Die Nahrung 23, 1, 1979, 53-62 Zentralinstitut fur Ernahrung in Potsdam-Rehbriicke (Direktor : Prof. Dr. Haenel), Forschungszentrum fur Molekularbiologie und Medizin, Akademie der Wissenschaften der DDR

Das Ernahrungsinterview. 1. Mitt. Ein Methodenvergleich zwischen Jahresanamnese und wiederholter Tagesbefragung H. KARST,M. M ~ H und R B. SEPPELT

Mit 43 Mannern und 53 Frauen nvischen 30 und 40 Jahren wurden im Laufe von 12 Monaten 14 Tagesbefragungen (TB) und 1 Jahresbefragung zur individuellen Ernahrung durchgefuhrt. Die Durchschnittswerte der ersten Methode und die Ergebnisse der zweiten fur Energie, 4 Nahrstoff- und 8 Lebensmittelgruppen wurden statistisch ausgewertet und miteinander verglichen. Daraus werden folgende Aussagen zur Beurteilung der Zuverlassigkeit und Genauigkeit der Jahresanamnese (JA) abgeleitet : 1. Die JA laBt die quantitative Erfassung der Energie- und Grundnahrstoffaufnahme von Personengruppen, die ca. 50 Teilnehmer umfassen, mit einem Fehler von weniger als 10% zu.Eine Unterschatzung der wirklichen Nahrungsaufnahme ist wahrscheinlicher als eine Uberschatzung. 2. Die quantitative Erfassung des Lebensmittelverbrauchs von Personengruppen erfiillt bei groBen LM-Sammelgruppen die gleichen Bedingungen. Sie ist jedoch bei einzelnen und unregelmaoigverzehrten LM vie1 weniger genau. Die ermittelten Abweichungen zwischen den Ergebnissen der beiden Methoden lagen zwischen 0 und 25 %. 3. Die Zuverlassigkeit dec individuellen Ergebnisse der JA lag fur Energie- und Nahrstoffgrokn mit 80- bis 90 %iger Wahrscheinlichkeit innerhalb der Grenzen von f 20 % Abweichung. Auch die Lebensmittelverbrauchsergebnisse von LM-Sammelgruppen zeigten in 75 % der Falle Differenzen der beiden Erfassungsmethoden von weniger als 20 %. Bei Einzellebensmitteln muB jedoch mit durchschnittlichen individuellen Fehleinschatzungen von 30-50% gerechnet werden.

Ernahrungserhebungen im Rahmen moderner epidemiologischer Studien basieren heute zumeist auf individuellen Befragungen (Ernahrungsinterview) [5, 7,9, 12, 15, 241. Die dabei zu erfassende grol3e Personenzahl schlieDt von vornherein ein unmittelbares Registrieren der verbrauchten Lebensmittel durch Wiegen und erst recht eine analytische Ermittlung des Energie- und Nahrstoffgehaltes der Kost aus. Internationale Modelluntersuchungen haben erwiesen, daS gute Korrelationen zwischen individuell erfragter und abgewogener Nahrungsmenge bestehen [3, 8, 17, 18, 221. Einem gewissen Verlust an Exaktheit im Vergleich zur ,,prazisen Wagemethode" steht ein Validitatsgewinn durch die Befragung gegeniiber, weil die erhaltenen Informationen fur die realen Lebensbedingungen gultig sind. Voraussetzung ist allerdings, daS strenge MaDstabe an Griindlichkeit und Vollstandigkeit sowohl bei der Durchfuhrung als auch bei der Auswertung des Ernahrungsinterviews angelegt werden [4, 16, 201. Die Ermittlung der verbrauchten Lebensmittelmengen aus den Angaben der Befragten erfordert den Einsatz speziell geschulter Fachkrafte. Fur die Epidemiologie haben sich zwei Formen der quantitativen Ernahrungserhebung mittels Befragung durchgesetzt : 1. Die Juhresunumnese. Sie zielt auf den durchschnittlichen Lebensmittelverbrauch und damit auf die durchschnittliche Nahrstoff- und Energieaufnahme eines zuriickliegenden Jahres ab [4,5,8, 10, 191.2.Die Tugesbefragung (oder 24-Stunden-

