Schweiz. Ophthal. Ges., 67. Vers., Interlaken 1974 Ophthalmologlca, Basel 172: 93-100 (1976)

Heutige Möglichkeiten der Hornhautaufbevvahrung F. B igar und B. Schimmelpfennig

Einer Augenklinik angeschlossen obliegt der Augenbank die Aufgabe, für Keratoplastiken in Frage kommende Spenderhornhäute auf ihre Eig­ nung hin zu untersuchen, sie nötigenfalls zu konservieren und zum ge­ gebenen Zeitpunkt für eine Operation bereitzustellen. Der Begriff «Horn­ hautbank» wäre in diesem Zusammenhang zutreffender. Der Zürcher Augenbank (Hornhautbank) ist ein Labor angegliedert, das neue Horn­ hautaufbewahrungsmethoden und Probleme der Keratoplastik unter­ suchen soll. Die Zunahme der Keratoplastiken hat zu einer Verknappung von ge­ eignetem Spendermaterial geführt. Die Möglichkeit, Spenderhornhäute aufzubewahren, ist eine Lösung dieses Problems. Gleichzeitig können Keratoplastiken so auch zu einem optimalen Zeitpunkt, d.h. innerhalb des normalen Operationsprogrammes angesetzt werden, was sowohl vom Operationssaalpersonal als auch vom Chirurgen geschätzt wird. So er­ staunt es nicht, dass sich schon M agitot [1] vor dem Ersten Weltkrieg intensiv mit dem Problem der Hornhautaufbewahrung beschäftigte. Bis Mitte der dreissiger Jahre wurden jedoch meist Hornhäute von Bulbi als Spendermaterial verwendet, die wegen eines okulären oder nachbarschaft­ lichen Leidens soeben enukleiert worden waren. Dann wies F ilatov 12J darauf hin, dass Hornhäute von Leichenaugen Verwendung finden kön­ nen. Damit war ein wichtiger Schritt getan worden. Hier soll nur die Rede sein von Spendermaterial für perforierende Keratoplastiken. Hornhäute also, die über ein lebensfähiges, d.h. struktu­ rell und funktionell intaktes Endothel verfügen. Der Chirurg ist meist be­ strebt, möglichst frisches Spendermaterial zu transplantieren. Wirklich frisches, unmittelbar nach dem klinischen Tod entnommenes Spender-

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Universitäts-Augenklinik (Direktor: Prof. R. W itmer ), Zürich

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material stellt eine Ausnahme dar. Sogenannte frische Hornhäute werden dann in der Regel noch einige Stunden im Kühlschrank aufbewahrt. Neben den im Endothel auftretenden degenerativen Veränderungen kommt eine sekundäre Schädigung der Endothelzellen durch das stagnie­ rende Kammerwasser hinzu, dessen Zusammensetzung infolge autolytischer Vorgänge benachbarter Strukturen (Iris und Linse) wesentlich verändert wird. Sollen Befunde von Hornhäuten, die für eine Keratoplastik vorge­ sehen sind, miteinander verglichen werden, ist gleichzeitig die sogenannte Kadaverzeit, d. h. die Zeit, in der die Bulbi vom Zeitpunkt des Todes bis zur Enukleation in der Leiche verbleiben, zu berücksichtigen. Auch die Temperatur des Leichenraumes ist von Bedeutung. Gemäss der Dauer der Hornhautaufbewahrung unterscheidet man zwi­ schen Kurz- und Langzeitaufbewahrung. Gewisse Autoren [3, 4J unter­ teilen noch in eine mittellange Aufbewahrung. Eine Kurzzeitaujbewahrung bei Kühlschranktemperaturen ist in feuchten Kammern (Abb. 1.), flüssigen Medien oder Paraffinöl [5] möglich. Die Methoden der Lang­ zeitaufbewahrung beruhen auf der Beobachtung, dass die Anwesenheit von Glyzerin die Lebensfähigkeit von anspruchsvollen Zellen, wie z.B.

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A b b .l. Feuchte Kammer. Steriler Plastikbehälter mit Gestell zur Fixierung des Bulbus. Unter dem Gestell befindet sich ein mit physiologischer Kochsalz­ lösung getränktes Gazestück.

