Zusammenfassung | Abstract

S 83

Brauchen wir wirklich neue Antibiotika? Do we really need new antibiotics? 01

Eine wesentliche Voraussetzung für eine effektive Therapie ist auch die Wahl einer ausreichenden Dosierung. So wird in Abhängigkeit vom Wirkmechanismus der jeweiligen Substanz eine bakterielle Eradikation sichergestellt. Dabei hängt der Therapieerfolg entscheidend davon ab, wie lange der Plasma- oder Gewebespiegel eines verabreichten Antibiotikums oberhalb der minimalen Hemmkonzentrationen (MIC) verbleibt. Im Falle der Cephalosporine sollte der Spiegel 50–70 % der Zeit im Dosierungsintervall oberhalb der MIC (%T > MIC) liegen, um einen ausreichenden Effekt sicherzustellen. Bei den Penicillinen muss eine %T > MIC von etwa 50 %, bei den Carbapenemen von ca. 40 % sichergestellt sein. Allerdings wird dieser Parameter im klinischen Alltag nicht gemessen; vielmehr wird nach klinischer Erfahrung dosiert. Das kann zur Folge haben, dass bei einer schweren Infektion initial keine ausreichenden Plasma- oder Gewebekonzentrationen des Antibiotikums vorliegen. Der fehlerhafte und/oder unselektierte Antibiotikaeinsatz hat auch in Deutschland zu einer zunehmenden Häufung resistenter Stämme in Kliniken geführt, wie Daten des Projektes „Surveillance der Antibiotika-Anwendung und der bakteriellen Resistenzen auf Intensivstationen“ (SARI) belegen [8]: Mittlerweile stellen MRSA gut 20 % aller Isolate auf Intensivstationen. Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und Escherichia-coli-Stämme mit Resistenzen gegenüber Ciprofloxacin und Cephalosporinen der 3.  Generation (3-GC) haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Beunruhigend sind auch die hohen Raten an 3-GC-Resistenzen bei Klebsiella pneumoniae sowie das häufige Vor-

kommen Ciprofloxacin- und Imipenem-resistenter Pneumokokken. Ein weltweites Problem ist das gehäufte Auftreten von Enterobakterien mit Bildung von Extended-spectrum-BetaLaktamasen (ESBL), die im letzten Jahrzehnt dramatisch zugenommen haben. Um diese folgenschwere Entwicklung zu verzögern, vielleicht sogar aufzuhalten oder umzukehren, sind mannigfaltige Strategien erforderlich. So haben sich initiale antibiotische Kombinationstherapien, die eine breitere Erfassung pathogener Erreger im Rahmen einer empirischen oder kalkulierten Therapie ermöglichen und optimalerweise auch eine synergistische Aktivität (z. B. Ampicillin/Gentamicin bei schweren Infektionen durch Enterokokken) entfalten, laut einer Metaanalyse bei lebensbedrohlichen Infektionen mit Sepsis oder septischem Schock im Vergleich zu einer Monotherapie als überlegen erwiesen [6]. Ein Muss sind außerdem klinikinterne Strategien (z.B. die Berücksichtigung von Risikofaktoren des individuellen Patienten und internen Resistenzstatistiken), wie sie in den Regeln der sogenannten Tarragona-Strategie aufgeführt sind [9]. Angesichts der weltweit zunehmenden Resistenzen wird heute zudem eine rationale Antibiotikaverordnung („Antibiotic Stewardship“) gefordert, um durch optimale Auswahl, Dosierung, Applikation und Therapiedauer das bestmögliche Behandlungsergebnis zu erreichen. Doch selbst bei breiter Umsetzung der genannten Strategien ist davon auszugehen, dass die initial gewählte Therapie nicht für alle Patienten adäquat ist. Hier werden therapeutische Alternativen benötigt, was im Falle einer Infektion mit resistenten Keimen problematisch sein kann. So gibt es bei MRSA, VRE und ESBL kaum noch wirksame Antibiotika. Andererseits ist die Zahl zugelassener Antibiotika seit Jahren stark rückläufig. Dieses Problem wurde daher von der Infectious Diseases Society of America mit der Initiative „Ten new Antibiotics by 2020“ aufgegriffen. Darin gefordert wird ein verstärktes Engagement der US-Regierung und der EU bei der Entwicklung neuer Antibiotika, um der besorgniserregenden Resistenzsituation Herr zu werden. Autorenerklärung: Der Autor erhielt Vortragshonorare von AstraZeneca und Pfizer.

