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Elektroenzephalographische Befunde bei dementiellen Krankheitsbildern H. F. Durwen', H. Penin 2 Neurologische Klinik der Ruhr-Universität am Knappschafts-Krankenhaus Bochum-Langendreer (Dir. Prof. Dr. W. Gehlen) Klinik für Epileptologie der Universität Bonn

Electroencephalographic Findings in Dementias Even if generally the EEG cannot yield speci fic pointers that are typical for a special pattern of dementia, it is nevertheless meaningful and helpful to perform routine EEG in demented patients. EEG is the functional additional examination that does not place any stress on the patient and is easy to perform at a low cost (I). As a functional diagram the EEG refleets the electrical processes taking place in the cerebral cortex, yielding an excellent image of the cerebral functional state. Assessment ofthe EEG is done in accordance with internationally standardised criteria. Particular attention is directed at a slowing-down of the background activity, the occurrence and extent of scattered theta and delta waves, their topographical distribution and the development of pathological EEG characteristics during recording (44). Update spectral analysis EEG procedures, i.g. the possibility to calculate power spectra for the individual EEG frequency bands and their topographie distribution, it may be possible in the near future to further improve differentiation between normal and pathological EEG findings. The functional dynamic aspect of the EEG is its particularly strong point in the differential diagnostic elarification of dementia patterns. By repeated EEG recordings, i.e. by elose follow-up, and by relating the electrophysiological findings to the elinical pattern, reliable pointers are obtained for the extent of the activity of the process underlying the dementia pattern. EEG is predestined like no other method to enable early detection of rapid changes in cerebral function thanks to its easy operation and unlimited repeatability. The occurrence of parenrhythmic theta and delta waves in the EEG reflects in a special manner the acuity of an organie basic process. In this way EEG enables differentiation between acute and chronic processes of cerebral damage. Over and above this, correlation with the relevant elinical findings makes it possible to differentiate between reversible states of dementia and irreversible defect syndromes and hence also to point to the long-term outcome. Finally, the occurrence of certain patterns of findings or the identification of characteristic wave forms allows essential differential diagnostic pointers and definitions.

Fortschr. Neurol. Psychiat. 60 (1992) 460 -470 © Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

Zusammenfassung Auch wenn im al1gemeinen das EEG keine spezifischen und für ein ganz bestimmtes dementielies Krankheitsbild typischen Hinweise zu geben vermag, so ist seine routinemäßige Durchführung bei dementiellen Patienten dennoch sinnvoll und hilfreich. Es ist diejenige funktionelle Zusatzuntersuchung, die für den Patienten unbelastend, einfach und kostengünstig durchzufiihren ist (I). Als Funktionsdiagramm reflektiert das EEG jene elektrischen Vorgänge, die im Kortex des Gehirns ablaufen. Auf diese Weise erhält man ein hervorragendes Abbild des zerebralen Funktionszustandes. Die Beurteilung des EEG richtet sich nach international festgelegten Kriterien. Insbesondere achtet man auf die Verlangsamung der Grundaktivität, das Auftreten und das Ausmaß eingestreuter Theta- und Delta-Wellen, ihre topographische Verteilung sowie auf die Entwicklung pathologischer EEGMerkmale im Verlauf (44). Mit Hilfe moderner spektralanalytischer EEG-Verfahren, d. h. der Möglichkeit der Berechnung der Powerspektren für die einzelnen EEG-Frequenzbänder und ihrer topographischen Verteilung, mag sich in Zukunft eine weitere Verbesserung bei der Abgrenzung unauffälliger und als pathologisch zu bewertender EEG-Befunde ergeben. Die besondere Stärke des EEG bei der differentialdiagnostischen Abklärung dementieller Krankheitsbilder liegt gerade in seinem funktionsdynamischen Aspekt. Durch wiederholte EEG-Ableitungen, d.h. durch Verlaufsbeobachtung, und durch den Bezug der elektrophysiotogischen Befunde auf das klinische Bild erhält man verläßliche Indikatoren fiir das Ausmaß der Prozeßaktivität, welches dem dementiellen Krankheitsbild zugrunde liegt. Wie keine andere Methode ist das EEG durch seine einfache Bedienung und die beliebige Wiederholbarkeit prädestiniert, rasche Veränderungen der Himfunktion frühzeitig zu erfassen. Gerade das Auftreten parenrhythmischer Theta- und Delta-Wellen im EEG reflektiert in besonderem Maße die Akuität eines organischen Grundprozesses. Auf diese Weise ist mit Hilfe des EEG eine Unterscheidung in akute und chronische Schädigungsvorgänge des Gehirns möglich. Darüber hinaus ermöglicht die Korrelation mit dem jeweiligen klinischen Befund die Differenzierung von reversiblen dementiellen Zuständen und irreversiblen Defektsyndromen und somit auch eine Stellungnahme zur Prognose. Schließlich erlauben das Auftreten bestimmter Befundmuster oder der Nachweis charakteristischer Wellenformen wesentliche differentialdiagnostische Eingrenzungen.