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Spermatozoen, während des Einfrierens wie des Auftauens bewahrt [6], Die Ergebnisse der Arbeiten über die Kryopreservation von M ueller et al. [7] sowie von C apella et al. [8] bedeuteten Mitte der sechziger Jahre für die Hornhautkonservation einen grossen Fortschritt. Bei dieser Methode wird die Kornea bei +4 CC mit steigenden Konzentrationen von Dimethylsulfoxyd, Albumin und Sukrose vorbehandelt und anschliessend in einem speziellen Kühlgerät allmählich auf -80 C abgekühlt. Die Ab­ kühlungsgeschwindigkeit ist dabei von grosser Wichtigkeit, sie wird lau­ fend registriert. Die endgültige Aufbewahrung erfolgt in flüssigem Stick­ stoff bei -196 C. Das Auftauen muss möglichst rasch geschehen, damit eine ausreichende Anzahl von funktionsfähigen Zellen erhalten bleibt. Der Vorteil dieser Konservierungsmethode ist die praktisch unbegrenzte Aufbewahrungsdauer. K aufman et al. [9] haben über gleich gute Opera­ tionsresultate mit Spendermaterial berichtet, das kurzzeitig in konven­ tionellen feuchten Kammern aufbewahrt und langzeitig in flüssigem Stick­ stoff preserviert wurde. Autoren wie M athieu [lOJ, I rvine et al. [11J und Schultz [12] haben diese Resultate bestätigt. Doch bestehen bei der Kryopreservation bezüglich Spendermaterial Einschränkungen: Wegen der zunehmenden Altersveränderungen des einschichtigen Endothelzellverbandes sollten die Spender nicht älter als 55 Jahre sein. Die vom Bulbus exzidierte Hornhaut muss innert 6 h nach dem Exitus letalis des Spenders tiefgefroren werden. Der aufwendige Gefrierprozess, der Schritt für Schritt genau eingehalten werden muss, dauert 2 h, und man benötigt eine spezielle Apparatur. Flüssiger Stickstoff ist kostspielig. Ein Laborant muss ständig während 24 h zur Verfügung stehen, um geeignetes Spendermaterial gefrieren zu können. Oft werden Hornhäute eingefroren, um schon nach 4-5 Tagen wieder aufgetaut zu werden. Es lag somit nahe, eine möglichst einfache und zugleich sichere Methode zu entwickeln und zu prüfen, die es erlauben würde, Horn­ häute bei Kühlschranktemperatur ohne grösseren technischen Aufwand etwas länger als in der konventionellen feuchten Kammer aufzubewahren. Wie zuvor schon angedeutet, ist bei diesem Vorgehen eine Überlegung ausschlaggebend: Postmortal unterliegt die Zusammensetzung des stag­ nierenden Kammerwassers deutlichen Veränderungen, wobei insbeson­ dere der Glukosegehalt schnell sinkt und die Milchsäurekonzentration nebst dem Kaliumspiegel infolge Kaliumverlusts der angrenzenden Ge­ webe ansteigt [13]. Die logische Folge ist, die Kornea möglichst rasch nach der Enukleation zu exzidieren und in ein flüssiges vollständiges Gewebskulturmedium einzulegen (Abb. 2-4). Dieses Vorgehen sollte auch

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Heutige Möglichkeiten der Hornhautaufbewahrung

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A bb .2 ,3 . Exzision der Hornhaut mit einem Skleraring. Nach Inzision der Sklera mit einer Gilette-Klinge in 2-3 mm Limbusdistanz wird diese mit einer gekrümmten Schere unter Schonung der Uvea zirkulär durchschnitten. Dabei muss unbedingt vermieden werden, dass Kammerwasser abfliesst und so Iris mit dem Endothel in Kontakt kommt. Die vordere Skleralippe wird mit einer Pinzette ange­ hoben und der Ziliarkörper und Iris mit einer Irispinzette von der Sklera abgezogen.

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Abb.4. Polyäthylenbehälter mit modifiziertem Nährmedium T C 199 für ver­ besserte Hornhautaufbewahrung. Die Spenderscheibe für die Transplantation wird von der Endothelseite her auf einem Block ausgestanzt.

Exzision

TC-199 (Hanks) 5% Dextran + 100 r

[Current possibilities of corneal preservation].

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