Onkologie 2 : 79-82 (1979)

Knochenmarktransplantation bei schwerer aplastischer Anämie und akuter Leukämie B. S p e c k , J. S a r t o r i u s , P. C o r n u ,

C. N

is s e n ,

W. W

eber

und A. G r a t w o h l

Hämatologische Abteilung, Department für Innere Medizin, Medizinische Universitätsklinik, Kantonsspital Basel und Universitätskinderspital Basel

Zusammenfassung und Schlüsselwörter

Summary and Key Words

In der allogenen Knochenmarktransplantation bei schwerer apla­ stischer Anämie (SAA) und akuter Leukämie (AL) wurden große Fortschritte erzielt. Bei SAA wurde gezeigt, daß bei nicht poly­ transfundierten Patienten über 70% Heilung durch Immunosuppression mit Cyclophosphamid und Transfusion von histokompatiblem Knochenmark eines Geschwisters erzielt werden kann. Wir haben unsererseits dokumentiert, daß auch den vielen Patienten ohne histokompatible Geschwister geholfen werden kann: Nach Vorbehandlung des Patienten mit ALG, gefolgt von einer Infusion von semikompatiblem Knochenmark, kommt es praktisch bei allen Patienten zu einer partiellen bis vollständigen Wiederherstellung der autologen Hämopoese. Diese Tatsache weist darauf hin, daß die pluripotenten Stammzellen bei den meisten Patienten mit dieser Krankheit an sich intakt sind, aber durch Autoimmunmechanismen in ihrer normalen Ausreifung gehemmt werden. Die Resultate der KMT bei Endstadien der akuten Leukämie sind weltweit beschei­ den. Neue Pilotstudien mit früher Transplantation, das heißt bei ANLL in erster Remission, bei ALL in zweiter Remission, weisen jetzt jedoch darauf hin, daß mit einer solchen Programmierung des Eingriffs potentiell über 50% der Patienten mit histokompatiblen (HLA-identischen) Geschwistern geheilt werden können. Bei Familien mit SAA und AL sollte deshalb früh HLA typisiert und die KMT in die Gesamtstrategie der Therapie eingebaut werden. Der Eingriff ist technisch einfach, bietet jedoch oft große Probleme wie Graft-versus-Host-Reaktion (GvH), interstitielle Pneumonie, leukämisches Rezidiv und Transplantatabstoßung. Um diesen Pro­ blemen begegnen zu können, sind hochspezialisierte Zentren mit großer Erfahrung in der Immunobiologie der Knochenmarktrans­ plantation nötig.

Much progress has been made in allogeneic bone marrow transplan­ tation for severe aplastic anemia (SAA) and acute leukemia (AL). In SAA it was shown that hemopoietic chimerism and apparently per­ manent cures can be achieved in the majority of patients by con­ ditioning with cyclophosphamide followed by bone marrow trans­ plantation (BMT) from an HLA-identical sibling. The previous transfusion history is crucial for failure or success: untransfused pa­ tients do very well while graft rejection is an enormous problem in most polytransfused ones. We have shown that most patients without HLA-identical sibling donors can be adequately helped as well. After conditioning with ALG followed by transfusion of haploidentical marrow and low dose androgens there is partial to complete auto­ logous hemopoietic reconstitution in virtually all patients. This points to the fact that most of these patients have pluripotent hemopoietic stem cells that are intact, but apparently unable to differentiate to mature cells, because they are inhibited by auto­ immune mechanisms. The results of BMT, in patients with endstage leukemia are modest. New pilotstudies with early marrow grafts, i.e. for ANLL in first remission and for ALL in second remission indicate that with this type of approach potentially over 50% of all patients with HLAidentical siblings can be cured. We recommend that HLA-typing should be performed early in families with SAA and AL and that the possibility of a marrow graft should be seriously considered before the patients have endstage disease. Marrow grafts are technically simple but they may pose enormous problems such as graft versus host reaction (GvH), inter­ stitial pneumonia, graft rejection and leukemic recurrence. There­ fore, the procedure should only be performed in highly specialized centers with much knowledge and experience in the immunobiology of bone marrow transplantation.