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Elektroenzephalographische Befunde bei dementiellen Krankheitsbildern

Dementielle Zustände werden unter operationalen Gesichtspunkten als erworbene Syndrome geminderter intellektueller Leistungsflihigkeit definiert, deren Ursache auf einer wie auch immer gearteten Dysfunktion des Gehirns beruht. Alle wesentlichen Himleistungen können mehr oder weniger stark isoliert oder diffus betroffen sein. Die klinische Diagnose eines Demenzsyndroms gibt keinerlei Auskunft über mögliche spezifische Ursachen und gilt gleichermaßen für die reversiblen und irreversiblen kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen. Sowohl strukturgebundene als auch metabolische Ursachen gehören dazu. Somit gibt die Feststellung eines dementiellen Krankheitsbildes keineswegs Anlaß zu einer nihilistischen Haltung, sondern stellt eine differentialdiagnostische Herausforderung dar, behandelbare Ursachen zu identifizieren und zu beseitigen, chronische Verläufe medizinisch optimal zu begleiten und prognostisch abzuschätzen. Allerdings ist eine ätiologische Zuordnung aufgrund klinischer Kriterien alleine oftmals schwierig oder sogar unmöglich, so daß Zusatzuntersuchungen notwendig werden. So gehört auch die Durchführung eines Elektroenzephalogramms (EEG) zum festen Bestandteil des diagnostischen Untersuchungsganges im Rahmen der Abklärung dementieller Krankheitsbilder. Dies war nicht immer so, wurde doch die Wertigkeit des EEG für die Diagnostik der Demenzsyndrome über viele Jahre hinweg in Frage gestellt und kontrovers diskutiert (63). Erst Harner (25) u.a. (48,49,50,68) haben dann in den 70er Jahren deutlich gemacht, daß eine restriktive Haltung keineswegs gerechtfertigt erscheint und daß dem EEG trotz des Fehlens spezifischer Indikatoren in diesem Zusammenhang dennoch eine nicht unerhebliche Bedeutung sowohl in der Diagnostik als auch in der Verlaufsbeobachtung dementieller Krankheitsbilder zukommt. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es nun, noch einmal den Stellenwert der Elektroenzephalographie im Rahmen der heutigen Demenzdiagnostik zu reevaluieren, nachdem sich in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit der Fachleute vor allem auf die bildgebenden Verfahren MRT und CT, aber auch auf PET und SPECT gerichtet hatte. Unter Berücksichtigung auch neuerer Entwicklungen, wie z. B. spektralanalytischer EEG-Auswerteverfahren, sollen die allgemeinen Aspekte des EEG bei der Abklärung dementieller Krankheitsbilder beleuchtet, besondere Stärken aufgezeigt und charakteristische Befundkonstellationen für die wesentlichen Zustandsbilder beschrieben werden.

