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Dtsch. med. 'Wschr. loo (1975), 2377-2380 © Georg Titieme Verlag, Stuttgart

de Quervain's thyroidicis

Zur Thyreoiditis de Quervain H. Schatz Abteilung für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechsel (Leiter: Prof. Dr. E. F. Pfeiffer), Zentrum für Innere Medizin und Kinderheilkunde, Universität Ulm

Unter 31 Patienten mit Thyreoiditis de Quervain (in 15 Fällen bioptisch gesichert) fanden sich sieben akute Verlaufsformen. Es wird daher vorgeschlagen, den oft irreführenden Ausdruck »subakute« Thyreoiditis für die Thyreoiditis de Quervain zu vermeiden. Diese Erkrankung stellt heute die häufigste Form der schmerzhaften Schilddrüsenentziindung in der Praxis dar. Typisch ist die Befundkonstellation einer extrem beschleunigten Blutsenkungsgeschwindigkeit bei normalen Leukozytenwerten im peripheren Blut. Die Erkrankung heut im allgemeinen vollständig innerhalb einiger Wochen bis Monate aus, Ubergange in eine Immunthyreoiditis oder eine Hypothyreose sind eine Rarität. Therapeutisch erzielt man mit konventionellen Antiphlogistika, kombiniert mit Schilddrüsenhormon, gute Erfolge. Corticoide sollten therapeutisch nur in Ausnahmefällen verabreicht werden. In dieser Wochenschrift erschienen in jüngerer Zeit mehrere Beiträge zum Thema Schilddrüsenentzündung. So wurde kürzlich ein Fall von Thyreoiditis de Quervain kasuistisch abgehandelt (21). Der Einteilungsvorschlag der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (12, 13) wurde auf dem Gebiet der entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen kritisch ergänzt (14, 18). Auch die Therapie der Thyreoiditiden wurde besprochen (il). Anhand von 31 eigenen Patienten mit Thyreoiditis de Quervain soll zu einigen in diesen Ar-

Among 31 patients with de Quervain's thyroiditis (confirmed by biopsy in 15) there were seven who had an acute course. Ir is, therefore, suggested that the misleading term «subacute» thyroiditis for this form of iistlammatory thyroid disease he avoided. It is nowadays the most frequent form of painful thyroiditis seen in clinical practice. Extremely rapid ESR with normal peripheral leucocyte count is a typical finding. Generally the disease is completely cured within a few weeks to months, transition to an immunothyroiditis or hypothyroidism being rare. Conventional antiinflammatory drugs, combined with thyroid hormone, give a good therapeutic response. Corticoids should be used only in exceptional instances.

beiten angeführten Punkten Stellung genommen werden, vor allem zu Fragen der Einteilung und der Therapie. Zugleich ist beabsichtigt, für die tägliche Praxis wichtige Aspekte dieses Krankheitshildes besonders hervorzuheben. In den beiden vergangenen Jahrzehnten war es vor allem die Immunthyreoiditis, die auf Grund der dabei beobachteten Autoimmunphänonlene auf besonderes Interesse gestoßen war (2, 9, 10). Eigene serologische und histologische Studien hatten gezeigt, daß die Struma

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Schatz: Thyreoiditis de Quervain

Nr. 46, 14. November 1975, 100. Jg.

Schatz Thyreoiditis de Quervain

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Iymphomatosa Hashimoto als hypertrophische Form, das »idiopathische« Myxödem als atrophische Form der Immunthyreoiditis aufzufassen sind (6). Das Fehlen oder die oft nur geringe Ausprägung klinischer Entziindungssymptome sowie die meist ausgezeichnete Rückbildung der Struma lymphomatosa Hashimoto unter alleiniger Schilddrüsenhormonzufuhr mögen dazu beigetragen haben, daß heute, in der Ara der breiten, relativ frühzeitigen Anwendung von Schilddrüsenhormonen zur konservativen Strumatherapie, diese Kropfform nur sehr selten beobachtet wird. Nach älteren Statistiken wurde die Struma lymphomatosa Hashimoto weitaus häufiger als die Thyreoiditis de Quervain beobachtet, so Tab. 1. Klinïsche Daten und (initiale) Laboratoriumsbefunde bei 31 Patienten mit Thyreoiditis de Quervain (mittleres Alter 49 Jahre, Bereich 30-69 Jahre)

Zahl der Patienten davon bioptisch gesichert Männer Frauen

31 15

s 26 7

Beginn: »akut«

»subakut«, kein Infekt erkennbar Infekt vor 2-12 Wochen pharyngeal, »Grippe«

9 10 2 3

Coxsackie? Mumps

schmerzhafte Schilddrüsenvergrößerung, diffus knotig oder einseitig Blutsenkungsgeschwindigkeir nach Westergren mm in der 1. Stunde, unter 50

50loo

über 100

s 26 3

10 18

unter 9000 9000-12 000

27

cz.,-Globulinerhöhung (Elektrophorese) proteingebundenes Jod im Serum (PBI) erhöht (über 90 tg/1)

20

Leukozytenzahl4il Blut

periphere Schilddrüsenfunktionsparanieter Hamolsky-Test, T>5-Test, TBI-Test, bestimmt bei 24 Patienten, davon im hyperthyreoten Bereich

