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Kern, Klaue: Diagnose und Operationsindikation beim beim stumpfen Bauchtrauma

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Dtsch. med. Wschr. 100 (1975), 660-664 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Diagnose und Operationsindikation beim stumpfen Bauchtrauma*

Diagnosis and indication for surgery after blunt abdominal

E. Kern und P. Klaue

Diagnosis aiming at early operation is the central problem after blunt abdominal trauma. Peritoneal lavage represents an important progress in diagnostic tests but it is fully informative informative only if the technical details (e.g. infusion of not less than 1,000 ml) ml) are observed. Experience with 129 cases proved it to be a simple procedure with a low complication rate which can be performed also in difficult circumstances and has a high accuracy (more than 95°/o). It can be used also in smaller clinics with only limited diagnostic facilities.

Für die tägliche Praxis steht im Vordergrund der Problematik bei stumpfem Bauchtrauma die Diagnostik mit dem Ziel einer unverzögerten Operation. Hierfür bedeutet die peri toneale Lavage einen echten Fortschritt, der aber nur dann you voll zur Wirkung kommt, wenn die technischen Details der Methode (zum Beispiel Spülung mit nicht weniger als 1000 ml) beachtet werden. Das Verfahren ist, wie uns bisher 129 Fälle gezeigt haben, einfach, komplikationsarm, auch unter erschwerten Bedingungen durchführbar und von einer hohen sicher mehr als 95°/oigen Treffsicherheit. Die Methode kann daher guten Gewissens auch und gerade für die kleinere und nicht mit allen diagnostischen Möglichkeiten ausgerüstete Abteilung empfohlen werden. w erden.

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Im Gesamtbereich der abdominalen Verletzungen ergeben sich die größten Probleme bei den stumpfen Bauchtraumen nicht nur, weil sie im Frieden weit häufiger sind als perforierende Vérletzungen, Verletzungen, sondern auch, weil bei ihnen die Indikationsstellung zur Operation viel schwieriger ist. Dabei ist es erstaunlich, daß noch im neuesten Schrifttum (2, 3) eine rein klinische Diagnostik empfohlen und betrieben wird; die Indikation zum operativen Eingreifen wird also nur aus der wiederholten klinischen Untersuchung und aus indirekten Symptomen, wie Hämoglobin-, Hämatokrit- und BlutdruckVerhalten, gestellt. Beides verhalten, Beides ist höchst problematisch: Befindet sich nur Blut in der Bauchhöhle, zum Beispiel bei einer Milzruptur, so entwickeln sich kaum peritoneale Symptome, da das Blut eine isotone körpereigene Flüssigkeit ist; das Verhalten des Kreislaufs und der Blutwerte kann dagegen dem tatsächlichen Blutverlust weit nachhinken. Selbstverständlich wird bei wiederholter und gewissenhafter Prüfung aller Kriterien meist die richtige Entscheidung getroffen werden können, aber in einer nicht geringen Zahl von Fällen wird die Operationsindikation verzögert oder zu spät gestellt. Uberall Überall wird heute in der Medizin angestrebt, eine Diagnose durch objektive Befunde zu erhärten und damit die Indikationsstellung zu einem operativen Vorgehen auf eindeutige Kriterien zu stützen. Wenn allerdings für die Diagnostik des stumpfen Bauchtraumas Methoden wie die gezielte abdominale Arteriographie (10), die Laparoskopie (4), die Leber- und MilzszintiMilzszintigraphie oder die Ultraschalltomographie (9) empfohlen

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Professor Dr. Werner Wachsmuth zum 75. Geburtstag

werden, so ist dazu festzustellen, daß vielerorts eine unüberbrückbare Kluft besteht zwischen dem, was an sich technisch möglich, an der kleineren Abteilung aber nur selten vorhanden oder zugänglich ist. Gewiß leisten alle genannten Methoden Ausgezeichnetes in der Hand des Erfahrenen und an Abteilungen, wo sie zur Routinediagnostik gehören. Selbst wenn sie aber vorhanden sind, so sind sie es doch nicht immer, zu jeder Tagesund Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen. Für die Diagnostik eines so überaus häufigen Vorkommnisses wie des stumpfen Bauchtraumas muß gegefordert werden, daß eine diagnostische Methode so bebeschaffen ist, daß sie von jedermann, auch von jüngeren Ärzten ohne spezielle Erfahrung, angewendet werden kann, und zwar zu jeder Zeit, überall, sofort und ohne besondere technische Hilfsmittel. Überdies sollte sie den Verletzten so wenig wie möglich zusätzlich belasten und mit einer hohen Treffsicherheit Auskunft geben. Alle diese Forderungen erfüllt in' nahezu idealer Weise die die sogenannte peritoneale Lavage. Dabei sei aber das Wichtigste gleich vorweggenommen: Wie immer steckt der Teufel im Detail. Daß dieses Verfahren noch nicht überall gebührend bekannt und anerkannt ist, beberuht wohl ausschließlich darauf, daß es vielerorts unzuunzulänglich angewendet und damit seiner besten MöglichMöglichkeiten beraubt wurde.

