Trübestein u. a.: Urokinasetherapie älterer Phlebothrombosen

Nr. 35, 31. August 1979, 104. Jg.

12.41

Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1241-1242 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

G. Trübestein, Th. Brecht und F. Etzel Medizinische Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. F. Krück), Medizinische Klinik (Direktor: Prof. Dr. H. Dengler) und institut für experimentelle Hämatologie und Bluttransfusionswesen (Direktor: Prof, Dr. H. Egli) der Universität Bonn

32 Patienten mit 1-6 Wochen alten tiefen Venenthrombosen wurden mit einer standardisierten Urokinase-Heparin-Therapie behandelt. Die Urokinase-Therapie wurde meist über 7-14 Tage beibehalten. Bei sechs Patienten kam es zu einer vollständigen und bei 18 zu einer partiellen Eröffnung der zuvor verschlossenen Venen. Acht Patienten zeigten keine Zeichen einer Thrombolyse im Phiebogramm.

Fibrinolytic treatment with urokinase of post acute phiebothromboses Standardised urokinase-heparin treatment was administered to 32 patients one to six weeks after deep-vein thrombosis. Treatment generally continued over 7-14 days. Complete recanalisation occurred in six, partial in 18 patients. In eight patients there was no evidence of thrombolysis in the phlebogram.

Die fibrinolytische Therapie der tiefen Venenthrombose

so dosiert, daß die Thrombinzeit respektive die partielle Thrombo-

schien bis vor kurzem auf ein Alter von 6 Tagen begrenzt zu sein. Neuere Mitteilungen über erfolgreiche

plastiuzeit (3) auf das Zwei- bis Vierfache verlängert war. Die Urokinase-Therapie wurde in Abhängigkeit vom klinischen und

Spätlysen (6, 11) und erste eigene Erfahrungen (7) führten in ausgesuchten Fällen zu einer Ausweitung der Indikation auf 6 Wochen.

phiebographischen Befund meist 7-14 Tage beibehalten. Anschlie-

ßend wurde überlappend mit Heparin die Dauerantikoagulation mit Phenprocoumon (Marcumar) eingeleitet. Bei 13 Patienten

Patienten und Therapieschema Patienten. In den vergangenen 4 Jahren wurden 32 Patienten mit 1-6 Woche alten Venenthrombosen mit Urokinase behandelt. Fünf Patienten hatten 4-16 Tage alte Verschlüsse der Vena subclavia,

und ein Patient hatte einen 6 Tage alten Verschluß der Vena axillaris und brachialis. 25 Patienten hatten 6-42 Tage alte Verschlüsse der V. iliaca und (oder) V. femoralis mit Beteiligung der V. poplitea; ein Patient hatte mehrere Verschlüsse der Unterschenkelvenen.

Indikation. Die Indikation zur fibrinolytischen Therapie mit Urokinase wurde gestellt, wenn Kontraindikationen gegen die Verwendung von Streptokinase als Fibrinolytikum vorlagen, insbeson-

dere dann, wenn kurz zuvor eine Streptokinase-Therapie durchgeführt worden war und (oder) der Antistreptokinasetiter über 1 Million Einheiten lag, ferner als Fortsetzung einer fibrinolytischen Therapie, wenn die vorausgegangene Streptokinase-Therapie

nicht erfolgreich war und ein ausgedehnter Befund im Phiebogramm mit Sicherheit ein postthrombotisches Syndrom erwarten ließ. Wegen der hohen Kosten der Urokinase und des sich im

war eine Streptokinase-Therapie unmittelbar vorausgegangen oder die fibrinolytische Therapie mit Streptokinase eingeleitet worden. Hämostaseologische Kontrollen. Als einfach zu bestimmende Parameter wurden zur überwachung der Fibrinolyse das Fibrino-

gen (9) und zur Steuerung der Heparinzufuhr die Thrombinzeit bestimmt. Um die Höhe der zirkulierenden Fibrinogen-FibrinSpaltprodukte rasch zu erfassen und damit einen aussagekräftigen Parameter über die Fibrinogenolyse und Fibrinolyse zu erhalten, wurde die von Heparin nicht beeinflußbare Reptilasezeit (10) bestimmt. Nach Zugabe von Phenprocoumon (Marcumar) wurde die Thromboplastinzeit nach Quick bestimmt. Zusätzliche hämostaseologische Untersuchungen erfolgten unter anderen Aspekten Behandlnngskontrollen. Vor Einsetzen der fibrinolytischen Therapie wurde stets eine aszendierende Phlebographie durchgeführt. Die erste Kontroll-Phlebographie wurde in Abhängigkeit vom klinischen Befund und der Ultraschall-Doppler-Untersuchung nach 2S Tagen durchgeführt.

Ergebnisse

eingesetzt.