Knochenmarkiransplantation - Apiastische Anämie pathie - Akute Leukämie

Bone marrow transplantation - Aplastic anemia - Panmyelopathy — Acute leukemia

Banmyelo­

Die Prognose der schweren apiastischen Anämie (SAA) hat sich in den letzten Jahren trotz stark verbesserten Zellersatzes, neuer Antibiotika, Androgenen und protektiver Isolation nicht verbessert. Unter SAA verstehen wir eine hyporegene­ rative Knochenmarkerkrankung, welche durch eine periphere Panzytopenie mit Retikulozyten unter 10%o (korrigiert auf eine normale Erythrozytenzahl), unter 500 Granulozyten/ mm3 und eine Thrombozytopenie von unter 20000/mm3 cha­ rakterisiert ist. Dazu gehört eine bioptisch gesicherte Aplasie des blutbildenden Knochenmarkes. Neueste Studien zeigen, daß von den Patienten, welche diese Kriterien erfüllen, nach 2 Jahren nur noch 0-12 % leben [1,2,3], Bei den akuten Leukämien wurden in den letzten Jahren mit konventioneller Chemotherapie keine entscheidenden Fort­

schritte erzielt, und auch die Resultate der aktiven Immun­ therapie sind nach wie vor entmutigend [4,5]. Bei der akuten, nicht lymphatischen Leukämie (ANLL) sind Patienten, welche 3 oder 5 Jahre überleben, eine große Selten­ heit. Bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) des Kin­ desalters sind die Resultate wohl viel besser, aber nach dem Rezidiv wird auch hier die Prognose ungünstig. Bei allen aku­ ten Leukämien besteht das Rezidivrisiko während 10 bis 11 Jahren, so daß die Anzahl der Patienten, welche als endgültig geheilt betrachtet werden können, viel geringer ist, als vor wenigen Jahren noch angenommen wurde [6, 7], Die Knochenmarktransplantation (KMT) ist technisch ein ein­ facher Eingriff: Knochenmark wird mit multiplen Punktionen am Becken des Spenders entnommen und dem Patienten in-

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Mit Unterstützung der Schweizerischen Krebsliga FOR.080.Ak.75 und FOR.101.Ak.77(2) und des Schweiz. Nationalfonds 3.3320.74 und 3.890.77

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Speck et al.: Knochenmarktransplantation bei aplastischer Anämie und akuter Leukämie

— A A - A --------------------------A A ------------AAA-

A ALC + KM + Androgene n = 13 • ALC + KM ohne Androgene n = 4

o2

0------------ 1----------- 1----------- ------------1----------- 1----------- r-//------ 1------- r—

0 3 Monote

travenös gegeben. Immunologisch ist die Situation lediglich bei den wenigen Patienten mit genetisch identischen Zwillin­ gen unproblematisch. Bei allogenen Transplantaten, wo histokompatible, das heißt HLA-identische Geschwister als Spen­ der verwendet werden, ergeben sich große Probleme. Das wichtigste ist die Graft-versus-Host-Reaktion (GvH). Die GvH ist eine immunologische Reaktion von Spenderzellen ge­ gen Empfängergewebe, insbesondere Haut, Leber und Magen-Darm-Trakt. Weitere sind die Transplantatabstoßung und auch die sehr verzögerte Wiederherstellung des immuno­ logischen Apparates des Patienten nach Angehen des Trans­ plantats.

Klinische Erfahrungen mit der Knochenmarktransplantation

A) Schwere apiastische Anämie (SAA) Wir haben seit 1973 37 Patienten mit SAA behandelt. Das mediane Alter betrug 18 Jahre (4-54), die mediane Dauer der konventionellen Zellersatz- und Androgentherapie 7 Monate (1-60). 15 der Patienten hatten HLA-identische Geschwister. Bei ihnen wurde an 4 aufeinanderfolgenden Tagen je 50 mg/ kg Endoxan® i.v. gegeben, gefolgt von einer Knochenmark­ infusion, welche zum Ziel hatte, ihr gesamtes hämopoetisches Gewebe durch Spenderzellen zu ersetzen, das heißt, sie zu hämopoetischen Chimären zu machen. 6 Patienten starben an unbeherrschbaren Infekten, 3 davon in Zusammenhang mit der Transplantatabstoßung. Zum jetzigen Zeitpunkt leben 9 Patienten (60 %) über 1 Monat bis über 4 Jahre nach dem Ein­ griff. Bei 6 ist der ganze hämopoetische und immunologische Apparat vom Spendertyp. 1 Patient leidet noch an einer mil­ den chronischen GvH. 3 Patienten zeigten nach einem vor­ übergehenden Angehen des Transplantats eine partielle bis vollständige Wiederherstellung der eigenen Blutbildung (Ab­ bildung 1). Mit Ausnahme einer Patientin mit nur partieller autologer Rekonstitution führen alle ein normales Leben und sind transfusionsunabhängig. 22 Patienten hatten keine HLA-identischen Familienspender. Bei ihnen wurde eine immunosuppressive Vorbereitung mit

