Leitthema HNO 2014 · 62:735–745 DOI 10.1007/s00106-014-2915-4 Online publiziert: 19. September 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

J. Löhler1, 2 · B. Akcicek1 · T. Kappe3 · P. Schlattmann4 · B. Wollenberg2 · R. Schönweiler5 1 Wissenschaftliches Institut für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO),

Deutscher Berufsverband der HNO-Ärzte e. V, Bad Bramstedt 2 HNO-Klinik, Universität Schleswig-Holstein, Campus Lübeck 3 HNO-Praxis, Dortmund 4 Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Dokumentation,

Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena 5 Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie in der HNO-Klinik, Universität Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Entwicklung und Anwendung einer APHAB-Datenbank Mit der Einführung neuer Gebührenziffern für die Hörgeräteversorgung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und eines zugehörigen Qualitätssicherungsbogens wurde erstmals für die Hörgeräteversorgung im Rahmen einer kassenärztlichen Tätigkeit in Deutschland auch die Anwendung eines Fragebogenassessments vorgeschrieben [1]. Damit wird ein solcher Fragebogen für alle an der Versorgung gesetzlich Versicherter beteiligten Ärzte in Deutschland relevant. Grundsätzlich gibt es eine Vielzahl von Patienten-Fragebogenassessments für die Hörgerätekontrolle [2]. Der am weitesten verbreitete ist der APHAB-Fragebogen (Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit; . Abb. 1), der auch für die genannte Qualitätssicherungsvereinbarung für gesetzlich Versicherte in Deutschland bevorzugt wird.

Hintergrund Der APHAB wurde 1995 von Cox und Alexander vom Hearing Aid Research Laboratory (HARL), Memphis/TN, USA, auf der Basis des 66 Punkte umfassenden Profile of Hearing Aid Benefit entwickelt [3]. Der APHAB gliedert sich in 4 Unter-

gruppen zu je 6 Fragen. Drei Untergruppen überprüfen dabei das Sprachverstehen in verschiedenen Alltagssituationen, je 3 Fragen in der zweiten und dritten Skala sind invers formuliert (*): F Einfache Hörsituation („ease of communication“) – EC-Skala (Fragen 4, 10, 12, 14, 15, 23), F Hören im Störgeräusch („background noise“) – BN-Skala (Fragen 1*, 6, 7, 16*, 19*, 24), F Hören von Sprache in Echo- oder Hallsituationen („reverberation“) – RV-Skala (Fragen 2, 5, 9*, 11*, 18, 21*). Darüber hinaus werden noch 6 Fragen zum Hören in lauten Situationen gestellt („aversiveness of sounds“ – AV-Skala, Fragen 3, 8, 13, 17, 20, 22). Die Patienten sollen auf einer 7-stufigen Skala beantworten, inwiefern sie die in der Frage gestellte Situation im Hören beeinträchtigt [immer (99%), fast immer (87%), häufig (75%), in der Hälfte der Fälle (50%), gelegentlich (25%), selten (12%), nie (1%)]. Im Ergebnis können Werte für das Hörvermögen ohne und mit Hörgeräten in den verschiedenen Unterskalen angegeben sowie ein Nutzen der Hörgeräteversorgung insgesamt errechnet werden

(Formeln 1 und 2). Nach Cox ist in jeder Skala (außer der AV-Skala) eine Hörverbesserung um mindestens 5 Prozentpunkte Voraussetzung für eine positive Bewertung des Hörgeräts [4]. In den Jahren 2006 und 2010 wurden die zugehörigen Normen für WDRCHörgeräte, also Hörgeräte mit Begrenzung der Restdynamik („wide dynamic range compression“), publiziert [5, 6]. Es erfolgte dann 2010 und 2012 eine Untersuchung des Testes für die deutschsprachige Version [7, 8]. D Die Anwendung eines Frage-

bogenassessments ist langfristig nur sinnvoll, wenn individuelle Patientendaten vor dem Hintergrund einer größeren Datenmenge beurteilt werden können. Dieses ist primär durch die Angabe von Perzentiltabellen möglich. Die erfassten APHAB-Daten werden i. d. R. von der Praxissoftware ausgewertet. Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit, mittels des Portals „eDoku“ zentral bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die APHAB-Daten einzugeben [9]. Allerdings bilden beide Systeme keinen größeren Datenpool, vor dessen Hintergrund dann individuelle Patienten beurteilt HNO 10 · 2014 

