Leitthema Urologe 2015 · 54:654–661 DOI 10.1007/s00120-015-3799-y Online publiziert: 12. Mai 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

A. Kaminsky · H. Sperling Klinik für Urologie, Kliniken Maria Hilf, Mönchengladbach

Diagnostik und Therapie des Priapismus Benannt ist der Priapismus nach Priapus, dem griechischen Gott der Fertilität. Definiert ist er als eine prolongierte penile Erektion von mehr als 4 h Dauer, die unabhängig von einer sexuellen Stimulation besteht. Die Inzidenz liegt bei etwa 0,5– 0,9/100.000 Männern pro Jahr und tritt in jeder Altersklasse auf [6, 7]. In der Hauptsache werden zwei Subtypen unterschieden: der ischämische oder Low-flow-Priapismus und der nicht ischämische oder High-flow-Priapismus. Daneben gibt es noch den intermittierenden oder rezidivierenden sog. „stuttering“ Priapismus. In dieser Arbeit sollen die Subtypen des Priapismus näher erläutert und deren Diagnostik sowie die konservative, medikamentöse und chirurgische Therapie dargestellt werden.

Definition und Ätiologie Ischämischer oder Low-flow-Priapismus Diese Priapismusform ist durch eine ausgeprägte Rigidität der Corpora cavernosa mit nur geringem oder komplett erloschenem arteriellem Bluteinstrom definiert [8]. Sie ist sehr schmerzhaft und der Penis häufig livide verfärbt. Sie stellt mit etwa 95% die häufigste Form aller Priapismen dar. Bis zu 30% bleiben idiopathischer Ätiologie. 20% dieser Priapismusform sind medikamentös bedingt. Beispiele für Substanzen, die einen ischämischen Low-flow-Priapismus auslösen können sind in . Tab. 1 aufgeführt. Die übrigen 50% der Ätiologie setzten sich aus hämatologischen Erkrankungen wie die Z. B. der Sichelzell­anämie (bei der Sichelzellanämie kommt es zu

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einer Agglutination der Erythrozyten, was zu einem verminderten venösen Abfluss führt; die konsekutive Ischämie fördert die weitere Agglutination; bei homozygoter Sichelzellanämie beträgt das Risiko für einen Priapismus 40–90%, das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 12–15 Jahren) einer Leukämie oder einem Morbus ­Fabry, Schwellkörperinjektionen (insbesondere mit Papaverin oder Phentolamin), paraneoplastischen Prozessen (z. B. Karzinomen in Harnblase, Prostata oder Penis), neurologischen Ursachen (z. B. Gehirntumoren, Syphilis, Epilepsie, sehr selten durch eine Spinalanästhesie) oder infektiösen Auslösern (z. B. Malaria, Tollwut sowie Scorpion- oder Spinnenbisse) zusammen.

Nicht ischämischer oder High-flow-Priapismus Diese Priapismusform ist auf einen vermehrten arteriellen Bluteinstrom zurückzuführen [8]. Hier treten kaum Schmerzen auf. Es zeigt sich zwar eine ausgeprägte Tumeszenz, die Rigidität ist aber nicht so ausgeprägt wie beim ischämischen Low-flow-Typ. Ursache ist meist ein stumpfes perineales Trauma [10], welches zu einem Riss in mindestens einer penilen Arterie führt und in der Folge zu einer High-flow-Fistel zwischen einem arteriellen Gefäß und den Kavernen der Schwellkörper [11]. Oft tritt der High-flow-Priapismus erst mit einer Verzögerung von 2–3 Wochen nach dem Trauma auf, was auf einen unmittelbar posttraumatisch auftretenden Spasmus oder eine ischämische Nekrose der verletzten Arterie zurückzuführen ist. Der Priapismus tritt erst dann auf, wenn ent-

weder der Spasmus nachlässt oder das ischämische Segment abgebaut wurde.

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Der High-flow-Priapismus tritt erst mit einer Verzögerung von 2–3 Wochen nach dem Trauma auf Seltene Ursachen eines nicht ischämischen High-flow-Priapismus sind maligne Erkrankungen des Penis [12], eine akute Rückenmarkverletzung [13] oder intrakavernöse Injektionen [14]. Spontan tritt diese Priapismusform kaum auf.

Rezidivierender oder intermittierender sog. „stuttering“ Priapismus Diese Priapismusform ist durch schmerzhafte wiederholte prolongierte Erektionen gekennzeichnet. Die Erektionen sind dabei selbstlimitierend und von Episoden der Detumeszenz unterbrochen [9]. Gewöhnlich hält die Erektion in diesem Fal-

Tab. 1  Substanzen, die einen ischä-

mischen Low-flow-Priapismus auslösen können – α-Blocker (z. B. Tamsulosin, Doxazosin) – Vasoaktive Substanzen (z. B. Papaverin, Phentolamin) – Antikoagulanzien (Heparin, Warfarin) – Antihypertensiva (Hydralazin, Propanalol) – Antidepressiva (z. B. Lithium, Clozapin) – Anxiolytika (Hydroxyzin) – Hormone (z. B. Testosteron, „gonadotropin releasing hormone“ (GnRH)) – Drogen (Kokain, Crack oder Marihuana) oder Alkohol

Tab. 2  Typische Blutgasanalysewerte des penilen Blutes Quelle

P02 mmHg

PC02 mmHg

pH



Normales arterielles Blut (bei Raumluft)

>90

[Diagnosis and management of priapism].

Priapism is defined as an erection for more than 4 h without sexual stimulation. The most common form with nearly 95% is the ischemic or low-flow form...
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