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Diagnostik und Therapie der Myoarthropathie (CostenSyndrom)* W. Wiegel Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitãr Ulin rn Bundeswchrkrankcnhaus (Leiter: Prof. Dr. Dr. J. Kreidler)

Das Krankheitsbild der Myoarthropathie wurde erstmals 1936 von Costen beschrieben. Es handelt sich dabei um eine Schmerzkrankheit des muskuloskelettalen Formenkreises. Die Schmerzen entstehen in der verspannten Kaumuskulatur und/oder den Kiefergelenken und werden aufgrund von Projektionsphãnomenen in den verschiedensten Bereichen von Kopf und Hals empfunden. Myoarthropathien entstehen sowohi primär aufgrund stomatognather Funktionsstörungen als auch sekundàr im Rahmen anderer Erkrankungen. Em ausschlufdiagnostisches Vorgehen ist deshalb erforderlich. Die Symptome reichen von diffusen Kopf- und Gesichtsschmerzen bis bin zu streng lokalisierten und auch neuralgiformen Beschwerden. An otogenen Symptornen sind sowohl Schmerzen als auch Ohrgerãusche moglich. Aufgrund des vielgestaltigen klinischen Bildes kommen differentialdiagnostisch fast alle schmerzerzeugenden Erkrankungen im Kopfbereich in Betracht. Die Behandlung der Myoarthropathie erfolgt anhand eines mehrstufigen Therapieschemas, das verhaltenspsychologische Ma1nahmen, physikalische Therapie und okklusale Behandlungsmethoden beinhaltet.

Costen (1) beschrieb 1936 erstmals den Zusammenhang zwischen Gesichtsschmerzen, stomatognathen Funktionsstörungen und otogenen Symptomen. Seit seiner Erstbeschreibung wurden für dieses Krankheitsbild viele verschiedene Namen verwendet, wie Schmerz-Dysfunktions-Syndrom oder mandibulo-motorische Koordinationsstörung. Tm deutschen Sprachraum hat sich die Bezeichnung ,,Myoarthropathie" durchgesetzt, wàhrend im englischen von ,,Temporo-Mandibular Joint Syndrome" gesprochen wird.

In der Schmerzklassifikation der ,,International Association for the Study of Pain" (3) wird die Myoarthropathie den Schmerzkrankheiten des muskulo-skelettalen Formenkreises zugeordnet. Die Schmerzen entstehen dabei in der verspannten direkten und indirekten Kaumuskulatur und/oder den Kiefergelenken und werden aufgrund Laryngo-Rhino-Otol. 69 (1990) 373—377 Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

Diagnosis and Treatment of the Temporo-Mandibular Joint Syndrome (Costen-Syndrome) The temporo-mandibular joint (TMJ) syndrome was first described by Costen in 1936. It is a muscular-skeletal pain-disease. The pain is casused by hyper-

tonia of the masticatory muscles and is projected into various regions of the head and neck. There is a primary dysfunctional etiology as well as a secondary etiology based on other diseases, particularly of the ENT region. Diagnostically, therefore, a process of exclusion is required. The symptoms can range from diffuse headache and facial pain to strictly localized or even neuralgic pain. Otogenic symptoms may be pain or various noises in the ear. For differential diagnosis, most of the painful diseases of the head area must be considered because of the multiform clinical manifestation of the TMJ syndrome. The treatment of the TMJ syndrome follows a multistep scheme that includes behavior therapy, physiotherapeutic methods, and occlusional therapy.

von Projektionsphanomenen in den verschiedensten Bereichen von Kopf und Hals empfunden.

Die Ursachen der Myoarthropathien sind vielfaltig (9). Wir unterscheiden soiche, denen primär Funktionsstörungen des stomatognathen Systems zugrunde lie-

gen (Tab. 1), von denen, die sekundãr Folge anderer Erkrankungen sind (Tab. 2). Ms Ursache primärer Myoarthro-

pathien sind besonders Okklusionsstörungen zu nennen. Diese können beispielsweise durch Zahnverlusr oder prothetische Manahmen entstanden scm.

