Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article

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Ausdauer- und Krafttraining bei Herzinsuffizienz Exercise training in heart failure patients

Autoren

S. Schwarz1 M. Halle1

Institut

1 Präventive und Rehabilitative Sportmedizin, Präventive und Rehabilitative Sportmedizin,

Einleitung ▼ Bei chronischer Herzinsuffizienz ist klinisch in erster Linie die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt. Schon bei geringer Anstrengung kommt es zu vorzeitiger muskulärer Ermüdung sowie Luftnot. Körperliche Aktivität wird immer anstrengender und daher gemieden – wie in einem „Teufelskreis“ trägt dies zu einer weiteren Verschlechterung der körperlichen Belastbarkeit bei. Zudem verändert sich die arbeitende Muskulatur: die Mitochondriendichte und -funktion nehmen ab, oxidativer Stress ist erhöht und Muskelfaserveränderungen treten auf. Schon früh im Krankheitsverlauf hat dies einen Funktionsverlust bzw. Abbau von Skelettmuskulatur zur Folge, un kann im Endstadium in einer kardialen Kachexie münden [15]. In den letzten Jahren belegten zahlreiche Studien und zusammenfassend eine Metaanalyse, dass regelmäßige körperliche Aktivität oder ein gezieltes Training die Lebensqualität und körperliche Belastbarkeit verbessern [1, 4, 5]. Ein Cochrane Review (3647 Patienten in 19 randomisiert kontrollierten Studien) zeigt sogar, dass ein regelmäßiges Training neben der Verbesserung der Lebensqualität auch die kardiovaskuläre Hospitalisierungsrate signifikant senken kann [4]. Die bisher größte Studie, die sich mit körperlichem Training bei chronischer Herzinsuffizienz beschäftigte (HF-ACTION Study) lief über 4 Jahre mit einem sehr großen Patientenkollektiv (n = 2331) und randomisiertem Design (Training versus „usual care“ bei maximaler medikamentöser Therapie [ACE-Hemmer 94 %, Betablocker 94 %, ICD 40 %]). Nach Adjustierung prognostisch bedeutsamer Parameter wurde eine signifikant niedrigere Hospitalisierungsrate erreicht. Die Mortalität war in der Trainingsgruppe zwar geringer, jedoch nicht signifikant. n

Vor allem zeigte sich kein negativer Effekt des Trainings, da keine relevanten Unterschiede in der Zahl der unerwünschten klinischen Ereignisse zwischen der Trainings- und Kontrollgruppe zu beobachten waren [10]. Belardinelli et al. verglichen in einer kleinen gut kontrollierten Studiengruppe mit 123 HerzinsuffizienzPatienten (Training n = 63, Kontrollen n = 60) körperliches Training additiv zu optimaler medikamentöser Therapie. Auch langfristig zeigte sich ein Vorteil für Patienten, die über 10 Jahre 2 × wöchentlich 20 min Gymnastik machten und 40 min moderates kontinuierliches Ausdauertraining auf dem Fahrrad bei 70 % der maximal erreichter Sauerstoffaufnahme (peakVO2) absolvierten. In der trainierenden Gruppe kam es zu einer signifikant verbesserten körperlichen Belastbarkeit und Lebensqualität sowie zu einer niedrigeren kardialen Hospitalisierungsrate und kardiovaskulären Mortalität im Vergleich mit der Kontrollgruppe [1]. Selbst für Herzinsuffizienz-Patienten mit einem implantierbaren Defibrillator (ICD) zeigte sich in einer aktuellen Übersichtsarbeit mit insgesamt 9 Studien (n = 1889), dass ein körperliches Training sicher ist und kein erhöhtes Risiko für Entladungen durch ein Training besteht. In drei der evaluierten Studien waren sogar die Studienteilnehmer der Kontrollgruppe anfälliger für Entladungen. Fest steht, dass auch bei Patienten mit ICD ein Training oder eine kardiale Rehabilitation empfehlenswert sind und die körperliche Leistungsfähigkeit sowie Lebensqualität der Patienten durch ein Training verbessert werden [7, 11]. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse wurde körperliches Training als eine Klasse-1-AEmpfehlung bei klinisch stabilen Patienten in die aktuelle Behandlungs-Leitlinie der „European Society of Cardiology“ (ESC) aufgenommen [9, 11].