Technisches Vorgehen bei peritonealer Lavage Die Untersuchung lehnt sich methodisch an die Peritonealdialyse an und besteht aus zwei Vorgängen: PunkPunktion und Spülung (6). Zur Durchführung werden ledig-

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Chirurgische Universitätsklinik Würzburg (Direktor: Prof. Dr. E. Kern)

trauma

Nr. 13, 28. Marz 1975, 100. Jg.

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lich benötigt: Lokalanästhesie mit Adrenalinzusatz, ein

Skalpell, ein Stilettkatheter zur Peritonealdialyse, isotone Infusionslösung und eine Hautnaht. Folgende VorbedinInfusionsiösung gungen sind zu berücksichtigen: Vor der Untersuchung muß die Blase entleert werden. Bei der Untersuchung dringt Luft in die Bauchhöhle ein. Daher sollte vorher nach Möglichkeit eine Abdomenleeraufnahme im Stehen angefertigt werden, denn nach der Peritonealspülung ist der Nachweis von freier Luft im Abdomen diagnotisch nicht mehr verver-

Bestehen frühere Operationsnarben, so sollte nicht oder weit entfernt von ihnen punktiert werden, um die Verletzung adhärenter Darmschlingen zu vermeiden. Hier kommt auch die Modifikation des Verfahrens nach Perry und Strate (12) in Betracht, wobei das Peritoneum durch eine etwa 3 cm lange Inzision freigelegt und der Katheter unter Sicht eingeführt wird. Ein Adrenalinzusatz zum Lokalanästhetikum empfiehlt sich, um störende Blutungen aus der Inzisionsstelle zu vermeiden, die ein falsch-positives Ergebnis verursachen könnten. Auch beim Bewußtlosen sollte deswegen von der Lokalanästhesie Gebrauch gemacht werden. S. Bei Bei der Stichinzision sollte die Faszie geschont werden, um einer späteren Hernienbildung vorzubeugen.

Abb. 2. Rückgewinnung Riickgewinnung der Spülflüssigkeit Spiilfluissigkeit nach Infusion durch Abstellen der Infusionsfiasche auf den Boden.

mit isotoner Lösung angeschlossen und relativ rasch (Richtzeit: etwa 10 Minuten) infundiert. Beim Erwachsenen müssen mindestens 1000 ml, bei Kindern 500 ml, bei Kleinkindern 10 ml/kg einlaufen, keinesfalls weniger. Wesentliche Beschwerden wurden von Patienten bei klarem Bewußtsein nie geäußert. Durch SeitwärtsiageSeitwärtslagerung und Palpation des Abdomens kann während der InfusiQn eine bessere Verteilung der Spülflüssigkeit und ihre Vermischung mit pathologischen intraabdominalen Flüssigkeitsansammlungen erzielt werden. Nach Beendigung der Infusion wird die Spülflüssigkeit durch Abstellen der Infusionsfiasche auf den Boden (Abbildung 2) zurückgewonnen. Oft fließt nur ein Teil der infundierten Flüssigkeitsmenge zurück, doch ist dies kein Nachteil für die Beurteilung.

Abb. 1. Einführung des Katheters Katheters nach Stichinzision unterhalb des des Nabels.

