Originalarbeit 92

Veränderungen der Ösophagusfunktion durch Sklerotherapie von Ösophagusvarizen bei Kindern und Jugendlichen mit portaler Hypertension - eine manometrische Studie eh. Lorenz l, R. Wack 2, H. Maul

Zusammenfassung Die durch Sklerotherapie von Ösophagusvarizen (ÖV) induzierten morphologischen Wandveränderungen lassen funktionelle Störungen erwarten, deren Erfassung und Wertung besonders im Kindesalter Probleme bereitet. Anhand ösophagomanometrischer Untersuchungen bei 33 Patienten (Alter: 2-18 Jahre) mit portaler Hypertension werden Funktionsparameter von tubulärem Ösophagus (Ruhedruck, Kontraktionsdauer, Druckamplitude, Propulsionsgeschwindigkeit) und unterem Ösophagussphinkter (Länge, Lokalisation, Ruhedruck, Relaxationsverhalten) in verschiedenen Stadien der Behandlung erfaßt und Befunden gesunder Kinder gegenübergestellt. Es zeigt sich, daß Befunde während Sklerotherapie in Relation zu funktionellen Verän· derungen gesetzt werden müssen, die bereits bei nicht sklerosierten Patienten mit ÖV nachzuweisen sind. Die Sklerotherapie führt zu einer weiteren Beeinflussung wesentlicher Funktionsparameter, jedoch mit weitgehender Reversibilität nach Behandlungsabschluß bei rückgebildeten ÖV. Klinische Relevanz erhobener Befunde und diagnostischer Stellenwert der Ösophagusmanometrie werden diskutiert.

Changes of Oesophageal Function Caused by Injeetion Sclerotherapy of Oesophageal Varices in Children and Teenagers with Portal Hypertension A Manometrie Study Morphological changes of the oesophageal wall, induced by injection sclerotherapy of oesophageal varices, may produce functional disturbances which are difficult to evaluate especially in children. Therefore manometrie studies in 33 consecutive patients with portal hypertension (age: 2-18 years) were performed and functional parameters as of the oesophagus and oesophageal sphincter were recorded in different stages of treatment. The results were compared to findings in healthy children. From our studies we could conclude that functional disturbances seen in sclerolised patients must be set in relation to functional changes which we could see in patients without treatment of oesophageal varices. Endosclerosis affects essential parameters of oesophageal function; however, a large reversibility after termination of the treatment could be documented. The clinical relevance of the recorded findings and the diagnostic value of oesophageal manometry are discussed.

Schlüsselwörter Key words Portale Hypertension - Ösophagusvarizen Sklerotherapie - Ösophagusfunktion - Ösophagusmanometrie

Portal hypertension - Oesophageal varices Sclerotherapy - Oesophageal function - Oesophageal manometry

Einleitung Die Sklerosierungsbehandlung blutender oder rupturgefährdeter Ösophagusvarizen (ÖV) gilt gegenüber operativen Verfahren gerade im Kindesalter als Methode der Wahl. Ihre Vorteile liegen im geringen Alter behandelbarer Patienten, Eingegangen am 15. Januar 1989 Z Kinderchir 45 (1990) 92-97 Hippokrates Verlag Stuttgart

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der Verminderung der Blutungsgefahr unter Schonung der tiefen ösophagealen und periösophagealen Blutdrainage sowie der Möglichkeit, bei den im Kindesalter häufigen prähepatischen Blockformen definitive drucksenkende Shunt-Operationen zeitlich so lange hinauszuzögern, bis anastomosierungswürdige Gefäßquerschnitte vorliegen oder eine hämodynamische Kompensation durch Ausbildung portosystemischer Spontanshunts oder hepatofugaler Kollateralen einsetzt. Die submuköse Injektion der Sklerosierungslösung hat eine Fibrosierung innerer Wandschichten der Speiseröhre zum Ziel, die lumennahe ÖV

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1Kinderchirurgische Abteilung (Leiter: Prof. Dr. sc. med. H. Mau) der Chirurgischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. sc. med. Dr. h.c. H. Wolff), 2Endoskopie-Abteilung (Leiter: Dr. sc. med. H.-J. Schulz) der Klinik für Innere Medizin (Direktor: Prof. Dr. sc. med. H. Bemdt) - Bereich Medizin (Charite) der Humboldt-Universität zu BerIin

