J. M. Wenderlein:Mamma-Knotenaus der Sicht der Frau
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Die frfihe Kindheit ist gekennzeichnet durch einen Mangel an echter Objektbeziehung, z. B. zu den Eltern, das Aufwachsen aul3erhalb der Familie, die h/iufige, v611ige Vernachl/issigung und durch die Tatsache, daf3 sie als Kinder das Geffihl hatten, unerwfinscht zu sein. 42% unserer Patientinnen wuchsen nicht bei den Eltern auf, oder es kam zur Trennung oder Scheidung der Eltern w~ihrend der frfihen Kindheit. Dadurch unterblieb eine eigene Identit/itsentwicklung, die Familiensituation hatte eine Tendenz zum Chaotischen. Bei der Analyse der belastenden, ffir die Patientin ausweglosenKonfliktsituation, die der Krebserkrankung etwa 1-2 Jahre vorausgeht, fanden wir aufffillig h/iufig den tats~ichlichen oder drohenden Verlust von Bezugspersonen, wie Eltern, Ehepartner oder eigenen Kindern. Chronische Belastungssituationen, wie unl6sbare Partnerkonflikte, Arbeitsplatzgef/ihrdungen oder Ortsver/inderungen waren ebenfalls ausweglose Situationen. W/ihrend gesunderweise solche Verlust- und Konfliktsituationen geffihlsm~il3ig aufgearbeitet werden und nach einer gewissen Zeit eine Neuorientierung einsetzt, fehlt den Carcinom-Patientinnen aufgrund von Aufstauung, Verdr/ingung und Verleugnung die Wahrnehmung solcher Geffihle. Da sie infolge ihrer mangelhaft angelegten Ichstruktur nicht fiber die notwendigen, gesunden Abwehrmechanismen verffigen, sind sie fortw/ihrend pers6nlichen Kr~nkungen ausgeliefert, was zu schweren destruktiven Aggressionen ffihrt, die infolge mangelnder Eigenwahrnehmung m6glicherweise im Somatischen realisiert werden. Das Geffihl der persistierenden Lebensunf/ihigkeit und Ausweglosigkeit, sowie der qu~ilenden Abh/ingigkeit von sich selbst und dem eigenen K6rper macht verst~indlich, dag ffir fiber 80% der CarcinomPatientinnen die Lebensbilanz negativ war.
288. J. M. Wenderlein (Univ.-Frauenklinik Erlangen): Mamma-Knoten aus der Sicht der Frau
Zur Frfiherkennung des Mamma-Carcinoms sind regelm~il3ige Vorsorge- und Eigenuntersuchungen der Brust notwendig. Die Einstellung dazu wurde an fiber 500 Frauen mit einem Fragebogen und psychometrischen Testverfahren untersucht. Vorsorgeuntersuchungen der Brust hielten 83% der Frauen ffir ,sehr wichtig" und die restlichen 17% lediglich ffir ,,wichtig". Solchen Untersuchungen gaben die Frauen mit h6herem Schulabschlul3 (p < 0,05) und fiberdurchschnittlicher Intelligenz (p < 0,01) die gr6f3te Bedeutung. Damit stehen geringes Bildungsniveau und Unwissen der Motivation zur Vorsorge im Wege. Bei introvertierten Pers6nlichkeitseigenschaften werden Brustvorsorge-Untersuchungen weniger bedeutsam beurteilt als bei extravertierter Pers6nlichkeit (p < 0,05). Ab wann halten Frauen Brustvorsorge-Untersuchungen ffir notwendig? Ein Viertel meinte noch vor dem 25. Lebensjahr, ein Viertel vor dem 30. und die H~ilfte erst ab dem 30. Lebensjahr. Diese Frage wurde altersabh~ingig beantwortet: Je jfinger die Frauen waren, um so frfiher forderten sie Brustvorsorge-Untersuchungen (p < 0,001). Vorsorgeuntersuchungen wurden mit steigendem Bildungsniveau [SchulabschluI3 (p < 0,01), Intelligenzniveau (p < 0,001)] h~iufiger gewfinscht. Eigenuntersuchungen der Brust wurden etwa von einem Drittel der Frauen regelm/if3ig und von den fibrigen unregelm~igig oder gar nicht vorgenommen.
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J.M. Wenderlein: Mamma-Knoten aus der Sicht der Frau
Eigenuntersuchungen bezeichneten 20% als belastend, 35% als nicht belastend und 45% als beruhigend. Das Auffinden eines Knotens wurde mit zunehmendem Alter h/iufiger als ,,sehr be~ingstigend" bezeichnet (p < 0,01). Das Angsterleben war mit Abnahme des Bildungsniveaus [Schulabschlul3 ( p < 0 , 0 0 1 ) und Intelligenzniveau ( p < 0 , 0 0 1 ) ] st/irker. Analoges gilt fiir labile Pers6nlichkeitseigenschaften (p < 0,01). Wie beurteilen Frauen ihre F~ihigkeit, selbst oberfl/ichlich gelegene Knoten in der Brust zu tasten? Die Selbsteinsch/itzung war vom Schulabschlul3 (p < 0,01) und Intelligenzniveau (p < 0,01) abh/ingig. Das hat praktische Bedeutung f/it eine gezieltere und effektivere pr~iventivmedizinische Aufkl/irung. Wie w/irden sich Frauen nach Auffinden eines Knotens verhalten? Bei einem schmerzhaften Knoten w/irden zwei Drittel, bei einem nicht-schmerzhaften Knoten weniger als die H~ilfte am darauffolgenden Tag zum Arzt gehen. Bei einem schmerzhaften Brustbefund wiirde nur jede 12. Frau, bei einer nicht schmerzhaften Resistenz jedoch jede vierte Frau l~inger als eine Woche abwarten, ehe sie einen Arzt konsultierte. Diese und weitere Ergebnisse sollten ftir eine gezieltere pr/iventivmedizinische Aufkl/irung verwertet werden (Tabelle 1--2).
Tabelle 1. Frauen mit unterdurchschnittlicher Intelligenz (IQ bis 90) bezeichneten fast dreimal so oft Brust-Vorsorgeuntersuchungen lediglich mit ,,wichtig" (28%) als Frauen mit fiberdurchschnittlicher Intelligenz (IQ fiber 110) (10%) (p < 0,01) ,,Krebsvorsorgeuntersuchungen der Brust halten Sie f/Jr:"
Intelligenz-Niveau IQ - 90
IQ - 100
IQ - 110
IQ > 110
Sehr wichtig (438 Pbn)
72%
78%
86%
90%
Wichtig (89 Pbn)
28%
22%
14%
10%
100% (50 Pbn)
100% (121 Pbn)
100% (270 Pbn)
100% (86 Pbn)
Tabelle 2. Frauen mit introvertierten Pers6nlichkeitseigenschaften nannten doppelt so h~iufig Brustvorsorgeuntersuchungen lediglich ,,wichtig" als extravertierte Frauen (p < 0,05). FPI = FreiburgerPersfnlichkeits-Inventar ,,Krebsvorsorgeuntersuchungen der Brust halten Sie ffir:"
PersSnlichkeitsdimension FPI -- E introvertiert
weder-noch
extravertiert
Sehr wichtig (441 Pbn)
76%
84%
88%
Wichfig (91 Pbn)
24%
16%
12%
100% (112 Pbn)
100% (328 Pbn)
100% (92 Pbn)