C. Putensen1 Infektiologie Zusammenfassung | Abstract

Schlüsselwörter multiresistente Erreger minimale Hemmkonzentration (MIC) MRSA Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) Extended-spectrum BetaLaktamasen (ESBL)

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Keywords multi-resistant pathogens minimal inhibitory concentration (MIC) MRSA vancomycin-resistant enterococci (VRE) extended-spectrum betalactamases (ESBL)

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Institut Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn eingereicht 18.12.2013 akzeptiert 16.01.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1369821 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 139: S83–S84 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. med. Christian Putensen Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn Tel. 0228/287-14118 eMail christian.putensen@ ukb.uni-bonn.de

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Die steigende Inzidenz schwerer Infektionen durch multiresistente Erreger stellt weltweit ein ernstes, inzwischen auch in internationalen Leitlinien aufgegriffenes Problem dar [3]. Aufgrund der zunehmenden Resistenz pathogener Mikroorganismen steigt das Risiko, dass eine inadäquate empirische Antibiotikatherapie initiiert wird, die eine anhaltende bakterielle Proliferation und Inflammation und damit einen schlechten Behandlungserfolg oder sogar ein Therapieversagen zur Folge hat. Studien zeigen heute zweifelsfrei, dass der frühzeitige Beginn einer effektiven Antibiotikatherapie beim septischen Schock entscheidend für die Senkung der Letalität ist [1, 2, 4, 5, 7, 8]: Für jede Stunde, um die sich die Antibiotikagabe verzögert, erhöht sich die Letalität um 7,6 %.

Zusammenfassung | Abstract

Literatur 1 Appelboam R, Tilley R, Blackburn J. Time to antibiotics in sepsis. Critical Care 2010; 14 (Suppl. 1): P50 2 Daniels R, Nutbeam T, McNamara G et al. The sepsis six and the severe sepsis resuscitation bundle: a prospective observational cohort study. Emerg Med J 2011; 28: 507–512 3 Dellinger RP, Levy MM, Rhodes A et al. Surviving Sepsis Campaign: international guidelines for management of severe sepsis and septic shock, 2012. Intensive Care Med 2013; 39: 165–228 4 Gaieski DF, Mikkelsen ME, Band RA et al. Impact of time to antibiotics on survival in patients with severe sepsis or septic shock in whom early goal-directed therapy was initiated in the emergency department. Crit Care Med 2010; 38: 1045–1053 5 Kumar A, Roberts D, Wood KE et al. Duration of hypotension before initiation of effective antimicrobial therapy is the critical determinant of survival in human septic shock. Crit Care Med 2006; 34: 1589–1596 6 Kumar A, Safdar N, Kethireddy S et al. A survival benefit of combination antibiotic therapy for serious infections associated

with sepsis and septic shock is contingent only on the risk of death: a meta-analytic/meta-regression study. Crit Care Med 2010; 38: 1651–1664 7 Levy MM, Dellinger RP, Townsend SR et al. The Surviving Sepsis Campaign: results of an international guideline-based performance improvement program targeting severe sepsis. Crit Care Med 2010; 38: 367–374 8 Meyer E, Schwab F, Schroeren-Boersch B et al. Dramatic increase of third-generation cephalosporin-resistant E. coli in German intensive care units: secular trends in antibiotic drug use and bacterial resistance, 2001 to 2008. Crit Care 2010; 14: R113 9 Sandiumenge A, Diaz E, Bodí M et al. Therapy of ventilator-associated pneumonia. A patient-based approach based on the ten rules of "The Tarragona Strategy". Intensive Care Med 2003; 29: 876–883

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