Veränderungen der Ösophagusfunktion durch Sklerotherapie von Ösophagusvarizen bei portaler Hypertension

Sklerosierungstechnik Die Ösophagoskopien wurden bei den bis 14jährigen Patienten in orotrachealer Intubationsnarkose unter Vexwendung der vollflexiblen Endoskope GIF-P3 und GIF-P10 (Firma Olympus) durchgeführt. Als Injektoren für die Applikation des Sklerosans (1 %ige Polidocanol-Lösung/Aethoxysklerol®) gelangten geräteadaptierte Sonden zum Einsatz. Die submuköse Sklerosierung erfolgte mit paravasalen Einzeldepots von 1-2 ml, wobei zur Minderung der Gefahr einer Stenosierung strangweise vorgegangen wurde. Im Durchschnitt waren drei Sitzungen unter Hospitalisierungsbedingungen mit einem Rückgang des Füllungszustandes des ÖV um mindestens zwei Grade nach Paquet (11) erforderlich, bis der Zeitpunkt weiterer Kontrolluntersuchungen individuell festgelegt werden konnte.

Untersuchungsbedingungen Die Ösophagusdruckmessungen erfolgten mit dreilumigen Meßkathetern aus thermisch gebündeltem radiopaquem Polyethylenschlauch (Durchmesser: außen 3,3 mm, innen 0,9 mrn), die distal im Abstand von 2 cm mit je einer seitlichen Öffnung versehen waren. Sie wurden über ein System niedriger Compliance perfundiert (Flow: 0,5 mVmin/Kanal). Die Meßkette gab Druckanstiegsgeschwindigkeiten von 330 mmHg/s verlustfrei wieder. Nach einer vorherigen Nüchtemzeit von 4 Stunden erfolgte in Rückenlage des Patienten der erst schrittweise (Intervalle: 0,5-1 cm) dann kontinuierliche (5 mrnls) Rückzug des Meßkatheters. Kinder unter 5 Jahren, z. T. auch ältere, wurden mit Diazepam (0,3 - 0,5-1 mg/kg) oral prämediziert. Schluckaktionen (L) wurden je nach Alter durch Nuckel oder Aufforderung ausgelöst, Bolusschlucke (B) durch Gabe von 5 ml Flüssigkeit.

Datenerfassung / statistische Analysen Material und Methode

Patienten (Tab. 1) Manometrische Untersuchungen wurden im Zeitraum 1986 bis 1988 bei 33 Patienten (männlich 23, weiblich 10) mit portaler Hypertension durchgeführt. Hinsichtlich der Ursachen der Erkrankung dominierten prähepatische Blockformen (23 Patienten). Bei 16 von ihnen lag eine Thrombose des Pfortaderstammes nach Nabelvenenkatheterismus im Neugeborenenalter vor. Die Patienten wurden nach den jeweiligen Therapiestadien der ÖV (unbehandelt, während und nach Sklerotherapie) in Gruppen zusammengefaßt (VARI, SKLT, POST). Die Wertung der Meßergebnisse erfolgte im Vergleich mit Befunden einer Gruppe gesunder Kinder (NORM) sowie von Patienten mit manifester Striktur nach Sklerotherapie in Erst- und Wiederholungsuntersuchungen (OSTElW). Vier Patienten der SKLT-Gruppe wurden nach jeweils zwei weiteren Sklerosierungen erneut untersucht (SKLEIW). Hinsichtlich der Altersverteilung bestanden in den 4 Hauptgruppen keine signifikanten Unterschiede. Bei mehreren der hier berücksichtigten Patienten mit portaler Hypertension waren operative Eingriffe vorausgegangen (Shunt-Operation, Milzteilresektion, Splenektomie), jedoch keine devaskularisierenden Operationen im Bereich des Ösophagus.

Table 1

Aufteilung der untersuchten Patienten mit portaler Hypertension (n - 33) und ösophagusgesunden Kinder (n = 12).

