Fallbericht

Bilaterales ischiofemorales Impingement: ein Fallbericht Bilateral Ischiofemoral Impingement: A Case Report

Autoren

M. Hackl 1, M. Trost 1, C. K. Boese 1, D. Müller 2, P. Eysel 1, J. Dargel 1

Institute

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Schlüsselwörter " Coxa saltans l " schnappende Hüfte l " ischiofemorales Impingel ment " M. quadratus femoris l " Trochanterresektion l

Zusammenfassung

Abstract

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Das ischiofemorale Impingement (IFI) ist ein seltenes Krankheitsbild und wurde 1977 erstmalig beschrieben. Während es posttraumatisch bedingt sein kann, kommt es auch idiopathisch vor. Wir berichten über einen Fall einer 22-jährigen Patientin mit IFI, welche nach offener Trochanter-minor-Resektion zunächst für 8 Monate beschwerdefrei war. Anschließend kam es zu äquivalenten Symptomen auf der Gegenseite. Erst eine erneute operative Intervention führte schließlich zur Schmerzfreiheit. Anhand dieses Fallberichts sollen klinische, diagnostische und therapeutische Besonderheiten des IFI diskutiert werden.

Ischiofemoral impingement (IFI) is a rare cause of hip pain and was first described in 1977. While it can be related to trauma, it may also be idiopathic. We report a case of IFI in a 22-year old female, who was successfully treated by resection of the lesser trochanter. However, 8 months later, symptoms recurred on the contralateral side. Surgical intervention was required to alleviate the patientʼs symptoms. This case report discusses the clinical, diagnostic and therapeutic features of IFI.

Einleitung

pelung durchgeführt. Postoperativ blieben die Beschwerden unverändert. Im weiteren Verlauf erfolgte die operative Trennung des Tractus iliotibialis vom Gluteus maximus mit Refixation desselben am Trochanter major. Zwei Monate nach dem letzten Eingriff präsentierte sich die Patientin – nach anfänglicher Besserung – mit erneut progredienten Schmerzen.

Key words " Coxa saltans l " snapping hip syndrome l " ischiofemoral impingement l " quadratus femoris muscle l " trochanter resection l

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Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinik zu Köln (A. ö. R.) Abteilung für Radiologie, Universitätsklinik zu Köln (A. ö. R.)

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Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0041-109549 Online-publiziert 04.02.2016 Z Orthop Unfall 2016; 154: 184–186 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1864‑6697 Korrespondenzadresse Dr. med. Michael Hackl Assistenzarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie Universitätsklinik zu Köln (A. ö. R.) Kerpener Straße 62 50937 Köln Tel.: 02 21/4 78-0 [email protected]

Das ischiofemorale Impingement (IFI) stellt ein seltenes Krankheitsbild dar. Bereits 1977 beschrieb Johnson [1] 3 Fälle, bei denen es nach Hüftprothesenimplantation bzw. nach Umstellungsosteotomie am proximalen Femur zu jener Pathologie gekommen ist. Wir schildern im Folgenden den Fall eines beidseitigen ischiofemoralen Impingements bei einer 22-jährigen Patientin.

Fallbericht !

Anamnese Eine 22-jährige Patientin berichtete über rechtsseitige Hüftschmerzen bei Belastung seit mehreren Jahren. Ein auslösendes Ereignis war nicht erinnerlich. Die Beschwerden führten bei Lokomotion zu einem schmerzhaften „Schnappen“. Konservative Maßnahmen in Form von Physiotherapie und oraler Analgesie erbrachten keine Schmerzlinderung. Unter der Verdachtsdiagnose einer Coxa saltans wurde im Alter von 20 und 21 Jahren eine 2-malige Traktopexie mit Fasziendop-

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Klinischer Befund Es zeigte sich ein rechtsseitiges Schonhinken. Ein sensomotorisches Defizit bestand nicht. Die passive Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks stellte sich regelrecht dar mit Schmerzakzentuierung bei Flexion und Innenrotation sowie bei Extension, Adduktion und Außenrotation.

Diagnose Die Beckenübersicht erbrachte den Verdacht " Abb. 1). eines ischiofemoralen Impingements (l Ein Kontrastmittel-MRT (KM‑MRT) des Beckens bestätigte dies. Es zeigte einen verminderten Abstand zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter minor von 17 mm im Vergleich zu 29,3 mm auf der Gegenseite und zudem eine ausgeprägte

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Abb. 1 Beckenübersicht. Rechts zeigt sich der Verdacht auf eine verminderte ischiofemorale Distanz.

Abb. 2 MRT des Beckens, axialer Schnitt: Ödem im M. quadratus femoris rechts (roter Kreis). Sa = M. sartorius, RF = M. rectus femoris, TFL = M. tensor fasciae latae, Add = Adduktorenloge, IP = Iliopsoassehne, GM = M. gluteus maximus, CF = Collum femoris, TI = Tuber ischiadicum, * = Ursprung der ischiokruralen Muskulatur.