Es gelang, vier der fünf Verschlüsse der V. subclavia vollständig wieder zu eröffnen, bei dem fünften Patienten kam es zu einer partiellen Eröffnung der Vene mit verbleibendem kurzstreckigem proximalem Verschluß

Kontraindikationen. Es galten die üblichen Kontraindikationen der fibrinolytischen Therapie. Zu den wenig beachteten relativen Kontraindikationen bei der Langzeitlyse wurden intramuskuläre

axillaris und brachialis kam es phlebographisch zu

allgemeinen langsam entwickelnden postthrombotischen Syndroms

wurde die Urokinase bevorzugt bei 25- bis 4ojährigen Patienten

Injektionen bis zu einer Dauer von 7 Tagen gezählt. Auch bei dieser Patientengruppe kam es, wie bereits früher beobachtet (8), in zwei Fällen als Folge außerhalb verabreichter, zunächst nicht angeführter intramuskulärer Injektionen zu schmerzhaften Glutäalhämatomen, die eine Dosisreduzierung erforderlich machten und

bei einem Patienten zum Abbruch der fibrinolytischen Therapie führten. Thera pieschema. Es wurde ein standardisiertes Urokinase-Hepa-

rin-Schema mittlerer Dosierung gewählt. Als Initialdosis gaben wir

loo 000 lE Urokinase (Serono) innerhalb von S-10 Minuten, als Erhaltungsdosis 1 000 000 IE/24 h, über die Perfusorpumpe; fünf übergewichtige

Patienten

erhielten eine

Erhaltungsdosis

von

2000000 IE/24 h. Heparin wurde von Anfang an in einer Dosierung von 800-1200 IE/h hinzugegeben und im weiteren Verlauf 0012-0472/79

0831 - 1241

der V. subclavia. Bei dem sechsten Patienten mit einem 6 Tage alten, traumatisch bedingten Verschluß der V. keiner Befundänderung.

Von den 26 Patienten mit Bein- und Beckenvenenthrombosen gelang es bei zwei Patienten, die 1-6 Wochen alten Thrombosen vollständig aufzulösen. Bei 17 Patienten kam es zu einer partiellen Wiedereröffnung der verschlossenen Gefäßabschnitte mit wesentlicher Besserung des venösen Abflusses. Sieben Patienten zeigten keine Zeichen einer Thombolyse.

Die Auswertung der hämostaseologischen Parameter daß die Fibrinogenspiegel mit zunehmender

zeigte,

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Ergebnisse der fibrinolytischen Therapie mit Urokinase bei älteren Phlebothrombosen

Trübestein u. a.: Urokinasetherapie älterer Phlebothrombosen

Dauer der fibrinolytischen Therapie eine fallende Tendenz zeigten, jedoch nur bei drei Patienten unter 1,0 g/l lagen. Die bisher bestimmten Plasminogenspiegel lagen im unteren Normbereich oder waren erniedrigt, jedoch stets meßbar. Nachbehandlung und Nachuntersuchung. Sämtliche Patienten wurden einer Dauerantikoagulation mit Phen-

procoumon (Marcumar) für ein bis anderthalb Jahre unterzogen. Die mit der Ultraschall-Doppler-Sonde und der Phlebographie durchgeführten Nachuntersuchungen ergaben bisher keine neuen Thrombosen im Bereich der eröffneten Venen. Zur Beurteilung der Klappenfunktion wurden bisher an acht Patienten Druckmessungen in der Fußrückenyene in Ruhe und unter Belastung durchgeführt. Bei vier Patienten war keine Drainagestörung festzustellen, bei weiteren vier Patienten mit verbliebenen Verschlüssen und partieller Rekanalisation fand sich ein leichtes bis mittelschweres postthrombotisches Syndrom (2).

Nebenwirkungen. Bei zwei Patienten kam es zu einer stärkeren Blutung, die bei einem Patienten den Abbruch der fibrinolytischen Therapie erzwang. Bei zwei Patienten entwickelten sich nach intramuskulären Injektionen schmerzhafte Glutäalhämatome, die zunächst eine Dosisreduzierung erforderlich machten und im weiteren Verlauf bei einem Patienten zum Abbruch der fibrinolytischen Therapie führten. Abgesehen von zwei Patienten, bei denen die Körpertemperatur während der UrokinaseTherapie anstieg, wurden keine Allgemeinreaktionen beobachtet. Eine Patientin mit einer drei Wochen alten tiefen

Thrombose der V. femoralis und V. poplitea starb am

Deutsche Medizinische Wochenschrjft

Erfolg gerechnet werden kann. Da größere Erfahrungen mit der Urokinase bisher nicht vorliegen, gibt es kein einheitliches Dosierungsschema. Das von uns verwandte Therapieschema entspricht einer mittleren Dosierung, wie sie auch von Tilsner (6) benutzt wird. Die Gabe von Heparin ist hierbei obligat, um eine Rethrombosierung eröffneter Gefäßabschnitte zu verhindern. Bedenken,

daß während der Gabe von Heparin mit einer

ange-

strebten Verlängerung der Thrombinzeit auf das Zwei- bis Vierfache eine Hemmwirkung auf die Fibrinolyse durch das als Plasmin-Inhibitor wirkende Antithrombin III auf-

tritt, teilen wir nach eigenen Erfahrungen ebenso wie andere Autoren nicht (4, 6). Die Blutungskomplikationen

sind bei der Urokinase-Dosierung von 1 000 000 bis 2 000 000 IE/24 h deutlich geringer als bei der üblichen Streptokinase-Therapie mit einer Erhaltungsdosis von 100 000 IE/h. Die Ergebnisse zeigen, daß es bei dem überwiegenden