Gruppe

Die Berechnung interessierender Parameter erfolgte durch Mittelung der in identischen Meßhöhen registrierten Werte. Dabei wurden zuvor festgelegte Bewertungskriterien, die auch die Auswahl der im schrittweisen und kontinuierlichen Rückzug doppelt bestimmten Parameter berücksichtigten, respektiert. Datenerfassung und statistische Analysen erfolgten mittels Computer. Letztere enthielten die beschreibende Statistik einzelner Datenmengen und Signifikanzprüfungen unter Vexwendung der Tests von MannlWhitney (U-Test) und Fisher (F-Test). Als Signifikanzniveau wurde p = 0,05 angenommen.

Ergebnisse und Diskussion BefUnde bei Kindern mit ÖV

Bei Kindern und Jugendlichen mit mittelgradigen ÖV ohne vorausgegangene Sklerotherapie waren bereits Veränderungen des UOS und seines funktionellen Verhaltens nachweisbar. Sie bestanden in - Abnahme des Ruhedrucks (Abb. 1), - Verkürzung der Hochdruckzone (Abb. 2) mit vermehrt infradiaphragmaler Lokalisation, - Zunahme inkompletter und fehlender Relaxationen nach Leerschlucken (Abb. 3).

ÖV-Stadien

n. Paquet

NORM VARI SKLT

POST OSTE OSTW

93

11 (I-IV) III-IV

o -I

3,5 3,7

0,11,0

4, 2, 2

2-10 2-8

3,9 (2-7) d 18 (7,3-29,8) m 8,3u.19m 12,7, u. 27 m

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fest einbetten und vor Ruptur schützen soll. Der morphologische Ablauf dieser Veränderungen ist beschrieben (6, 14). Die Mukosa, Submukosa und gelegentlich auch Tunica muscularis umfassenden Reparationsvorgänge können bei ungünstigem Verlauf auch zur Striktur des Ösophaguslumens führen. Dieser Befund, in größeren Serien als häufigste Komplikation bei 3,4 bis 16 % behandelter Kinder beobachtet (3, 7, 13, 18), ist nicht immer mit Zahl oder Ausdehnung erfolgter Sklerosierungen zu erklären oder gar vorauszusehen. Ebenso schwierig gestaltet sich die Objektivierung funktioneller Störungen, die in Kenntnis morphologischer Veränderungen am Injektionsort zu erwarten sind. Hinweisende Beschwerden werden von Kindern selten artikuliert, können aber selbst bei manifester Striktur unerheblich sein. Manometrische Untersuchungen bei erwachsenen Patienten erbrachten in bis zu 90 % im distalen Ösophagus auftretende Motilitätsstörungen während Sklerotherapie (14), wobei entsprechende Veränderungen auch im proximalen also nicht sklerosierten Ösophagus (16), bei ausgeprägten ÖV sogar vor Beginn der Sklerotherapie auftreten sollen (9). Anliegen eigener manometrischer Untersuchungen war es, Funktionsparameter von tubulärem Ösophagus und der als unterer Ösophagussphinkter (UOS) bezeichneten Hochdruckzone im distalen Ösophagus im Zusammenhang mit der Sklerotherapie zu erfassen. Praxisrelevante Aussagen wurden in bezug auf Wertigkeit und Prognose vermuteter funktioneller Veränderungen erwartet. Weiterhin galt es, den Wert der Ösophagusmanometrie für das Erkennen und Abwenden funktioneller Komplikationen der Behandlung einzuschätzen.

Z Kilu1erchir 45 (1990)

eh. Lorenz et al

Z Kinderchir 45 (1990)

Ruhedruckwerte im unteren Ösophagussphinkter (UOS)

[KPol

Magenfu ndus - Ösophagus- Druckgradient (kPa) 1,6 ,.----., ,........, 0 A 1,4 0 e 1,2 00 8 1,0 -00,8 0 00 0,6 00 00 8 00 A 00 8 0,4 6A 0,2 AA 00 0 - - - - - - 0- - - - - - - - - - - =-z;;-- - - - ---0,2 --u00 6 -0,4 --+---0,6 A 0 -0,8 0 -1,0 -1,2 ~ ~ NORM VARI SK'LT SKLE'"T PoST oSTE'T SKLW OSTW ~

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[Changes in esophageal function caused by sclerotherapy of esophageal varices in children and adolescents with portal hypertension--a manometric study].

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