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Abb. 1 9 APHAB-Fragebogen

werden können. Hinzu kommt, dass beide Möglichkeiten keine externen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten ermöglichen. Daher erschien es sinnvoll, von Anfang an eine Datenbank parallel zu den offiziellen Strukturen des KV-Systems aufzubauen, um eine unabhängige Daten-

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bank zur Auswertung des APHAB-Fragebogens zur Verfügung zu haben. Diese Datenbank soll auch helfen, zukünftige Fragestellungen (z. B. Korrelation des APHAB mit dem Tonaudiogramm) zu beantworten. Durch das Sammeln sehr großer Datenmengen (mehrere Tausend

Fälle) wird es möglich sein, solch gezielten Fragen der Versorgungsforschung in Zukunft nachgehen zu können. Zudem werden im Rahmen der genannten Qualitätssicherungsvereinbarung verschiedene weitere Fragestellungen gestellt. Ein Punkt stellt z. B. die Be-

Leitthema rechnung des Grades der Schwerhörigkeit nach der Definition der WHO dar [10]. Durch das gleichzeitige Erfassen des Tonaudiogramms kann diese Berechnung ebenfalls direkt durch Analyse der Datenbank erfolgen. Im Folgenden wird dargestellt, wie die APHAB-Datenbank strukturiert ist, die bei der Deutschen Fortbildungsgesellschaft der HNO-Ärzte mbH in Neumünster angebunden ist, und wie die Leser dieser Zeitschrift davon profitieren können. Insbesondere werden die Ein- und Ausgabemöglichkeiten erläutert, die die Datenbank für einen normalen Anwender und den Administratoren prinzipiell ermöglicht.

Zusammenfassung · Abstract HNO 2014 · 62:735–745  DOI 10.1007/s00106-014-2915-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 J. Löhler · B. Akcicek · T. Kappe · P. Schlattmann · B. Wollenberg · R. Schönweiler

Entwicklung und Anwendung einer APHAB-Datenbank Zusammenfassung Im Zusammenhang mit der Verordnung von Hörgeräten wurde ein Qualitätssicherungsbogen eingeführt, der Elemente der Ergebnisqualität im kassenärztlichen Bereich erfasst. Ein Fragebogenassessment ist nun für alle an der Versorgung gesetzlich Versicherter beteiligten Ärzte in Deutschland relevant. Der APHAB-Fragebogen (Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit) ist am weitesten verbreitet. Damit werden verschiedene Situationen abgefragt: die einfache Hörsituation, das Hören im Störgeräusch, Hören von Sprache in Echo- oder Hallsituationen und das Hören in lauten Situationen. Die Nutzenbewer-

tung von Hörgeräten durch den Patienten mittels des APHAB-Fragebogens stellt eine dritte Säule in der audiologischen Diagnostik neben der klassischen Ton- und Sprachaudiometrie dar. Ziel der ABHAB-Datenbank ist es, individuelle Patientendaten vor dem Hintergrund einer größeren Datenmenge beurteilen zu können. Schlüsselwörter Medizinische Qualitätssicherung · Hörgeräte · Sprachaudiometrie · Sprachaudiometrie im Störschall · APHAB

Methode Datenbankstruktur Mit der Programmiersprache php5 und dem Verwaltungssystem MySQL5 wurde eine Datenbank programmiert, deren Struktur in . Abb. 2 gezeigt wird. Die Datenbank kann nach entsprechender Anmeldung unter http://www.quihz. de für alle Anwender im Internet erreicht werden. Darüber hinaus wurden spezifische Datenbankbereiche geschaffen, die nachfolgend einzeln aufgeführt werden. Alle Daten wurden anonym erfasst, zur Speicherung der Daten willigten alle Patienten ein.

Login der Anwender Es kann für jede Praxis ein Zugang beantragt werden. Der Login des Praxisbereichs erfolgt mittels Benutzername und Passwort, wobei der Zugang auf die Praxis, also nicht auf den Arzt, bezogen ist. Damit ist die Eingabe von Daten an Mitarbeiter der Praxis delegierbar.