Punktion. Durch eine Stichinzision der Haut in der Medianlinie 3-5 cm unterhalb des Nabels wird unter sterilen Kautelen der Stilettkatheter eingeführt (Abbildung 1). Nach Durchstoßen des Peritoneums wird das Stilett entfernt. Entleert sich aus dem Katheter sofort Blut oder trübe Flüssigkeit, so wird die Untersuchung abgebrochen, da die Indikation zur Laparotomie gegegegeben ist. ist dies nicht der Fall, so wird der weiche, biegsame Katheter vorsichtig in das Abdomen vorgeschoben, möglichst in Richtung auf eine vermutete Blutungsquelle. Zuweilen entleert sich nun erst Blut. Spülung. Wurde bis jetzt kein pathologischer Befund erhoben, so wird über ein Verbindungsstück eine Flasche

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Abb. 3. Die Beurteilung (stark positiv - schwach positiv - negativ) negativ) ergibt sich daraus, ob die Schrift auf der Katheterverpackung durch durch den gefüllten Infusionsschlauch lesbar ist. ist.

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wertbar.

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Beurteilung

Zur Auswertung dient das makroskopische Aussehen der zurückgewonnenen Spülflüssigkeit, vor allem deren Transparenz im Schlauch des Infusionsbestecks (Abbil(Abbildung 3). Als Abstufung hat sich bewährt: stark positiv: Die zurückfließende Flüssigkeit ist so stark (meist blutig) verfärbt, daß die Schrift auf dem Verpackungskarton des Dialysekatheters durch den gefüllten Schlauch des Infusionskatheters nicht mehr gelesen werden kann; schwach positiv: Die Flüssigkeit ist verfärbt, die Buchstaben scheinen aber noch lesbar durch den Schlauch hindurch; negativ: Die Flüssigkeit kommt völlig klar zurück. Fehlerquellen

Häufigste und wichtigste Fehlerquelle ist die Spülung mit zu kleinen Flüssigkeitsmengen. Die angegebenen Infusionsmengen sollten keinesfalls unterschritten werden, wie dies leider immer wieder beschrieben wird (1, 14). Die Folge ist häufig ein falsch-negatives Ergebnis, weil kleinere Mengen nicht ausreichen, um sich mit geringeren, versteckt liegenden Blutansammiungen Blutansammlungen zu vermischen. Weiter ist darauf zu achten, daß der Katheter so weit vorgeschoben wird, daß der gesamte perfoperforierte Teil sich im Abdomen befindet. ¡st ist dies nicht der Fall, so kann sich aus der Inzisionswunde Blut über die dort befindlichen Öffnungen beimischen, und ein positives Ergebnis wird vorgetäuscht. Dies gilt vor allem dann, wenn dem Lokalanästhetikum kein Adrenalin zugesetzt wurde. Komplikationen. Punktionsverletzungen des Darmes, der Blase oder von Mesenterialgefäßen wurden in der Literatur in weniger als 0,5% der Fälle gesehen (12). Wir haben bei 129 129 Fällen bisher weder durch die Punktion noch durch die Spülung Komplikationen beobachtet.

Indikationen Die Untersuchung empfiehlt sich unseres Erachtens bei folgenden Indikationen: bei allen Verletzten, bei denen nach einer Kontusion des Rumpfes auch nur die geringste Möglichkeit einer intraabdominellen Organläsion besteht und bei denen die klinischen und klinisch-chemischen Befunde (noch) keine Indikation zur Laparotomie ergeben; bei polytraumatisierten Patienten mit unklarem Abdominalbefund. Die peritoneale Lavage läßt hier frühzeitig entscheiden, ob zum Beispiel Becken- oder Rippenfrakturen allein die Ursache für eine abdominelle Symptomatik sind oder ob zusätzlich eine therapeutisch vorrangige intraabdominelle Verletzung besteht. SinnSinngemäß das gleiche gilt für die Klärung der Ursache eines hämorrhagischen Schocks bei Schädelverletzung,

Frakturhämatomen oder Hämatothorax. Besonders weit ist die Indikation bei Verletzten mit Bewußtseinsstörungen (Schädel-Hirn-Trauma, Alkohol-

