Angiologie | Commentary

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Das diabetische Fußsyndrom Diabetic foot syndrome

3Diabetische Neuropathie: Zwei von drei Diabetikern in westlichen Industrieländern haben eine Neuropathie, jeder Vierte eine Polyneuropathie. Diabetiker mit Neuropathie sind kränker, weisen häufig eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) auf und haben eine hohes Amputationsrisiko. Mit dem Semmes-Weinstein-Monofilament kann eine wirksame Risikodetektion erfolgen. 3Diagnostik der peripheren Durchblutung: Als nichtinvasive hämodynamische Funktionsuntersuchungen werden Knöchel- und Zehendruckmessungen (ABI bzw. TBI), die DopplerPulskurvenanalyse, Duplexsonographie und die transkutane Sauerstoffdruckmessung (tcPO2) empfohlen. Die Palpation der Fußpulse ist alleine nicht aussagekräftig. 3Revaskularisation: Multimorbide diabetische Patienten mit kritischer Extremitätenischämie sollen, sofern möglich und bei geeigneter Expertise, zunächst endovaskulär revaskularisiert werden. Neue technische Entwicklungen (DES, DEB) verbessern die Offenheitsraten weiter. Trotz etwas schlechterer Offenheitsrate nach endovaskulärem Eingriff ist die Beinerhaltungsrate vergleichbar dem Ergebnis nach Bypassanlage. Diabetiker mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz haben dabei eine deutliche schlechtere Prognose hinsichtlich technischem Erfolg, Offenheitsrate, Beinerhalt und Überleben. 3Wundbehandlung: Unverändert gibt es wenig Evidenz für bestimmte Wundauflagen oder Methoden. 3Charcot-Fuß: Wichtig ist die Unterscheidung in aktive und inaktive Phase, wobei hier das klinische Bild und die Temperaturdifferenz von Bedeutung ist. 3Infektionen: Die Einteilung erfolgt nach den IDSAKriterien in leicht, mittelschwer und schwere Infektionen und erfordert eine der klinischen Situation angepasste antibiotische Therapie. Staphylococcusaureus-Infektionen sind noch vorherrschend.

Risikofaktoren und Epidemiologie ▼ Fußläsionen bei Diabetikern sind ein weltweites Problem besonders für Menschen mit niedrigem Sozialstatus. In einer populationsbasierten Kohortenstudie mit 15983 Diabetikern entwickelte sich bei 4 % im Lauf von 3 Jahren ein neues Fußulkus. Niedriger Sozialstatus ging mit einem 1,7-

fach erhöhten Risiko einher (OR 1,7; 95 %-KI 1,2– 2,3) [9]. Die Prävalenz des DFS beträgt bei Typ-1Diabetikern nach im Mittel 11 Jahren 7,6 % und bei Typ-2-Diabetikern nach im Mittel 5 Jahren 8,5 % [8]. Der Qualitätsbericht des Disease Management Programms Diabetes mellitus Typ 2 der KV Nordrhein weist für 2009 bei 3,4 % ein diabetisches Fußsyndrom und bei 0,8 % der Patienten eine stattgehabte Amputation aus [13]. Eine aktuelle deutsche Langzeitbeobachtung bei Typ-2-Diabetes zeigte innerhalb von 5 Jahren nach Erstdiagnose eines DFS eine erschreckend hohe Amputationsrate der unteren Extremitäten von 18,2 % [15]. In der multivariaten Regressionsanalyse waren höheres Lebensalter, männliches Geschlecht, höhere HbA1c-Werte und lange Diabetesdauer unabhängig mit der Amputationsrate assoziert. Die bislang größte aktuelle Untersuchung zur Amputation bei Diabetikern stammt aus Großbritannien. Auf der Datenbasis des NHS wurde die absolute Zahl und die Inzidenz von Major- und Minoramputationen bei Diabetikern zwischen 2004 und 2008 erfasst. Während die absolute Anzahl der diabetesassozierten Amputationen um 14,7 % anstieg, blieb die Inzidenz der Major- und Minoramputationen konstant [21]. Männer hatten ein signifikant höheres Amputationsrisiko als Frauen (p  65 Jahre) erwartungsgemäß erhöht. Das relative Risiko einer Amputation war bei Diabetikern etwa 20fach erhöht und blieb bis 2008 trotz steigender Anzahl therapeutischer Interventionen unverändert. Die Amputationshäufigkeit in Deutschland ist rückläufig. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, die auf DRG-Daten beruhen, sank die Zahl von Majoramputationen bei Männern zwischen 2005 und 2010 von 27,0 auf 22,9 /100 000 (–15,2 %). Noch ausgeprägter war der Rückgang bei Frauen: von 19,7 auf 14,4/100 000 (–26,9 %) [18]. Der Rückgang der Majoramputationen geht mit einer gleichbleibenden Rate an Minoramputationen bei Frauen und einer deutlichen Steigerung der Minoramputationen bei Männern (47,4/100 000 auf 57,8 /100 000) einher. In einer prospektiven europäischen Kohortenstudie an 1232 Patienten mit Diabetes mellitus, erfuhren 18 % der Patienten innerhalb eines Jahres eine Minoramputation [22].

