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Mißfarbenes Fruchtwasser - Ergebnisse der pränatalen Diagnostik und klinische Bedeutung* J. Gnirs 1. R. Boos 1. 1. llendrik' , .\f. llent emann ' . I\~ S chmidt J Univ- Prauenklinik und Poliklin ik mit Heb a mmenl ehra nstalt Hombu rg/ Saa r (Dire ktor : Prof.D r. med . W. Schmidtl " Univ- Pra ue nklinik Heid elbe rg (Ehe rn. Direk to r : Prof Dr. mc d. E Kubli t )
Zusammen fass u ng
7000 Schwa nge rsc ha ften wu rd en nach einer gen etischen Amn iozentese bezüglich des weiteren Verl aufes sowi e der Ergebni sse der pränatalen Diagnostik (Beobachtungszeitraum 1975 - 1988) an alysiert. In 3.1 % (217 Fälle) fand en sich mißfarbene Fruchtwasse rpruben . Vagina le Blutungen vor Durchfü hrung der Am nio zentese wu rd en mit 18 % signifikant h ä ufige r bei
Schwa ngere n mit mißfarbenem Fruc htwasser als in einer Kontro llgruppe (n - 217) mit un auffäl liger Fruchtwasse rfarhe (4.6 %) registr ier t (p < 0.001) . Aborte und Chro mosome n-A no m a lie n trate n in d er Un te rs uc h ungsgru p pe
gehä uft auf (3.7 %/2 .8 %. Kontrollgruppe: 0.9 %11 .8 %. n.s.). Das Abortris iko war erhöht bei blutig tingiertem Fruchtwasse r. wen n gleichzei tig erhöhte FW-AFP-We rte vorlage n. Signifikant e Unte rsc hiede fand en sich bezüglich der Inzidenz fetal er Fehlb ildun gen bei mißfa rbenem Fruchtwasser (7.8 % ) und in der Kontrollgruppe (2.3 %) Ip < 0.01) . Gren zwertlge ode r einde utig pathologische F\V-AFP-Konzentrationen wurden vermehrt bei pathologische r FW-Farhe beobacht et (6.9 'Yo. Kontrollgrupp e 3.2 %). Nach der Gew innung von mißfarben em Fruchtwasser sollte stets eine gez ielte sonographische Mißbildun gsdiagnostik erfolgen. In 82 % aller Fälle mit mißfarbenem Fruchtwasser und fetalen Malformation en wurden bereits vor de m Zeitp unkt de r Amniozentese pat holog ische Ultrasc ha ll-Befund e und/oder erhöhte MS-AFPWerte beoh achtet.
Einle itu ng Das Risiko für das Auftreten eine r kindlichen Chromosomen -Anomalie steigt mit zun ehmend em Alter der Schw angeren nah ezu expone ntiell an (8 . 10). Die
• Unter Verwend ung von Teilerge bnissen der lna uguraldisserta ü on von K. Azirooic. An d ieser Stelle sei Herrn Dr./I. J) . /lager. Institut r. Anthropo logie un d Humangenetik der Unive rsität Heidelbe rg, für die lan gj äh r ign Kooper ation geda nkt. Geburts h. 1I. Fra uenheil k. 5 1 (199 1) 2 17-222 o C;porg Thieme Ver lag Stuu gart . New Vor k
Discoleured Arn n lot lc Fluid Hesults uf Prc nata l Dla gnust s und Clinka l Significa nce
7000 pr egnanci es were an alysed after genetic amnioce ntesis in respect of the furt he r course and resul ts of pr enat al diagnosis (observ ation peri od 197 5 - 1988). In 3.1 'Yo (217 cases) sampies of amniotie fluid were di scoleured. Vaginal haemorrhage s prio r to amniocentes is were recor ded with significa ntly higher inciden ce (1 8 %) in patients with discoloured amniotic fluid than in a control group (n = 2 17) with normal colour of'tho a mniotic fluid (4.6 'Ycl) (p < 0.00 1). Miscarriages and chromosome anomalies occurred mor e often in th o st udy gro up (3.7 (YcJ2 .8 %. control group: 0.9 %/ 1.8 %. n. s .). The risk of miscarri ages was increased in cases wi th sa nguineo us amniotic fluid if th e am niot ic fluid alp ha- feto protein values wereenhanced at thesame time . Signilica nt differences wer e observ ed in respect of the inciden ce of foetal malformations in patient s with discoloured amniotic fluid (7.8 %) and in the control group (2.3 %)(p < 0.0 1). Bord erline or definitely pathologieal am niotic fluid AFP conce ntra tions were found often if the amniotic fluid was diseoloured (6.9 %. control gro up 3.2 %). If discoloured amniotic fluid was sarnpl ed . foetal malformations should be exclude d so nographically. In 82 % of all cases with discoloured amniotic fluid and foetal malfo rmatio ns pathological sonographie findings a ndlor enhaneed MSAFP valuns were record ed even prior to am niocentes is.