Kardiologie, Sportmedizin Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article

Schlüsselwörter chronische Herzinsuffizienz körperliches Training Ausdauertraining Krafttraining Trainingstherapie

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Keywords chronic heart failure exercise training physical activity endurance resistance strength training

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eingereicht 31.01.2014 akzeptiert 18.03.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1369958 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:845–850 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Silja Schwarz Präventive und Rehabilitative Sportmedizin, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München Georg-Brauchle-Ring 56 (Campus C) 80992 München Tel. 089 289 24431 Fax 089 289 24451 eMail schwarz@ sport.med.tum.de

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Klinikum rechts der Isar, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

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kurzgefasst Bei klinisch stabilen Patienten verbessert ein regelmäßiges Training die Belastbarkeit und steigert damit die Lebensqualität. Zudem ist die kardiovaskuläre Hospitalisierungsrate niedriger. Langfristiges moderates Ausdauertraining mag sogar neben diesen positiven Veränderungen auch zu einem verbesserten Langzeitüberleben führen. Ein gezieltes Muskelaufbautraining wirkt dem krankheitsbedingten Muskelabbau und -funktionsverlust entgegen.

Tab. 1

Kontraindikationen für körperliches Training (modifiziert nach [11]).

Kontraindikationen Ruhedyspnoe oder zunehmende Verschlechterung der körperlichen Belastbarkeit in den letzten 3–5 Tagen Signifikante Ischämie bei niedriger Belastungsintensität (  160/100 mmHg in Ruhe) Herzinsuffizienz mit hämodynamischer Instabilität Neuaufgetretenes Vorhofflimmern oder Vorhofflattern

Diagnostik vor Beginn einer Sporttherapie ▼ Vor Beginn eines strukturierten Trainings sollte der Zustand des Patient klinisch stabil sein (NYHA I-III). Grundvoraussetzung vor Beginn einer Trainingstherapie ist eine optimale medikamentöse Therapie. Bei einer deutlich eingeschränkten Pumpfunktion (Ejektionsfraktion  1,8 kg in 1–3 Tagen

Um die Sicherheit zu verbessern und die geeignete Trainingsmethodik auszuwählen, sollte bei allen Patienten eine ärztliche Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf kardiologische und sportmedizinische Aspekte erfolgen. Diese Untersuchung beinhaltet 3 eine ausführliche Anamneseerhebung und klinische Untersuchung, 3 ein Ruhe-EKG, 3 eine Echokardiographie und 3 ein symptomlimitiertes Belastungs-EKG (optimal als Spiroergometrie). Das Belastungs-EKG sollte dabei unter bestehender Medikation und symptomlimitierend bis zur subjektiven Ausbelastung (Borg > 18, Skala 6–20) im Rampenprotokoll durchgeführt werden. Alternativ kann auch ein Stufenprotokoll mit möglichst kleinen Belastungsstufen (5–10 W) und kurzer Stufendauer von 1–2 min gewählt werden. Eine Ausbelastung in der Ergometrie soll gewährleisten, dass die Wahrscheinlichkeit von klinisch unerwünschten Ereignissen während eines Trainings möglichst gering ist. Treten Zeichen der Belastungshypertonie, Blutdruckabfall, Zeichen der Ischämie oder höhergradige Herzrhythmusstörungen auf, müssen diese vor Trainingsbeginn abgeklärt bzw. medikamentös optimal therapiert werden. Ziel der Untersuchung ist zum einen, Kontraindikationen (q Tab. 1, Tab. 2) zu erfassen und damit das Risiko einer Trainingstherapie zu reduzieren. Zum anderen sollen Trainingsempfehlungen für das individuell angepasste, meist herzfrequenzgesteuerte Training gegeben werden.

