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Das Dermatofibrosarcoma protuberans im Gesichtsbereich Fallbeschreibung* M. Bernal-Sprekelsen', G. H. Iühl2

Einleitung

Das Dermatofibrosarcoma protuberans

Zusammenfassung

Fallbeschreibung eines rezidivierenden Dermatofibrosarcoma protuherans des Gesichtshereiches bei einer inzwischen 63jàhrigen Patientin, die im 40 Jahren insgesamt 64ma1 im Gesicht Verlauf von operiert und einer zwischenzeitlichen Bestrahlung zugeführt wurde. Die palliativen Tumorexzisionen haben zusammen mit der Narbenbildung zu einer starken Vcrun-

staltung des Gcsichtes geführt. Die Defektc wurden meist primãr verschlossen oder durch Hauttransplantate bzw. Nahlappenplastiken verschlossen. An den Austrittsstellen von Drainagen nach grofcr Lappenplastik traten em Jahr später Hautmetastasen auf, die als iatrogen emzustufen sind. Fernmetastasen sind bei diesem hhufig lokal rezidivierenden Hauttumor bislang nicht aufgetreten.

Dermatofibrosarcoma Protuberans of the Face. Case Report

(DFSP) wird als semimaligner Hauttumor eingestuft (10), das sich durch lokales, infiltrativ-destruktives Wachstum mit hoher Rezidivrate und sehr gcringer Metastasierungstendenz definiert (22). Es wurde 1924 erstmalig durch Darier und Ferrand (7) als unahhangige klinische Entität hcschrieben. Die Namenspragung stammt von Hoffrnann (16).

Die Hàufigkeir liegt bei ca. 0,1 % allcr Weichteiltumoren (20, 22) und 1,5 % derer im Kopf-HalsBcreich (1). Die befallenen Kdrperstellen sind in abnehmender Haufigkeit Bauch, Rücken, Inguinalfalten, Gesã1, Glicder und der Kopf-Hals-Bereich (1). Unter 1024 Ftillen fanden sich 109 im Kopf-Hals-Bereich, davon lediglich 27 im unmittelbaren Gesichtsbereich (1). Unter 115 Fhllen fanden Taylor und Helwig 1962 nur 3 Fälle mit Gesichtsbe-

teiligung (25). Jede Korperregion, auIer Fu1sohlen und Handteller, kann befallen werden (8).

Report of a dermatofibrosarcoma protu-

Manner werden diskret haufiger befallen.

berans (DFSP) of the face with a follow-up of more than 40 years in a 63-year-old women. A total of 64 opera-

Das Durchschnittsalter liegt bei 20—40 Jahren (6, 12). Em jahrelang zuruckliegendes Trauma wird als path ogenetische Erklãrung (16) in 10—20% der Fàlle angegeben (25), eben-

rions and a radiotherapy were performed to treat the recurrences (Fig. 1), which increased in number in the last 9 years. Defects were mostly closed primarily, with free grafts or local flaps. Two metastases, probably of yatrogenic origin, were found at the skin of the clavicula and the breast one year after a Bakamjian flap at the former site of the drains. Histology revealed mature fibroblasts growing in bundles, cart-wheel or storiform with destructive infiltration of the dermis (Fig. 2). The DFSP is mainly a locally malignant tumor, growing slowly and painless as a flesh-coloured multinodular mass localised in the dermis. Local recurrence occurs in more than 50 % of the cases, whereas metastases are very rare.

Loyngo-Rhino-Otol. 0 1991) 45 47 Georg Thicme Verlag Stuttgart• New York

so entziindliche Prozesse. wie Furunkel. Abszesse oder Atherome.

Die Rezidivrate liegt zwischen 20% (1), 49% (25), 55% (1) und 6O% (12), bei Lokalisation im Kopf-Hals-Bcreich wird sic sogar auf 50—75 % eingeschatzt (1). Die meisten Rezidive treten im Durchschnitt 8 Monate bis 3 Jahre nach dem Ersteingriff auf (12, 25), trotz adaquater Exzision (13, 33). 20% der Patienten haben mchr als em Rezidiv (20).

Die Metastasierungsneigung ist sehr gering. Sic findet seltcner lymphogen (5, 13) und vorwiegend hamatogen (5) bei Rezidivfãllen und langer Krankheitsdaucr zwischen 1 % und 6 % (2, 5) der Fälle statt. Bei hamatogcncr Metastasierung ist die Lunge am haufigsten befallen (2, 5). Das Auftreten kleinerer Satellitenknoten bis zu 13 cm im Umkreis des Primärknotens sind beschrieben, jedoch nicht als Metastasen gedeutet worden (7).