"genetische Früham niozentesc" be i Schwa ngeren. d ie 35 Ja hre oder älte r sind . ist heut e allgemein etabliert (9). Nac h eigenen Erfahrungen konnte die Komplikationsr at e durch Einführung der US-kontrollierte n Punktion gegenüber der sog. . Pree-ha nd-needle-Techmk" signifika nt gesenkt werden (14). Ents prechend neuerer Literaturan gaben werden in 5 - 6 % aller Amniozentes en mißfarben e Fruchtwasserpro ben gewonnen (5). Als Urs ac he pathologischer Fruchtwasser-Ver färbungen sind in der Regel müt terliches oder fetales Blut bzw, Blutabbauprodukte sowie Mekoniumbeimengungen nachweisbar ( 1. 3). Insbeson dere d ie Inzidenz schwe rer feta ler Fehlb ildungen ist in solchen Fällen deut lich erhöht (16).
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I
Geburtsh. u. Frauenheilk. 51 (1991)
1. Gnirs. M. Hentemann. R. 800s. J . Hendri k; W Schmidt
Tab. l Indikationen zur Amniozentese bei Patientinnenmit mißfarbenenund unauffälligen fr uchtwasserproben.
mütterliches Alter
V. a. Neuralrohrdefekt
mißt. FW n = 217
unauff. FW
160 (74 %) 24 (11 %)
181 (83 %) 7(3,5 %) 9 (4 %) 3 (1,5 %) 3 (1,5 %) 3(1 ,5 %) 11(5 %)
V. a. Chromosomenanomalie Pathol. Serum-AFP Anamnese Hydramnion Sonstige
n=2 17
9 (4 %)
4(2 %) 4(2 %) 16(7 %)
stlk erfolgte a m Institut für Ant hropologie und Human gen etik de r Universität Heidelherg. Abteilung Zytogenetik (Prof. Dr. T. Schroeder-Kurthl . In 217 Fällen wurden mißfarben e Fruchtwasserproben beoba chtet. Dieser Untersuchungsgrup pe wurde eine computere rm itte lte Kontrollgrupp e von ebe nfalls 217 Patienti nnen gegenübergeste llt (Matched pairs : mü tterliches Alter, Pari tät . Graviditä t). Mehr lingssc hwa ngersc haften wur den in der vorliegende n Studie nicht berücksichtigt. Signifikanz berec hnungen er folgten mittels des Chi2-Tests für unabh ängige Stichproben nach Wilcoxon und des t-Tests für unab hängige Meßwe rte.
Er ge bnisse Tab. 2 Einfluß der Punktionstechnik auf die Inzidenz vonmiBfarbenenund blutigen Fruchtwasserproben.
mißfarbenes FW n % Free-hand-needle-I ect mik (1975-1978) (n = 500) Punktionunter US-Sicht (1979- 1988) (n = 6500)
46
9,2
171
2,6
I
(p < 0,001)
Bedeutungfür die Pränatale Diagnostik
~avon blut~es FW 34
1-
74
57
-
33
(p < 0,001)
/,\ 60
-
m ißfarbenes
Fruch twasser
ss
(n .. 2171
52
-
48
unauf fä ll iges
Fruc ht wasser [ n = 217 )
44
40
3.
!
J
32
28
~ 24
.5
20
c,
~ 16
12
• 4
te
17 Gestationsalter
18
19
Abb.l Verteilung der mittleren FW-AFP·Werte bei miBfarbenem und unauffälligem Fruchtwasser für Schwangerschaften mit komplikationslosem Verlauf für die verschiedenenGestationsaltersklassen. (Ermittlungdes Grenzbereiches durch dieAbteilungfür Zytogenetik, Institut für AnthropologieundHumangenetik, Universität Heidelberg.)
