Originalien HNO 2014 DOI 10.1007/s00106-014-2866-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

B. Klink1 · M. Praetorius2 · S. Roder3 · M. Hintermair1 1 Institut für Sonderpädagogik, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Heidelberg 2 Hals-Nasen-Ohren-Klinik mit Poliklinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg 3 Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt

Tanzprojekte als integraler Bestandteil der CI-Rehabilitation und ihr Stellenwert für die psychische Gesundheit Eine Pilotstudie

Hintergrund Es besteht in der Fachliteratur einhellige Übereinkunft, dass eine Rehabilitation nach einer CI-Implantation – egal in welchem Alter diese erfolgt – eine unverzichtbare Maßnahme zur Sicherung der Nachhaltigkeit einer CI-Versorgung ist und somit einen integralen Bestandteil dieser darstellt [1, 3, 4]. Aufgabe der CI-Rehabilitation ist es, „die Auswirkungen der Störung des Hörens auf die Funktion des Hörens durch Förder- und Therapiemodelle positiv zu beeinflussen“ ([5], S. 649), um dadurch den Folgen einer Hörschädigung und dem Umfang der daraus resultierenden Behinderung entgegenzuwirken sowie einen größtmöglichen Nutzen mit dem CI zu erreichen und dessen Potenzial maximal auszuschöpfen [3, 5]. Bei der Rehabilitation von erwachsenen Klienten steht dabei im Zentrum die Aufgabe, dass den Klienten dazu verholfen wird, je nach individuellem Erfahrungshintergrund sich sowohl im privaten wie im beruflichen Alltag wieder über das Hören orientieren, Sprache wieder verstehen sowie wieder entspannt kommunizieren zu können und darüber eine berufliche und gesellschaftliche Inklusion zu erreichen [1, 5]. Trotz dieser zentralen Bedeutung einer an der Hör- und Kommunikationsfähigkeit ausgerichteten Rehabilitation haben sich in den letz-

ten Jahren zusätzliche ergänzende Angebote etabliert, wie z. B. psychologische Beratung, Entspannungskurse, Selbsthilfegruppen u. a. m. Hierdurch ist einerseits die psychische Dimension nach einer Implantation vermehrt in den Blick geraten ist und andererseits die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedenster Berufsgruppen in der CI-Rehabilitation sichtbar geworden [3, 4, 6, 15]. Auch die HNO-Universitätsklinik Heidelberg sieht sich einer interdisziplinären, ambulant-ganzheitlichen CI-Nachsorge verpflichtet [8]. Neben den für alle Standorte, die eine CI-Implantation anbieten, gängigen Standards der Rehabilitation (Sprachprozessoranpassung, differenziertes Hörtraining usw.) werden dort seit einigen Jahren auch zusätzliche Angebote vorgehalten, zu denen u. a. musiktherapeutische Angebote zählen. So wurde z. B. bis zum Jahr 2011 an der Klinik regelmäßig die Musikreihe „UnerHÖRte Klänge“ angeboten, um das musikalische Verstehen mit CI zu fördern. Es fanden hierzu Konzertabende in einem kleinen Rahmen an der Klinik statt, die das Erleben von unmittelbarer Musik ermöglichten. Aktuell existiert eine Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung e. V. (DZM), durch die eine umfassende Gewöhnung an musikalische Ausdrucksweisen realisiert wird [8]. Als

bisher einzige HNO-Klinik in Deutschland werden an der Heidelberger Universitätsklinik Theater, Tanz und Bewegung für hörgeschädigte Menschen im Rahmen der Rehabilitation angeboten. In Zusammenarbeit mit dem Theater und Orchester Heidelberg, dem Staatstheater Stuttgart und dem Badischen Staatstheater Karlsruhe haben die CI-Klienten der Klinik die Chance, einmal ohne Berührungsängste auf der Bühne und dem Parkett zu stehen. Angestrebt werden dadurch eine Beschäftigung mit den eigenen akustischen Fähigkeiten, die Schulung der Wahrnehmung der persönlichen Körpergrenzen und eine Ausweitung des individuellen Repertoires an Bewegungsmustern. Ziel ist weiter, CI-Klienten über Erfahrungen mit Tanz zusätzliche (nicht an Sprache gebundene) Zugangswege zu sich selbst zu eröffnen und darüber zu einer Stärkung der Person beizutragen [8]. In der Fachliteratur werden vielfältige Funktionen des Tanzes beschrieben. Aus psychosozialer Perspektive relevant ist, dass Tanz als persönlicher Selbsterfahrungsprozess und als erlebnis- und handlungsorientiertes Medium des künstlerischen Selbstausdrucks gesehen wird [7]. Somit fördert Tanz eine differenzierte leibliche Selbstwahrnehmung und trägt auch zur Entwicklung eines individuellen Körperkonzepts bei. Tanz unterscheidet sich von anderen Künsten wie der MuHNO 2014 