Unter psychischen Belastungen und in Strefsituationen kommt es haufig zu Muskelverspannungen im Gesichts- und Haisbereich. Dabei werden von den Patienten auch unbewu1te Parafunktionen — wie Ziihneknirschen oder -pressen — ausgefuhrt, die das stomatognathe Nach einem Vortrag auf dcr 73. Versammlung der Vereinigung Siidwestdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Arzte vom 8. und 9. September 1989 in Fulda

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Zusammenfassung

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W. Wiege/

Tab. 1 Ursachen phmdrer Myoarthropathien.

Tab. 3 Betunde bei Myoarthropathien.

— Okklusionsstorungen — Psyche — StreB — orofaziale Parafunktionen — Ernahrung — Dysgnathien Fehi- und MiBbildungen

— Muskulare Befunde — schmerzhafte Verspannungen der Kaumuskulatur — Myogelosen

bei HNO-Erkrankungen — akute und chronische Entzundungen der Nasennebenhöhlen, des Mittelohres, derlorisillen des Pharynx und der Lymphknoten — Tumoren — Muskeitraumatisierungen nach Lokalanasthesie — nach Tonsilektomien weitere Ursachen

— odontogene Erkrankungen relinierte Zähne — Entzundungen Traumen — Tumoren — Kiefergelenkerkrankungen — neurologische Erkrankungen — psychiatrische Erkrankungen Migrane — Ossifikationeri von Bdndern, Sehnen und Muskein — Fremdkorper Osteopathieri — Systemerkrankungen Myopathien

Okklusionsstorungen können ebenfalls soiche Parafunktionen triggern. Eine weitere Ursache von Funktionsstorungen kann beispielsweise das Kaugummikauen sein. Ferner kommen Dysgnathien sowie Fehi- und MiIbi1dungen in Frage. System

Entzundungsreize im Kopfbereich sowie

die damit verbundenen Schmerzen können neuromuskulàre Reflexe zu Muskelverspannungen führen. Bei Kieferhohlenentzundungen treten diese Verspannungen häufig im Bereich des M. pterygoideus lateralis auf. Aber auch die anderen Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Pharynx und Tonsillen sind bier zu nennen. Lymphangitiden können mit einer Schmerzhaftigkeit der Mundboden- und Haismuskulatur vergesellschaftet sein.

Tumoren im Kopf-HaIs-Bereich werden nicht selten von einer sekundãren Myoarthropathie begleitet. Lokalanãsthesien in Muskein führen zu kleinen Traumatisierungen, die wiederum cinen schmerzhaften Hartspann auslösen können. Auch nach Tonsillektomien sind Myoarthropathien beschrieben worden.

Weitere Ursachen sekundärer Myoarthropathien können dentogene Erkrankungen und retinierte Zähne sein. Auch Traumen können einen reflektorischen myogenen Hartspann auslösen. Schonhaltungen des Unterkiefers im Rahmen von Kiefergelenkserkrankungen können

Arthrogene Befunde — Druckschmerzhaftigkeit der Kiefergelenke — Veranderungen des horizontalen Kondylenwrnkeis Kiefergelenkarthrosen — Kiefergelenkknacken und Reiben — Einschrankung der Mundoffnung — Gbermal3ig weite Mundoffnung Kiefergelenkluxationen Kieferkiemmen

intermediare und/oder terminale Seitabweichung des Unterkiefers bei der Munddffnung Dentogene Befunde — OkklusionsstOrungen (FrUhkontakte, Vorkontakte, Suprakontakte, KreuzbiB) — Artikulationsstorungen (Balancekontakte, Hyperbalancekontakte, fehiende Front-Eckzahn-FUhrung bei youoder teilbezahntem GebiB bzw. Front-Eckzahn-FUhrung bei Totaiprothesen) Exzentrische SchIifftlchen Abrasionen — IUckige Protrusion — Stillman-Clefts — Wurzelresorption