Allgemeine Aspekte Vor der Diskussion der für die Demenzsyndrome relevanten allgemeinen EEG-Befunde soll hier noch einmal kurz darauf aufmerksam gemacht werden, daß das EEG ein Funktionsdiagramm darstellt, welches die an den Nervenzellen des Kortex ablaufenden elektrischen Vorgänge in Raum und Zeit registriert. Dabei wird ausschließlich die synchron auftretende elektrische Erregung einer größeren Neuronenpopulation aufgezeichnet, nicht aber die von Einzelneuronen (9). Eine Mo-

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dulation der kortikalen Entladungsrhythmen und damit auch der EEG-Signale kann durch Impulse aus anderen, tiefer gelegenen Hirnregionen, wie z. B. Thalamus und Himstamm (Formatio reticularis), erfolgen (8,9). Zu den wichtigsten Parametern für die Beurteilung eines Himstrombildes gehören die vorherrschende Grundfrequenz, die durchschnittliche in llV gemessene Amplitude der EEG-Wellen, die Identifikation charakteristischer Wellenformen sowie die räumliche und zeitliche Verteilung dieser Phänomene. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß die Zusammensetzung des Hirnstrombildes nur unter Berücksichtigung seines dynamischen Aspektes adäquat zu begreifen ist. Gerade auf dieser Möglichkeit der kontinuierlichen Repräsentation zerebraler Funktionsdynamik beruht der große Unterschied und damit auch der Vorteil des EEG gegenüber den statischen bildgebenden Verfahrens wie CT und MRT, aber auch gegenüber PET und SPECT. Wie bereits in der Einleitung kurz angedeutet, gibt es ein für die Demenz spezifisches Wellenbild oder Frequenzmuster im EEG nicht, so daß erst die Interpretation des jeweiligen EEG-Befundes unter Berücksichtigung des Z.Z. der Ableitung vorliegenden klinischen Bildes und damit auch unter Würdigung des Verlaufsaspektes zusätzlich die Erfassung sinnvoller Differenzierungskriterien hinsichtlich der Ursache, aber auch der Prognose erlaubt. Von einigen wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, auf die später noch Bezug zu nehmen sein wird, gehen die meisten dementiellen Krankheitsbilder mit unspezifischen EEG-Veränderungen einher (24,25,46), die von leichten Verlangsamungen der Alpha-Grundaktivität einerseits bis hin zu schweren Allgemeinstörungen andererseits reichen können. Die häufigsten elektrophysiologischen Befunde im Rahmen dementieller Prozesse sind EEG-Verlangsamungen mit einem unterschiedlich ausgeprägten Vorherrschen des 4 -7/s-Theta-Frequenzbandes. Unter Vernachlässigung ätiologischer Erwägungen und in der groben Zusammenschau aller dementiellen Bilder ist zu beobachten, daß das Ausmaß der Veränderungen im EEG nicht unbedingt streng mit der Schwere der mentalen Beeinträchtigungen korrelieren muß. So haben manche Patienten ausgeprägte Störungen der EEG-Muster bei relativ geringem Defizit auf der klinischen Verhaltensebene, während andere Patienten mit schwerer Demenz nur geringe Verlangsamungen im EEG zeigen (21). Eine derartige Divergenz zwischen elektrophysiologischem Befund und klinisch phänomenologischem Verhalten, die vor allem zu Beginn einer dementiellen Erkrankung häufiger zu beobachten ist (61), kann nur durch die Dynamik des dem dementiellen Bild zugrunde liegenden Prozesses erklärt werden (49,50). Wie keine andere Nachweismethode ist das EEG davon abhängig, in welchem Stadium sich das dementielle Krankheitsgeschehen gerade befindet und welche aktuelle Prozeßaktivität vorliegt. Wahrend neurologische und psychische Symptome auch als Folge irreversibel geschädigter, d.h. funktionsloser Hirnzellen, resultieren können, finden sich elektroenzephalographische Veränderungen meist nur dann, wenn eine genügende Anzahl in der Funktion gestörter, aber eben doch funktionsfahiger Hirnzellen vorhanden ist. Aufgrund dieser Tatsachen kann es im Verlauf zu vielfaltigen Diskrepanzen zwischen psychopathologischem und elektroenzephalographi-

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Einleitung

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H. F Durwen. H. Penin

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Abb.2 Mögliche Vielfalt heterogener EEG/Syndrom-Verläufe bei regredienten Himerkrankungen. Die Verlaufstypen S, C, D unterscheiden sich von A durch das Zurückbleiben unterschiedlich stark ausgeprägter organischer Defektsyndrome (nach Penin: 49, 50).