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Abbildung 2. 17 Patienten mit schwerer aplastischer Anämie ohne histokompatiblen Familienspender. Alle 13 (100%), bei denen nach Vorbereitung mit ALG semikompatibles Knochenmark und niedrig dosierte Androgene gegeben wurden, leben. Bei 11 von 12 Patien­ ten, bei denen der Eingriff über 3 Monate zurückliegt, besteht kein Bedarf mehr für irgendwelche Transfusionen. Alle hämopoetischen Wiederherstellungen sind autolog. Alle 4 Patienten, die keine Andro­ gene erhielten, verstarben an hämopoetischer Insuffizienz.

ALG (anti humanes ductus thoraticus Lymphozyten-Globulin vom Pferd, Lymphoser Berna®) in einer Dosierung von 40 mg/kg an 4 aufeinanderfolgenden Tagen intravenös vorge­ nommen. Bei 17 davon wurde, gestützt auf unsere experimen­ tellen Studien am Kaninchen, in der Folge HLA-semikompatibles Knochenmark intravenös gegeben [8, 9, 10]. 13 davon erhielten nach dem Eingriff orale Androgene (Norethandrolon oder Oxymethalon) in niedriger Dosierung: initial 1 mg/ kg, dann langsames Ausschleichen während 6 Monaten. All diese Patienten zeigten eine partielle bis vollständige Wieder­ herstellung der eigenen Knochenmarkfunktion (100%). Von den 12 Patienten mit einer Beobachtungsperiode von 3 Mona­ ten bis über 5 Jahre besteht lediglich bei einem noch eine deut­ liche Panzytopenie. Er ist der einzige, welcher noch hie und da Transfusionen benötigt. 4 Patienten erhielten keine Andro­ gene im Anschluß an den Eingriff. Sie verstarben alle an den Folgen der Knochenmarkinsuffizienz (Abbildung2). 5 Patienten erhielten die gleiche Dosis ALG ohne Knochen­ mark, gefolgt von Androgenen in gleicher Dosierung, wie vor­ her beschrieben. 1 Patient verstarb an Knochenmarkinsuffi­ zienz, 2 brauchen weiterhin Zellersatz, und 2 sind in Teilre­ mission. Die letzteren brauchen keine Transfusionen mehr, haben jedoch eine mäßige Thrombopenie von 50-100000/ mm3 (Tabelle I). In den USA wurde bisher praktisch ausschließlich zwischen HLA-identischen Geschwistern transplantiert. Meistens wur­ de Endoxan® in gleicher Dosierung, wie wir es geben, als Immunosuppressivum angewendet. Weitaus die größte Erfah­ rung hat das Zentrum in Seattle, wo von 136 transplantierten Patienten mit SAA 68 (50%) leben [11]. In diesem Kollektiv ist mit einer Ausnahme bei allen Überlebenden das gesamte hämopoetische System vom Spendertyp. Die Beobachtungs­ zeit beträgt 5 Monate bis üb?r 8 Jahre. B) Akute Leukämie (AL) Wir haben 15 Transplantationen bei Patienten mit therapie­ refraktären Endstadien akuter Leukämie vorgenommen. Bei

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Abbildung I. Resultate der KMT bei 15 Patienten mit schwerer apla­ stischer Anämie nach Immunosuppression mit Endoxan®, gefolgt von einer Transfusion von histokompatiblem Knochenmark von einem Geschwister. 9 (60 %) der Patienten leben, 6 sind hämopoetische Chimären, 3 zeigten eine Wiederherstellung der eigenen Blut­ bildung.