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KARST/MOHR/SEPPELT

Bericht). Sie betrifft die konkrete Ernahrung des vergangenen Tages [2, 11, 13, 17, 181. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Die Jahresanamnese reflektiert auf Grund einer einzigen Befragung die typische Ernahrung einer Person, mu13 aber, um diesem A i spruch gerecht zu werden, mit einem Zeitaufwand von ca. 2-3 h erarbeitet werden. Sie stellt daher hohe Anforderungen an Konzentration, Erinnerungsvermogen und Kooperationsbereitschaft des Interviewpartners. Dagegen ist eine luckenlose Tagesbefragung einschlieb lich ,,Cross-check" in 30 min zu absolvieren. Sie hat den Vorteil det Bestandsaufnahme eines kurz zuruckliegenden, eindeutig begrenzten Zeitraumes. Sie betrifft den konkreten Verzehr und nicht die Schatzung der mittleren Aufnahme aller in Frage kommenden Lebensmittel, Speisen und Gerichte. Damit unterstutzt diese Methode die Auskunftsfahigkeit der Befragten, die die Validitat von Erhebungsergebnissen entscheidend mitbestimmt. Andererseits kann man die Tagesbefragung nicht zur allgemeinen Einschatzung der Ernahrung einer oder weniger Personen verwenden. Urn die Vorzuge beider Methoden zu vereinen, wird mit mehrfach wiederholten Tagesbefragungen gearbeitet f2, 1 11. Dabei sind ,,typische" Verzehrsperioden zu erfassen, d. h. Werk- und Wochenendtage mussen im richtigen Verhaltnis stehen. Nach Moglichkeit werden auch verschiedene Jahreszeiten beriicksichtigt. So kommt man wieder zu einem hoheren Zeitaufwand ; auoerdem ist Voraussetzung, da13 jeder Proband mehrfach zur Verfugung steht. Eine grol3ere Anzahl von Wiederholungen wird sich daher nur in Ausnahmefallen realisieren lassen, verspricht aber eine sehr gute Annaherung des Ergebnisses an die tatsachliche durchschnittliche Ernahrung der befragten Personen. Die Auskunftswilligkeit des Interviewpartners wird davon allerdings nicht beruhrt, aber diese Unsicherheit enthalten auch alle anderen Methoden der Ernahrungserhebung, einschlieDlich der messenden und protokollierenden Verfahren [ 14, 201. Durch die vorliegende Untersuchung sollte die Leistungsfahigkeit retrospektiver Durchschnittserhebungen zur individuellen Ernahrung (Jahresanamnese) am Ergebnis einer 14mal wiederholten aktuellen Erhebung (Tagesbefragung) gepruft werden. Am gleichen Material war weiterhin zu untersuchen, innerhalb welcher Zuverlassigkeitsgrenzen die Ernahrung von Personengruppen oder Einzelpersonen durch eine geringere Anzahl von wiederholten Tagesbefragungen erfa13t werden kann (nachfolgende Mitt.). Da ein objektives Verfahren zur Bestimmung der menschlichen Ernahrung nicht existiert, bieten Vergleiche die einzige Moglichkeit, die Sicherheit der einen oder anderen Erhebungsmethode einzuschatzen [ 141. Jedoch konnen absolute Genauigkeitsangaben nicht erwartet werden. Material und Methoden Das Gesamtmaterial besteht aus Erhebungsdaten von 43 Mannern und 53 Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Darunter waren 27 Ubergewichtige (1 1 Manner und 16 Frauen). Es handelt sich urn Angestellte mit iiberwiegend geringer korperlicher Belastung. Mit allen Personen wurden 14 einzelne Tagesbefragungen zur Ernahrung des letzten vergangenen Tages (Zeitraum von 24 h) und eine Jahresanamnese zur durchschnittlichen Ernahrung durchgefiihrt. Die Tagesbefragungen waren gleichma5ig iiber die Wochentage und Monate eines Jahres verteilt, so daD insgesamt je 10 Werktage und 4 Wochenendtage erfa5t wurden. Die Anamnese fand nach den Tagesbefragungen statt und betraf den Gesamtzeitraum desselben Jahres. Durchfiihrung der Jahresanamnese: In einem etwa 2std. Interview erfragten Ernahrungstechnikerinnen mahlzeitenweise und getrennt fur Werk- und Wochenendtage die gesamte durchschnittliche Nahrungs- und Getrankeaufnahme und protokollierten sie als Grammengen. uber Einzelheiten des Erfassungsganges, standardisiertes methodisches Vorgehen und verwendete Hilfsmittel ist bereits berichtet worden [16]. Aus dem Lebensmittelverbrauch der hypothetischen Durchschnittswoche wurde anschlieDend mittels elektroni-