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abusus) zu stellen,. wenn der Unfallhergang eine VerVerletzung des Abdomens auch nur für möglich halten läßt. Bei einigen Patienten, die wir beobachten konnten, war keinerlei abdomineller Befund zu erheben, trotz ausgedehnter intraabdomineller Verletzung bzw. Blutung. Die Untersuchungsmethode bleibt somit den Problemfällen unter den Patienten mit stumpfem Bauchtrauma vorbehalten. Sie ist nicht indiziert, wenn der Entschluß zur Laparotomie aufgrund eindeutiger klinischer BeBefunde sofort feststeht oder wenn nach mehrmaliger klinischer Untersuchung im Verlauf der ersten 1-2 Stunden die Indikation zur Operation bereits gestellt werden muß. Wir möchten uns andererseits dagegen wenden, daß in jedem Zweifelsfall sofort eine Probelaparotomie vorgenommen wird (2, 8). Jede Laparotomie ist mit KornKornplikationsmöglichkeiten (zum Beispiel BauchfeliverwachBauchfellverwachsungen) belastet und sollte daher nur unter strenger und eindeutiger Indikation ausgeführt werden. Wenn in einem soeben erschienenen Beitrag zu diesem Thema (2) steht: »Der Patient ist multitraumatisiert. multitraumatisiert . . . der Bauch ist schwer beurteilbar . .. Diese beurteilbar. Diese Patienten vertragen Narkose und Operation sehr schlecht, eine unnötige Laparotomie gefährdet sie», sie, und wenige Zeilen später: >'Trotz »Trotz sorgfältigster Überwachung werden immer wieder schwerwiegende intraabdominelle Verletzungen übersehen ... Deshalb soll man sich zur Regel machen, wenn nach offensichtlich ausreichendem Blutersatz der der Blutdruck immer wieder absinkt, eine Laparotomie trotz des hohen hohen Risikos durchzufuhren« - so zeigt dies klar das Dilemma des bisherigen fuhren>' bisherigen nur klinischen Vorgehens bzw. des Verzichtes auf eine indikatorische indikatorische und objektivierende Diagnostik.

Bedauerlicherweise werden in der seitherigen Literatur auch die Begriffe Punktion und Spülung (Lavage) nicht klar genug getrennt (1, (1, 2, 2, 3). Die einfache Punktion weist, auch wenn sie in allen vier Quadranten des AbAbdomens vorgenommen wird, eine Fehlerquote bis 80% auf (16). In der soeben erwähnten Arbeit (2) steht: »Zu»Zuvor kann man durch Punktion oder kleine Inzision in Lokalanästhesie versuchen, den Nachweis der intraabdominellen Blutung zu sichern, und den Patienten erst dann in den Op. transportieren«. Hiergegen möchten wir uns mit aller Entschiedenheit wenden. Gerade wegen der Unzuverlässigkeit der Probepunktion in jeder Weise wurde ja die Lavage entwickelt (13). Ebenso negativ wie Punktionen sind »Spülungen« mit zuwenig Lösung (1, 14) zu bewerten, sie sind nicht aussagekräftiger als die alleinige Punktion, und eine Häufung falsch-negativer Ergebnisse,, Ergebnisse,. vor allem bei Milzrupturen, und die Diskriminierung der Methode sind die zwangsläufige Folge.

Vorteile und Probleme der Lavage Demgegenüber weist die peritoneale Lavage, richtig ausgeführt, eine Treffsicherheit von mehr als als 95% auf, worin alle Literaturberichte und unsere eigenen Ergebnisse übereinstimmen. Vor allem falsch-negative Resultate sind kaum je beobachtet worden. Ein Problem der Lavage liegt im Gegenteil in ihrer übergroßen EmpfindEmpfindlichkeit, da bereits kleinste Blutungen zu einer VerfärVerfärbung der Spülflüssigkeit führen. In solchen Fällen liegen oft nur geringfügige intraabdominelle Verletzungen vor,

