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Praxis 2014; 103 (2): 116-117

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CME-ORL io/Auf lösung Indolenter Knoten Kieferwinkel rechts

Anamnese Eine 38-jährige Patientin stellt sich selbständig bei uns vor zur Zweitmeinung einer seit zwei Jahren bestehenden indolenten Schwellung am rechten Kieferwinkel. Die Raumforderung verursache ihr keine Beschwerden und sie habe in jenem Bereich nie Entzündungen gehabt. Die Patientin holte sich bereits eine Beurteilung in einer Universitätsklinik in Deutschland, wo man ihr nach durchgeführter Sonographie zur Operation riet. Befunde In der klinischen Untersuchung zeigt sich im Bereich des rechten Kieferwinkels palpatoriscb eine weiche indolente Raumforderung von ca. 15 mm Durchmesser. Der restliche klinische Status ist unauffällig. Es wird eine Sonographie des Halses durchgeführt. Am Parotisunterpol rechts zeigt sich eine scharf begrenzte, hypoechogene Raumforderung mit dorsaler Schallverstärkung 17x20x26 mm durchmessend (Abb. 1). Das restliche Parotisgewebe zeigt sich sonomorphologisch homogen isoechogen. Die weitere Halssonographie ist unauffällig.

Abb. 1: Sonographie der Raumforderung am Parotisunterpol rechts in zwei Ebenen.

I.Weiche sonographische Differenzialdiagnose kommt für Sie in Frage? a) Pleomorphes Adenom b) Gystadenolymphom c) Mukoepidermoid-Karzinom d) Schwannom N. facialis

Abb. 2: MRT-Bild mitT2-Gewichtung: hyperintense glatt begrenzte Raumforderung mit zentraler Signalminderung («target sign») von insgesamt ca. 30x20x18 mm.

Verlauf und Diskussion 2. Welchen weiterführenden diagnostischen respektive therapeutischen Schritt würden Sie tun? a) Feinnadelpunktion b) Exzision der Raumforderung c) Abwarten und Verlaufskontrolle d) Weitere Bildgebungen

Weitere Abklärungen/Differenzialdiagnose/ Kommentar Diagnose Schwannom Nervus facialis rechts © 2014 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

Bei der Patientin wurde eine Eeinnadelpunktion der Raumforderung durchgeführt, die jedoch zweimalig nicht diagnostisch war. Somit wurde die Punktion erneut mit einer sofortigen zytologischen Beurteilung vor Ort durchgeführt. Es zeigten sich Eragmente einer spindelzelligen Neoplasie ohne relevante zytologische Atypien. Diese zeigte weder eine Expression des panepithelialen Markers GK22 noch des glattmuskulären Markers SMA, was gegen einen myoepithelialen Tumor oder ein stromareiches pleomorphes Adenom sprach. Eine zusätzliche immunzytochemische Untersuchung mit dem neurogenen Marker S-100 wies eine diffuse Expression auf. Die Morphologie zusammen mit der S-100-Expression war bei entsprechender Klinik und Bildgebung somit gut vereinbar mit einem Schwannom. Verlaufssonographisch zeigte sich der DOI 10.1024/1661-8157/a001542

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Abb. 3: Feinnadelpunktat des Schwannoms: a) Zytologisch blande, spindelförmige Zellen in lockerem fibriilärem Stroma (Papanicolaou Färbung, 2oox Vergrösserung); b) Diffuse, starke Expression des S-100-Proteins (lmmunzytochemie,2oox Vergrösserung)