55

Ernahrungsinterview 1. Mitt.

scher Datenverarbeitung uber Nahrwerttabellen 16, 211 der durchschnittliche Tagesverbrauch an Energie und 20 Nahrstoffen sowie ausgewahlten Lebensmittelpositionen errechnet und ausgedruckt. Durchfuhrung der Tagesbefragungen : Die Datenaufnahme und -verarbeitung erfolgte nach den Prinzipien der Jahresanamnese, betraf jedoch nur den letzten vergangenen Tag. Die Dauer des einzelnen Interviews reduzierte sich auf durchschnittlich 30 min. Je Person wurden die 14 Befragungen abwechselnd von 4 Emahrungstechnikerinnen vorgenommen. Dem Methodenvergleich wurde eine Auswahl der wichtigsten Ernahrungsparameter zugrunde gelegt : Energiezufuhr = MJ bzw. kcal; Summe des pflanzlichen und tierischen EiweiDes = Ew; Gesamtfett = Fett; Gesamtkohlenhydrat = Kh; mehrfach ungesattigte Fettsauren = PUF; Nahrungscholesterin = Chol; Disaccharide = Dis; Eisen = Fe und Vitamin B, = B,. Ferner sollten die quantitative ErfaDbarkeit des Verbrauchs einzelner Lebensmittel (LM) mit seltenem bzw. haufigem Verzehr sowie die VertrauensgrenZen fur Lebensmitteldaten niederer und hoherer Integrationsstufen beurteilt werden. Dazu schienen folgende LM-Positionen geeignet: gesamter Fleisch- und Wurstverbrauch = FI Wu (l), Fleisch gesamt = Fleisch 12), Schweinefleisch = Schwfl (3), sichtbare Nahrungsfette (ohne Fettgehalt anderer LM) = Fette (4), Brot gesamt (ohne Feinbackwaren) = Br ( 5 ) , Vollkornbrot = Vkbr (S), Zucker (einschl. Zuckergehalt von gesiiDten Getranken, auch Erfrischungsgetranken, aber ohne SiiDwaren) = Zucker (7), Kartoffeln = Kart (b). Die statistische Bearbeitung geschah nach folgenden Verfahren: Punktschatzung mit arithmetischem Mittelwert, Standardabweichung und Standardfehler, Prufung auf Normalverteilung und Varianzgleichheit ; Differenzpriifung durch t-Test (STUDENT)fur abhangige Stichproben und Zeichen-Rangsummen-Test (WILCOXON);Korrelationsanalyse mit einfachem, linearem Korrelationskoefizienten (BRAVAIS) und Rangkorrelationskoefizient (SPEARMAN) bei Abweichungen von der Normalverteilung.

+

Ergebnisse

Mit Ausnahme der Prozentangaben betreffen alle iibrigen Zahfen den durchschnittlichen Verbrauch pro Tag. Die Energiewirte entsprechen dem physiologischen Brennwert der aufgenommenen Nahrung. Gruppenergebnisse

Dabei handelt es sich urn den Vergleich der Gruppendurchschnittsergebnisse(Mannerbzw. Frauenkollektiv) aus den beiden Methoden. Energie- und Nahrstoifverbrauch. Tab. 1 enthait die Mittelwerte und Variabilitatskoefizienten (VK) des Energie- und Nahrstoffverbrauchs nach 14facher Tagesbefragung (14 TB) und Jahresanamnese (JA) sowie die prozentualen Differenzen, bezogen auf den 14-TBDurchschnitt als 100%-Wert. Der zweifache Variabilitatskoefizient fur die TB-Methode kennzeichnet einmal die normale, interindividuelle Streuung, zum anderen die durchschnittliche intraindividuelle Streuung, die sich aus der Varianz der einzelnen Tagesbefragungen ergibt. Die absoluten Unterschiede der korrespondierenden Mittelwerte sind, gemessen an der GroDenordnung der Standardabweichung, nicht groD. Sie betragen z. B. fur die Energieaufnahme in beiden Geschlechtern nicht vie1 mehr als 100 kcal/Tag, wahrend die intraindividuelle Streuung bei den Mannern gegen f 600 kcal ausmacht. Dennoch ergibt sich eine Signifikanz der negativen Abweichungen der JA-Ergebnisse fur Energie- und Fettverbrauch (3 bis 5 %) sowie fur die Aufnahme mehrfach ungesattigter Fettsauren und von Disacchariden in beiden Kollektiven. In der Frauengruppe sind aukrdem die Differenzen fur den Kohlenhydratverbrauch, fur Cholesterin- und Eisenaufnahme signifikant.