Erfassung der Praxisdaten Die erfassten Praxen sind gleich bedeutend mit den Zugängen zum Praxisbereich. Ein Praxisdatensatz besteht aus: F Praxisname F Praxisbenutzername F Praxispasswort F Betriebsstättennummer (BSNR)

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Development and use of an APHAB database Abstract A specific quality assurance questionnaire concerned with the provision of hearing aids was introduced that assesses elements of patient satisfaction within Germany’s statutory healthcare system. A questionnaire-based assessment is now relevant for all physicians involved in the care of statutorily insured patients in Germany. The APHAB (Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit) questionnaire is the most widely used. The APHAB assesses several different situations: the normal hearing situation, hearing in noise, comprehension of speech in situations of echo or reverberation and hearing in loud situations. The

F E-Mail F Postleitzahl F Homepage F Option: Klassifizierung der meldenden Einrichtung als „Praxis“ oder „Klinik“

Erfassung allgemeiner Patientendaten Nach erfolgtem Login können bestehende Patientendaten der Praxis aufgerufen und bearbeitet oder neue Patenten angelegt werden. Neue Patienten werden automatisch der anlegenden Praxis zugeordnet. Patienten zuzuordnende oder anzugebende Daten sind: F eine freiwählbare, durch die Praxis definierte Patienten-ID (Identifikationsnummer),

APHAB questionnaire-based patient evaluation of the benefit of hearing aids represents the third pillar of audiological diagnostics, alongside classical pure-tone and speech audiometry. The objective of the APHAB database is to allow evaluation of individual patient data on the basis of a larger volume of data. Keywords Health care quality assurance · Hearing aids · Speech audiometry · Speech audiometry in noise · APHAB

F Geschlecht der Patienten, F Einwilligung in die Erfassung der Daten. Dies ist für die weitere Bearbeitung obligatorisch. F Es kann ausgewählt werden, ob der Patient in der Gesamtstatistik berücksichtigt werden soll. F Versorgung durch die Praxis (verkürzter Versorgungsweg) oder ein Fachgeschäft, F Anzahl der Behandlungen von der Verordnung bis Abnahme, F Sprache des Fragebogens, F behandelnde Ärzte, F Geburtsjahr der Patienten, F Kostenträger der Patienten, F Erfahrung mit Hörgeräten, F tägliche Verwendung von Hörgeräten, F verordnete Hörgeräte (links/rechts), Hersteller: Herstellertyp und Preis.

Praxisbereich

Qualitätsprüfung

Adminbereich

Kriterien nicht erfüllt Kriterien erfüllt Patienten Praxis Zertifizierung behandelder Arzt

Praxen

Audiogramm

Praxisdaten

Patientendaten

Ärzte der Praxis

APHAB-Erfassung möglich?

Statistiken

Graphen Praxis/Gesamtheit

Ärzte Arztdaten

Graphen Arzt/Gesamtheit

Nein! individuelle Gründe

Grad der Hörminderung

Kommunikation (EC)

Kommunikation (EC)

Nein! 3-Frequenz-Tabelle

Erfahrung mit Hörgeräten

Hintergrundgeräusche (BN)

Hintergrundgeräusche (BN)

Ja!

Verwendung von Hörgeräten

Echo/Hall (RV)

Echo/Hall (RV)

Alter und Geschlecht

Aversivität (AV)

Aversivität (AV)

Kontingenztafeln

APHAB-Bogen Befragung ohne Hörgerät

Hörminderung ohne Hörgerät

Befragung mit Hörgerät

Einschätzung

Auswertung Nutzen

Graphen Patient/Gesamtheit

Kommunikation (EC)

Schwierigkeitsgrad schwer/mittel/leicht

Kommunikation (EC)

Kommunikation (EC)

Hintergrundgeräusche (BN)

Schwierigkeitsgrad schwer/mittel/leicht

Hintergrundgeräusche (BN)

Hintergrundgeräusche (BN)

Echo/Hall (RV)

Schwierigkeitsgrad schwer/mittel/leicht

Echo/Hall (RV)

Echo/Hall (RV)

Aversivität (AV)

Schwierigkeitsgrad schwer/mittel/leicht

Aversivität (AV)

Aversivität (AV)

Abb. 2 8 Schematische Darstellung der Datenbank. Gelb Dateneingabe durch die Praxis. Grau Datenverarbeitung durch die Datenbank mit den Einzelbereichen (s. Text). Rot Interne Prüfung, ob 1. eine Erfassung der Daten überhaupt möglich ist und ob 2. die gesammelten Daten die Zertifizierungskriterien des Arztes erfüllen. Praxisbereich: Daten und Auswertungen sind für die teilnehmende Praxis nutzbar, Administratorbereich (hellgelb hinterlegt): Auswertungsmöglichkeiten für den Administrator der Datenbank

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Leitthema Tab. 1  3-Frequenz-Tabelle zur Bestimmung des Grades der Hörminderung. (Nach [7, 8])  

dB 0–35

Hörverlust bei 2000 Hz

[Development and use of an APHAB database].

A specific quality assurance questionnaire concerned with the provision of hearing aids was introduced that assesses elements of patient satisfaction ...
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