Parodontale Befunde — Parodontalabbau — treiuiegende Zahnhlse — McCallsche Girlanden — Gingivainfarkte — HNO-Befunde — Ohrenhicken — Ohrensausen — Ohrendruck — HOrstorungen

— Sonstige Befunde — Gaumensegeizucken — Glossodynie — Zungen-, Wangen- und Lippenimpressionen — nicht objektivierbare Hypasthesien

zu Verspannungen führen. Hervorzuheben seien noch die neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. So treten Myoarthropathien beispielsweise bei der Encephalitis disseminata und dem Morbus Parkinson auf (5). Die Myoarthropathien im Rahmen psychiatrischer Erkrankungen gehören zu den besonders schwer behandelbaren Formen, zumal die Schmerzen bei den Patienten in das psychodynamische Geschehen eingebunden sein können. Unter den Befunden bei Myoarthropathien (Tab. 3) stellt die schmerzhaft verspannte Kaumuskulatur em Leitsymptom dar. Em GroIteiI der Patienten gibt die hieraus entstehenden Beschwerden als diffus ausstrahlend an. Haufig wird mit mehreren Firigrn auf den betroffenen Bereich gedeutet. Die Schmerzen können aber auch gezielt

in einen oder mehrere Zãhne projiziert werden (11) (Abb. 1). Die Patienten gehen dann mit ,,Zahnschmerzen" und sehr genau lokalisierten Beschwerden zum Zahnarzt.

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Tab.2 Ursachen sekunddrer Myoarthropathien.

— Hypertrophien (M. masseter, M. temporalis, M. pterigoideus lateralis, Processus temporalis mandibulae) — Ossitikationen von Bändern und Muskein

Diagnostik und Therapie derMyoarthropatie (Costen-Syndrom)

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BespieI einer myogenen Schmerzprojektion: Trotz Entstehung rn vorderen Tell des M. temporalis werden die Schmerzen in den oberen Schneidezähnen empfunden (aus: 11). Abb. 1

sind schon viele ,,unschuldige" Zähne der Zange zum Opfer gefallen, zumal nach der Extraktion des vermeintlich schuldigen Zahnes haufig die Schmerzen im Nachbarzahn empfunden werden. So

Otogene Schmerzen entstehen oft durch Schmerzprojektionen, die vom M. masseter und M. pterygoideus medialis ausgehen. Besonders die Pars profunda des M. masseter, die den Unterkiefer retrahiert, kann Ausloser scm. Auf korrelierende OkklusionsstOrungen ist dabei zu achten. Weitere otogene Symptome kOnnen Tinnitus und SchalleitungsschwerhOrigkeit sein. Tm Bereich des Oberkiefers gehen myoarthropathische Schmerzen insbesondere vom M. pterygoideus lateralis aus.

Abb.3 Patient mit ausgeprägtem AbrasionsgebiB. Anstatt der phy-

Isolierte Kiefergelenkschmerzen zeigt der Patient streng lokalisiert nur mit einem Finger an. Muskuläre Inkoordination bzw. Kiefergelenkschäden werden oftmals durch eine S-fOrmige MundOffnungsbewegung oder terminale Seitabweichung bei der MundOffnung sichtbar. Auch kann die Mundoffnung eingeschrankt sein. Einen Anhaltspunkt gibt die Schneidekantendistanz, die normalerweise mindestens 40 mm betragt (6).

rafunktionen werden unbewu&, besonders in StreI?situatio-

siologischen Front-Eckzahn-FUhrung dieses natUrlich bezahnten Gebisses besteht nur noch eine bibalancierte Okklusion. Im Oberkiefer sind an alien Zhnen keilformige Defekte zu finden (schwarzer Pfeil bei Zahn 11 und im Unterkiefer bei Zahn 43). Die weiBen Pfeile zeigen auf girlandenformige Verdickungen der marginalen Gingiva, die an allen Zahnen zu sehen sind.

nen und als Aggressionshaltung ausgeObt.