I

56

N,

N

I

+ * 9 .

v,

I

**

2

I

!

*

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*

3

M'

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g 0-

V

*Q

-8.. V 4 3

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L - m

m

k $ u

v 4 *

57

Erniihrungsinterview I . Mitt.

Lebensmittelverzehr (Tab. 2 ) . Bei den Mittelwertsdifferenzen zwischen JA und 14 TB dominieren wiederum die negativen Abweichungen der JA-Ergebnisse, die besonders im Mannerkollektiv prozentual hoher ausfallen (12-26 %) als die Abweichungen der Energieund Nahrstoffergebnisse. Sie sind bei den Fleischpositionen und bei Zucker hochsignifikant. Im Frauenkollektiv gibt es geringere und schwach gesicherte negative Abweichungen im wesentlichen bei den gleichen Lebensmittelgruppen. In beiden Kollektiven treten bei Fetten und Brot (gesamt) praktisch keine Mittelwertsdifferenzen auf. Die Standardabweichungen sind bei Einzellebensmitteln besonders hoch (bei Vollkornbrot z. B. iiber 100% der Mittelwerte). Die intraindividuellen Varianzen sind bei allen dargestellten Ernahrungsparametern grokr, bei den LM z. T. mehrfach groBer, als die Varianzen zwischen den Personen eines Kollektivs. Dagegen sind die aus den beiden Methoden erhaltenen interindividuellen VarianZen bei den meisten Nahrstoffen und Lebensmitteln nahezu identisch ; die Variabilitatskoeffizienten der Nahrstoffe liegen zwischen 15 und 35 % (RESHEFu. a. [19] geben einen Bereich von 30-50 % fur Ernahrungsanamnesen an). Individuelle Ergebnisse

Ausgewertet wurden dieselben Parameter wie bei der Gruppenanalyse mit Ausnahme von Chol, Dis, Fe und B,. Es interessierten jetzt die Relationen der korrespondierenden EinzelTabelle 2 Lebensmittelverbrauch [g] und Variabilitatskoeffizienten

+ Wu

Manner ( n = 43)

FI 1

Fleisch 2

14 TB U, VK [P4l interind. intraind.

I74

96

22 48

1 JA F VK [XI interind.

153 24

Schwfl. 3

Fette 4

Brot 5

Vkbr. 6

44

62

207

28 88

38 I38

32 32

81 24

33 40

63 30

__ _ ~ ~ _ _ . _ _ _ _ ._ ____

A JA-TB [yo] Frauen (n 14 TB 4 VK [%I interind. intraind.

=

1 JA U VK ["J interind.

A JA-TB

--12,4*** --15,5***

7

Kart. 8

25

33

159

31 30

106 159

51 68

25 71

201 29

26 161

21 66

115 31

- ____.-____---__

+1,3

+O

+4,1

--19,2***

~-

+9,6

53) 119 23

67 32

21 45

50 23

153 22

20 114

26 50

I25 32

58

98

189

33

31

144

66

78

112

64

25

50

154

17

23

128

24

29

35

25

22

169

66

26

___-_

[",I

-26,I***

Zucker

-5,7*

. _ ~ _ _ _ _ _ _ _ . _ _ ~_ _ _ _ _ _ _ . ~.

