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Stäubli u. a. Konnatale Zytomegalie des Kindes einer nierentransplantierten Mutter

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 414.416 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Congenital cytomegalovirus infection after maternal renal transplantation

Konnatale Zytomegalie des Kindes einer nierentranspiantierten Mutter

A 34-year-old female gave birth to a 32 to 35 week-old girl one year after she had undergone Departement für Innere Medizin (Direktoren: Prof. Dr. P. Frick, Prof. Dr. A. Labhart, Prof. Dr. W. Siegenthaler), Chirurgische Universitätsklinik A (Direktor: Prof. Dr. A. Senning), Universitäts-Frauenkliník (Direktor: Prof. Dr. A. Schreiner) renal transplantation. The child was dwarfed and microcephalic und Abteilung für Neonatologie (Direktor: Prof. Dr. G. Duc) des Kantonsspitals Zürich and also had congenital platelet deficiency and purpura. In addiEine 34jährige Patientin brachte ein Jahr nach Leichennierentranspiantion it was anaemic and suffered from severe neonatal icterus. An tation ein 32 bis 35 Wochen altes Mädchen mit konnataler Zytomegalie initial hypogammaglobulinaemia zur Welt. Neben Kleinwuchs und Mikrozephalie wies das Kind eine disappeared except for low IgA levels. The immunoglobulin dekongenitale Thrombopenie mit Purpura, ferner eine Anämie und einen ficiency is probably correlated Ikterus gravis auf. Es bestand eine Hypogammaglobulinämie, die sich with the virologically and seroproven cytomegalovirus später mit Ausnahme von IgA norm alisierte. Der Immunglobulinmangel logically infection. The incidence of this hängt wahrscheinlich ebenfalls mit der virologisch und serologisch nachdisease seems to be high in children of mothers with renal gewiesenen Zytomegalie zusammen. Die Inzidenz dieser Erkrankung bei transplantations.

Kindern nierentransplantierter Mütter scheint hoch zu sein.

Die Probleme einer Schwangerschaft nach Nierentrans-

plantation betreffen Mutter und Kind: Die transplantierte Niere kann ein Geburtshindernis darstellen oder Lage- und Haltungsanomalien des Feten verursachen. Die immunsuppressive Behandlung wirkt beim tierischen

(2) und möglicherweise auch beim menschlichen Embryo teratogen. Auch Chromosomenaberrationen sind beschrieben worden (Obersicht: 9). Die vermehrte Infektanfälligkeit unter immunsuppressiver Behandlung gefährdet Mutter und Kind zugleich.

Wir beschreiben nachstehend eine nierentranspiantierte Patientin, die ein Kind mit konnataler Zytomegalie zur Welt gebracht hat.

Kasuistik Die Patientin J. G., geboren 1939, machte 1949 eine Poliomyelitis durch, welche mit Residualparesen am rechten Bein ausheilte. 1961

Hepatitis epidemica mit unkompliziertem Verlauf. 1962 erste Schwangerschaft, in deren Verlauf eine Pyelonephritis rechts im vierten Monat beschrieben wird, wobei der Harnstoff-N 24,6 mmol/l (69 mg/lOO ml) betrug. Es kam zu einer normalen Ter-

mingeburt. Die zweite Schwangerschaft war ebenfalls durch eine Pyelonephritis kompliziert. Die Geburt erfolgte 10 Tage vor Termin und verlief ebenfalls normal. 1969 wurde eine Urämie mit schlechtem Allgemeinzustand festgestellt. Die Nieren maßen damals 5,5 X 2,5 respektive 8 X 3,5 cm. Die Diagnose einer chronischen Pyelonephritis wurde in Anbetracht der Anamnese für wahrschein-

lich gehalten. Es mußte eine Peritonealdialyse und ab 1. 7. 1970 eine Hämodialyse durchgeführt werden. Die Patientin erhielt wegen der nephrogenen Anämie mehrmals Bluttransfusionen. Am 27. 3. 1972 wurde eine Leichennierentranspiantation und in der

eine Soorstomatitis beobachtet. Beide Infekte heilten komplikationslos ab. Eine anfängliche Glucosurie verschwand nach Reduktion der Prednisondosis auf 10 mg/d.