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Originalien sik oder der Malerei v. a. dadurch, dass beim Tanz der Körper zugleich initiierendes und ausführendes Organ ist, somit zugleich Quelle und Material von Bewegungen, sowohl Instrument als auch Medium; d. h. die Tänzer sind gleichsam Werk und Künstler, Objekt und Subjekt, die die Funktion des Dargestellten und des Darstellens zeitgleich erfüllen [9]. Tanz ermöglicht es, dass persönliche Gefühle durch expressives Bewegen ausgedrückt und mitgeteilt werden können. Daraus erwachsen dem Individuum Kräfte, die das menschliche Wohlbefinden beeinflussen können [10]. Vorliegende empirische Studien zur Bedeutung bestätigen weitestgehend den Stellenwert des Tanzes für die psychische Gesundheit [2, 11, 12]. Es werden Auswirkungen von Tanz in Bezug auf das Selbstwertgefühl und die Bewältigung von stresshaltigen Lebenssituationen dokumentiert sowie positive Veränderungen im Erleben des eigenen Leibes. Von besonderem Interesse ist die Studie von Bräuninger [2], in der sie den Zusammenhang von Tanztherapie und Verbesserung der Lebensqualität sowie der Stressbewältigung mit 86 Versuchspersonen untersuchte. Bei dieser Studie wurde eine 10-wöchige Tanztherapieintervention durchgeführt. Sie ging mit einer Vorher-nachher-Befragung der Teilnehmer einher. Dabei kam man zu der Erkenntnis, dass sich mit Blick auf die Lebensqualität eine signifikante Verbesserung in den Bereichen körperliche und psychische Befindlichkeit ergab sowie sich die sozialen Beziehungen und die generelle Lebensqualität verbesserten. In Bezug auf psychische Belastungsproblematik wurden signifikante Verbesserungen u. a. in den Bereichen Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit, phobische Angst und Psychotizismus festgestellt. Eine weitere Erhebung zu einem dritten Zeitpunkt nach 6 Monaten bestätigte die Wirkung der Intervention. Relevant ist in diesem Zusammenhang weiter, dass eine andere Studie mit einem 14-wöchigen sportorientierten Angebot als Interventionsform [13] lediglich eine Verbesserung des Körperselbstbilds erzielte, sodass vermutet werden kann, dass gezielte tanztherapeutische Angebote im Vergleich zu rein körperlichen Aktivierungsprogrammen bewusster die

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physische, interpersonelle und intrapsychische Ebene ansprechen und entsprechende Effekte erzielen. Die Ergebnisse der hier vorgelegten Studie basieren auf der Durchführung eines Tanzprojekts mit CI-Patienten, das als Kooperation zwischen dem HNOUniversitätsklinikum Heidelberg und dem Badischen Staatstheater Karlsruhe durchgeführt wurde. Das Projekt steht im Kontext der bereits geschilderten konzeptionellen Erweiterung und des kreativen Ausbaus des Rehabilitationsangebots des HNO-Universitätsklinikums Heidelberg seit dem Jahr 2009, innerhalb dessen eine Reihe verschiedener Maßnahmen durchgeführt wurden, die den kreativen Ausbau des Angebots verdeutlichen. Erste Kooperationen mit dem Badischen Staatstheater Karlsruhe zeigten hier bereits bereichernde Erfahrungen informeller Natur, die sichtbar machen konnten, wie sich durch Tanz und Bewegung ein positiver psychosozialer Zugewinn für die CI-Klienten ergeben kann. Diese Erfahrungen sollten durch das im Rahmen dieser Studie begleitete Projekt vertieft werden. Erstmals erfolgte auch eine wissenschaftliche Begleitung. Ziele des Tanzprojekts waren u. a. die Sensibilisierung der (Selbst)Wahrnehmung, die Stärkung des Selbstbewusstseins, das Entdecken neuer Kommunikationsmöglichkeiten sowie die Unterstützung sozialer Integrationsprozesse bei den teilnehmenden Klienten.