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wie oberflächliche Mesenterial- oder Serosa-Eiñrisse, oder retroperitoneale Hämatome, aus denen durch kleinste Peritoneairisse Peritonealrisse Blut in die freie Bauchhöhle sickert. Dies führt zu einem schwach-positiven Ergebnis der Lavage. Livage. Hier ist es richtig, zunächst eine abwartende Haltung einzunehmen; eventuell kann die Spülung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden. Größere derartige Einrisse oder durchgebrochene retroperitoneale Hämatome können auch zu einem stark-positiven Ergebnis führen. Damit ist die Indikation zur sofortigen Laparotomie gegeben, obwohl dann OperaVerletzungen gefunden werden, die keine solche Operation erfordert hätten. Trotzdem sollte man in einem solchen Fall nicht von einer »unnötigen« Laparotomie sprechen, da immer eine signifikante intraabdominelle Blutung vorliegt. Die Lavage kann bestimmungsgemäß nur das Vorliegen einer intraabdominellen Blutung nachweisen, aber nichts über deren Quelle aussagen. Betont sei ferner, daß subkapsuläre Hämatome von Milz und Leber nicht erfaßt werden können. Interessant erscheint dabei die Beobachtung, daß zweizeitige MuzMilzrupturen seit Einführung der Lavage weit seltener dia(11), was die Vermutung nahelegt, gnostiziert werden (11), daß viele sogenannte zweizeitige in Wahrheit nur verzögert diagnostizierte Milzrupturen waren. Ein Hauptvorteil der Methode ist der geringe zeitliche, personelle und apparative Aufwand und die Tatsache, daß sie auch vom relativ Ungeübten vorgenommen werden kann. Der zweite große Vorteil ist ihre Anwendbarkeit auch unter schwierigen äußeren BedinSo haben wir zweimal bei Patienten in Seitengungen. So lage während der Kraniotomie in der Neurochirurgilage schen Universitätsklinik konsiliarisch eine Lavage durchMilzruptur ergab, die geführt, wobei sich einmal eine Milzruptur klinisch auf keine Weise hätte festgestellt werden können und welche die Ursache eines bis dahin unerklärlichen Blutdruckabf Blutdruckabfalls ails während der Operation war. In der Literatur wird die Laboratoriumsuntersuchung der Spülflüssigkeit angegeben (12, 13, 16), wobei als pathologisch der Nachweis von von Galle, Bakterien oder Fasern im Sediment oder von cz-Amylase über 200 mU/ml gilt. Dies ist sehr empfehlenswert. Wenn dagegen eine Erythrozytenzahl von loo 000/mm3 als Grenzwert angegeben wird und nach einer solchen Zahl allein die Operationsindikation gestellt werden soll, so möchten wir auch hiergegen Bedenken anmelden: Eine solche schematische Festlegung bedeutet eine gefährliche Vereinfachung, die der klinischen Vielfalt nicht gerecht werden kann. Man sollte, da man nun eine objektiv auswertbare Methode besitzt, nicht ins Gegenteil des bisherigen Verhaltens verfallen und nur noch die Laboratoriumswerte, nicht mehr aber den Patienten ansehen. Entscheidend ist und bleibt im Zweifelsfall der klinische Befund.

Eigene Erfahrungen Die bisherigen Feststellungen seien durch die eigenen Ergebnisse untermauert. Besonders aufschlußreich war

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für uns der Vergleich von zwei Patientengruppen vor und nach Einführung der peritonealen Lavage. Hierbei ergaben sich in den Jahren 1965-1971 bei 330 Patienten ohne Lavage acht unnötige Laparotomien ohne jegliche Organläsion und bei 52 von insgesamt 125 laparotomierten Patienten (41,6%) eine Verzögerung der Operationsindikation bis zu 10 Tagen (Tabelle 1). Die genaue Analyse von den 14 Verstorbenen unter diesen 52 verzögert operierten Patienten zeigte, daß in elf Fällen die Verschlechterung des Zustandes während der BeobachBeobachtungszeit bis zur Operation als alleinige Todesursache anzusehen war (7). Tab.

1.

Ergebnisse 1965-1971 vor Einführung der Lavage

330 Patienten mit stumpfer Bauchverletzung

davon 125 Patienten operiert

Gesamtletalität: 26,4% Gesamtietalität:

davon 52 Patienten verzögert operiert 52 8

11

Patienten unnötig laparotomiert Patienten mit alleiniger Bauchverletzung

verstorben verstorben

Letalität: 26,9%

Tab. 2. Patienten seit Einführung der Lavage 1972 Stumpfe Bauchtraumen seit 1972 175 Patienten mit stumpfem Bauchtrauma 129 Patienten mit mit Punktion oder oder Spülung 58 Patienten mit intraabdominaler Organläsion 11

(sofort operiert) Patienten mit verzögerter Operationsindikation

Tab. 3. Ergebnisse der Methode seit 1972 129 Patienten mit Punktion oder Spülung: 58 Patienten mit richtig-positivem Ergebnis

29mal nach Punktion 29mal nach Spülung 52 Patienten mit richtig-negativem Ergebnis 18 Patienten mit schwach-positivem Ergebnis 1 Patient mit falsch-negativem Ergebnis

