Schwerpunkt Herz 2014 DOI 10.1007/s00059-014-4060-y © Urban & Vogel 2014

S. Walterspacher1 · H. Woehrle2 · M. Dreher3 1 Klinik für Pneumologie, Department Innere Medizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg 2 Schlaf- und Beatmungszentrum Blaubeuren, Lungenzentrum Ulm, Ulm 3 Sektion Pneumologie der Klinik für Kardiologie, Pneumologie, Angiologie und

Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Aachen

Kardiale Wirkungen der nicht-invasiven Beatmung Einleitung Häufig sind Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz multimorbid und leiden an kardiovaskulären Erkrankungen wie koronarer Herzkrankheit oder Kardiomyopathien, welche die respiratorische Störung teils bedingen oder als relevante Begleiterkrankung aggravieren [1]. Gerade die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) weist eine hohe kardiale Komorbidität auf [1]. Neben den gewünschten Effekten einer Beatmungstherapie im Bezug auf die Korrektur einer respiratorischen Störung wird auch das Herz durch die anatomische Lokalisation im Thorax den wechselnden Druckschwankungen ausgesetzt und kann somit in seiner Funktion beeinflusst werden [2]. Eine Schlüsselrolle hierbei spielen die intrathorakalen Druckänderung aus dem negativen (Sog) in den positiven (Überdruck) Bereich. Die temporäre Unterstützung der Funktion des respiratorischen Systems (Gasaustausch und Ventilation, O2-Aufnahme und CO2-Abgabe) wurde im Rahmen einer akuten respiratorischen Insuffizienz in der Vergangenheit dominierend mittels invasiver Beatmungsverfahren therapiert. Zunehmend halten jedoch nicht-invasive Beatmungsverfahren Einzug in die (prä-)klinische Akutmedizin und können im günstigen Fall eine Intubation und somit häufig assoziierte Folgeerkrankungen wie die beatmungsassoziierte Pneumonie und eine Langzeitbeatmung verhindern [3]. Etablierte Einsatzgebiete der nicht-invasiven

Beatmung sind die Akuttherapie des kardiogenen Lungenödems, die infekt­exa­ zerbierte COPD sowie das hypoxämische Versagen bei immunsupprimierten Patienten [3]. Chronische Lungenerkrankungen wie COPD, thorakoskelettale Fehlbildungen, Obesitas-Hypoventilations-Syndrom oder neuromuskuläre Erkrankungen führen im fortgeschrittenen Stadium zu einer Atempumpinsuffizienz und folglich nicht selten zu einem chronischen hyperkapnischen Versagen mit Indikation zur außerklinischen Langzeitbeatmung [4]. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über die (patho-)physiologischen Ursachen der respiratorischen Insuffizienz, deren Behandlungsoptionen mittels nicht-invasiver Beatmung und die damit einhergehenden kardialen Effekte geben.

Physiologie der Atmung Respiratorisches System Das respiratorische System besteht aus den luftleitenden Organen des oberen (Nase, Mund) und unteren Respirationstrakts (Trachea, Lunge), dem knöchernen Thorax, dem Atemzentrum, der Atemmuskulatur sowie der neuromuskulären Effektebene des peripheren Nervensystems [5]. Die Inspiration wird durch eine Erhöhung des negativen intrathorakalen Drucks infolge der Kontraktion der inspiratorischen Atemmuskulatur bewirkt; die Ausatmung erfolgt in Ruhe passiv durch die Retraktionskräfte des Thorax und der Lunge, kann

jedoch durch die exspiratorische Atem­ mus­kulatur augmentiert werden. Zerebelläre und zerebrale Verarbeitungs- und Steuerungsebenen modulieren anhand rezeptorvermittelter Informationen (pH, pCO2, pO2, neuromechanische Rezeptoren) die Atmung [5]. Die Regulation der Atmung unterliegt jedoch auch exogenen (z. B. Medikamente) sowie psychischen und emotionalen Faktoren (wie z. B. bei Schmerzen, Stress, Angst; [6]). Störungen der Atmung und Atemregulation können auf allen Effektebenen auftreten und sind unabhängig voneinander limitierbar.

Kardiale Effekte der Ruheatmung Durch die anatomische Lokalisation des Herzens und der Lunge im Thorax ist das Herz den Zyklen der Atmung und Schwankungen des intrathorakalen Drucks ausgesetzt, die sich in Änderungen des intrakardialen Drucks widerspiegeln. Während der Inspiration in Ruhe sinkt der intrapleurale Druck (-10 cmH2O) und kehrt bei der Exspiration zur Ausgangsruhelage (-5 cmH2O) zurück [7]. Die Auswirkungen der Atmung wirken sich auf die beiden Herzhälften gegensinnig aus. Während der Inspiration reduzieren sich die rechtsatrialen Drücke, der venöse Rückfluss und das rechtsdiastolische Volumen steigen und führen zu einer Zunahme des rechtsventrikulären Schlagvolumens. Durch die Erhöhung des intraalveolären Drucks kommt es jedoch auch zu einer Erhöhung der rechtsventrikulären Nachlast [8, 9]. Herz 2014 

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Schwerpunkt Die linksventrikulären Auswirkungen stellen sich gegensätzlich dar. Durch die Negativierung des intrathorakalen Drucks in der Inspiration kommt es zu einer Erhöhung der transmuralen Wandspannung des linken Ventrikels und somit zu einer höheren Kraftentwicklung während der Ejektionsphase. Dies entspricht einer Erhöhung der Nachlast bei der Inspiration und führt zu einer Senkung des Schlagvolumens und zum Anstieg des enddiastolischen Volumens [8, 9]. Die Inspiration bewirkt zudem eine Dehnung der thorakalen Aorta sowie eine Verminderung des aortalen Blutflusses. Die Abnahme des Schlagvolumens ist durch Veränderungen sowohl in der Systole als auch in der Diastole begründet [10, 11, 12]. Beim Patienten mit reduzierter Pumpleistung des Herzens ist die Herzauswurfleistung im Vergleich zum Gesunden mehr von der Nachlast als von der Vorlast abhängig. Atemabhängige Variationen des intrathorakalen Drucks mit inspirationsbedingter Nachlasterhöhung können so zu einer weiteren Verschlechterung des Schlagvolumens führen [2, 13].

Pathophysiologie der respiratorischen Insuffizienz Hypoxische respiratorische Insuffizienz Das hypoxische Versagen stellt vorwiegend eine Limitierung der gasaustau­ schen­den Funktion der Lunge dar. Blutgasanalytisch ist es gekennzeichnet durch eine Hypoxämie, welche ab einem chronisch erniedrigten arteriellen Sauerstoffpartialdruck (PaO2 ≤55 mmHg) durch eine zusätzliche Sauerstoffgabe ausgeglichen werden sollte [14]. Bei akuter kardial bedingter Hypoxämie gilt ein Grenzwert (SpO2

[Cardiac effects of noninvasive ventilation].

Noninvasive ventilation is becoming increasingly important in the treatment of acute and chronic respiratory failure. However, noninvasive ventilation...
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