Gesamtthyroxin (nach Murphy), bestimmt bei 9 Patienten, davon erhöht (über 90 tg/l) Schilddrüsenantikörper: Thyreoglobulinantikörper (lmmunfluoreszenz und/oder Boyden-Test) positiv zu Beginn im Verlauf 1 his 3 Jahren (Titer im Boyden-Test nie über 1: 250) mikrosomale Antikörper (Immunfiuoreszenz und Komplementbindungsreaktion, bestimmt bei 10 Patienten) positiv

nach

zu Beginn im Verlauf

nach

1

Jahr

Antikörper gegen das 2. Antigen des Kolloids (Immunf]uoreszenz, bestimmt bei 10 Patienten) stets negativ Schilddrüsenszintigramm stets Verminderung oder Ausfall der Speicherung über befallenen Schilddrüsenbezirken Therapie: Antiphiogistika und Schilddriisenhormon Corticoide Schilddrüsenhormon allein

4

21

4 3

7 14

in den Jahren 1939 bis 1956 an der Mayo-Klinik im Verhältnis 82 zu 15 (22). Sowohl im Einzugsgebiet von Wien (8) als auch von Ulm sahen und sehen wir hingegen weitaus häufiger çlie Thyreoiditis de Quervain als die hypertrophische Form der Immunthyreoiditis. Klagt ein Patient über Schmerzen im Bereich der Schilddrüse bzw. des Kropfes, ist daher in erster Linie an die Thyreoiditis de Quervain zu denken.

Eigene Beobachtungen Alle 31 Patienten stammen aus dem Raum der (Vor-) Alpen oder der Schwäbischen Alb, somit aus ausgeprägten endemischen Kropfgebieten. Tabelle 1 gibt die wich-

tigsten klinischen Daten und Laboratoriumsbefunde der Patienten summarisch wieder.

Begriff, Verlaufsformen und Zuordnung handelt es sich um ein pathologisch-anatomisch definiertes Krankheitsbild, charakterisiert durch riesenzeflhaltige Granulome, die sich aus Schilddrüsenfollikeln heraus entwickeln. Dieses typische histologische Bild fanden wir in durch offene Biopsie gewonnenem Gewebematerial befallener Schilddrüsenbezirke sowohl in »akut« als auch in mehr »subakut« aufgetretenen Fällen. Wir bevorzugen daher die Krankheitsbezeichnung »Thyreoiditis de Quervain« gegenüber dem früher geläufigeren Ausdruck »subakute Thyreoiditis«. Als Synonyma finden sich unter anderem die Bezeichnungen »Riesenzellthyreoiditis«, «unspezifisch-granulomatöse Thyreoiditis« oder »nicht eitrige, (sub-)akute Thyreoiditis». Da manches auf eine Virusgenese dieser Erkrankungen hinweist (19),unter anderem auch ihr öfters epidemisches Auftreten (7), spricht man gelegentlich auch von »Virusthyreoiditis«. Wenn auch der schlüssige Beweis für eine virale Ätiologie noch aussteht, so ist sie doch am wahrscheinlichsten, während Bakterien oder Autoimmunvorgänge als Ursache auszuschließen sind. Die revidierte Klassifikation der Schilddrüsenkrankheiten der Sektion Schilddrüse der Deutschen GesellBei der Thyreoiditis de Quervain

Tab. 2. Klassifikation der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (12)

2

Schilddrüsenentzündungen und seltene Schilddrüsenerkrankungen 4.1. Akute Thyreoiditis (diffus oder fokal) 4.1.1, eitrig 41.2. nicht eitrig (bakterie!!, viral, strahlenbedingt, trau4.

O

1 O

matisch)

42. Subakute Thyreoiditis (diffus oder fokal) 4.2.1. infektiös 4.2.2. parainfektiös 4.3. Chronische Thyreoiditis 4.3.1. lymphozyrär (Autoimmunthyreoiditis) 4.3.1.1. ohne Struma 4.3.1.2. mir Struma 4.3.2. fibrös

4.3.3. perithyreoidal 4.3.4. spezifisch (Tuberkulose, Lues) 24 S

2

4.4. Seltene Schilddrüsenkrankheiten (Lymphogranulomatose,

Sarkoidose, Parasitenbefall, Mykosen)

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4, 14.

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schaft für Endokrinologie (12) enthält für die Schilddrüsenentzündungen den in Tabelle 2 wiedergegebenen Vorschlag. Im dazugehörenden Kommentar wird ausgeführt: »Die de Quervainsche Thyreoiditis stellt eine durch Riesenzellen gekennzeichnete und nicht isoliert aufzuführende Untergruppe der Form 4.2. dar«. In unseter eigenen Serie beobachteten wir siebenmal einen akuten Verlauf einer stets histologisch gesicherten Thyreoiditis de Quervain. De Quervains Erstbeschreibung aus dem Jahre 1904 (15) trägt überhaupt dcii Titel «Die akute, nicht eiterige Thyreoiditis« und erst später, im Jahre 1936, schrieb er, daß »eine scharfe Trennung zwischen akuten und subakuten Fällen nicht möglich« sei, »da die Erkrankung nicht immer mit so heftigen Erscheinungen einsetzt« (16). Will man der in Tabelle 2 wiedergegebenen Einteilung folgen, die sich am klinischen Verlauf und nicht am pathologisch-anatomischen Substrat orientiert, so wäre die Thyreoiditis de Quervain im Hinblick auf ihre akute Verlaufsform auch als Untergruppe von 4.1.2. anzuführen, wo sie als

[de Quervain's thyroiditis].

Among 31 patients with de Quervain's thyroiditis (confirmed by biopsy in 15) there were seven who had an acute course. It is, therefore, suggested tha...
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