Leitthema Bundesgesundheitsbl 2014 · 57:188–196 DOI 10.1007/s00103-013-1895-y Online publiziert: 23. Januar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S. Stock · M. Danner Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE), Klinikum der Universität zu Köln (AöR), Köln

Kann die Erhebung von Einstellungen und Präferenzen die kleinräumige Versorgungsanalyse sinnvoll ergänzen? Eine gesundheitspolitische Perspektive

Hintergrund Bedeutung der kleinräumigen Versorgungsanalyse für die Gesundheitspolitik: Ein- und Ausblicke Gesundheit ist ein besonders schützenswertes Gut. Dieser Auffassung wird in Deutschland nicht zuletzt durch das Sozialstaatsgebot entsprochen. Hierbei handelt es sich um ein Grundprinzip des deutschen Staates, das diesem u. a. die Pflicht auferlegt, die Voraussetzungen für eine ausreichende soziale Sicherung und Versorgung aller Bürger im Krankheitsfall zu schaffen. Es sollte daher als vordringliche Aufgabe der Gesundheitspolitik betrachtet werden, langfristig eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung sicherzustellen. In den kommenden Jahrzehnten wird sich die Gesundheitspolitik großen Herausforderungen stellen müssen: Die Bevölkerungs- und Morbiditätsentwicklung in ländlichen, strukturschwachen Regionen wie z. B. im Osten Deutschlands wird sich zunehmend von der in den Ballungszentren unterscheiden. Dadurch werden sich nicht nur soziale und ökonomische Strukturen regional auseinanderentwickeln, sondern auch der Versorgungsbedarf und das -angebot (s. hierzu z. B. die Analyse „Demographischer Wandel in Deutschland – Auswir-

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kungen auf Krankenhausbehandlungen und Pflegedürftige in Deutschland“ des Statistischen Bundesamtes [1] oder den Demenz-Report des Berlin-Institutes für Bevölkerung und Entwicklung [2]). Um weiterhin flächendeckend eine qualitativ hochwertige Versorgung mit adäquatem Zugang für alle Versicherten zu gewährleisten, sollte die Gesundheitspolitik steuernd eingreifen und in den nächsten Jahren lokal angepasste, dynamische Versorgungskonzepte entwickeln. Dabei sollten die Potenziale des medizinisch-technischen Fortschritts, wie z. B. der Einsatz von Telemedizin, sowie die Möglichkeiten, die sich durch eine sinnvolle und behutsame Weiterentwicklung der interprofessionellen Kooperation ergeben, besonders berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund hat die kleinräumige Versorgungsforschung für die Gesundheitspolitik eine große Bedeutung. Sie wird als geeignetes Instrument angesehen, um der Gesundheitspolitik Informationen zu regionalen Unterschieden in der Versorgung, zum Versorgungsangebot und zu Versorgungsmustern zur Verfügung zu stellen. Sie kann helfen, ineffiziente Versorgungsstrukturen zu identifizieren, eine sinnvolle Ressourcenallokation zu unterstützen und Fehlallokationen zu vermeiden. Darüber hinaus kann sie als Grundlage für die gesundheitspolitische Versorgungsplanung und Steuerung dienen, indem auf ihren Ergebnissen Bedarfsprognosen er-

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stellt werden, die die Auswirkungen der altersstrukturellen Veränderungen der Bevölkerung sowie der sozioökonomischen Struktur auf die Entwicklung der zukünftigen Morbidität und Inanspruchnahme medizinischer Leistungen prognostizieren. Neben der Versorgungsanalyse und -planung kann die kleinräumige Versorgungsforschung auch zur Monitorierung sowie zur Evaluation der von der Gesundheitspolitik vorgegebenen Steuerungsprozesse und Anreize beitragen. Als „Politikfolgenbewertung“ kann sie helfen, die Konsequenzen gesundheitspolitischer Entscheidungen und neuer Versorgungsstrukturen oder -verfahren aufzuzeigen [3].

Datengrundlagen der kleinräumigen Versorgungsforschung: Möglichkeiten und Grenzen Wesentliche Datenquellen zur Erstellung geeigneter Szenarien für die gesundheitspolitische Steuerung sind GKV-Routinedaten, Bevölkerungs-, Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken auf Länder- und Bundesebene (z. B. Bevölkerungsstatistiken und die Krankenhausdiagnosestatistiken des Statistischen Bundesamtes und der Landesämter) sowie Daten aus epidemiologischen Studien und bundesweiten Erhebungen (z. B. das Gesundheitsmonitoring des Robert Koch-Institutes). Auch werden geografische, raum-