Abb. 4 MRT des Beckens 10 Monate nach rechtsseitiger Trochanterminor-Resektion. Es zeigt sich nun auch linksseitig ein Ödem im Quadratus femoris mit im Vergleich zu Voraufnahmen verminderter ischiofemoraler Distanz (23 mm). Abb. 3 MRT des Beckens. Axialer Schnitt durch Trochanter minor (TM) und Tuber ischiadicum (TI): Ödem im rechten M. quadratus femoris (*). Verminderter ischiofemoraler Abstand rechts (17 mm) im Vergleich zu links (29,3 mm).

KM-Anreicherung im M. quadratus femoris (MQF) rechts, der durch die reduzierte ischiofemorale Distanz (IFD) eingeengt wur" Abb. 2 und 3). Es erfolgte daraufhin eine MRT-gesteuerte de (l Infiltration des MQF mit Lokalanästhetika und Glukokortikoiden. Dadurch kam es vorübergehend zu einer deutlichen Schmerzreduktion.

Therapie und Verlauf Über einen dorsalen Zugang erfolgte nach Ablösung des MQF die Resektion des Trochanter minor. Zudem wurde ein Release der Iliopsoassehne durchgeführt. Der MQF wies eine Teilläsion auf und wurde rekonstruiert. Zwei Tage postoperativ konnte die Patientin aus der stationären Behandlung entlassen werden. Die Mobilisation erfolgte für 4 Wochen an Gehstützen unter Abrollbelastung des rechten Beines mit ergänzender Physiotherapie. Während die rechte Seite nun beschwerdefrei blieb, kam es 8 Monate postoperativ zu äquivalenten Symptomen linksseitig. Diese verliefen rasch progredient und zeigten sich refraktär gegenüber konservativen Maßnahmen. In einem MRT zeigte sich eine ver-

minderte IFD von 23 mm im Vergleich zu 29,3 mm in der Vor" Abb. 4). So erfolgte 10 Monate nach letztmaliuntersuchung (l ger Operation die Trochanterresektion links. Drei Monate postoperativ war die Patientin mit dem Verlauf zufrieden. Sie war beidseits beschwerdefrei.

Diskussion !

Durch seinen Verlauf vom Tuber ischiadicum zur Crista intertrochanterica kann der MQF durch einen verminderten Abstand zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter minor eingeengt werden. Hieraus resultiert ein IFI [2]. Während es posttraumatisch oder infolge einer Operation zu einer Medialisierung des Trochanters kommen kann [1, 2], tritt das IFI auch idiopathisch auf [3–5]. Yoong et al. berichten zudem von IFI im Rahmen multipler Exostosen [6]. Während sich Fallberichte zum IFI häufen, bleibt die Pathogenese weitgehend ungeklärt. Häufig handelt es sich um weibliche Patienten [7], was durch die Anatomie des weiblichen Beckens zu erklären sein könnte. Durch den größeren Diameter transversa kommt das Tuber ischiadicum beim weiblichen Geschlecht weiter lateral und näher zum Trochanter minor zu liegen. Bredella et al. konnten