-4,8

* p < 0.05; **p < 0,Ol; ***p < 0,001

-9.2

+0,8

+0,2 --12,2*

-lO,O*

+ l,8

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KARST/MOHR/SEI~I'I.LT

personendaten aus beiden Methoden. Einmal waren die Wertepaare auf ihre Korrelierbarkeit als Ausdruck der Reproduzierbarkeit der individuellen Ergebnisse zu priifen. Zum anderen erfolgte die Verteilung der Einzeldifferenzgn auf Klassen ansteigender ,,FehlergroL3e". Korrriationsanul~.~se(Tub. 3 ) . Die Werte der Korrelationskoeffizienten der Energieund Nahrstoffparameter aus JA und 14 TB liegen mit einer Ausnahme (PUF) zwischen r = 0,7 und 0,8. Damit korreliert die Erfassung dieser summarischen ErnahrungsgroDen durch Anamnese einerseits und wiederholte Tagesbefragung andererseits hochsignifikant. Die BestimmtheitsmaDe (B) bewegen sich zwischen 0,s und 0,65. Das he&, daD 50 bis 65 % der individuellen Variabilitat aller vorkommenden Werte durch 2 voneinander unabhangige Methoden reproduziert wurden. Diese Anteile reprasentieren damit echte Ernahrungsunterschiede zwischen den einzelnen Personen und nicht methodische Schwankungen. Die Korrelationskoefizienten fur Lebensmittel sind unterschiedlich. Sie sind ebenfalls hochsignifikant bei LM-Gruppen, wie Nahrungsfette, Brot, Fleisch, und auch bei Einzellebensmitteln, wie Zucker und Vollkornbrot. Dagegen bestehen keine oder nur schwach gesicherte Beziehungen zwischen den Erfassungsdaten fur Schweinefleisch und im Frauenkollektiv fur Kartoffeln. Ursache hierfiir ist das Auftreten besonders hoher Einzelabweichungen (JA gegenuber 14 TB) beiderlei Vorzeichens, die sich u. U. in den Gruppenmittelwerten ausgleichen konnen (Parameter Kartoffeln/Frauen). Es muB demnach damit gerechnet werden, daD bei Lebensmitteln mit sehr variablem Verzehr die individuellen Ergebnisse der beiden Erhebungsmethoden unzuverlassig sind, obwohl die Kollektivresultate ubereinstimmen.

Tabelle 3 Korrelationskoeffizienten fur die Ergebnisse aus 14 Tageshefragungen und einer Jahresanamnese Miinner n = 43

Frauen I2 = 53

0,76 0,72 0,8 I 0,72 0,so

0,7 I 0,70 0,75 0,70 0.53

0,62 0,55

0,45 0.57 0,31~ 0,73 0,12 0,65 0,79 0,31'

Nu~irsrq~~au~~iu~~rne

Energie EiweiD Fett Kohlenhydrat polyunges. Fettsauren Lehr~ri.~rnitteherhruu~li

I 2 3 4 5

Fleisch u. Wurst Fleisch Schweinefleisch Fette Brot 6 Vollkornbrot 7 Zucker 8 Kartoffeln

*

nicht signifikant

0,16*

0,83 0,82 0.54 0,80 0.60 ' schwach signifikant (p < 0,OS)

59

Ernahrungsinterview 1. Mitt.

Fehlerverteilung. Gemeint ist die Verteilung der Einzeldifferenzen, unabhangig vom Vor-' zeichen, auf Klassen steigender Abweichungsgrok. Dabei wurde jeweils der individuelle 14-TB-Wert gleich 100 % gesetzt und die Differenz des korrespondierenden JA-Wertes hierauf bezogen. Damit sollte ein uberblick uber durchschnittliche und extreme FehlergroDe der einzelnen Parameter, erfaBt durch Jahresanamnese, vermittelt werden. Die wesentlichen Informationen dieser Analyse sind in Tab. 4 zusammengestellt. Sie enthalt die prozentualen Kollektivanteile mit weniger als 20% und diejenigen mit weniger als 10% Abweichung fur die einzelnen Parameter. Es wird daraus deutlich, daD in der Erfassung der ernahrungsphysiologischen HauptgroBen (Energie und Grundnahrstoffe) bei 80-90 % der Einzelpersonen durch die verglichenen Methoden Ubereinstimmung innerhalb mindestens 3- 20 % erzielt wurde. Die restlichen 10-20 % der Kollektive zeigen Abweichungen zwischen 20 und 30%, in wenigen Einzelfallen bis zu 50%. Eine wesentlich bessere ubereinstimmung innerhalb mindestens 10% liegt bei mehr als der Halfte aller befragten Personen vor.