und bevölkerungsbezogene Erhebungen und Analysen in der kleinräumigen Versorgungsanalyse zunehmend eingesetzt [4, 5, 6]. Basierend auf Abrechnungsdaten der vertragsärztlichen Versorgung, auf Arzneiverordnungsdaten und ggf. in Verknüpfung mit anderen Datenquellen werden in Zukunft zunehmend auch innerhalb des im Jahr 2011 ins Leben gerufenen „Versorgungsatlas“ des ZI (Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung) regionale Unterschiede in den Strukturen und Ergebnissen der medizinischen Versorgung analysiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt [7, 8]. Eine wichtige Rolle können auch die seit dem Jahr 2005 gesetzlich verpflichtenden Qualitätsberichte der Krankenhäuser spielen, in denen Daten zu wichtigen Qualitätsindikatoren der Krankenhausversorgung regelhaft erhoben und publiziert werden. Sie erhöhen die Transparenz der Krankenhausversorgung für Patienten und ermöglichen durch ihre öffentliche Bereitstellung ein Benchmarking zwischen den Krankenhäusern. Publiziert werden diese Daten beispielsweise durch das Gesundheitsnavigationssystem der AOK bzw. die von der Bertelsmann Stiftung initiierte „Weiße Liste“ [9, 10]. In den vergangenen 10 Jahren wurden zunehmend auch Hinweise zu Über-, Unter- und Fehlversorgung aus den genannten Daten abgeleitet [11, 12, 13, 14]. Die Möglichkeiten der kleinräumigen Versorgungsanalyse, mittels der genannten Daten ein immer umfassenderes Bild von Inanspruchnahme und Angebot von ambulanten und stationären Leistungen zu geben, Versorgungsqualität zu evaluieren und die Gesundheitsplanung zu informieren, ist unbestritten [3, 15]. Wichtig für die Gesundheitspolitik ist, dass diese Daten nur zum Teil eine kausale Analyse des Versorgungsgeschehens erlauben. Eine aktuelle Auswertung von Sekundärdaten zur Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen in Deutschland zur Erklärung der beobachteten großen regionalen Schwankungen kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass demografische Unterschiede, ökonomische Aspekte, Bildungsaspekte und – primär – Unterschiede in der Morbidität der Patienten einen beträchtlichen

Teil (ca. 67%) der regionalen Unterschiede erklären [16]. Ein geringerer Teil (ca. 6%) wird durch Angebotsfaktoren beeinflusst, die in der genannten Studie durch das Angebot an Haus-/Fachärzten und Krankenhäusern operationalisiert werden. Allerdings bleiben immer noch ca. 25–30% der beobachteten regionalen Variation in der Studie von Augurzky et al. unerklärt. Eine ähnliche Analyse im angelsächsischen Raum aus dem Jahr 1999 kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Sie bezeichnet die identifizierten, aber nicht zu erklärenden Variationen als „Ineffizienzen“ des Systems [17, 18]. In der weiteren Entwicklung wird in der angelsächsischen Literatur zwischen erwünschter und unerwünschter regionaler Variation unterschieden. Erstere entsteht durch demografische und krankheitsbezogene Unterschiede und wird als positive Variation bewertet. Variationen der Versorgung hingegen, die nicht durch diese Faktoren erklärbar sind, werden als schlechte bzw. unerwünschte Variationen bezeichnet [19]. An dieser Stelle knüpft der vorliegende Beitrag an. Bisher ungeklärt ist die Frage, inwiefern die Variation in der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen durch „subjektive“ Einflussfaktoren wie die Einstellungen und Präferenzen wichtiger Akteure im Gesundheitswesen zum einen erklärt und zum anderen beeinflusst werden kann und so der Gesundheitspolitik Anhaltspunkte für eine gezielte Steuerung zu liefern vermag. Unser Ziel ist es, durch eine strukturierte Aufbereitung aktueller Literatur diese Frage von verschiedenen Seiten zu beleuchten, unterschiedliche Bereiche aufzuzeigen, in denen Präferenzerhebungen verschiedener Akteure sinnvoll und hilfreich sein können, und entsprechende Erhebungsmethoden zu skizzieren. Insbesondere Ärzte, Pflegekräfte und Patienten sowie ihre Angehörigen beeinflussen letztlich durch ihre Entscheidungen und ihr Verhalten maßgeblich die Leistungsinanspruchnahme.

Die Einstellungen und Präferenzen wichtiger Akteure: Warum sind sie für die kleinräumige Versorgungsanalyse wichtig? Im angloamerikanischen Raum ist die Bedeutung der genannten Akteure für die Problematik der regional beobachtbaren Über-, Unter- und Fehlversorgung von John E. Wennberg et al. [22, 23, 24] vielfach beschrieben worden [20, 21]. Auf der Seite der Leistungserbringer konnte Wennberg wiederholt zeigen, dass Unterschiede in den ärztlichen Verhaltensmustern die wichtigste Ursache für regionale Unterschiede des Leistungsgeschehens sind. Gleichzeitig korreliert eine überdurchschnittliche Leistungsinanspruchnahme jedoch nicht mit einer Verringerung der Mortalität [20, 24]. Während die Zusammenführung wesentlicher Daten die flächendeckende Analyse und das Monitoring regionaler Versorgungsvariation in den USA und Großbritannien erst ermöglichte (siehe z. B. den „Dartmouth Atlas“ für die USA und den „NHS Atlas of Variation in Health Care“), haben insbesondere Autoren aus dem angelsächsischen Raum das Verhalten, die Einstellungen und die Präferenzen dieser Akteure und deren erklärende Bedeutung in Bezug auf regionale Versorgungsvariationen in verschiedenen Indikationen untersucht [17, 25, 26, 27]. Im Ergebnis kommen mehrere Studien zu dem Schluss, dass Patientenpräferenzen die Nachfrage nach Leistungen in vielen Bereichen nur zu einem geringen Teil erklären [17, 28, 29, 30, 31]. Eine große Bedeutung hingegen haben die Einstellungen und Präferenzen der behandelnden Ärzte. Sie beeinflussen die Nachfrage der Patienten nach Leistungen maßgeblich. Insbesondere in Indikationen, in denen wenig konkrete Vorgaben oder Leitlinien vorliegen, scheinen die Einstellungen und Präferenzen der Ärzte über den Nutzen verschiedener Behandlungsoptionen einen großen Teil der regionalen Variationen zu erklären [17, 26, 32]. Wennberg et al. [26] haben zudem aufgezeigt, dass präferenzsensitive Leistungen, die eine Abwägung zwischen mehreren verschiedenen Behandlungsoptionen mit variierenden Effekten auf