Auszugsweise vorgetragen auf der 94. Tagung der Vereinigung Wcst-

dcutscher Hals-Nasen-Ohren-Arzte von 1897 in Miinstcr, 27. und 28.4.1990.

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HNO Univ. Klinik Bochurn, St. Elisaheth-Hospiral (Dircktor: Prof. Dr. El. 1—lilclmanu) Institut fur Pathologic, Ruhr-UniversitSt Bochum (Letter: Prof. Dr. K. Morgenroth)

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M. Bernal-Sprekelsen, G. 1-1. RühI

Makroskopisch handelt Cs sich urn einen

Nach Monaten bis hin zu mehrercn Jahren oderJahrzehnten und einer meist langsamen Wachstumsrate hat der Tumor eincn Durchmesser von durchschnittlich 4—6 cm bis zu 20 cm (2). Em kindskopfgro6er (4), em 3,8 kg schwerer Tumor (13) sowie em weiterer mit einem

Durchrnesser von 46 cm (20) gehoren zu den gro6ten Excmplarcn. Tm Gcsichtsbereich wurde einc dcrartigc Grö6enzunahme bisher nicht beschricben. Abb. 1 Tumorrezidive am linken Oberlid (grol3e Pfeile) mit kleinen Satelliten (kleine Pfeile). Narbenbildung an Nase und Wange nach multiplen Eingriften.

Die Infiltration tieferer Schichten tritt erst in spaten Wachsturnsphasen em (6, 25). Eine plötzliche Wachstumsbeschleunigung innerhaib weniger Monate ist rnoglich, die Färbung wechselt in diesen Fallen ins blau-rötliche (17). Die Herkunft des DFSP war lange Zeit urnstritten. Es wurde eine fibroblastische (ii, 12, 22, 25), eine fibrohistiozytische (10), eine neurale bzw. neuroektoderniale Herkunft (13) sowie eine Entstehung aus versprengten Mammakeimen (17) diskutiert.

Irnunhistochemische Methoden konnten die Fibrob!asten als Ausgangszelle bestatigen bzw. die histiozytische oder neuroektodermalc Genese aussch!ie6en (12, 21). Die bLindelweise, kieinwirbcligc und wagenradartigc Anordnung der Fibroblasten stelit em histologisches Merkmai dar (25).

Rezidive weiscn oft myxoide Arcale auf (12), eine myxoide Variante des DFSP wurde kflrzlich beschrieben (14). Der Ubergang in em faszikulàres Fibrosarkom (15) oder Histiozytom (21) ist vereinzelt beobachtet worden. Die Exzision mit einem Sicherheitsabstand von 3 cm ist die Therapie der Wahi (20).

Fallbeschreibung durchtlochtene Tumorzellen in destruierender Ausbreitung, mit geringgradiger ZeJI- und Kernpolymorphie bei diskret erhohter Mitoserate. Eingeschlossen sind Reste eines Haartollikels (Pteil). Elastica van Gieson. VergroBerung lOx8xO,3.

Es handeit sich urn einc 63jahrige Patientin, die scit 1946 wegen rezidivierender Knotenbildung im Gesicht insgesamt S3mal operiert sowie ciner zwischenzeitlichen Strahienbehandiung bis zu 30 Gy zugeführt worden war.

Der Bednar- lumor st die pgmentierte Variante (3). Er findet sich vorwiegend bei der schwarzcn Bevöikerung, metastasiert nicht und seine Rezidivrate liegt bei

lung, hefindet sich die Patientin wegen erneuter Knoten im Gesichtsbereich (Abb. 1) fast emma! jährlich zur palliativen Turnorentfernung in unserer Behandlung. Bei insgesamt 11

ca. 1 % (2). Das DFS-non-protuberans, eine rnorpheaforme Variante (18), wird als Voriäufer eingestuft, bei dern das exophytische Wachstum noch aussteht.

Eingriffen wurden bis Mai 1989 33 Knoten von 1,5 x

Abb.2 Mikroskopisch tinden sich bundelweise angeordnete und

Seit 1981, 35 Jahre nach der Erstbehand-

Der Tumor wáchst asymptomatisch, insbesondere treten keine Schmerzen auf (22). Der Allgemcinzustand wird nicht beeintrachtigt (22).