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10 lag eine ANLL, bei 5 eine ALL vor. Das mediane Alter der Patienten war 18 Jahre (8-34), die mediane Dauer der Che­ motherapie vor Transplantation betrug 14 Monate (6-52). Alle hatten ein HLA-identisches Geschwister als Knochen­ markspender. Bei diesem Patientengut mit langer Dauer der akuten Leukämie nahmen wir an, daß das Rezidiv das größte Problem sein werde. Die 13 ersten Patienten wurden deshalb während 5 Tagen mit einer kombinierten zytoreduktiven Chemotherapie behandelt, gefolgt von 2 X 60 mg/kg Endoxan® i.v. und 1000 rad Ganzkörperbestrahlung (GKB) in einer Sitzung. Die letzten 2 Patienten erhielten lediglich 2 X 60 mg/kg Endoxan® und 800 rad GKB. Die GKB wurde verabreicht, weil sie einerseits eine genügende Immunosuppression für das Angehen des Transplantats bietet und ande­ rerseits eine gute antileukämische Wirkung hat. Letztere ist be­ sonders wichtig für die der systemischen Chemotherapie schlecht zugänglichen Orte, wie das Zentralnervensystem und die Gonaden. Bei 14 Patienten konnte ein rasches Angehen des Transplan­ tats dokumentiert werden durch Normalisierung des Blutbil­ des und des Knochenmarks sowie durch genetische Marker vom Spender. 1 Patient ist jetzt 372 Jahre und 1 weiterer 372 Monate nach der Transplantation frei von Leukämie. Beide führen ein normales Leben. Bei beiden besteht der ganze hämopoetische und immunologische Apparat aus Spenderzellen. Das leukämische Rezidiv war lediglich bei einem Patienten die Todesursache am 200. Tag nach der KMT. Bei einem wei­ teren Patienten, welcher am Tag 70 verschied, wurde bei der Autopsie ein beginnendes leukämisches Rezidiv gefunden (Abbildung 3). Das größte Problem war die interstitielle Pneu­ monie. Sie verursachte den Tod von 6 Patienten. Bei 5 wurde sie als idiopathisch klassifiziert, und nur einmal konnte kultu­ rell und histologisch Zytomegalievirus im Lungengewebe nachgewiesen werden. Diese Komplikation trat am 20.-180. Tag (median 69) nach Transplantation auf. Die GvH führte zum Tod von 5 Patienten (Tag 40 bis 70 nach KMT). Ein Todesfall wurde auf die kardiale Toxizität der Zytostatika zu­ rückgeführt. Aus den USA berichtete 1976 R. P. G ale über 217 Trans­ plantate bei akuter Leukämie [12], Auch hier war die Morta­ lität innerhalb von 6 Monaten 70 %, und die hauptsächlichen Todesursachen in dieser Phase waren GvH und interstitielle

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■o 60-

• gestorben ohne nachweisbare Leukämie a gestorben mit leukämischem Rezidiv o Überlebende ohne Zeichen von Leukämie

10-

20\

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'

350 500 650 800

Tage

Abbildung 3. Resultate der KMT bei Endstadien akuter Leukämie. 2 von 15 Patienten leben 372 Monate bis 372 Jahre nach dem Eingriff. Nicht das leukämische Rezidiv, sondern die interstitielle Pneumo­ nie und die Graft-versus-Host-Reaktion sind die Haupttodesursa­ chen in diesem Patientenkollektiv.

Pneumonie, ln den nachfolgenden Monaten bildete das leu­ kämische Rezidiv das Hauptproblem. Am besten dokumen­ tiert ist eine Serie von 100 allogenen Transplantaten aus Seatt­ le. 13 der Patienten leben nach über 2 Jahren und haben eine reelle Chance, geheilt zu sein, da nach dieser Zeitspanne leu­ kämische Rezidive nach KMT bisher nicht beobachtet wurden. Die längsten Beobachtungszeiten sind jetzt über 7 Jahre [13]. Neuerdings ist man in Seattle dazu übergegangen, bei akuten Leukämien früh zu transplantieren, das heißt bei ANLL in der ersten Remission und bei ALL in der zweiten Remission. Für eine definitive Analyse dieser Resultate ist es zu früh, aber die Erfahrung mit den ersten 47 Patienten ist vielversprechend: Über zwei Drittel sind nach über 3 Monaten in Remission. Gestützt auf eine multifaktorielle Analyse der Daten hofft man,daß in Zukunft über 50 % der Patienten potentiell ge­ heilt werden können [14].

Diskussion

Bei der schweren apiastischen Anämie und der akuten Leu­ kämie hat die Knochenmarktransplantation neue Hoffnung

Tabelle I. 5 Patienten mit schwerer aplastischer Anämie, die mit ALG (ohne Knochenmark) behandelt wurden; Androgene wie in Gruppe 2. 4 von 5 Patienten leben, 2 davon ohne Transfusionsbedarf, aber mit mäßiger Thrombozytopenie von 50-100000/mm3. 2 weitere ohne wesentliche Verbesserung bleiben transfusionsbedürftig, 1 Patient verstarb an einer Hirnblutung. Patienten

Alter, Geschlecht

Art

Immunosuppression

Verlauf

Androgene

LT. R.