Abb.1 Homogener (oben) und heterogener (unten) EEG/Syndrom-Verlauf bei regredienter und chronisch progredienter Hirnerkrankung (nach Penin: 49,50).

schem Befund kommen. Insbesondere finden sich solche Divergenzen dann, wenn die jeweiligen dementiellen Krankheitsbilder mit einem irreversiblen Defektsyndrom einhergehen. Es können im wesentlichen zwei klinisch-hirnelektrische Verlaufstypen differenziert werden. Einerseits findet sich die zeitlich begrenzte Einmalschädigung des Gehirns bzw. die akute Aktivierung eines Grundprozesses, denen parallel zu den somatischen Vorgängen ein stets wiederkehrendes klinische1ektroenzephalographisches Verlaufsschema zugeordnet ist (Abb.l: homogener EEG/Syndrom-Verlauf). Dabei können die Veränderungen im EEG schon recht frühzeitig, d. h. innerhalb weniger Stunden oder Tage und gelegentlich ausgeprägter als nach dem klinischen Befund zu erwarten zur Darstellung kommen. Andererseits läßt sich ein chronisch progredientes Verlaufsgeschehen abgrenzen, das unter Umständen in ein schweres Defektsyndrom, etwa eine amnestische Verwirrtheit ausmündet. Im Gegensatz zur akuten Verwirrtheit (z. B. akutes traumatisches Korsakow-Syndrom) ist das EEG im letzten Fall nur wenig verändert. Die Veränderung tritt gewöhnlich allmählich ein und zeigt in den meisten Fällen zunächst nur eine leichte Verlangsamung der Grundaktivität (Abb. I: heterogener EEG/Syndrom-Verlauf). Außerdem können die einzelnen Verlaufstypen ineinander übergehen. In jedem Fall stellt das EEG zusammen mit den jeweiligen klinischen Befunden einen wichtigen Indikator für die Verlaufsdynamik eines dementiellen Krankheitsbildes dar. Betrachtet man z. B. das EEG nach der jeweiligen Akuität des klinischen Geschehens und innerhalb abgrenzbarer dementieller Krankheitsbilder, so lassen sich korrelative Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß der EEG-Veränderungen einerseits und der kognitiven Beeinträchtigung andererseits finden. Auf diese Weise erlaubt das EEG zusammen mit den zugeordneten klinischen Befunden auch eine Differenzierung von reversiblen dementiellen Zustandsbildern und irre-

versiblen Defektsyndromen und ennöglicht somit eine prognostische Stellungnahme: Ist das EEG im Verlauf, nachdem es vorher pathologisch war, bereits nonnalisiert, so sind die jetzt noch vorhandenen psychischen Störungen im wesentlichen residualer Natur (48,49,50 [Abb.2]). Es ist deshalb bei Verdacht auf Demenz immer ratsam, es nicht nur bei einer einzigen EEG-Registrierung zu belassen, sondern durch wiederholte EEG-Ableitungen mit Zuordnung des aktuellen klinischen Befundes eine mögliche Progredienz zu erfassen (12,24,46). Dieses Prinzip gilt auch, wenn sich insbesondere zu Beginn einer dementiellen Erkrankung Schwierigkeiten bei der Beurteilung und korrekten Einordnung des EEG ergeben. Die Probleme resultieren aus der Tatsache, daß die wesentlichen elektroenzephalographischen Unterschiede zum nonnalen EEG nur quantitativer, nicht aber qualitativer Natur sind (22). Da einerseits bei Erkrankungsbeginn das EEG noch völlig nonnal oder nur wenig verändert sein kann und andererseits mit zunehmendem Alter auch rur die Normalpopulation eine EEG-Verlangsamung beobachtet wird, ergeben sich hier auf elektrophysiologischer Ebene - trotz des Einsatzes modernster automatisierter EEG-Analyseverfahren - immer noch Differenzierungsprobleme. In einigen Fällen kann tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt und durch den Verlauf ein signifikanter Unterschied zwischen einer pathologischen, d. h. in Verbindung mit einer dementiellen Erkrankung stehenden, und einer noch altersgemäßen EEG-Verlangsamung aufgezeigt werden. Wie bereits oben angedeutet, bietet in diesem Zusammenhang der dynamische Aspekt, d.h. die Geschwindigkeit, mit der sich die EEG-Veränderung entwickelt, bestehen bleibt oder wieder zurückbildet, eine wesentliche differentialdiagnostische Orientierungshilfe. Kommt es nämlich nur allmählich und über Wochen und Monate hinweg zu einer Zunahme der EEG- Verlangsamung, dann ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein primärer Abbauprozß rur das dementielle Bild verantwortlich zu machen. Vollzieht sich der Prozeß der EEG- Verlangsamung dagegen relativ rasch, d. h. innerhalb weniger Stunden oder Tage, dann liegt diesem Verlauf meist die akute Exazerbation eines Grundprozesses oder häufiger sogar noch eine

