amer.

Rohner, H. G., D. Koischwitz, G. Straaten, W. Gramann: Oesophagusbezoar - seltene Differentialdiagnose

phage. La Semaine des Hôpitaux de

algue de l'oesophage par mucilage. La nouvelle presse médicale 3 (1974) 1818

De Bakey, Y. M., A. Ochsner: Bezoars

and concretions. Comprehensive review of literature with analysis of 303 collected cases and presentation of 8 additional cases. Surgery 4 (1938) 934; 5 (1939) 132 Frank, A.: Klinischer Beitrag zur Dia-

gnose des Phytobezoars des Magens.

H. E. Sarles, J. C. Fish: Intestinal

(1972) 102

Gautier-Benoir, C.: Bézoard de l'oeso-

Letelier: Obstruction

Townsend, C. M., A. R. Remmers,

gastro-entérologique méconnue:

Caquet, R., J. M. Remy, B. Duflo, F. Pergola, P.

Les

Bézoards. La Semaine des Hôpitaux

Gastroenterologia (Basel) 92 (1959) 30 Galanski, M.: Phytobezoarbildung im Jejunum. Fortschr. Röntgenstr. 117

med. Ass. 148 (1952) 372

Paris 47 (1971) 1474 McNamara, J. J., D. L. Paulson:

Bezoar of the esophagus. Ann. thor. Surg. 4 (1967) 171

Munsell, W. P.: Persimmon bezoar in an epiphrenic esophageal diverticulum with endoscopic removal. Gastrointest. Endoscop. 20 (1973) 74 Nagel, G. W., J. J. Bergera: Phytobezoars occluding the small intestine following subtotal gastrectomy. Amer. J. Sutg. 99 (1960) 318 Poulet, J., J. J. Cocheton: Une affection

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de Paris 50 (1974) 2935

eines

Oesophaguskarzinoms.

Der

Chirurg, 48. Jhg., 1977, ito Druck Tondreau, R. J., R. B. Kirklin: Bezoars of the stomach. Surg. Clin. N. Amer.

obstruction from medication bezoar in patients with renal failure. New EngI. J. Med. 288 (1973) 158

Voinchet, O., A. Mouchet: Obstruction de l'oesophage par mucilage. La nouvelle Presse médicale 3 (1974) 1223

Wilson, J. H.: Bezoar of the transverse colon. Calif. Med. 100 (1964) 372

30 (1950) 1097

Dr. med. D. Koischwitz, Radiologische Klinik der Universität, 5300 Bonn-Venusberg

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Literatur

Fortschr. Röntgenstr. 126, 5

[Bezoar in esophagus].

Fortschr. Rönrgenstr. 126, 5 Schaukasten Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt. 496 Fortschr. Röntgenstr. 126, 5 (1977) 496--499 ©...
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