33, m.

ALG 4 x 40 mg/kg

29, m.

3.0.1.

17, w.

CAP

ALG 4 x 40 mg/kg

minimale Verbesserung > 2 Jahre immer noch transfusionsbedürftig normalisiert > IV 2 Jahre mäßige Thrombopénie partielle Wiederherstellung. Thrombopénie. Tod 62 Tage, Hirnblutung immer noch transfusionsbedürftig keine Verbesserung > 1 Jahr normalisiert > 1 Jahr mäßige Thrombopénie

+

2.S.B.

idiopathisch, ? Benzol idiopathisch

4. W.A.

6, w.

idiopathisch

ALG 4 x 40 mg/kg

5.K.J.

7, w.

idiopathisch

ALG 4 x 40 mg/kg

+ + + +

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ALG 4 x 40 mg/kg

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auf Heilung gebracht. Bei den akuten Leukämien muß der ge­ samte blutbildende Apparat des Patienten durch Spenderzel­ len ersetzt werden. Dies ist zur Zeit nur möglich, wenn ein ein­ eiiger Zwilling oder ein nach modernsten Kriterien histokompatibler Familienspender vorhanden ist. Dies ist leider nur bei 10 oder höchstens 20% unserer Patienten der Fall. Wenn man bedenkt, daß die ältesten Langzeitüberlebenden um 35 Jahre alt sind, so muß man logischerweisc auch eine Altersgrenze von zirka 35 Jahren annehmen. Unsere Erfahrungen und auch die internationalen Resultate haben gezeigt, daß der Eingriff bei Patienten mit ausbehandelten Endstadien akuter Leukämie sehr problematisch ist und die Resultate bescheiden sind. Die neuesten Ergebnisse ausländischer Zentren lassen vermuten, daß frühe Transplantation wesentlich bessere Resultate brin­ gen wird. In diesem Stadium scheint die Inzidenz von inter­ stitieller Pneumonie, GvH und leukämischem Rezidiv geringer zu sein. Eine genaue Erklärung dafür hat man nicht, aber immerhin kann angenommen werden, daß die Chemotherapie-induzierten Gefäß- und Organschädigungen geringer sind und der »leukämische Tumorload« kleiner, wodurch die Aus­ gangslage wesentlich besser ist. In Anbetracht dieser Entwick­ lung und der Tatsache, daß aus Histokompatibilitäts- und Altersgründen nur eine geringe Anzahl Patienten für den Ein­ griff in Frage kommt, sollte bei diesen Patienten früh von der reellen Alternative zur konventionellen Chemotherapie Ge­ brauch gemacht werden. Eine prospektive randomisierte Stu­ die, welche Resultate der frühen KMT mit konventioneller Therapie vergleicht, ist gegenwärtig unterwegs [15], Bei der SAA haben wir gezeigt, daß nicht nur den wenigen Patienten mit HLA-idcntischen Familienspendern geholfen werden kann. Die Tatsache, daß wir autologe Wiederherstel­ lung der Hämopoese dokumentiert haben nach immunosuppressiver Therapie mit Endoxan® sowie mit ALG, und zwar mit und ohne Infusion von Knochenmark, spricht dafür, daß pathogenetisch bei einem großen Teil der Patienten Auto­ immunmechanismen vorliegen, welche die Ausreifung von hämopoetischen Vorläuferzellen hemmen. In unserer Erfah­ rung hat die Transfusion von histoinkompatiblem Mark einen synergistischen Effekt mit ALG und Androgenen. Auch hier ist eine prospektive randomisierte internationale Studie unter­ wegs [16]. Als allgemeine Empfehlung kann gesagt werden, daß bei allen Familien mit SAA und AL, bei denen der Patient potentiell für die Knochenmarktransplantation in Frage kommt, früh HLA typisiert werden sollte, um die KMT von Anfang an in die Gesamtstrategie der Behandlung einbauen zu können.

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Sonderdruckbestellungen an: Prof. B. Speck, Hämatologische Ab­ teilung. Kantonsspital, CH-4031 Basel

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[Bone marrow transplantation in severe aplastic anemia and acute leukemia].

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