+

Tabelle 4 Kollektivanteile in Prozent mit weniger als 20 % bzw. 10 % Abweichung der Jahresanamnese vom Mittel aus 14 Tagesbefragungen MJ

Ew

Fett

Kh

LG* ~~

Manner < 20%

1

2

3

4

5

6

7

8

< 10%

91 56

84 51

88 63

79 44

60 28

58 21

23 9

84 40

63 44

21 16

35 14

40 28

Frauen < 20% < 10%

92 62

89 55

85 55

83 51

60 38

47 30

19

15

15

51

74 49

17 15

36 25

45 23

* Numerierung wie in Tab. 2 Die Erfassung des Lebensmittelverzehrs zeigt ungunstigere Verhaltnisse. Das gilt, ahnlich wie bei der Korrelationsanalyse, besonders fur die Einzellebensmittel (Nr. 3, 6, 7). In der Erfassung der LM-Sammelgruppen (Nr. 1, 4, 5 ) stimmen dagegen die beiden Methoden bei zwei Dritteln bis drei Vierteln aller Befragten wenigstens rnit k 20 % Toleranz uberein. Der Rest der Probanden weist Abweichungen bis zu loo%, jedoch iibenviegend zwischen 20 und 50 % auf. Bei den Einzel-LM kommen allerdings auch Werte vor, die das Ergebnis der anderen Methode um ein Mehrfaches ubertreffen. Das ist vonviegend dann der Fall, wenn ziemlich geringe mittlere Verzehrsmengen zugrunde iiegen. So betragt z. B. im Extremfall der JA-Wert fur Schweinefleisch 13,6 g/Tag, der 14-TB-Durchschnitt aber nur 1,I g/Tag, weil in allen 14 Befragungen Schweinefleisch tatsachlich nur einmal mit einer Verzehrsmenge von 15 g vorkam. Diskussion In Vergleichen zwischen Ernahrungsinterview und Wagemethode findet man in der Literatur die hiiheren Durchschnittswerte bei den Befragungsergebnissen [8, 181. Das gilt sowohl fur den Lebensmittelverbrauch als auch fur die Energie- und Nahrstoffgehaltswerte,