Als Folge exzessiver Parafunktionen kommt es zum Abrasionsgebi1. Bei dem Patienten der Abb. 3 ist das physiologische HOcker-Fissuren-Relief der Zähne vOllig niedergeknirscht. Die Okidusion ist hochgradig gestOrt. Zusätzlich sind im Bereich der Zahnhãlse ausgedehnte keilfOr-

Okklusions- und ArtikulationsstOrungen

mige Defekte zu sehen, die auf unphysiologische, belastungsbedingte Spannungen in den Zãhnen zuruckgefuhrt

sind nicht immer offensichtlich. Oftmals kann erst durch eine genaue klinische oder gar instrumentclle Funktionsanalyse die StOrung gefunden werden. Exzentrische Schliffflà-

werden. Die girlandenfOrmigen Verdickungen der margi nalen Gingiva (McCallsche Girlanden) sind ebenfalls stungsbedingt.

chen sind kongruente Facetten an den Inzisalkanten der Frontzähne bis Prämolaren (Abb. 2). Sic kommen durch Knirschen auf den betroffenen Zähnen bei Vorschub- und Seitwärtsbewegungen des Unterkiefers zustande. Soiche Pa-

Differentialdiagnostisch mOssen verschiede-

ne Erkrankungen ausgeschlossen werden (Tab. 4) (9, 12), zumal die Myoarthropathie em sehr vielgestaltiges klini-

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Abb. 2 ModeIl mit exzentrischen Schliffflächen (schwarz, pfeilmarkiert) an den Zähnen 41, 31 und 33. Die hierzu passenden Facetten im Oberkieter befinden sich an den Zahnen 21, 22 und 23. Ober- und Unterkiefer sind in der zugehorigen Kongruenzposition dargestelit, in der der Patient die Parafunktion ausUbt.

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W. Wiegel

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Tab. 4 Differenialdiagnosen zur Myoarthropathie. Trigeminusneuralgie — Hunt-, Sluder-, Charlin-Glossopharyngeusneuralgie — Frey-Syndrom — Arteriitis temporalis — Migrane — Spannungskoptschmerz — Styloidsyndrom — Zervikalsyndrom Tumoren im Gesichts-HaIs-Bereich — KleinhirnbrUckenwinkeltumoren — lntrakranielle Raumforderungen — Sinusitiden

Tab.5 Therapie der Myoarthropathie.

— — —

Selbstbeobachtung Selbstmassage physikalische Therapie

Abb. 4 Dieser Patient trgt eine Michigan-Schiene rn Oberkiefer, die zur Markierung durch Pfei!e eingegrenzt st. Der untere Eckzahn gleitet bei Seitwbrtsbewegungen des Kiefers auf einer KunststoffUhrung zur Entlastung der Kiefer- und Kaumuskulatur.

2. Stufe:

— krankengymnastische Ubungen — Aufbil3schienentherapie — medikamentose Behandlung 3. Slufe

— Entspannungstherapie 4. Stufe: prothetische Rehabilitation

sches Bud zeigt. Erschwerend kommt hinzu, daI viele der differentiaidiagnostisch in Erwâgung zu ziehenden Erkrankungen sekundär von einer Myoarthropathie hegleitet werden.