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Elektroenzephalographische Befunde bei dementiellen Krankheitsbildern

Gerade die letztgenannten Ursachen gehen im EEG vorzugsweise mit akut oder subakut einsetzenden Allgemeinstörungen einher, wobei je nach Schweregrad der klinischen Beeinträchtigung Allgemeinveränderungen, Dysrhythmien oder pathologische Rhythmisierungen mehr oder weniger deutlich im Vordergrund stehen (50). Wenn auch in diesem Zusammenhang dem EEG keine Spezifität zukommen kann, so sollte dennoch das relativ rasche Auftreten von Allgemeinstörungen Anlaß sein, nach Krankheitsursachen der vorgenannten Art zu suchen, zumal die Schwere der EEG-Veränderungen hier dem klinischen Bild auch durchaus vorauseilen kann. Die adäquate Interpretation des EEG erlaubt somit eine frühzeitige und gezielte Therapie dieser Zustände und damit eine evtl. rasche Besserung des klinischen Bildes. Benson (4) hat die verlaufsdynamischen Betrachtungen einmal vereinfachend und mit gewissen Einschränkungen auf die folgende Formel gebracht: Imponiert der EEGBefund ebenso schlecht oder sogar schlechter als der gleichzeitig erhobene mentale Status, dann liegt dem Zustandsbild mit großer Wahrscheinlichkeit eine behandelbare, also reversible Ursache zugrunde. Verhält sich die Befundkonstellation jedoch umgekehrt, zeigt also das EEG bei deutlicher kognitiver Beeinträchtigung ein eher normales oder nur wenig verändertes Bild, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß dem Geschehen eine der progressiven, degenerativen Demenzformen, z. B. eine Alzheimersche Erkrankung, zugrunde liegt.

Wie eingangs schon betont, handelt es sich bei dieser Formel um eine Vereinfachung. Denn auch die chronisch degenerativen Krankheitsbilder mit dementieller Symptomatik können je nach Verlaufsdynamik schwerere EEG-Verlangsamungen aufweisen, insbesondere wenn es sich um Verläufe im Endstadium handelt. Es herrschen dann ausgeprägte Formen einer Allgemeinveränderung, vor allem eine polymorphe DeltaWellen-Aktivität, in allen Ableitungen vor (36,38); somit wird in der Endphase eines chronischen Verlaufsgeschehens oftmals wieder eine Parallelisierung der Schwere der Befunde aufklinischer und elektrophysiologischer Beobachtungsebene erreicht. Eine weitere Ausnahme von der Benson-Regel stellt die depressive Pseudodemenz dar, bei der es ebenfalls zu einem auffälligen Kontrast zwischen relativ normalem EEGBefund und schwerwiegender mentaler Beeinträchtigung kommen kann (29). Hier gilt es, zusätzliche klinische Kriterien heranzuziehen. Darüber hinaus gelingt es heutzutage auch elektrophysiologisch, d. h. durch Schlaf-EEG-Ableitungen und automatisierte EEG-Spektralanalyseverfahren zunehmend besser, pseudodementielle depressive Bilder von degenerativen dementielIen Erkrankungen abzugrenzen (55,56). Ferner eröffuen computerunterstützte EEGAnalyseverfahren auch innerhalb der chronisch verlaufenden dementiellen Erkrankungen weitere Differenzierungsmöglichkeiten. Unter Einsatz solcher neuen Techniken wird neben der besseren Einschätzung der Schwere der Erkrankung vor allem die elektrophysiologische Abgrenzung der häufigen Demenzformen DAT (Demenz vom Alzheimer Typ) und MID (Multiinfarktdemenz) erleichtert (14,16,37). Unterscheidungskriterien sind hier die relative Ab- bzw. Zunahme der Powerspektren für die verschiedenen EEG-Frequenzbänder, vor allem im Alpha-