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Leitthema die Lebensverlängerung und Lebensqualität implizieren, besonders stark durch den Arzt beeinflusst werden [33]. Präferenzsensitive Intervention sind beispielsweise elektive Operationen wie z. B. bei der Brustkrebsbehandlung die Entscheidung zwischen einer Mastektomie und anderen brusterhaltenden Operationsformen oder auch bestimmte Screeningmaßnahmen mit möglichen langfristigen Einschränkungen der Lebensqualität bei ungewisser oder nur geringer Lebensverlängerung (z. B. Prostatakrebsscreening). Gerade den präferenzsensitiven Therapieentscheidungen geht, so in verschiedenen Publikationen herausgearbeitet, oftmals keine ausreichende Information und Einbindung des Patienten durch den Arzt voraus, und die Präferenzen der Patienten werden nicht oder nicht angemessen berücksichtigt [26, 32, 33, 34]. Es ist anzunehmen, dass auch in Deutschland ein Teil der beobachteten regionalen Variationen der Versorgungsmuster und der Inanspruchnahme von Leistungen in den Verhaltensund Entscheidungsmustern von Ärzten und Patienten begründet liegt. Informationen zu ihren Präferenzen und Einstellungen könnten daher einen wichtigen Beitrag zur Erklärung regionaler Variationen leisten.

Warum sollten Präferenzerhebungen die kleinräumige Versorgungsanalyse ergänzen? Der Begriff „Präferenzen“ umfasst die Einstellungen von Personen zu Handlungsalternativen bzw. deren Konsequenzen sowie zu den verschiedenen Aspekten und Eigenschaften der Handlungsalternativen bzw. deren Konsequenzen [35, 36]. Diese können entweder direkt im Rahmen von Verhaltensweisen beobachtbar sein (sog. „re­vealed preferences“) oder im Rahmen systematischer Befragungen erhoben werden (sog. „stated preferences“). Im Folgenden wird der Begriff „Präferenzen“ als Überbegriff im Sinne dieser Definition verwendet. Da der Kunde (Patient) im Gesundheitsmarkt die Leistung (Gesundheitsversorgung) nicht selbst zu einem

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Zusammenfassung · Abstract Bundesgesundheitsbl 2014 · 57:188–196  DOI 10.1007/s00103-013-1895-y © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 S. Stock · M. Danner

Kann die Erhebung von Einstellungen und Präferenzen die kleinräumige Versorgungsanalyse sinnvoll ergänzen? Eine gesundheitspolitische Perspektive Zusammenfassung Kleinräumige Versorgungsanalysen gewinnen vor dem Hintergrund regionaler Unterschiede in der Versorgung gesundheitspolitische Bedeutung. Die Kombination von Daten aus unterschiedlichen Quellen ermöglicht es, struktur-, prozess- oder ergebnisbezogene Versorgungsvariation darzustellen und zu analysieren. Bei einer Variation, die nicht durch diese Daten erklärt werden kann, können die Einstellungen, Verhaltensweisen und Präferenzen der an der Versorgung maßgeblich beteiligten Akteure, insbesondere der Ärzte und Patienten, eine Rolle spielen. Im vorliegenden Beitrag wird skizziert, warum die Erhebung der Präferenzen dieser Akteure zur Ergänzung der kleinräumigen Versorgungsanalyse wichtig erscheint. Ihre Erhebung kann helfen, unerwünschte Versorgungsunterschiede zu erklären und zu verringern. Auf individueller Ebene kann dies beispielsweise bei der Inanspruchnahme-Entscheidung, die durch den Arzt, den Patienten bzw. beim „Shared Decision Making“ durch

beide gemeinsam getroffen wird, geschehen. Auf aggregierter Ebene können durch die Einbeziehung von Präferenzen bei der Erstellung von Leitlinien oder bei der Ausgestaltung neuer Versorgungsformen die Akzeptanz und durchgängige Umsetzung dieser erhöht werden. Verschiedene Methoden zur Erhebung von Präferenzen werden vorgestellt und mögliche Anwendungsbereiche innerhalb der kleinräumigen Versorgungsanalyse aufgezeigt. Die Rolle von Einstellungen und Präferenzen zur Erklärung von Versorgungsvariationen sollte gesundheitspolitisch aufgegriffen und es sollten Maßnahmen zu ihrer Einbeziehung in versorgungsrelevante Entscheidungsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen unterstützt werden. Schlüsselwörter Kleinräumige Versorgungsforschung · Präferenzen · Multi-Criteria Decision Analysis · Analytic Hierarchy Process · Conjoint-Analyse

Does the elicitation of stakeholder attitudes and preferences add valuable information to small-area analyses? A health policy perspective Abstract Small-area analyses are increasingly valuable for health-policy planning given the observed regional variation in health care. The combination of data from different sources enables researchers to describe and analyze structural, procedural, and outcome-related variation in health care. For variation that cannot be explained by these data, the attitudes, behaviors, and preferences of important stakeholders in health care—physicians and patients—might play an explanatory role. In this paper, we outline why stakeholder preference elicitation appears to be an important addition to small-area healthcare analyses. Its inclusion in various decision-making contexts may help to explain and decrease unwarranted variation in health care. At the individual level, this could happen within any decision on health service use that is taken by physicians, patients, or—

bestimmten Preis kauft, sondern diese in der Regel durch den Arzt verschrieben wird, sind die „beobachtbaren“ Prä-