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7*

An erster Stelle ist die oftmals schwierige Unterscheidung von der Trigeminusneuralgie zu nennen. Tm eigenen Krankengut hatten 62 % der Patienten mit der Uberweisungsdiagnose ,,Trigeminusneuralgie" eine Myoarthropathie. Aber auch an die anderen seltenen Gesichtsneuralgien, wie die Huntsche, Sludersche und Charlinsche Neuralgie sowie die Glossopharyngeusneuralgie, ist gele-

Abb. 5 Patient mit Totalprothese rn Oberkiefer und Teilprothese rn Unterkiefer. Zur BiBerhbhung und zurn okklusalen Ausgleich st em Aqualizer den Oberkieferzbhnen aufgelegt (weiBe Pfeite).

gentlich zu denken. Kopfschmerzen vaskulärer Genese kön-

auch

nen ebenfalls von der Symptomatik her mit einer Myoar-

thropathie verwechselt werden. Hinter der Diagnose ,,Spannungskopfschmerz" verbergen sich oftmals Verspannungen der Kaumuskulatur bei psychogener Uberlagerung.

Schwierig ist die differentialdiagnostische Abgrenzung beim Styloidsyndrom, das hàufig von einer Myoarthropathie begleitet ist. Das obere Zervikalsyndrom kann ebenfalls in Form von Gesichtsschmerzen myogenen Charakters in Erscheinung treten. Insbesondere sei der emseitige C2-Gesichtsschmerz im Bereich von Schläfe und Auge sowie lateralem Nasenabhang erwãhnt.

Tumorbedingte Schmerzen sind den myoarthropathischen Beschwerden oftmals ähnlich. Viele Tumorpatienten leiden jedoch auch zusätzlich an einer Myoarthropathie. Kleinhirnbrückenwinkeltumoren können fast jedes Erscheinungsbild der Myoarthropathie imitieren und stellen deshaib eine wichtige Differentialdiagnose dar. Aber

an andere intrakranielle Raumforderungen mu gedacht werden. Em kraniales Computertomogramm ist deshaib bei therapieresistenten Myoarthropathien unbedingt erforderlich. Die Symptome chronischer Entzundungen der Nasennebenhöhlen — insbesondere der Kieferhöhlen — sind mit denen der Myoarthropathien leicht zu verwechscm.

Die Therapie der Myoarthropathien (Tab. 5) erfolgt nach einem mehrstufigen Konzept, das erstmals von Schulte 1970 (7) angegeben wurde. Wir wenden es in modifizierter Form an (13). Die erste Behandlungsstufe besteht aus der Selbstbeobachtung, der Selbstmassage und physikalisch-the-

rapeutischen Anwendungen. Die Selbstbeobachtung nach Schulte (8) stellt em spezielles Verfahren zur Eruierung von

Parafunktionen dar. Dabei wird der Tatsache, daf diese

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1. Stute:

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Diagnostik u,id Thera pie der Myoarthropatie (Costen-Syndrom)

Die zweite Therapiestufe besteht aus krankengymnastischen Ubungen und der AufbiI?schienenbehandlung. Die Ubungen sind bei muskulärer Inkoordination zur \Viederherstellung des muskulären Gleichgewichts indiziert und werden nicht bei jedem Patienten eingesetzt. Sehr hàufig hingegen werden Aufbifschienen verwendet (2).

Bei natürlich bezahntem Gebig setzen wir im Oberkiefer eine Michigan-Schiene (Abb. 4) (4) em, die durch eine adjustierte Okldusion und Front-Eckzahn-Führung gekennzeichnet ist. Bei Prothesenträgern verwenden wir gerne den Aqualizer (Abb. 5). Er besteht aus zwei wassergefullten Kunststoffkissen, die miteinander verburiden sind und im Oberkiefer auf die Zähne aufgesetzt werden. Durch die Biferhöhung, den Kaudruckausgicich und die Reduzierung der okklusalen Fläche wird eine muskukire Entspannung erzielt, ohne daf eine aufwendige okklusale Adjustierung erforderlich ist. Der Aqualizer ist fertig im Handel erhältlich, was die Herstellung im zahntechnischen Labor erspart. Bei Knirschen auf den Front- und Eckzähnen als Ursache der Myoarthropathie wird eine Parafunktionsschiene angefertigt (2, 10). Hierbei ist an einer Oberkiefertiefziehplatte em vestibulärer Drahtbügel befestigt. Sobald der Patient versucht, die exzentrische Kontaktposition einzunehmen, driickt der Drahtbugel in die Gingiva und verhindert somit die Fehihaltung.