Methode Stichprobe Es beteiligten sich an dem Tanzprojekt insgesamt 16 Personen, von denen 5 im Kindesalter waren, für die das verwendete Untersuchungsinstrumentarium nicht eingesetzt werden konnte. Somit nahmen an der Befragung 11 erwachsene CI-Träger teil. Die Mehrheit der Teilnehmer waren Frauen (81,8%). Das Durchschnittsalter der 11 Teilnehmer betrug 49,6 Jahre (Standardabweichung, SD: 12,9). Die jüngste Teilnehmerin war dabei 29 Jahre, die älteste 68 Jahre. Ungefähr drei Viertel der Befragten hatten einen mittleren Schulabschluss, 2 Personen einen Hauptschulabschluss und eine Person einen Hochschulabschluss. In Bezug auf das Al-

ter, in dem der Hörverlust eintrat, zeigt sich, dass knapp die Hälfte der Teilnehmer (45,5%) bis zum Alter von 3 Jahren hörgeschädigt wurde, 18,2% im Alter zwischen 4 und 12 Jahren sowie 36,4% im Jugendbzw. Erwachsenenalter. Die Mehrheit der Befragten hatte die Hörschädigung durch Krankheit oder Unfall erworben (72,8%). Der Hörstatus auf dem unversorgten besser hörenden Ohr lag bei etwa drei Viertel der Teilnehmer im Bereich einer Resthörigkeit bzw. Gehörlosigkeit (72,8%), die restlichen Personen hatten eine hochgradige Schwerhörigkeit. Die Befragten waren in etwa zu gleichen Anteilen entweder bimodal mit einem CI plus Hörgerät (45,5%) oder bilateral mit 2 CI (54,5%) versorgt. Der Sprachprozessor wurde von allen Befragten regelmäßig getragen, die Zufriedenheit mit der Lebenssituation durch das CI wurde von der Mehrheit (81,8%) mit zufriedenstellend bzw. überaus zufriedenstellend angegeben.

Fragebogen Zur Beurteilung des psychosozialen Erlebens der Teilnehmer wurden die Skalen zur psychischen Gesundheit (SPG) eingesetzt [14]. Es handelt sich dabei um einen Fragebogen mit insgesamt 76 Items, mit denen 7 faktorenanalytisch basierte Skalen abgebildet werden können, die persönliche Werthaltungen in Bezug auf seelische Gesundheit erfragen. Die Befragten müssen auf einer 4-stufigen Antwortskala angeben, inwieweit sie verschiedenen Aussagen zu ihrem aktuellen Befinden zustimmen (1= vollständige Ablehnung, 2= teilweise Ablehnung, 3= teilweise Zustimmung, 4= vollständige Zustimmung). Fünf der Skalen lassen sich dabei dem geistig-seelischen Wohlbefinden zuordnen: F Autonomie im Sinne von Selbstsicherheit, Selbstverantwortlichkeit und Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Normen (Beispielitem: „Ich lasse mich nicht so leicht unterkriegen“). F Willensstärke im Sinne von Selbstbehauptung, Selbstbeherrschung, Durchhaltevermögen, Selbstakzeptanz, Durchsetzungsvermögen und Entscheidungsfähigkeit (Beispielitem: „Die Ziele, die ich mir setze, erreiche ich gewöhnlich auch“).