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zeigen, dass größere Centrum-Collum-Diaphysen-Winkel (CCDWinkel) sowie die Konfiguration des Tuber ischiadicum mit dem Auftreten eines IFI korrelieren [8]. Klinisch weisen die Patienten in endgradiger Adduktion, Extension und Außenrotation sowie bei Flexion und Innenrotation Schmerzen auf [2, 5]. Zudem kann ein Schnappen der Hüfte provozierbar sein. Die Coxa saltans ist daher eine wichtige Differenzialdiagnose. Darüber hinaus muss das IFI von Tendinopathien des Iliopsoas bzw. der ischiokruralen Muskulatur oder von einer Bursitis sowie von anderen Formen des extraartikulären Hüftimpingements und von Labrumläsionen abgegrenzt werden [2, 4]. Angesichts der unspezifischen Klinik und dem geringen Bekanntheitsgrad des IFI dauert es bis zur Diagnosestellung bis zu 10 Jahre [7]. Bildgebend kann das konventionelle Röntgen (Beckenübersicht) einen Hinweis auf einen verminderten ischiofemoralen Abstand geben. Zur Spezifizierung der Diagnose wird ein KM‑MRT des Beckens bzw. der Hüfte benötigt. Der vorliegende Fall zeigt eindrücklich, dass eine Schnittbildgebung vor periartikulären Weichteileingriffen an der Hüfte unerlässlich ist, um die Coxa saltans externa von möglichen Differenzialdiagnosen wie dem IFI abzugrenzen. So hätte die Durchführung der Traktopexie, welche möglicherweise durch eine Schwächung der Glutealmuskulatur die Symptomatik der Patientin weiter verstärkte, u. U. vermieden werden können. Torriani et al. berichten, dass neben einer KMAnreicherung im MQF eine signifikant geringere IFD bei den betroffenen Patienten vorliegt als im gesunden Vergleichskollektiv [7]. In einem Drittel der Fälle konnten Partialrupturen des MQF nachgewiesen werden. Im Mittel lag dabei die IFD auf der gesunden Seite bei 23 ± 8 mm im Vergleich zu 13 ± 5 mm auf der betroffenen Seite. Die Durchführung des MRTs erfolgte in Rückenlage bei innenrotiertem Hüftgelenk, um objektivierbare Werte zu erhalten [7]. Die Notwendigkeit einer standardisierten Durchführung ergibt sich aus den lageabhängigen Unterschieden der IFD, welche Finnoff et al. anhand einer dynamischen Ultraschalluntersuchung feststellten [9]. Özdemir et al. fanden folgerichtig, dass pathologische MRT-Befunde bez. der IFD nicht zwingend zu einem symptomatischen IFI führen müssen [10]. Die Therapie sollte sich daher streng an den Symptomen der Patienten orientieren. Dies kann durch den vorliegenden Fall untermauert werden. Absolutwerte der IFD sind lage- und positions- sowie auch untersucherabhängig. Die von Torriani et al. [7] angegebenen Grenzwerte sind somit nur bedingt hilfreich für die Diagnosefindung und müssen letztlich in Einklang mit dem klinischen Bild gebracht werden. Ali et al. berichten im Fall einer 17-jährigen Patientin, dass erst in einem Verlaufs-MRT 19 Monate nach Beginn der Symptomatik eine pathologisch erniedrigte IFD nachgewiesen werden konnte, während 1 Jahr zuvor selbige unauffällig war [3]. Die Autoren postulieren daher, dass eine latente, im MRT nicht nachweisbare Muskelläsion zu Schmerzen und einem veränderten Gangbild mit vermehrter Adduktion geführt hat, woraus sich das IFI entwickelte. Wird ein IFI diagnostiziert, so gilt es, sekundäre Entstehungsursachen auszuschließen, deren kausale Therapie zu einer Regredienz der Symptomatik führen kann [11]. So verringert eine Achsenfehlstellung des Schenkelhalses im Sinne einer Coxa valga den Abstand zwischen Trochanter minor und Tuber ischiadicum und kann so zu einem IFI führen. Als kausale Therapieform kommt hier eine Umstellungsosteotomie infrage, sofern konservative Maßnahmen keine ausreichende Beschwerdereduktion bringen. Auch Insuffizienzen der Glutealmuskulatur, Läsionen der ischiokruralen Muskulatur oder ein vermindertes femorales Offset können ein IFI bedingen. Letzteres

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tritt vor allem im Rahmen des endoprothetischen Hüftgelenkersatzes auf und muss ggf. operativ korrigiert werden, falls konservative Behandlungsmaßnahmen scheitern [11]. Beim idiopathischen IFI sind konservative Maßnahmen in Form von Physio- und Schmerztherapie erfolgversprechend und sollten daher ausgereizt werden. Gangbildanalysen können dabei helfen, die physiotherapeutische Behandlung gezielt auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten abzustimmen, um so den Therapieerfolg zu maximieren. Zur Kontrolle des Behandlungsfortschritts kann ein Verlaufs-MRT hilfreich sein, um einerseits die IFD und andererseits das Ödem im MQF mit den Voraufnahmen zu vergleichen [12]. Lässt sich unter konservativer Therapie keine suffiziente Schmerzreduktion erreichen, stellt die CT-/MRT-gesteuerte Infiltration von Lokalanästhetika und Glukokortikoiden eine Behandlungsoption dar [13]. In therapierefraktären Fällen kann eine operative Intervention mit Débridement bzw. Rekonstruktion des MQF und Resektion des Trochanter minor mit Release der Iliopsoassehne erwogen werden. Hierfür sind neben der offenen Technik auch arthroskopische Verfahren beschrieben [4, 5, 13]. Die klinischen Ergebnisse nach operativer Therapie sind vielversprechend [4, 5]. Dieser Fallbericht zeigt jedoch auf, dass die Trochanterresektion signifikant in die Biomechanik des Bewegungsapparats eingreift und so Folgebeschwerden – wie beispielsweise ein kontralaterales IFI – auslösen kann. Auch belegt dieser Fall eindrücklich, dass mögliche Differenzialdiagnosen vor operativer Intervention bei Verdacht auf eine Coxa saltans externa mittels MRT auszuschließen sind. Interessenkonflikt: Nein

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