Teil der 1-6 Wochen alten Venenthrombosen unter dem Einfluß einer standardisierten Urokinase-Heparin-Therapie zu einer deutlichen, phlebographisch nachgewiese-

nen Befundbesserung kam. Die bisher vorliegenden funktionellen Nachuntersuchungen mit der Phiebodynamometrie lassen darauf schließen, daß die Venenklappen in den eröffneten Gefäßen noch überwiegend funktions-

tüchtig sein müssen. Wegen der zur Zeit noch hohen Behandlungskosten setzen wir die Urokinase allerdings nur dann ein, wenn Kontraindikationen gegen die Streptokinase als Fibrinolytikum bestehen oder die Fortsetzung der fibrinolytischen Therapie über den sechsten Tag hinaus wünschenswert erscheint.

zweiten Tag der fibrinolytischen Therapie an einer Lungenembolie.

Literatur

Diskussion

Duckert, R., G. Müller, D. Nyman, A. Benz, S. Prisender, G. Madar, M. A. Da Silva, L. K. Widmet, H. E. Schmitt: Treatment of deep vein thrombosis with streptokinase. Brit.

Während für die Behandlung der akuten Venenthrombose sowohl das operative Verfahren mit dem FogartyKatheter als auch die fibrinolytische Therapie eingesetzt werden können, bleibt bei älteren Venenthrombosen die fibrinolytische Therapie die einzige therapeutische Maßnahme mit dem Ziel der Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes. Die gelegentlich bei tiefen Unterschenkelvenenthrombosen beobachteten Spontanlysen unter Heparin (1) sind bei ausgedehnten Oberschenkel- und Beckenvenenthrombosen unseres Wissens bisher nicht beobachtet worden. Ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche fibrinolytische Therapie scheint neben dem Alter der Thrombose die Dauer der Behandlung zu sein. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß bei ausgedehnten, tiefen Venenthrombosen im allgemeinen erst ab dem dritten Tag der fibrinolytischen Therapie mit einem Erfolg zu rechnen ist. Da die fibrinolytische Therapie mit Streptokinase infolge spezifischer Reaktionen auf etwa 6 Tage begrenzt und bei Spätlysen eine Verlängerung der Lysedauer oft wünschenswert ist, bietet sich für eine Langzeitlyse die nicht antigene, gut ver-

trägliche Urokinase an. So haben Erfahrungen von Tilsner und Mitarbeitern (5) mit der Urokinase-Therapie gezeigt, daß bei älteren Phlebothrombosen erst nach dem 7. bis 14. Tag der fibrinolytischen Therapie mit einem

med. J. 1975/1, 479.

May, R.: Technik und Anwendung der Venendruckmessung an einer chirurgischen Station. In: May, R., A. Kriessmann (Hrsg.): Periphere Venendruckmessung (Thieme: Stuttgart 1978).

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)5) Tilsner, V., E. Johannes, P. Kalmar, K. W. Westermann, M. Marcsek: Thrombolytische Therapie bei älteren venösen Gefäßverschlüssen. Med. Kim. 67 (1972), 16.

(6) Tilsner, v. Spätlysen von Venenthrombosen. Vasa 3 (1974), 458.

Trübestein, G., F. Etzel, A. Sobbe: Erfolgreiche fibrinolytische Therapie mit Urokinase bei einer 6 Wochen alten Bein- und Beckenvenenthrombose. Dtsch. med. Wschr. 99 (1974), 2457. Trübestein, G., H. Esser, A. Sobbe: Die fibrinolytische Therapie bei arterieller Verschlußkrankheit und Phlebothrombosen. Dtsch. med. Wschr. 100 (1975), 1687.

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Widmer, L. K., G. Madar, M. Tb. Widmer, H. E. Schmitt, F. Duckert: Tiefe Thrombophlebitis. In: Ehringer, H. (Hrsg.): Akute tiefe Becken- und Beinvenenthrombosen (Huber: Bern 1977).

Privatdozent Dr. G. Trübestein Medizinische Universitäts-Poliklinik 5300 Bonn 1, Wilhelmstr. 35-37 Privatdozent Dr. Th. Brecht Medizinische Universitätsklinik 5300 Bonn 1, Venusberg Dr. F. Etzel Institut für experimentelle Hämatologie und Bluttransfusionswesen der Universität 5300 Bonn 1, Venusberg

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[Fibrinolytic treatment with urokinase of post acute phlebothromboses (author's transl)].

Trübestein u. a.: Urokinasetherapie älterer Phlebothrombosen Nr. 35, 31. August 1979, 104. Jg. 12.41 Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1241-1242 © Geo...
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