Zusammenfassung · Abstract F Lebensbejahung im Sinne von Optimismus, Hoffnung, Lebensmut und Bejahung der eigenen Persönlichkeit (Beispielitem „Im Allgemeinen bin ich zuversichtlich“). F Selbstreflexion im Sinne von Auseinandersetzung mit sich selbst, bewusstem Leben, realistischer Selbsteinschätzung und dynamischem Selbstkonzept (Beispielitem: „Ich mache häufig Erfahrungen, die mich persönlich weiterbringen“). F Sinnfindung im Sinne von Orientierung an Lebenswerten, innerem Halt, innerer Gelassenheit, Selbstverwirklichung, intensivem Lebensgefühl, Offenheit für Erfahrungen und konstruktiver Bewältigung von Leid (Beispielitem: „Ich glaube, dass mein Leben einen Sinn hat“). Die restlichen 2 Skalen werden von den Autoren dem Bereich des sozialen Wohlbefindens zugeordnet: F Natürlichkeit im Sinne von Ehrlichkeit zu sich selbst, Selbstöffnung, Spontaneität und Flexibilität (Beispielitem: „Ich scheue mich nicht, Freunden meine Schwächen zu zeigen“). F Soziale Integration im Sinne von funktionierenden Sozialbeziehungen, sozialem Engagement, Unbefangenheit im Umgang mit Mitmenschen sowie Einfühlungsvermögen (Beispielitem: „Ich kann anderen zeigen, wenn ich sie mag“). Die Skalen zur psychischen Gesundheit werden zur Kontrolle therapeutischer Interventionen bei Menschen mit psychischen und psychosomatischen Beeinträchtigungen eingesetzt. Die Zuverlässigkeit der Skalen bewegt sich zwischen 0,61 und 0,93 (Cronbach-α) sowie 0,67 und 0,87 für die Retestreliabilität. Mit den Daten der vorliegenden Studie wurden die interne Konsistenz der Skalen bestimmt: Sie liegt für die 7 Skalen zum ersten Befragungszeitpunkt zwischen 0,51 und 0,84, zum zweiten Befragungszeitpunkt zwischen 0,23 und 0,83 (Cronbach-α). Die Zuverlässigkeit der Aussagen zur Skala Selbstreflexion (Cronbach-α: 0,23) ist in Bezug auf den zweiten Befragungszeitpunkt eingeschränkt.

HNO 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00106-014-2866-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 B. Klink · M. Praetorius · S. Roder · M. Hintermair

Tanzprojekte als integraler Bestandteil der CI-Rehabilitation und ihr Stellenwert für die psychische Gesundheit. Eine Pilotstudie Zusammenfassung Hintergrund.  In der Rehabilitation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einem Cochlear Implantat (CI) finden in den letzten Jahren neben der Verbesserung der Hörfähigkeit und der kommunikativen Kompetenzen zunehmend die psychische Gesundheit und die Lebensqualität der Klienten Berücksichtigung. Im Rahmen der dafür vorgehaltenen Angebote soll überprüft werden, welchen Stellenwert Tanz für die psychische Gesundheit von erwachsenen Klienten mit einem CI hat. Methode.  Elf erwachsene CI-Träger nahmen an einem Tanzprojekt teil, das als Kooperationsprojekt zwischen dem HNO-Universitätsklinikum Heidelberg und dem Badischen Staatstheater Karlsruhe stattfand. Die Teilnehmer wurden zu 2 Zeitpunkten mit den Skalen zur psychischen Gesundheit (SPG) befragt, anhand welcher 7 verschiedene Aspekte psychosozialen Wohlbefindens erfasst werden (u. a. Autonomie, Willensstärke, Lebensbejahung, Sinnfindung).

Ergebnisse.  Es zeigen sich im Vorher-nachher-Vergleich positive signifikante Veränderungen in den Bereichen Lebensbejahung, Selbstreflexion und soziale Integration sowie Tendenzen positiver Veränderungen (p≤0,10) in den Bereichen Willensstärke, Natürlichkeit und Sinnfindung. Keine Veränderungen ergeben sich für den Bereich Autonomie. Schlussfolgerungen.  Die Ergebnisse enthalten Hinweise dahingehend, dass in der Rehabilitation erwachsener Klienten mit einem CI durch Tanz als ergänzendes Angebot die psychische Gesundheit gestärkt werden kann. Die CI-Rehabilitation sollte verstärkt solche Maßnahmen konzeptionell in ihrer Angebotsstruktur verankern. Schlüsselwörter Cochleaimplantat · Rehabilitation · Erwachsener · Tanztherapie · Lebensqualität

Dance projects as an integral part of CI rehabilitation and their impact on mental health. A pilot study Abstract Background.  Alongside improvements in hearing and communication skills, the rehabilitation of children, adolescents and adults with a cochlear implant (CI) in recent years has increasingly taken into account mental health and quality of life issues. In the context of the programs offered, this study assesses the significance of dance for the mental health of adult clients with a CI. Methods.  Eleven adult CI users participated in a dance project, which took place as a cooperation between the ENT University Hospital Heidelberg and the Baden State Theatre Karlsruhe. Participants were questioned at two different time points for assessment with the mental health scales (SPG). These scales measure seven different aspects of psychosocial well-being (including autonomy, willpower, affirmation of life and meaningfulness).