Im Dezember 1973 wurde überraschenderweise eine Gravidität festgestellt. Wegen anamnestischer Oligo- bis Amenorrhoe war der Zeitpunkt der letzten Periode nicht mehr sicher bestimmbar. Der Schwangerschaftsverlauf war abgesehen von leichten Schmierblutungen komplikationslos; die immunsuppressive Béhandlung wurde ununterbrochen weitergeführt. Am 14. 3. 1973 erfolgte die assistierte Spontangeburt eines gemäß klinischen Reifezeichen 32 bis 35 Wochen alten Mädchens aus unvollständiger Fußlage. Das Kind wog 1700 g und war für sein Gestationsalter kleinwüchsig und mikrozephal. Bei der Geburt bestanden Petechien bei einer Thrombopenie

von 65 X 10°/I, eine Anämie von 110 g/l Hämoglobin und eine Hypoglykämie. Die Bestimmung der 1gM ergab einen Wert unter 100 mg/l. Anderthalb Stunden nach der Geburt entwickelte sich ein Atemnotsyndrom. Am 15. 3. trat ein Ikterus mit totalem Bilirubin bis 239,5 inaol/l (14 mg/lOO ml) auf, was Austauschtransfusionen an den drei folgenden Tagen notwendig machte. Am 20. 3. Thrombopenie von 20 X 10°/I. Bei der Spitalentlassung des Kindes am 9. 5. 1973 war der untere Milzpol palpabel. Die Serumimmunglobuline, vor allem IgA, waren erniedrigt: IgG 2 g/l (normal 3,22-5,60), IgA weniger als 100 mg/I (280-400), 1gM 260 mg/l (300-760). Am 9. 11. 1973 wurde ein leichter Entwicklungsrückstand festgestellt. Die psychomotorische Ent-

wicklung war dann weiterhin verzögert: Das Gehen war erst im Alter von 2 Jahren möglich und mit einer Spitzfußhaltung und Gleichgewichtsstörungen verbunden. Deshalb wurde eine Physiotherapie durchgeführt und später zur Schulung der Feinbeweglichkeit der Extremitäten eine Ergotherapie angeschlossen, die zur Zeit immer noch notwendig ist. Eine Nachkontrolle am 19. 8. 1975 ergab folgende Immunglobulinwerte: IgG 80 lE (60-114), IgA 20 lE (39-65), 1gM 120 lE (75 bis 155). Das Serumgesamteiweiß betrug 68 g/l.

gleichen Sitzung die bilaterale Entfernung der eigenen Nieren durchgeführt. Die histologische Untersuchung der eigenen Nieren ergab eine chrotlische Pyelonephritis mit segmentärer Dysplasie. Die Funktion des Transplantates war gut unter üblicher Immunsuppression mit Azathioprin (Imurel®) und Prednison. Unmittelbar

Serologische und virologische Untersuchungen des Kindes. Am lO. 5. 1973 konnte ein Zytomegalievirus aus dem Urin gezüchtet werden, ein Befund, der sich am 9. 11. 1973 bestätigte. Komplementbindungsreaktionen ergaben am 10. S. 1973 Zytomegalietiter < 1: 10, am 9. 11. 1973 1 : 80. Die Resultate der übrigen serologi-

postoperativ wurden ein Harnwegsinfekt mit Enterokokken und

schen Untersuchungen sind in Tabelle 1 zusammengestellt.

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M. Stäubli, D. Mieth, P. Bader, F. Largiadèr und U. Binswanger

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Stäubh u. a.: Konnatale Zytomegalie des Kindes einer nierentranspiantierten Mutter

Nr. 11, 12. März 1976, 101. Jg.

Tab. 1. Serologische und virologische Untersuchungen beim Kind Herpes hominis

Rubella Hämagglutinationshemmtest

Toxoplasmose

CMV

KBR

KBR

Listerien

KBR

Hepatitis-BAntigen

10. 5. 1973

1: 10

negativ

< 1 : 10

9. 11. 1973

n. u.

n. u.

n. u.

n. u.

n. u.

1

19. 8. 1975

n. u.

n. u.

n. u.

n. u.

n. u.

Datum

KBR

1

[Congenital cytomegalovirus infection after maternal renal transplantation (author's transl)].

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