Seit 1972, dem Zeitpunkt der Einführung der peritonealen Lavage, wurden 175 Patienten mit stumpfen Bauchtraumen behandelt, und in 129 Fällen wurde die Methode angewendet (Tabelle 2 und 3). In 58 ergab sich ein positives Ergebnis, und zwar bei 29 Patienten schon bei der Punktion und bei den übrigen 29 nach der Spülung. In allen Fällen bestätigte die sofortige Laparotomie den Befund. Falsch-positive Ergebnisse haben wir nicht beobachtet. In 52 Fällen fiel fiel die Lavage richtignegativ aus. In der Anfangszeit wurde trotzdem wegen des klinischen Befundes in fünf Fällen die Laparotomie ausgeführt, die jedoch jedesmal die die Richtigkeit des Ergebnisses der Lavage bestätigte. In elf Fällen wurde das richtig-negative Ergebnis durch die gerichtliche Obduktion bestätigt, in den übrigen Fällen durch den unauffälligen weiteren klinischen Verlauf. Bei 18 Patienten war das Ergebnis der Lavage schwach-positiv. In allen diesen Fällen wurde zu Recht abgewartet, und bei weiterer Besserung des klinischen

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Nr. 13, 28. März 1975, 100. Jg.

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Befundes war in keinem Fall eine Operation notwendig. Nur einmal wurde ein falsch-negatives Ergebnis beobin der Anfangszeit, wobei nur mit achtet, ebenfalls in loo ml Lösung gespült worden war. Hier wurde eine Milzruptur übersehen und erst mit zwölfstündiger Verspätung operiert, bei günstigem weiterem Verlauf. Dies war der einzige Fall einer verzögerten Operationsindikation unter den letzten 175 konsekutiven Patienten. Die Gesamtietalität Gesamtletalität ist mit 25,9% gegenüber 26,4% in der früheren Gruppe nicht abgesunken. Dies hat seinen Grund in der zunehmenden Schwere der Kombinationstraumen, die in den letzten Jahren zur Aufnahme kamen. Alle Todesfälle in der zweiten Gruppe waren auf schwerste Begleitverletzungen oder infauste intraabdominelle Organläsionen zurückzuführen; sie waren in keinem Fall mehr Folgen einer falschen oder verzögerten Indikationsstellung.

Operatives Vorgehen Auf das operative Vorgehen sei nur kurz eingegangen, da sich in letzter Zeit kaum neue Gesichtspunkte ergeben haben. Ein wichtiger Grundsatz, der leider nicht immer berücksichtigt wird, ist, daß auch bei entdeckter Brauchund versorgter Organläsion stets der gesamte Bauchraum zusätzlich revidiert werden muß. Mehrfachverletzungen an verschiedenen, zuweilen aber auch am gleichen Organ sind keine Seltenheit. So wurde, um nur ein Beispiel zu erwähnen, vor kurzem ein auswärts splenektomierter Unfailverletzter spienektomierter Unfallverletzter in die Klinik verlegt, bei dem sich bei der Relaparotomie Rupturen der Magenvorder- wie -hinterwand fanden. Bei einem Rupanderen Verletzten wurde bei der Ubernähung der Ruptur der Duodenalvorderwand eine solche der Hinterwand übersehen, woran der Patient letztlich verstarb. Erwähnt sei noch die Möglichkeit, daß bei der ausgedehnten Leberruptur, die ja eine häufige Verletzung

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darstellt, ein temporärer Bypaß der Vena cava inferior dadurch erzeugt werden kann, daß in diese ein Katheter eingeführt und ober- und unterhalb der Lebervenenein(5). Hierdurch mündung über diesem unterbunden wird (5). kann bei gleichzeitiger Abkiemmung Abklemmung des Ligamentum hepatoduodenale die Leber kurzzeitig bluttrocken gelegt werden, so daß man Zeit gewinnt, auch schwere Verletzungen zu versorgen. Schrock und Mitarbeiter (15) konnten mit diesem Vorgehen einige Schwerstverletzte retten. Literatur Baltensweiler, J.: J. Diagnostik abdomineller Blutungen heim Bewuíitlosen BewuItlosen Chit. Chir. Prix. Prax. 17 (1973), 429. Btinte, H., D. Filler: Das traumaBunte, tisch bedingte akute Abdomen. Münch. mcd. Wschr. 116 (1974), 1301. med.

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Prof. Dr. E. Kern, Kern, Privatdozent Dr. P. Klaue Chirurgische Universitätsklinik 87 Würzburg, Josef-Schneider-Str. 2

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[Diagnosis and indications for surgery after blunt abdominal trauma (author's transl)].

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