Durchführung Das Tanzprojekt fand im Frühjahr 2013 an 5 Terminen statt. Die Termine umfassten jeweils etwa 2,5 h, in denen mit den

Results.  Significant positive changes in the domains of affirmation of life, self-reflection and social integration were revealed by before and after comparisons; tendencies toward positive change were observed (p≤0.10) in the domains of willpower, naturalness and meaningfulness. No changes were observed in the autonomy domain. Conclusion.  The results indicate that the mental health of adult clients with a CI can be strengthened by dance as a complementary rehabilitation module. Concepts of CI rehabilitation should increasingly find anchor in the consideration of such arrangements for its range of offers. Keywords Cochlear implants · Rehabilitation · Adult · Dance therapy · Quality of life

einzelnen Teilnehmern intensiv gearbeitet wurde und insbesondere Wert auf die (Selbst-)Wahrnehmung, das Selbstbewusstsein, den Ausbau der Körperkoordination, die Beweglichkeit und die soziale HNO 2014 

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Originalien Tab. 1  Psychische Gesundheit von Teilnehmern mit einem CI an einem Tanzprojekt zu 2 Un-

tersuchungszeitpunkten Skalen psychischer Gesundheit   Autonomie Willensstärke Lebensbejahung Natürlichkeit Selbstreflexion Soziale Integration Sinnfindung

Befragungszeitpunkt 1 (3 Wochen vor Beginn des Tanzprojekts) M SD 3,02 0,42 3,02 0,44 3,10 0,45

Befragungszeitpunkt 2 (6 Wochen nach Beendigung des Tanzprojekts) M SD 3,20 0,46 3,24 0,42 3,45 0,43

Z

2,90 3,19 3,22

0,32 0,40 0,39

3,10 3,46 3,47

0,42 0,29 0,40

−1,69T −2,16* −1,99*

2,94

0,50

3,19

0,52

−1,64T

  −1,25 −1,70T −2,35*

*p≤0,05; Tp≤0,10 (zweiseitige Tests); M Mittelwert, SD Standardabweichung.

Integration gelegt wurde. Die Choreographie wurde in einem Ballettsaal des Badischen Staatstheaters Karlsruhe an den ersten 4 Terminen erarbeitet. Die öffentliche Aufführung, die mit einer Vorabgeneralprobe verbunden war, fand zum 5. Termin statt. Es liegt eine videographierte Dokumentation des Projekts vor (verfügbar über die HNO-Universitätsklinik Heidelberg). Die Teilnehmer wurden zu 2 Zeitpunkten mit den Skalen zur psychischen Gesundheit befragt: einmal 3 Wochen vor Beginn des Tanzprojekts sowie 6 Wochen nach Beendigung des Projekts. Zwischen den beiden Befragungsterminen lagen somit etwa 4 Monate. Es wurden den Teilnehmern vor dem Projekt und danach zudem ausgewählte tanzspezifische Fragen gestellt, darüber hinaus wurden die soziodemographischen und hörbehinderungsspezifischen Daten in der Phase der Durchführung des Projekts erhoben. Neben der Erhebung der quantitativen Daten wurden mit einigen Teilnehmern leitfragengestützte Interviews geführt. Auf die Analyse dieser qualitativen Aussagen wird in dieser Arbeit verzichtet. Alle erwachsenen Teilnehmer an dem Tanzprojekt beteiligten sich zu den beiden Zeitpunkten an der Befragung (Rücklauf: 100%).