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within a shared decision-making context— by both. At an aggregate level, the elicitation of preferences in guideline or health program development may increase stakeholder acceptance and consistent implementation. Different approaches to the elicitation of stakeholder preferences and potential areas for application within small-area research are outlined. The role of attitudes and preferences in explaining regional variation should be acknowledged by health-care policy makers and initiatives to include these in healthcare decision-making at various levels should be supported. Keywords Small-area analysis · Stakeholder preferences · Multi-Criteria Decision Analysis · Analytic Hierarchy Process · Conjoint Analysis

ferenzen im Gesundheitsmarkt nur selten und für wenige Leistungen [z. B. für die frei verkäuflichen Over-the-Counter

(OTC)-Medikamente oder die IGeL (Individuelle Gesundheits)-Leistungen] beobachtbar. Die Versorgung kann durch das „Principal-Agent“-Prinzip beschrieben werden, in dem der Arzt im ambulanten und im stationären Setting durch seinen Berufsstand einen Ausbildungsund Wissensvorsprung hat. Inanspruchnahme-Entscheidungen werden daher von ihm maßgeblich beeinflusst. Dies kann – bewusst oder unbewusst – eine angebotsinduzierte Nachfrage bewirken [37]. In Anlehnung daran sprechen z. B. Crump und Llewellyn-Thomas in Erweiterung der vorgenannten Definition von „erwünschter“ Variation in der Inanspruchnahme von Leistungen, wenn Patientenkollektive in bestimmten Regionen informiert und kollektiv bestimmte Versorgungsleistungen in Anspruch nehmen, und von „unerwünschter“ Variation, wenn Variationen dadurch entstehen, dass Patienten unzureichend informiert werden, Patientenpräferenzen unzureichend erhoben oder nicht in Behandlungsentscheidungen berücksichtigt werden [19, 37]. Ergänzend hierzu zeigen auch aktuelle deutsche Studien, dass in verschiedenen Indikationen Ärzte andere Präferenzen als ihre Patienten in Bezug auf die verschiedenen Aspekte und Auswirkungen einer Behandlung haben [38, 39, 40]. Es ist also nicht per se gewährleistet, dass Ärzte die Präferenzen ihrer Patienten in angemessener Weise in der Behandlungsentscheidung berücksichtigen. Die Information des Patienten mit evidenzbasierten und gut verständlichen Informationen ist eine wesentliche Voraussetzung für die gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient im Rahmen des „Shared Decision Making“. Bei diesem Konzept werden Therapieentscheidungen nach dem Austausch aller relevanten Informationen partnerschaftlich und unter Berücksichtigung der Patientenpräferenzen von Arzt und Patient gemeinsam getroffen [41, 42, 43]. Angesichts der Komplexität täglich getroffener – insbesondere präferenzsensitiver – Behandlungsentscheidungen ist das Shared Decision Making ein in der Praxis oftmals schwer umsetzbarer, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Bedeutung des Shared Deci­

sion Mak­ing zur Sicherstellung einer effektiven und effizienten Gesundheitsversorgung, insbesondere zur Verbesserung der Prozessqualität in der Versorgung, wurde von Wennberg und anderen ebenfalls beschrieben [22, 42, 44]. Auch im Faktencheck Gesundheit, in dem regionale Unterschiede in der Gesundheitsversorgung zu verschiedenen Indikationen herausgearbeitet werden, wird dessen Bedeutung im Zusammenhang mit regionaler Versorgungsvariation hervorgehoben [15]. Dass das ­Shared Deci­ sion Making auch eine von der Mehrheit der Patienten in Deutschland gewünschte Entscheidungsform ist, hat u. a. auch eine Analyse der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen gezeigt, in der insbesondere auch die jungen und die besser gebildeten Bevölkerungsteile eine gemeinsame und gut informierte Behandlungsentscheidung von Arzt und Patient für wichtig halten [41].

Konkrete Anwendungsgebiete für Präferenzerhebungen Unter der Annahme, dass Einstellungen und Präferenzen von Ärzten und Patienten einen Teil der regionalen Versorgungsvariation erklären, ist ihre Erhebung eine wertvolle Ergänzung objektiv messbarer Daten wie der Routinedaten. Die Ergebnisse von Einstellungsund Präferenzmessungen könnten die Gesundheitspolitik bei Veränderungen von Anreizen und Versorgungsstrukturen informieren und anleiten. Im Ergebnis können so auch die Patientenzentrierung und die Effizienz des Systems erhöht und hierdurch – wie einzelne Studien andeuten – auch die Behandlungszufriedenheit verbessert werden [40]. Auf der Seite der Leistungserbringer ist es in diesem Prozess ein erster Schritt, die Einstellungen von Ärzten zu verschiedenen Behandlungsoptionen und Indikationen regional zu erheben und zu vergleichen. Dadurch kann transparent werden, welche Aspekte Ärzte bei der Entscheidungsfindung maßgeblich beeinflussen. Solche Analysen wurden beispielsweise von Cutler et al. [17] für die USA und von Schildmann et al. [45, 46] für England und Deutschland durchge-