H. Lawall1 C. Luedemann1 B. Amann1 W. Tigges1 Angiologie, Diabetologie Angiologie | Commentary

Schlüsselwörter diabetisches Fußsyndrom Charcot-Fuß Risikofaktoren Epidemiologie Revaskularisation Wundbehandlung Infektionen

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Keywords diabetic foot syndrome Charcot‘s foot risk factors epidemiology revascularization wound therapy infections

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Institut Gefäßzentrum, Asklepios Westklinikum Hamburg Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1349668 Dtsch Med Wochenschr 0 2013; 1380 0:2503–2506 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. Holger Lawall Abteilung Angiologie/ Diabetologie, Gefäßzentrum, Asklepios Westklinikum Hamburg Suurheid 20 22559 Hamburg Tel. 040/8191-2026 Fax 040/8191-2126 eMail [email protected]

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Angiologie | Commentary Diabetische Neuropathie ▼ Die Prävalenz von peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK), Hautläsionen und Amputationen ist bei Diabetikern mit Polyneuropathie (PNP) signifikant höher als bei Diabetikern ohne PNP [25]. In einer repräsentativen populationsbasierten Querschnittsuntersuchung in Schweden [7] betrug die Prävalenz eines akuten oder früheren diabetischen Fußsyndroms betrug 7 %, eine PAVK hatten 26 % der Diabetiker. Bei 66 % aller Typ2-Diabetiker fand sich eine Form einer Nervenfunktionsstörung und 23 % aller untersuchten Diabetiker wiesen eine PNP auf (27 % der Männer, 23 % der Frauen). Eine Metanalyse (9 Studien, n = 11 007 [4]) untersuchte die Bedeutung der klinischen Untersuchung mit dem Semmes-Weinstein-Monofilament zur Vorhersage des Risikos von neuen Fußläsionen und der Majoramputation bei Diabetikern: Bei pathologischem Testbefund lag das relative Risiko für die Ulkusentstehung (6 Studien) über 1–4 Jahren zwischen 2,5 (95 %-KI 2– 3,2) und 7,9 (95 %-KI 4,4–14,3), für eine Majoramputation (3 Studien) zwischen 1,7 (95 %-KI 1,1–2,6) und 15,1 (95 %-KI 4,3– 52,6). Empfohlen ist die Bestimmung an mindestens 3 plantaren Fußzonen und am Fußrücken. Damit kann mit dieser einfachen Methode die Prognose von Patienten mit DFS besser vorhergesagt werden und man kann auf diese Weise eine verbesserte Patientenauswahl für frühe Intervention und Behandlungsstrategien treffen. Bei der Risikostratifikation kommen der diabetischen Neuropathie, der PAVK, Fußdeformitäten sowie frühere Fußläsion und stattgehabte Amputation eine besondere Bedeutung zu [12]. Demgegenüber spielen Kallusbildung, physische Beeinträchtigung, Sehstörungen, Höhe des HbA1c und Pilzinfektionen nur eine untergeordnete Rolle.

Diagnostik der peripheren Durchblutung ▼ Die nichtinvasive hämodynamische Funktionsdiagnostik (Knöchel-Arm-Index [ABI], Zehen-Arm-Index [TBI], Pulskurvenanalyse, Duplexsonographie mit Pulskurve, tcPO2) erlaubt eine Aussage zur Schwere der Durchblutungsstörung, gibt prognostische Hinweise zum Spontanverlauf oder zur Wundheilung, erleichtert die Wahl der geeigneten Therapie und ermöglicht eine Verlaufsbeobachtung unter und nach gefäßmedizinischer Behandlung. Bei Diabetikern sollten diese Verfahren großzügig angewandt werden, wenn der Verdacht auf eine PAVK besteht oder eine Fußläsion vorliegt bzw. nicht heilt. Ein Gefäßmediziner muss konsultiert werden, wenn bei Patienten mit Diabetes mellitus ein ABI 

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