Die vorliegende Arbeit umfaßt die Ergebnisse eigener Unte rsuchungen im Rahm en der prän atalen Diagno stik in einem Beobachtungsintervall von 13 Ja hren und deren klinische Bedeu tun g für den we ite re n Schwangerschaftsve rlauf. Mat erial und Methodik Insgesa mt wurden 7000 Schwangerschafte n. bei denen im Beob achtu ngszeitra um von 197 5 bis 1988 an de r Universitäts-Fra uenklinik Heidelb erg eine genetische Amniozentese du rchgeführt worden wa r. untersucht. Die zytogenetische Diagno-
In 217/7 000 Fällen (3,1 %) fan den sich mißfarbene Fruchtwasser-Proben . Bei 91 Patient innen wa r das Fruchtwa sser (FW) rot ode r blutig tin giert (42 %), in 72 Fällen (33 %) braun bzw. bräunli ch. 29 Amniozentesen (13 %) lieferten , teilweise durch Mekonium bedingte, braun-grüne bzw. 25 (12 %) dunkelgrüne FW-Verfarbungen. Die Unters uchungsgru ppe und das Ve rgleichskollektiv mit hellklar en Fruchtwasserproben unterschieden sich bezüglich der Ind ikationen zu r Durchfü hrung der Amniozentese. Während in der Kontro llgruppe in 83 % (181 Fälle) eine zytogenetische Abklärung wegen des erhöhte n mütt erlichen Alter s erfolgte, bestand diese Indikation im Kollektiv mit mißfa rbenem Fruchtwasser led iglich in 74 % (160 Fälle). Dagegen wa r in dieser Grupp e der Anteil an Patientinnen mit pathologischen biochemischen (MS-AFP) oder sonographische n (Fruchtw asseranomalien, IUGR, fetale Fehlbildungen) Befund en mit 17 % etwas stärker repräsentiert (Kontrollgrupp e 10,5 %), Andere Indikationen wie ana mnestische Risiken für das Auftreten eine r Chro mosomena nomalie oder Geschlechtsbestimmung bei x-chromosoma l rezessiv vere r bten Erkrankungen lagen in 9 % (Untersuch ungsgruppe) bzw. in 6,5 % (Kontrollgrupp e) vor (p < 0,05) (s. Tab. 1). Entsprechend der standa rdisierte n Vorgehensweise erfolgte die Mehrzah l der genetische n Amniozentese n zwische n der 17. und 18. SSW (mißfarbenes FW 91 %/ unauITalliges FW 95 %), Lediglich in 5 Fällen wurde die Punktion ber eits na ch der 15. SSW (2 %/1 %) sowie in 23 Fällen erst nach 20 SSW (7 ')',,/ 4 %) durchgeführt. Die Punktionstec hn ik hatte einen signifikant en Einfluß auf die Inzidenz von mißfa rben en Fruchtwasse rproben. Im Zeitra um von 1975 bis 1978 erfolgten 500 Amniozentesen nach der Free- ha nd-nee dle-Technik. Hierbei lag die Rate path ologischer Verfä r bungen bei 9,2 "10 (46/ 500 Fälle), wobei vor allem Blutkonta mination en auftra ten (34/46 Fälle; 74 %). Seit 197 8 we rden sä mtliche Punktionen unter permanenter sonographische r Kontro lle dur chgeführt. Die Verän derung des Punkti onsmodus führt e zu einer drastischen Redu zierung der Fälle mit mißfarben em Fruchtwasser auf 2,6 % (171/ 6500) (p < 0,001). Insbesondere rote oder blutig tingierte Fruchtwasseraspirat e wurden mit 33 % (57/171) deutlic h seltene r beobachtet (p < 0,00 1) (s. Tab. 2).