Knoten intraparotideal rechts grössenkonstant. Zur weiteren Abklärung wurde eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Halses durchgeführt (Abb. 2). Diese zeigte in der T2-Gewichtung eine hyperintense glatt begrenzte Raumforderung mit zentraler Signalminderung («target sign») von insgesamt ca. 30x20x18 mm. Die Befunde waren vereinbar mit einem Schwannom. Schwannome sind solitäre, bénigne Neoplasien, die aus Schwannschen Zellen peripherer, kranialer und autonomer Nerven entstehen und sind die häufigsten peripheren Nervenscheidentumoren. Sie treten in 40% im Kopf- und Halsbereich auf und sind oft assoziiert mit den Hirnnerven. Jene sind jedoch deutlich häufiger cochleär oder trigeminal als vom Nervus facialis ausgehend. Intraparotidal gelegene Schwannome des Nervus facialis erscheinen meist als langsam wachsende indolente Raumforderungen mit nur in 20% Beeinträchtigung der Nervenfunktion. Typische Schwannome bestehen histologisch aus Spindelzellen, die in zelldichten Antoni-A-und zellarmen Antoni-B-Arealen sowie teilweise pallisadenförmig angeordnet (sog. Verocay-bodies) sind. Eeinnadelpunktate von Schwannomen sind meist schmerzhaft und können entsprechend den histologischen Charakteristika unterschiedlich zellreich sein und zeigen kohäsive Verbände von spindelförmigen bis runden Zellen in fibrillärem Stroma mit länglichen, meist zytologisch blanden Zellkernen. Eine nukleare Pallisadierung, charakteristisch für Verocay bodies, ist ein wichtiges diagnostisches Merkmal, aber wie in diesem Fall nicht immer vorhanden. Schwannome zeigen eine diffuse und starke Expression des S-100 Proteins [1,2] (Abb. 3). Speicheldrüsen-Tumoren mit einer spindelzelligen Morphologie sind insgesamt selten. Differenzialdiagnostisch kommen neben Schwannomen, myoepithelial-prädominante pleomorphe Adénome, Myoepitheliome und seltener mesenchymale Läsionen wie die noduläre Fascitis und solitär fibröse Tumoren sowie maligne Melanome in Betracht [3]. Immunzytochemische Zusatzuntersuchungen sind deshalb in vielen Fällen entscheidend für eine korrekte Diagnose. In der MRT sticht in der T2-Gewichtung die Hyperintensität, ein zentrales charakteristisches «target sign», sowie eine Ausdehnung zum Canalis facialis hervor [4]. Die exakte Diagnose eines benignen Schwannomes ist essenziell.

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da es aufgrund seiner Hyperzellularität als maligne missinterpretiert werden kann. Therapeutisch, und oft auch aufgrund nicht konklusiver Abklärungen präoperativ aus diagnostischen Gründen, kann eine Resektion, partiell oder komplett [5], durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass intraoperativ der Nervus facialis ÍB den beschriebenen Fällen meist schwierig darzustellen ist und somit das Risiko einer Nervenläsion erhöht ist. Allenfalls kann auch eine stereotaktische Radiotherapie [6] angestrebt werden. Dieser Fall soll vor allem auch die Wichtigkeit der Feinnadelpunktion unterstreichen. In dieser Situation hätte eine laterale Parotidektomie (wie es anfänglich empfohlen wurde) für die junge Patientin fatale Folgen haben können. Deshalb ist, vor allem wenn die Diagnose bereits anhand der Zytologie und Bildgebung gestellt werden kann, ein «watchful waiting» [2] Prozedere anzustreben.

Autoren

HNO-Klinik', Institut für Pathologie^ Universitätsspital Basel 'Dr. med. Michael Schlumpf,'Dr. med.Spasenja Savic,'PD Dr. med. Claudio Storck

Korrespondenzadresse PD Dr. med. Claudio Storck Präsident Sektion Halsorgane der SGUM HNO-Klinik Universitätsspital Basel Petersgraben 4 4031 Basel claudio.storck(3>usb. ch

Bibliographie 1. Ciau N, Eisele DW, Zante AV: Epithelioid schwannoma of the facial nerve masquerading as pleomorphic adenoma a case report. Diagn Cytopathol 2013 Jan 22. Epub ahed of print. 2. Caughey RJ, May M, Schaitkin BM: Intraparotid facial nerve schwannoma: diagnosis and management. Otolaryngol Head Neck Surg 2004; 130:586-592. 3. Kindblom LG, Meis-Kindblom JM, Havel G, Busch C: Benign epithelioid schv\/annoma. Am J Surg Pathol 1998; 22:762-770. 4. Shimizu K, Iwai H, Ikeda K, Sakaida N, Sawada S: Intraparotid facial nerve schwannoma: a report of five cases and an analysis of MR imaging results. AJNR Am J Neuroradiol 2005; 26:1328-1330. 5. Marchioni D,Alicandri Ciufelli M, Presutti L: Intraparotid facial nerve schwannoma: literature review and classification proposal. J Laryngol Otol 2007; 121:707-712. 6. Madhok R, Kondziolka D, FlickingerJC, Lunsford LD: Gamma knife radiosurgery for facial schwannomas. Neurosurgery 2009; 64: 1102-1105.

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[CME Otorhinolaryngology. Indolent nodule on the right mandibular angle. Facial nerve schwannoma].

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