Ergebnisse Die . Tab. 1 zeigt die Mittelwerte und Standardabweichungen zu beiden Befragungszeitpunkten in den 7 Skalen zur psychischen Gesundheit (SPG). Der statistische Vergleich erfolgte aufgrund der geringen Stichprobengröße und der nicht

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gegebenen Normalverteilung der Stichprobenwerte mit dem Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtest für verbundene Stichproben. In den Bereichen „Lebensbejahung“, „Selbstreflexion“ und „soziale Integration“ ergab sich von Befragungszeitpunkt 1 zu Befragungszeitpunkt 2 eine signifikante Erhöhung der Werte, in den 3 Bereichen „Willensstärke“, „Natürlichkeit“ und „Sinnfindung“ zeigten sich immerhin noch zu beachtende Tendenzen im Sinne einer positiven Veränderung (p≤0,10). Lediglich für den Bereich „Autonomie“ ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Befragungszeitpunkten. Auf weiterführende differenzierende Analysen in Bezug auf die Relevanz soziodemographischer und behinderungsspezifischer Merkmale für die Veränderungen in den verschiedenen Skalen zur psychischen Gesundheit wurde angesichts der geringen Stichprobengröße (n=11) und damit verbundenen, z. T. sehr geringen Zellenbesetzungen in den Vergleichsgruppen verzichtet.

Ausblick Im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahmen für erwachsene Menschen mit einem Cochlear-Implant ist in den letzten Jahren neben der Optimierung der Hörund Kommunikationssituation zunehmend auch die psychosoziale Situation der Betroffenen in den Fokus gerückt. Neben Angeboten der Beratung, Psychotherapie, soziale Unterstützung, Kontakten

zu Selbsthilfegruppen usw. gewinnen dabei auch kunst- und musiktherapeutische Angebote zunehmend an Bedeutung. In der hier vorgelegten Pilotstudie wurde ein Tanzprojekt, das seit einigen Jahren im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahmen der Heidelberger HNO-Universitätsklinik in Kooperation mit dem Badischen Staatstheater Karlsruhe angeboten wird, in seiner Bedeutung für die psychische Gesundheit der Teilnehmer evaluiert. Die vorgelegten vorläufigen Befunde enthalten Hinweise dahingehend, dass ein Tanzprojekt einen Beitrag zur psychischen Stärkung der Teilnehmer leisten kann. Die Teilnehmer an dem Projekt erlebten sich nach der Durchführung des Tanzprojekts lebensbejahender, sie zeigten mehr selbstreflexive Kompetenz und sie fühlten sich mehr sozial integriert. Auch in Bezug auf ihre Willensstärke und die Sinnfindung sowie ihre Spontaneität und persönliche Flexibilität waren positive Veränderungen erkennbar, wenn auch lediglich in einer Tendenz. Die in Verbindung mit gut hörenden Menschen offensichtlich erfahrbaren gelungenen Beziehungen in dem Tanzprojekt sowie die Erfahrung, sich durch den Tanz ganzheitlich als Person wahrzunehmen und positiv zu erleben, scheinen dazu beitragen zu können, dass CI-Klienten sich nicht defizitär sehen und zu ihrer Situation als Menschen mit einer Hörbehinderung stehen können. Es scheinen sich damit positive Erfahrungen aus tanztherapeutischen Interventionen bei hörenden Menschen zu bestätigen [2]. Methodisch ist zu den Ergebnissen der vorgelegten Studie kritisch anzumerken, dass die Teilnehmerzahl als gering zu bezeichnen ist und sich daher Verallgemeinerungen der gewonnenen Erkenntnisse derzeit noch verbieten. Außerdem wurde keine Kontrollgruppe mit einbezogen, mithilfe derer abgesichert hätte werden können, dass die festgestellten signifikanten Veränderungen auf die Intervention „Tanzprojekt“ zurückzuführen sind und nicht auf andere mögliche beeinflussende Faktoren. So könnten auch positive Erwartungshaltungen dem Tanzprojekt gegenüber eine Rolle gespielt haben ebenso wie die in unterschiedlichen Jahreszeiten liegenden Befragungszeitpunkte (t1: Winter; t2: Frühjahr), welche die Gemüts-

verfassung der Teilnehmer beeinflusst haben könnten. Für weitere Studien ist demnach nach Möglichkeiten zu suchen, die Teilnehmerzahl an solchen Tanzprojekten deutlich zu erhöhen sowie eine Kontrollgruppe zu bilden, die mit einem nicht auf Tanz bezogenen Programm begleitet und untersucht wird.