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Mißfar benes Fruchtwasser - Ergebnisse der präna talen Diagnosti k und klinische Bedeutung
FW-Farbe Braun n ~ 72
Braungrün n ~ 29 Rot
I
,
Iris. 21
I
,
Tris. 13
I
47 XXX
I
47 XYY
I
69 ~
-
-
-
I (lA %)
3 (4.2 %)
-
-
I (3A %)
-
-
I (3A %)
2(2 ,2 %)
-
-
-
-
2 (2.2 %)
2 (0.9 %)
1 (0.5 %)
-
1 (0,5 %)
-
4(1 .9 %)
2 (2.8 %)
Geburts h. u. Frauenheilk. 51 (1991)
219
Häufigkeit der Chromosomen·Anomalien inAbhängigkeit vonder Fruchtwasserfa rbe.
r ab.3
n ~ 25
unauff. FW n ~ 217
n.s.
Die Häufigkeit von tran spl azentaren Amniozentesen war in der Gruppe mit mißfarbenem Fruchtwasse r (8/21 7; 3.7 %) nur unwesentli ch erhö ht (Kontrollgruppe 3/2 17; 1.4 %). allerd ings überwogen in diesen Fällen Blutkontamin ation en (5/ 8 Fälle). Klinisch ges iche rte vagina le Blutun gen . bereit s vor Durchführung eine r Amniozentese, wurden s ignifikant häufiger bei Patientinnen mit anschließend pathologischer Fruchtwasse rfarbe (39/2 17; 18 %) als bei un auffälliger Farbe des Punkt at es (10/217; 4.6 %) festgestell t (p < 0 .001) . Auffällig war die Häufung von braunen bzw. br aun grünen (24/ 39 ; 62 %) oder grünen (8/39; 21 %) FW-Proben. Ledi glich in 7.7 % (7/91) aller roten FW-Verrarbungen wur den vaginale Blutungen vor dem EingrifT angegeben . In den Fällen, die trotz der anamnestisch eruierbaren Blutungen eine normale FW-Farhe aufwiese n. gestaltete sich der we ite re Schwa nge rsch aftsve rla uf kom plikationslos . Bei zwe i Patientinnen mit braunem bzw. braun-grünem Fruchtwasser kam es zum Abort. In b eiden Fällen lag eine Chromos ome nanomalie des Feten zugrunde (Trisomie 21, 69 XXX). Insgesamt wurden Aborte (bis zur 28.·SSW) na ch Durchfü hrung der Amnioze ntese mit einer Inziden z von 3,7 % (8/217) gehä uft bei mißfarbenen Fruc htwa sse rprobe n beobachtet (Kontrollgru ppe 0,9 %) (n. 5.). Wurden lediglich die innerhalb eines Zeitra umes von 14 Tagen nach der Punktion aufgetreten en Aborte berü cksichtigt. so lag die Abortra te in beiden Unte rs uchungsg ruppen bei 1.84 % bzw. bei 0,46 %. Für die mittlere Dau er der Zellkultivierung bis zur definitiven Chromosom enan alyse ergaben sich signifika nte Unte rs chie de . So lag die mittler e ZeIlkultivierungsdauer bei Verunreinigung des Fruchtwas sers bei 16,3 ± 4, 5 Tagen, dagegen bei un auffälligem Fruchtwasser lediglich bei 14,4 ± 2 ,7 Tagen (p < 0 ,001) . In zwe i Fällen (0.9 %) mit mißfarbenem Fruchtwasser wurde kein Zellwac hstum erzielt. Die Wiederholungspunktion erga b einen unauffälligen Chromos ome nsatz. Bei ausschließlicher Evaluierung der Schwangerschaften mit unauffälligem Verlauf wurd e get re nnt für die Fä lle mit mißfarben em und normalem Fruchtwasse r die Verteilung der Normwerte des FW-Alpha- Feteprotein s (AFP) un tersu cht (16 . - 19 . SSW). Die radioimmunologischen Bestimmungen wiese n nur eine geringe Streuung auf und wurden durch die Fruc htwasser-Verfärbunge n nicht beeinflußt (5. Ab b. 1).
Tab.4 Ergebnisse der AFP-Bestimmungen bei miBfarbenem und unauffälligem Fruchtwasser. mißtarb. FW
unauff. FW n ~ 217
n ~ 217 15 (6,9 %)
AFP grenzwertigl pathologisch hiervon: Fehlbildungen Chromosomenanomalien intrauteriner Fruchttod
7 (3,2 %)
5
10
2 p