führt. Cutler et al. untersuchten die Einstellungen und Präferenzen von Ärzten in Entscheidungssituationen, in denen bei älteren, chronisch erkrankten Patienten zwischen weiteren interventionellen Behandlungsoptionen und nicht-interventionellen, palliativen Optionen entschieden werden sollte. Cutler et al. kommen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass finanzielle Anreize die Entscheidungen von Ärzten weniger beeinflussen als häufig angenommen. Vielmehr sind primär die eigenen Überzeugungen zur Effektivität von Maßnahmen, die nicht immer mit den entsprechenden evidenzbasierten Bewertungen der Effektivität übereinstimmten, sowie in geringerem Maße die besonderen Umstände eines Patienten handlungsleitend. Schildmann et al. [45, 46] haben im Rahmen einer qualitativen Erhebung die Einstellungen von Onkologen zur medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlung von Krebspatienten in der letzten Lebensphase (Palliativsituation) ermittelt. Persönliche Einschätzungen der Ärzte zur Effektivität einer Maßnahme, klinische Erfahrungen, das Alter und die Lebensumstände des Patienten wurden auch hier als wichtigste Entscheidungsfaktoren von den Ärzten genannt. Bessere Datengrundlagen wie die Unterstützung durch evidenzbasierte Leitlinien und Informationen sowie ein stärkerer Austausch in multidisziplinären Behandlungsteams wurden in beiden Analysen als mögliche Ansätze zur Verbesserung bzw. Stützung der Behandlungsentscheidungen identifiziert. Hieraus ergeben sich mögliche Ansatzpunkte für die Forschung und Gesundheitspolitik, auch in anderen Indikationen derartige Einstellungs- und Präferenzerhebungen durchzuführen bzw. zu fördern, um Entscheidungsprozesse durch Ärzte und ihre Patienten besser gestalten und unterstützen zu können. Beispiele hierfür finden sich ebenfalls im angelsächsischen Raum, in dem eine bessere Unterstützung von Behandlungsentscheidungen durch evidenzbasierte Leitlinien als Instrument zur Reduktion regionaler Versorgungsvariation innerhalb des NHS als primäres Gesundheitsziel gefordert und umgesetzt wird [47].

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Leitthema Auf der Patientenseite kann im Gegenzug beispielsweise die Berücksichtigung der Präferenzen von Betroffenen bei der Erstellung von Leitlinien sicherstellen, dass sie entsprechend in den in der Leitlinie empfohlenen Versorgungsoptionen und -pfaden abgebildet werden [48, 49]. In Deutschland geschieht dies bereits durch die systematische Einbindung von Patientenvertretern bei der Erstellung von Versorgungsleitlinien [50]. Dies kann die Akzeptanz und Implementierung einer Leitlinie im Versorgungsalltag – und durch das Arzt-PatientTeam innerhalb des Shared Deci­sion Making – erhöhen. Insbesondere präferenzsensitive Entscheidungen lassen sich durch eine gute Information über Optionen mittels evidenzbasierter Informationen sowie Leitlinien und Entscheidungshilfen verbessern. Patientenpräferenzen können innerhalb des Shared Decision Making auch direkt erhoben und in die komplexen Entscheidungsprozesse im Versorgungsalltag eingebunden werden. Software-Anwendungen ermöglichen durch die Eingabe einer Kombination von evidenzbasierten klinischen und patientenbezogenen Daten sowie Präferenzen die Unterstützung der gemeinsamen Entscheidung durch das Arzt-Patient-Team [43, 44, 51]. Es stehen entscheidungsanalytische Instrumente auf verschiedenen Internetseiten in England, den USA und Australien (meist mit Zugang nur für die landesansässigen Ärzte und Patienten) zur Verfügung; als Beispiele sind hier die ­Shared Decision Making Seite des Nation­a l Health Service (NHS) in England, die Seite der „Informed Medical Deci­sion Making Foundation“ in den USA und die Seite des „Mayo Clinic ­Shared Decision Making National Resource Center“ in Australien [52, 53, 54] zu nennen. Die Nutzung und Entwicklung bzw. Übertragung und Implementierung dieser oder ähnlicher Instrumente bzw. Entscheidungshilfen in den Behandlungsalltag in Deutschland stehen noch an ihrem Anfang [15]. Ein aktueller Cochrane Review zu Entscheidungshilfen für Patienten, die vor einer Behandlungs- oder Screeningentscheidung stehen, hat die „Wirksamkeit“ dieser Instrumente in RCT-Studien untersucht [55]. In diesem Review waren

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von 86 eingeschlossenen Studien 3 Studien aus Deutschland – die Mehrheit der Studien stammte aus den USA, gefolgt von Kanada. Der Review kommt zu dem Schluss, dass Entscheidungshilfen zum einen das präzise und richtige Wissen um die verschiedenen positiven und negativen Wirkungen einer Behandlung erhöhen. Zum anderen zeigte der Review aber auch, dass Entscheidungshilfen, die eine explizite Berücksichtigung von Werten und Präferenzen beinhalteten, signifikant häufiger zu Entscheidungen führten, die mit den Erwartungen und Einstellungen der Patienten übereinstimmten [55]. Ein weiterer, wenn auch nicht letzter Anwendungsbereich für Präferenzerhebungen zur Reduktion kleinräumiger Versorgungsvariationen ist deren Erhebung bei der Evaluation von bestehenden oder neuen, regional unterschiedlichen Versorgungsformen oder -angeboten, wie z. B. der Integrierten Versorgung [56, 57]. Auch die Gestaltung verschiedener Versorgungsformen der Telemedizin könnte durch Präferenzerhebungen bei Ärzten und Patienten informiert und unterstützt werden. Solche Evaluationen können zum einen Bereiche aufzeigen, in denen noch Defizite in der Routineversorgung oder innerhalb neuer Programme bestehen bzw. auftreten. Zudem können sie Hinweise geben, wo geeignete Anpassungen erfolgen sollten, um die Versorgung zu optimieren. Insbesondere in den USA wurden Präferenzerhebungen auch angewandt, um die Präferenzen junger Ärzte oder Medizinstudenten bei der Wahl einer Niederlassung oder Aspekte der Jobzufriedenheit zu erheben. Solche Erhebungen können wichtige Informationen liefern, um die richtigen Anreize zu setzen und Ärzte auch in medizinisch unterversorgte Gebiete zu vermitteln.