Ruheherzfrequenz im Liegen > 100 /min Bestehende Begleiterkrankungen, die die Belastbarkeit einschränken

kurzgefasst Um ein körperliches Training leitliniengerecht durchführen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 3Stabile klinische Situation innerhalb der letzten 6 Wochen [9] 3Optimale medikamentöse Therapie 3Leitliniengerechte ICD-/CRT-D-Versorgung 3Ausführliche kardiologische Diagnostik vor Trainingsbeginn (optimal mit Spiroergometrie) zur Festlegung der Trainingsintensität und zum Ausschluss von Kontraindikationen

Trainingstherapie ▼ Zu Beginn steht die Motivation zu einem aktiven Lebensstil Allen Patienten sollte neben einem strukturierten Training zunächst ein aktiver Lebensstil empfohlen werden. In den ersten 4 Wochen ist das primäre Ziel, täglich körperlich aktiv zu sein. Dazu zählen alltägliche körperliche Tätigkeiten wie schnelles Spazierengehen, Treppensteigen, Gartenarbeit sowie eine aktive Freizeitgestaltung. In dieser Zeit kommt es nicht darauf an, positive Adaptationen des Stoffwechsels oder des kardiovaskulären Systems zu induzieren, sondern vielmehr die Lebensgewohnheiten zu verändern. Deshalb sind auch gezielte Bewegungseinheiten von 5–10  min ggf. mehrfach am Tag sinnvoll. Hilfreich sind dabei Schrittzähler, Aktivitätssensoren oder Aktivitäts-Apps, die die Aktivität über den Tag dokumentieren und die Patienten motivieren.

Der Trainingsbeginn Das Training sollte mit geringer Intensität und kurzen Einheiten begonnen werden („start low – go slow“). Fürs Erste reichen dabei 2 × pro Woche Einheiten von 5–10 min. Wird das Training gut vertragen, erhöht man zunächst die Trainingsdauer, später die Intensität der Trainingseinheit und anschließend die Anzahl Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 845–850 · S. Schwarz u. M. Halle, Ausdauer- und Krafttraining …

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Übersicht der Trainingsempfehlungen (modifiziert nach [11]). Kontinuierliches

Intervall-Ausdauertraining

Ausdauertraining (MCT)

(HIT)

Wie anfangen?

3 40–50 % peakVO2 für max. 15 min

3 Abwechselnd kurze Phasen mit geringer Intensität 3 Sehr geringe Intensität (RPE 11)

„Start low and go slow“

3 Dauer und Häufigkeit der Einheiten

(50 % HFmax für 10 s) und

Muskelaufbautraining

3 5–10 Wiederholungen

Häufigkeit:

je nach Symptomen und klinischer

3 längerer Erholungsphase (30 % HFmax für 80 Sek.)

3 1–3 Durchgänge/Übung

2×Woche

Situation steigern

3 Insgesamt 5–10 min

3 2 Trainingseinheiten/Woche

3 Zunächst intensivere Intervalle verlängern (10–30

3 Intensität moderat steigern

Steigerung des Trainings

3 Zunächst Verlängerung der Dauer

„Wenn Starttraining

der Einheiten auf 15–20 min

gut vertragen wird“

→ langfristiges Ziel 30–45 min

Sek.), Erholungsphasen verkürzen (80 → 60 Sek.) 3 Anschließend Intensität auf 60–95 % der HFmax im

3 Dann Intensität stufenweise steigern (50→60 %, 60→70 % peakVO2)

Intervall steigern 3 Dauer des Trainings 15–30 min mit ca. 10–12

3 3–6 Monate bis zum Erreichen des Trainingsziels einplanen RPE  2×/Woche bis zu täglich Optimale „Ziel“

3 Ziel-RPE 12–13

individuell steigern (3–5×/Woche) RPE 

[Exercise training in heart failure patients].

Physical exercise has been recognized as a standard therapy in the guidelines for secondary prevention of chronic heart failure. This is mostly due to...
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