1,2 cm bis 7 x 7 cm im gesamten Gesichtshereich entfernt, kieinere Knötchen nicht rnitgerechnet. Beim letzten Eingriff

wurde je em Knoten an der rechten Kiavikula und unterhaib der rechten Brust entfernt.

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harten, hautfarbenen, in der Kutis-Subkutis bis zu Handte!lergro6e plaqueförmig heranwachsenden, haufig rnultinodulären Tumor (16). Er bleibt auf der Unterlage verschieblich und gegen die gesunde Haut mcist scharf abgrenzbar (19). Es entstehen weder Ulzerationen noch Verletzungen oder Blutungen der Hautoberf]ãche (8, 16).

Die entstandenen Defekte konnten in 19 Fallen primãr verschlossen werden. Zur Deckung der restli-

chen Defekte wurden freie Hauttransplantate (n=6) und verschiedene Nahlappenplastiken (n=3) sowie em rechtsseitiger Bakamjian-Lappen verwendet.

Bei Infiltration von Augenpartien, insbeson-

dere der rechten Orbita, war eine konservative Exzision nicht mehr möglich gewesen. Die strahlenbedingte Gewebefibrose und postoperative Narbenbildung trugen zusätzlich zur Verunstaltung bci.

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Histologisch fanden sich die Tumorzellen in kicinen Bündeln, wagenradartig, parallel oder durchflochten angeordnet (Abb. 2). Der Gewebemarker ,,Vimentin", der Zellen mesenchyrnalen Ursprungs anfàrbt, war mit einer glcichmafig positiven Reaktion des Zytoplasmas der Tumorzellen darsteilbar. Der Histiozytenmarker Lysozym lief sich im Tumorgewebe nicht nachweisen. Diskussion Die Diagnose des DFSP stützt sich in erster Linie auf die Anamnese und den klinischen Befund (8).

Bei der Bewertung zuruckliegender Traumen soilte das Kausalitätsbedürfnis der Patienten Berdcksichtigung finden (8). Die Beurteilung von Gefrierschnitten (Schnellschnittuntersuchung) ist bei voroperierten Tumo-

ren wegen der Fibrosierung durch vorherige Eingriffe schwierig (23).

Histologisch zeigten die Knoten die für Spatphasen ypische Tiefeninfiltration. Die Rezidive traten im Vergleich zu den Vorjahren schneller und zahireicher auf. Lymphogene oder hdmatogene Metastasen wurden bislang nicht gefunden. Die Knotenbildung an Kiavikula bzw. Brust ist im Nachhinein als iatrogen einzustufen, möglicherweise durch die Redoneinlage nach der BakamjianLappenpiastik verursacht.

Der geforderte chirurgische Sicherheitsabstand von 3 cm (20) ist im Gesichtsbcreich kaum einzuhalten. Nach MaIgabe der Litcratur handclt es sich, bei insgesamt 44 Jahren Krankheitsverlauf, urn den bisher längsten Beobachtungszeitraum eines rezidivierenden DFSP. Die Chemotherapie von DFSP mit Methotrexat (119) hat lediglich zur Tumorverkleinerung gefuhrt. Eine konventionelle Strahienbehandlung kam bei geringer Radiosensitivität des DFSP bislang nicht in Frage (25). Der Einsatz ,,schneller" Neutronen für die Therapie von Weichteiltumoren (9) hat auch beim DFSP zu Ergebnissen gefOhrt (24), die in Zulcunft auf eine zuslstzliche Behandlungsmöglichkeit hoffen lassen. Literatur Barnes, L., J. A. Coleman Jr., J. T. Johnson: Dermatofibrosarcorna protuherans of the head and neck. Arch. Otolaryngol. 110 (1984) 389 Batsa/cis, J. G., J. T. Manning: Soft tissue tumors: unusual forms. Otolaryng. Gun. [9(1986) 659

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Dr. med. Manuel Bernaprekelsen Ltd. Oberarzt HNO-Univ.-Klinik St.-Elisaheth Hospital Bleichstra6e 15 D-4630 Bochum 1 Dr. med. Georg I-I. Rühl Pathologisches Institut Ruhr-UniversitSt Bochum Universitätsstraf(e 150 D-4630 Bochum

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Das Dermatofibrosarcoma protuberans

[Dermatofibrosarcoma protuberans of the face. A case report].

Report of a dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP) of the face with a follow-up of more than 40 years in a 63-year-old women. A total of 64 operations...
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