Methoden zur Erfassung von Patienten- und Behandlerpräferenzen Es gibt unterschiedliche qualitative und quantitative Ansätze und Möglichkeiten zur Erhebung von Präferenzen der Akteure im Gesundheitswesen. Hierzu gehören qualitative Methoden der Prä-

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ferenzerhebung, wie z. B. individuelle, strukturierte Befragungen, Fokusgruppenbefragungen und -interviews. Qualitative Erfahrungs-, Einstellungs- und Präferenzbefragungen erlauben durch ihre Offenheit und Flexibilität die breite Erhebung von Einschätzungen, Meinungen, Ideen und Beiträgen zu einer Fragestellung. Die Ergebnisse derartiger Befragungen können auch Basisinformationen für sich anschließende quantitative Erhebungen liefern und sicherstellen, dass in den sich anschließenden quantitativen Befragungen für den Patienten oder Leistungserbringer wesentliche versorgungs- und patientenrelevante Aspekte erfasst werden. Zu den wichtigsten quantitativen Methoden der Präferenzerhebung gehören strukturierte und – im Idealfall – repräsentative Befragungen der interessierenden Akteure und deren Auswertung. Befragungen werden im Gesundheitssystem zunehmend eingesetzt. Einige Beispiele für qualitative Befragungen wurden bereits genannt, so die Befragung von Ärzten durch Cutler et al., der sich eines „Vignettenansatzes“ zur Einstellungs- und Verhaltenserhebung bedient, oder die Befragungen durch Schildmann et al., die in semi-strukturierten Interviews die Einflussfaktoren eruieren, die bei einer Behandlungsentscheidung eine wichtige Rolle spielen. Als Beispiel für repräsentative quantitative Befragungen sind für Deutschland besonders die Befragungen bzw. Interviewsurveys des Robert KochInstitutes (RKI) zu nennen (z. B. DEGS, die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland [58] oder GEDA, Gesundheit in Deutschland aktuell [59]) sowie die Commonwealth Befragungen zur Patienten- und Arztzufriedenheit mit dem Gesundheitssystem, die ebenfalls Hinweise auf regionale Variationen geben können [60, 61]. Auch die Patientenbewertungen, die im Rahmen der Krankenhausnavigation der AOK veröffentlicht werden, basieren auf systematischen Befragungen der behandelten Patienten. Während qualitative Erhebungen es ermöglichen, Einstellungen und Präferenzen von Akteuren im Gesundheitswesen kennenzulernen und zu eruieren, ermöglichen quantitative Verfah-

ren deren Messung. Hierdurch können zum einen aggregierte Betrachtungen und Analysen über Populationen hinweg erfolgen. Zum anderen können gemessene Präferenzstärken als numerische Werte in Entscheidungsanalysen und -prozesse eingehen. Dies kann entweder auf individueller Ebene erfolgen, z. B. durch die Einbindung in den Algorithmus einer Entscheidungshilfe, oder aber auf aggregierter Ebene durch die Einbeziehung der Präferenzwerte in die Bewertung von Versorgungsprogrammen/Interventionen (z. B. bei der Erstellung von Leitlinien) oder im Rahmen gesundheitspolitischer Entscheidungsprozesse [39, 43, 62]. Eine Messung von Präferenzstärken ist mithilfe unterschiedlichster Methoden der Präferenzerhebung mit Ursprüngen u. a. in der Entscheidungs- und Nutzentheorie, Psychologie und Mathematik möglich [64, 73, 75]. Interessant sind diese Methoden für die Versorgungsforschung insbesondere deshalb, weil sie bestimmte Behandlungsformen, Versorgungskonzepte oder -strukturen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen. Das heißt, sie erfragen nicht die Gesamtpräferenz für eine Maßnahme, sondern erheben systematisch die Präferenzen der Befragten zu den einzelnen Komponenten einer Maßnahme. Damit zerlegen und strukturieren sie komplexe Entscheidungsprobleme und machen eine differenzierte Betrachtung und Analyse möglich. Erhebungsmethoden, mit deren Hilfe Patientenpräferenzen systematisch erhoben und quantifiziert werden können, sind beispielsweise die Verfahren der multikriteriellen Entscheidungsanalyse (Multi-Criteria Decision Analysis, MCDA). Innerhalb der MCDA-Verfahren sind in den vergangenen 10 Jahren insbesondere die nutzentheoretisch fundierten Discrete-Choice-Verfahren, die Conjoint-Analyse (CA) sowie das entscheidungstheoretisch-mathematisch fundierte Analytic Hierarchy Process (AHP)-Verfahren ins Zentrum des Interesses gerückt. Die Stärken beider Methoden haben sich hier innerhalb komplexer Entscheidungs- und Beurteilungssituationen im Gesundheitswesen – als Instrumente empirisch-quantitativer Präferenzerhebung mit unterschiedlichen