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und Theta-Frequenzbereich sowie die topographischen Verteilungsmuster dieser Änderungen. Während bei der DAT vornehmlich diffus verteilte EEG-Verlangsamungen auftreten, zeichnet sich eine MID elektrophysiologisch eher durch Herdbefunde bei zwar verlangsamter, aber immer noch gut ausgeprägter Grundaktivität aus (13,26,39,62). Zum Abschluß seien noch ein paar typische EEG-Wellenformen erwähnt, die sich aus dem Grund- bzw. Hintergrund-EEG herausheben. Es handelt sich zum einen um die sog. triphasic waves und zum anderen um die spezifischen EEG-Merkmale in Form von spikes, spike-wavcs und anderen steilen Wellenformationen. Den triphasic waves kommt zwar keine Spezifität zu, sie können aber im Zusammenhang mit einer schweren dementiellen Problematik durchaus diagnostisch wegweisend werden. Man kann sie vor allem bei Stoffwechselerkrankungen mit zerebraler Symptomatik beobachten (60). Sie finden sich aber auch bei Schwermetallvergiftungen und vor allem der Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung (35,43). Der Nachweis triphasischer Wellen im Hirnstrombild eines Patienten mit schwerstem dementiellen Krankheitsbild engt somit das differentialdiagnostische Spektrum auf relativ wenige alternative Möglichkeiten ein. Erhebliche diagnostische Relevanz kommt schließlich dem Nachweis von spikes, spike-waves und steilen Wellen im EEG eines als dement erscheinenden Patienten zu. So mag der Nachweis dieser EEG-Merkmale einerseits die Diagnose eines dementiellen Bildes bei Epilepsie oder bei einer der hereditären StoffWechselerkrankungen nahe1egen, aber andererseits auch daran denken lassen, daß ein Petit-mal-Status oder ein Status komplex-partieller Anfalle durchaus als dementielies Zustandsbild imponieren können, wenn die sonstige klinische Symptomatik nicht typisch oder auch nur minimal ausgeprägt ist. Hier wird erst der EEG-Befund die entscheidende Klärung bringen. Spezifische Krankheitsbilder Nachdem im vorhergehenden Abschnitt die wesentlichen allgemeinen Gesichtspunkte der EEG-Veränderungen bei dementiellen Krankheitsbildern vorgestellt und die Bedeutung der Verlaufsbeobachtung und der Stellenwert des klinischen Zustandes für die Interpretation des EEG-Befundes deutlich gemacht wurden, sollen nun die wichtigsten Demenzsyndrome und die mit ihnen verbundenen EEG·Veränderungen eingehender besprochen werden. Demenz vom Alzheimer 1jJp (DAT)

Neben MRT, CCT und evtl. PET gehört das EEG zu den routinemäßig durchgeführten Zusatzuntersuchungen zur differentialdiagnostischen Abgrenzung der Alzheimersehen Erkrankung. Auch wenn in den frühen und mittleren Phasen des Krankheitsgeschehens die Schwere des klinischen Bildes und die Geringfügigkeit des EEG-Befundes nicht selten im Widerspruch zu stehen scheinen, so haben verschiedene Untersuchungen (23,27,54,65) dennoch aufzeigen können, daß über den Gesamtverlauf hinweg ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Verschlechterung des klinischen Bildes einerseits und dem zunehmenden Grad der EEG-Verlangsamung andererseits besteht.

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endogene oder exogene Störung, z. B. eine metabolische Entgleisung, eine Intoxikation oder eine Entzündung zugrunde.

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Abb.3a EEG-Befund in der Phase der akuten Exazerbation einer Demenz vom AlzheimerTyp mit prädominierender 4-5/s-Theta-Parenrhythmie und abgeflachter, verlangsamter Grundaktivität.

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[Electroencephalographic findings in dementia diseases].

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