Fazit für die Praxis Die Festigung und Validierung des in dieser Pilotstudie vorgefundenen Ergebnisses, wonach Tanz auch für CI-Klienten eine gesundheitsförderliche Bedeutung zu haben scheint, steht noch aus. Davon unbenommen sollten im Rahmen der CIRehabilitation weitergehende Überlegungen angestellt werden, den konzeptionellen Rahmen der dafür vorgesehenen Maßnahmen zu erweitern. Dabei kämen Angebote infrage, die neben der Hör- und Kommunikationsförderung gezielt auch musik- und kunsttherapeutische Ansätze in die Zusammenarbeit mit den CI-Klienten integrieren. Ziel wäre es, dadurch die psychische Gesundheit der Klienten zu stärken.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. M. Hintermair Institut für Sonderpädagogik, Pädagogische Hochschule Heidelberg Keplerstr. 87, 69120 Heidelberg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  B. Klink, M. Praetorius, S. Roder und M. Hintermair geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

  2. Bräuninger I (2006) Tanztherapie. Verbesserung der Lebensqualität und Stressbewältigung. Beltz, Weinheim   3. Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft e. V. (DCIG) (2012) Fragen und Antworten zum Cochlea-Implantat. http://dcig.de/fileadmin/user_ upload/fragen_und_antworten_2012.pdf sowie. http://www.schnecke-online.de/informieren/behandlung-undreha/cochlea-implantat.html. Zugegriffen: 8. Aug. 2013   4. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNOKHC) (2012) Cochlea-Implantat Versorgung und zentrale-auditorische Implantate. http://www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/017071l_S2k_Cochlea_Implant_Versorgung_2012-05_01.pdf. Zugegriffen: 8. Aug. 2013   5. Diller G (2009) (Re)habilitation nach Versorgung mit einem Kochleaimplantat. HNO 57:649–656   6. Esser-Leyding B (2010) Die Rehabilitation nach einer Implantation. In: Hermann-Röttgen M (Hrsg) Cochlea-Implantat. Ein Ratgeber für Betroffene und Therapeuten. Trias, Stuttgart, S 80–86   7. Fleischle-Braun C (2005) Tanz als Salutogenese. In: Birringer J, Fenger J (Hrsg) Tanz im Kopf. Dance and Cognition. LIT-Verlag, München, S 81–97   8. Hoth S (Hrsg) (2012) Das Cochlea-Implantat. Informationen für unsere Patienten. Universitäts- HNOKlinik Heidelberg. http://www.klinikum.uniheidelberg.de/fileadmin/medienzentrum/Vorlagen/ downloads/Arbeitsproben/120126HNO_BR_SF_ CochlearImplantat_ID19549_web.pdf. Zugegriffen: 12. Aug. 2013   9. Huschka S (2002) Moderner Tanz. Rowohlt, Hamburg 10. Quiroga Murcia C (2010) Tanzen: Subjektive und psychobiologische Wirkungen. Universität Frankfurt a. M., Dissertation 11. Quiroga Murcia C, Kreutz G, Clift S, Bongard S (2010) Shall we dance? An exploration of the perceived benefits of dancing on well-being. Arts Health 2:149–163 12. Schwerdtfeger S (2008) Tanz und Bewusstsein: Veränderung der Alltagswirklichkeit beim Tanzen. Universität Oldenburg, Diplomarbeit 13. Stoll O, Alfermann D (2002) Effects of physical exercise on resources evaluation, self-concept and well-being of older persons. Anxiety Stress Coping 15:311–319 14. Tönnies S, Plöhn S, Krippendorf U (1996) Skalen zur psychischen Gesundheit (SPG). Testmanual. Asanger, Heidelberg 15. Zichner S, Ola S (1999) Das Cochlear-Implant – Erkundungsstudie über die subjektive Einschätzung des Erfolges einer Implantation aus Sicht der Betroffenen bei 95 Spätertaubten unter besonderer Berücksichtigung psychosozialer und kommunikativer Aspekte. Sprache Stimme Gehor 23:206–212

Literatur   1. Arbeitsgemeinschaft Cochlear Implant Rehabilitation (ACIR) (2011) Konsenspapier der Arbeitsgemeinschaft Cochlear Implant Rehabilitation (ACIR) zur Rehabilitation nach Cochlea Implantat Versorgung (verabschiedet am 12.11.2011 in Friedberg/ Hessen). http://www.acir.de/Konsensacir%20final. pdf. Zugegriffen: 8. Aug. 2013

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[Dance projects as an integral part of CI rehabilitation and their impact on mental health: a pilot study].

Alongside improvements in hearing and communication skills, the rehabilitation of children, adolescents and adults with a cochlear implant (CI) in rec...
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