Zielsetzungen – bewährt [63, 64] und werden in den unterschiedlichsten Anwendungen auf ihre Nutzbarkeit überprüft. Beispielsweise werden beide Verfahren derzeit in neuen Einsatzbereichen getestet, in Deutschland u. a. vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Priorisierung von Behandlungsendpunkten im Rahmen der Kosten-Nutzen-Bewertung [65, 66] oder vom NICE (Nation­ al Institute for Health and Clinical Excellence) in England zur Gestaltung des Entscheidungsprozesses im Rahmen von Erstattungsentscheidungen ([67], s. hierzu auch [68, 69]). Auch innerhalb der kleinräumigen Versorgungsforschung können MCDAVerfahren hilfreich sein, um komplexe Entscheidungssituationen zu unterstützen und Präferenzen der entscheidenden Akteure zu verschiedenen Aspekten der Gesundheitsversorgung offenzulegen (siehe z. B. [43, 70, 71]). Beim AHPVerfahren werden verschiedene Behandlungs- oder Versorgungsalternativen zunächst in die einzelnen Kriterien, die die Alternativen ausmachen, zerlegt und diese werden dann in paarweisen Vergleichen – beispielsweise von Patienten – bewertet. Die Gesamtheit der Einzelbewertungen wird dann zur Bestimmung von Gewichten für jedes einzelne Kriterium wieder zusammengeführt [72, 73]. Das AHP-Verfahren eignet sich durch seine klare Strukturierung und gute mathematische Fundierung auch zur Anwendung innerhalb von Entscheidungshilfen, wird jedoch derzeit in diesem Bereich noch nicht weitläufig eingesetzt [43, 71, 74]. Bei den Discrete-ChoiceVerfahren wird aus der vergleichenden Bewertung verschiedener Behandlungsoder Versorgungsszenarien, die sich aus unterschiedlichen Merkmalen bzw. Attributen zusammensetzen, die Wichtigkeit der einzelnen Merkmale bzw. Attribute ermittelt [36, 75, 76]. Die Nutzung der CA-Verfahren innerhalb des Shared Decision Making ist noch unklar, jedoch gibt es in zunehmendem Maße Studien, die sich der CA-Verfahren bedienen, um Patientenpräferenzen zu den verschiedenen Aspekten von Versorgungsprogrammen und -interventionen zu erheben [64, 70, 77].

Fazit Kleinräumige Versorgungsanalysen gewinnen in Deutschland aufgrund der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Unterschiede im regionalen Versorgungsbedarf zunehmend an Bedeutung. Grundsätzlich stehen für die gesundheitspolitische Steuerung verschiedene Arten von Datenquellen und Verfahren zur Datenerhebung zur Verfügung. Bei der Interpretation der Daten sollte berücksichtigt werden, dass bei den üblichen Verfahren zur Erstellung von Bedarfsprognosen aufgrund methodischer Limitationen in der Regel „Inanspruchnahme“ mit „Bedarf“ gleichgesetzt wird. In der Versorgungsrealität determiniert die Prävalenz einer Erkrankung jedoch nur einen bestimmten Anteil des Leistungsumfangs, in dem diagnostische und therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden. Weitere Faktoren wie Anreize, Verhaltensmuster, Einstellungen und Präferenzen aufseiten der Nachfrager und Anbieter von Gesundheitsleistungen können Fehlallokationen auf regionaler Ebene und damit eine Über-, Unter- oder Fehlversorgung in einzelnen Bereichen erklären. Bei der Nutzung kleinräumiger Versorgungsanalysen durch die Gesundheitspolitik sollten zum einen die eigentlichen Abnehmer der Versorgungsleistungen, die Patienten, und zum anderen die Ärzte, die über die Inanspruchnahme von Patienten (mit-)bestimmen, nicht außer Acht gelassen werden. Unerklärte regionale Versorgungsvariationen können zumindest zum Teil durch das Entscheidungsverhalten – insbesondere von Behandlern – erklärt werden und sind damit letztlich ein Ergebnis ihrer Einstellungen und Präferenzen. Auf Ebene der Ärzte können Präferenzerhebungen helfen, die entscheidenden Einflussfaktoren auf Entscheidungen zu erkennen, um Anreize, Strukturen oder Prozesse dann entsprechend verändern zu können. Auf Patientenebene sollte der Patient als informierter Patient in die Lage versetzt werden, seine Präferenzen in die Behandlungsentscheidung einzubringen, was letztlich auch zu einer größeren Behandlungszufrie-

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Leitthema denheit führen kann. Für Arzt und Patient ist es wichtig, dass evidenzbasierte Informationen und Entscheidungshilfen vorliegen, die die Transparenz der Entscheidungsprozesse und der in diese eingehenden Entscheidungskriterien erhöhen und hiermit letztlich die Entscheidung auf eine bessere Grundlage stellen. Hier ist es zum einen die Aufgabe der Gesundheitspolitik, einen angemessenen Rahmen für das Tandem Arzt-Patient zu setzen, in dem eine informierte Entscheidungsfindung durch Arzt und Patient zeitlich, finanziell, kognitiv und emotional überhaupt erst möglich wird. Das heißt, es müssen zum einen nicht nur Versorgungs-, sondern auch Vergütungsstrukturen so angepasst werden, dass ein Shared Decision Making im Behandlungsalltag möglich werden kann. Zum anderen sollten Entscheidungshilfen entwickelt und validiert werden, die die Entscheidungsprozesse auf effiziente Weise zu unterstützen vermögen. Obwohl dies nicht für jede Versorgungsentscheidung notwendig, praktikabel oder wünschenswert erscheint, sollte es besonders für die beschriebenen präferenzsensitiven Interventionen angestrebt werden. Der Wille zur Veränderung ist in diesem Zusammenhang auf allen Ebenen notwendige Voraussetzung. Wennberg selbst hat zur Rolle des Arztes gesagt: „The first step is to acknowledge that their own patterns of practice in managing chronic illness provide no gold standard for excellence.“ [21] An den Patienten von morgen könnte der Satz gerichtet sein, dass er nur dann wirklich seinen Präferenzen entsprechend versorgt werden kann, wenn er bereit ist, sich angemessen informieren zu lassen und den Arzt eher als „Entscheidungspartner“ denn als „Alleinentscheider“ versteht. In diesem Sinne agiert der Patient dann als „a source of control, shared knowl­edge and the free flow of information, and evidence-based decision-making“ [32]. Und an die Gesundheitspolitik gehen klare Aufforderungen hinsichtlich der Einräumung und Vergütung hinreichender Zeit für die Arzt-Patient-Kommunikation (insbesondere bei Patienten mit präferenzsensitiven Erkrankungen) und den interdisziplinären Austausch.