In der nächsten Behandlungsstufe werden die vorher genannten Mafnahmen durch Entspannungstherapien wie ,,Autogencs Training" oder die ,,Progressive Entspannungstherapie" nach Jacobsen unterstützt. In Ausnahmefällen können auch Psychopharmaka erganzend eingesetzt werden.

Sowie die Myoarthropathie mit den genanntcn therapeutischen MaInahmen erfoigreich behandelt wurde, schlieft sich oftmals eine prothetische Rehabilitation des Patienten an. Hierbei muf insbesondere auf cine ausgeglichene Okklusion und eine ausreichende BiIhöhe geachtet werden.

Literatur I Costen, J. B.: Neuralgias and Ear Symptoms. J. Am. Mcd. Ass. 107 (1936) 252—255 2 Lotzmanri, U.: Okldusionsschienen und anderc Aufbillhehelfe. Verlag Neuer Merkur GmbH, Miinchcn 1985 Mersky, H.: Classifications of Chronic Pain. Pain (Suppl.) 3 (1986) 49—85

Ram fjord, S. P., B. R Ash: Occlusion. W. B. Saunders Company, Philadelphia 1966 Reich, R., A. Ro/.?bach: Erscheinungsformen muskulärer Hypcraktivitiit im Kiefer- und Gesichtsbereich. Dtsch. Zahnàrztl. Z. 43 (1988) 11—16

6 Siebert, G.: Zahnãrztliche Funktionsdiagnostik mit und ohnc Hilfsmittel. C. Hanser Verlag, Miinchen 1984 Schulte, W.: Zur funktionellen Behandlung der Myoarthropathicn des Kauorgans. Fin diagnostisches und physiotherapcutisches Programm. Dtsch. Zahnärztl. Z. 25 (1970) 422ff 0 Schulte, W.: Die Selhstheobachtung zur Objektivierung der Parafunktion. Dtsch. Zahnärztl. Z. 35 (1980) 608—610 Schulte, W.: Funktionsstorungen des stomatognathen Systems. In: Grimm, Schwenzer (Hrsg.): Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde Bd. 2. G. Thieme Verlag, Stuttgart 1981 10 Schulte, W.: Die exzentrische Okldusion. Quintessenz Verlag, Berlin 1983

Travel!,]. B., D. Simons: Myofacial pain and dysfunction. The triggerpoint manual. Williams and Wilkins Co., Baltimore 1987 2 Wiegel, W., A. Bremerich, V. Tronnier, B. Danz: Uher die Notwendigkeit einer intensiven Diagnostik heim Gesichtsschmerz. Wehrmed. Mschr. 32(1988)485—490 13 Wiegel, W., A. Bremerich, St. Haase: Das therapeutische Stufen-

schema hel Myoarthropathicn. Wehrmed. Mschr. 32 (1988) 49 1—497

Dr. W. Wiegel

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Abt. f. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgic

der Universitit Ulm im Bundeswehrkrankenhaus Oberer Eselsberg 40 D-7900 Ulm

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vornehmlich unbewuIt ausgeubt werden, besonders Rechnung getragen. Durch Selbstmassage kann der Patient die schmerzhaft verspannte Kaumuskulatur auflockern. In der Regel empfehlen wir vorherige Warmeanwendung oder — in Ausnahmefiil!en — kurz aufgelegte Fisbeute!.

[Diagnosis and therapy of myo-arthropathy (Costen's syndrome)].

The temporo-mandibular joint (TMJ) syndrome was first described by Costen in 1936. It is a muscular-skeletal pain-disease. The pain is caused by hyper...
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