60

KARST/MOHR/SEPPELT

wobei sich die Abweichungen im Gruppenmittel meist zwischen 10 und 20% bewegenl. Es kann nicht entschieden werden, ob dem hauptsachlich eine uberschatzung der Nahrungsaufnahme durch die Befragungsauskunfte zugrunde liegt oder Unvollstandigkeit in der Erfassung bzw. unwillkurliche Einschrankungen des Verbrauchs bei Anwendung der Wagemethode. Umgekehrt verhalt es sich offenbar mit den Differenzen zwischen Jahresanamu. a. [2] geben fur die JA Nahrstoffmittelnese (JA) und Tagesbefragungen (TB). BALOGH werte an, die gegenuber 8fach wiederholten TB um ca. 10 % niedriger sind. Im Vergleich dam wirken die von uns ermittelten Abweichungen zwischen JA und 14fach wiederholten TB ganz unerheblich, soweit es die Gruppenergebnisse der Energie- und Nahrstoffparameter betrifft. Auch die entsprechenden Differenzen bei groI3eren LM-Gruppen erscheinen durchaus tragbar, wahrend bei Einzel-LM Durchschnittsabweichungen um 15 bis 25 % doch relativ hoch sind. Da die meisten Gruppenmittelwerte der JA, sowohl bei Nahrstoffen als auch Lebensmitteln, signifikant k le i ne r waren als die 14-TB-Ergebnisse, mu13 mit einer prinzipiellen leichten Unterschatzung der Energie- und Nahrstoffaufnahme durch die Jahresanamnese gerechnet werden. Das ist dann richtig, wenn man sich der eingangs begriindeten Voraussetzung anschlieat, die Ergebnisse der vielfach wiederholten Tagesbefragungen als bessere Naherung an die wirklichen Ernahrungsverhaltnisse anzusehen. Gegenuber Wageresultaten lassen die erwahnten Angaben anderer Autoren uber generell positive Abweichungen befragender Ernahrungserhebungen keinen wesentlich groI3eren Fehler erwarten. Was die individuellen Ergebnisse der JA betrifft, so ist damit weitaus mehr Vorsicht geboten als bei den Gruppenmittelwerten hinlanglich groDer Kollektive. Zwar zeigt die Korrelationsanalyse mit Werten zwischen 0,6 und 0,8 bei Grundnahrstoffen und groDeren LM-Gruppen eine gute Parallelitat der Erfassung durch die beiden Erhebungsmethoden an. Bei der wiederholten Bestimmung von Nahrungsfaktoren werden bereits Korrelationskoefizienten ab 0,5 als zufriedenstellend im Sinne der Reproduzierbarkeit bezeichnet [ 191; BALOGH u. a. [2] erhielten zwischen JA und wiederholten TB fur Nahrstoffe Korrelationen zwischen 0,56 und 0,83. Die Beurteilung der gesamten Lebensmittelverbrauchsstruktur einer Person ist aber auf der Grundlage einer einzigen Anamnese nicht moglich. Wahrend die Zuverlassigkeit der Energie- und Nahrstoffergebnisse bei 80 bis 90 % der befragten Personen und die der g r o k n LM-Sammelgruppen in 75 % der Falle rnit mindestens f 20 % angegeben werden kann', muB bei Einzel-LM mit einer durchschnittlichen individuellen Fehleinschatzung von 30-50% gerechnet werden. Grobe Abweichungen sind vor allem typisch fur Lebensmittel, die in geringen Mengen oder selten verzehrt werden. Es kommt hier trotz gezielter Nachfrage ziemlich haufig vor, daD der Konsum solcher Produkte vergessen wird. So fanden sich z. B. fur Vollkornbrot bei 13 mannlichen und 25 weiblichen Personen nur Werte aus den TB, wahrend in den JA ,,kein Verbrauch" ausgewiesen wurde. Dagegen zeigten die Verbrauchswerte mancher Sammelgruppen in beiden Methoden eine recht erfreuliche bereinstimmung. Besonders die durchschnittlichen Verzehrsmengen von ,,Nahrungsfetten" und ,,Brat" aus der JA scheinen sich fur die globale Einschatzung der Energie-, Fett- oder Kohlenhydrataufnahme gut zu eignen. Die mittlere individuelle Abweichung (ohne Beriicksichtigung des Vorzeichens) betrug bei diesen beiden Parametern nur ca. 15%, wenig mehr als bei Energie und Grundnahrstoffen (mittlere Abweichung ca. 10%). Die Halfte bis drei Viertel der Befragten verschiedener Kollektive hatten Abweichungen unter f 20 :d [18]. Bei wiederholter Durchfiihrung der Wagemethode waren bei 80 bis 95 % der Befragten die Differenzen kleiner als 20% [I]. 1)

2)

Ernahrungsinterview 1. Mitt.

61

Summary H. KARST,W. M ~ Hand R B. SEPPELT: The dietary interview. Part I. A comparison of methods: dietary history versus repeated 24-hours recalls In the course of 12 months, 43 men and 53 women aged 30-40 years were subjected to 14 24-hours recalls and one dietary history concerned with their individual dietary habits. The mean values yielded by the first and the second method for energy, 4 nutrient groups and 8 food groups were statistically evaluated and compared with each other, from which the following conclusions can be drawn as to the reliability and the precision of the dietary histpry: 1. The dietary history permits the quantitative estimate of the energy and nutrient intake in groups of about 50 subjects with an error of less than 10%. Underestimation of the actual food intake is more likely than overestimation. 2. The same holds true for the quantitative estimate of the consumption of foods from great food groups. The method is considerably less precise in case of single food or irregularly consumed foods. The differences between the results from the two methods ranged from 0 to 25 %. 3. The precision of the individual results obtained for energy and nutrient intake from the dietary history was 20% with a probability of 80-90%. In 75% of the cases, the differences in the consumption of food groups as determined by the two methods were smaller than 20%. As to single foods, however, indivual misestimations ranging from 30 to 50% are to be expected.

*

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62

KARST~MOHR~SEPPELT

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Dr. H. KARST,Dr. sc. M. MOHR u. Dipl.-Math. BRIGITTE SEPPELT,Zentralinstitut fur Ernahrung, QDR1505 Bergholz-Rehbriicke, Arthur-Scheunert-Allee 114- 116. Eingegangen 8. 5. 1978

[Dietary interview. I. Comparison between dietary history versus repeated daily recalls].

Die Nahrung 23, 1, 1979, 53-62 Zentralinstitut fur Ernahrung in Potsdam-Rehbriicke (Direktor : Prof. Dr. Haenel), Forschungszentrum fur Molekularbiolo...
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