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Es wurden in Kürze verschiedene Methoden vorgestellt, die zur Präferenzerhebung eingesetzt werden können, qualitative und quantitative Erhebungen einschließlich der multikriteriellen Verfahren der Entscheidungsanalyse. Es bleibt jedoch eine wesentliche Aufgabe für die Forschung, diese Verfahren und deren Nutzung auf den verschiedenen Ebenen bei der Evaluation und Gestaltung von Versorgung zu erproben, und für die Politik, diese Arten der Versorgungsforschung zu unterstützen. Letztlich sollten Ergebnisse von Präferenzerhebungen nicht im Forschungsbereich verbleiben, sondern genutzt werden, um komplexe Entscheidungen zu unterstützten – sei es auf individueller Ebene im Rahmen des Shared Decision Mak­ ing und auf aggregierter Ebene bei der Gestaltung und Evaluation von Versorgung.

Korrespondenzadresse M. Danner Dipl.Vw. MPH Institut für Gesundheitsökonomie und ­Klinische Epidemiologie (IGKE), Klinikum   der Universität zu Köln (AöR) Gleueler Str. 176–178, 50935 Köln [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  S. Stock und M. Danner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Buchbesprechungen J. Köbberling

Diagnoseirrtum, Diagnose­ fehler, Befunderhebungsfehler Bewertungen und Vermeidungs­ strategien Verlag Versicherungswirtschaft 2013 1. Auflage, 181 Seiten ISBN 3899527704 Taschenbuch, 39,00 EUR Ärzte müssen sich in Ihrer Berufsausübung zunehmend mit Vorwürfen über tatsächliche oder vermeintliche Fehler bei diagnostischen Maßnahmen und damit zusammenhängenden Haftungsfragen befassen. Dies führt nicht selten zu großer Verunsicherung. Aus verschiedenen Gründen nehmen Verfahren, in denen Ärzten oder Kliniken Behandlungsfehler vorgeworfen werden, deutlich zu. Medienberichte über die moderne Medizin führen zu Fehleinschätzungen über das medizinisch Machbare und zu einer steigenden Erwartungshaltung bei Patienten. Die breiten Darstellungen von Leitlinien, die von jedermann im Internet aufrufbar sind, können leicht zu einer Fehleinschätzung der Verbindlichkeit von medizinischen Standards im Einzelfall führen. Komplikationen und Misserfolge werden ohne kritische Hinterfragung auf Behandlungsfehler zurückgeführt. Hinzu kommen steigende Erwartungen an einen möglichen Schadenersatz, eine gegenüber früher deutlich verminderte Hemmschwelle für Klagen und in vielen Fällen ein fehlendes Prozessrisiko durch bestehende Rechtsschutzversicherungen oder Prozessfinanzierungen. Fast ein Viertel aller Vorwürfe über Behandlungsfehler beziehen sich auf Diagnosefehler. Den meisten Ärzten sind die rechtlichen Aspekte, die sich im Zusammenhang mit möglichen Diagnosefehlern ergeben, nur unzureichend bekannt. Mit dem vorliegenden Buch soll hier eine Lücke geschlossen werden.

Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2014

Die beiden Kapitel über „Diagnoseirrtum“ und „Diagnosefehler“ beginnen jeweils mit den Definitionen und mit den wichtigen Fragen der Abgrenzung voneinander. Während ein „noch verständlicher“ Diagnoseirrtum nicht zu einer Haftung führt, ist ein nicht mehr verständlicher Diagnosefehler haftungsbegründend, wenn er zu einem Schaden bei dem Patienten führt. Diese in der Rechtsprechung entwickelten und in das Patientenrechtegesetz vom Februar 2013 übernommenen Definitionen lassen jeweils breite Deutungs- und Ermessensspielräume zu. Dies war Anlass für die Erstellung der Fallsammlung aus Gutachten oder Bescheiden der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler und aus gerichtlichen Urteilen. Alle aufgeführten 54 Beispiele sind authentisch und mit Aktenzeichen versehen. Ausführlich wird in einem gesonderten Kapitel auf die dritte Kategorie, den „Befunderhebungsfehler“ eingegangen, der dazu führen kann, dass ein einfacher Diagnosefehler zu einem groben Behandlungsfehler mit Beweislastumkehr wird. Dieses komplizierte Konstrukt mit mehrstufiger Beweiswürdigung ist ebenfalls in das Patientenrechtegesetz aufgenommen worden. Das sehr kompakte Kompendium ist bei der Abklärung von Behandlungsfehlern für Juristen, Ärzte und Patienten ein unverzichtbarer Ratgeber. Ärzte erhalten wertvolle Empfehlungen für das richtige Verhalten bei Vorliegen eines vermeintlichen Behandlungsfehlers. M. Broglie (Wiesbaden)

[Does the elicitation of stakeholder attitudes and preferences add valuable information to small-area analyses? A health policy perspective].

Small-area analyses are increasingly valuable for health-policy planning given the observed regional variation in health care. The combination of data...
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