Archives of Orthopaedic and Traumatic Surgery

Arch Orthop Traumat Surg 93, 145-148 (1979)

© J F Bergmann Verlag 1979

Metastasierendes Fibrosarkom der Halswirbelsiiule Fallbericht Ullrich Schierholz Orthopadische Universitatsklinik mit Poliklinik der Universitat Erlangen-Niirnberg (Direktor: Prof Dr D Hohmann), Rathsberger Stra 3e 57, D-8520 Erlangen, Bundesrepublik Deutschland

Fibrosarcoma of the Cervical Spine Case Report

Summary Primary malignant tumours of the cervical spine are very rare Perhaps only 30 reports of sarcoma of the cervical spine have appeared until today We are recording another case of fibrosarcoma, which was diagnosed initially as hysteric pain in gravidity by a 19-year-old girl The fibrosarcoma lateron metastasized into the third lumbar vertebra by a direct hematogenic pathway. Zusammenfassung Primare maligne Tumoren der Halswirbelsiule sind sehr selten Bis heute wurden diesbeziiglich nur zirka 30 Berichte ver6 ffentlicht Es wird fiber ein Fibrosarkom berichtet, welches anfanglich als

Schmerz im Rahmen einer Schwangerschaftshysterie bei einem 19 Jahre alten Midchen fehldiagnostiziert wurde Wahrscheinlich ist es im vorliegenden Fall direkt hamatogen zu einer Metastasierung in die Lendenwirbelsiule gekommen. Von allen Wirbeln sind die der Halswirbelsaule am seltensten von Metastasen eines Organkrebses befallen. Noch seltener sind eigenstandige Malignome der einzelnen Wirbelk 6 rper der HWS; in einer Sammelstatistik fanden Knoch und Dominok 1971 nur drei primare Sarkome der HWS unter 2513 Skelettgeschwiilsten Unseres Wissens wurde noch nie fiber ein Sarkom der HWS berichtet, das in andere Partien der Wirbelsiule direkt hamatogen metastasiert hat, wie hier in den 3 LWK.

Abb 1 K E , 19 Jahre; HWS 1 Jahr vor stationarer Aufnahme. Kn 6cherne Veranderungen kommen nicht zur Darstellung

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1976 berichteten Fielding und Fietti fiber den Fall eines primaren Osteosarkoms der HWS Gleichzeitig teilten sie in ihrem Bericht mit, da B seit 1925 in der amerikanischen Literatur nur iiber finf primare Sarkome der HWS berichtet worden sei.

Abb 2 K E , 20 Jahre; HWS bei stationarer Aufnahme Die kn 6cherne Struktur von HWK 3 ist ausge 16scht

U Schierholz: Metastasierendes Fibrosarkom der Halswirbelsaule

Im vorliegenden Fall berichten wir iber ein Fibrosarkom des 3 HWK. Unsere Patientin K E hatte im 19 Lebensjahr erstmals hartnackige rezidivierende Hals und Nackenschmerzen, deren Ursache unklar blieb Ein R6 ntgenbild der HWS war unauffillig (Abb 1) Damals trat durch physikalische Ma Bnahmen und Analgetika Beschwerdefreiheit ein. 1 Jahr spater rezidivierten die Schmerzen und exazerbierten ohne radikulire Symptomatik attackenweise so heftig in beide Arme, daB die Patientin suicidale Absichten u Berte Wegen inzwischen bestehender Schwangerschaft wurde keine neue R 6 ntgendarstellung angefertigt, bei einschlagiger Familienanamnese (eine Schwester hatte als Gravide passagere Lahmungen) wurde eine Schwangerschaftshysterie diagnostiziert Nach Entbindung zeigte bei Beschwerdepersistenz ein erneutes R 6 ntgenbild eine Ausl6schung der Knochensubstanz von HWK 3 (Abb 2) Unter dem Verdacht eines spezifischen Geschehens erfolgte die Uberweisung zu uns zwecks evtl operativer Therapie. Praoperative Untersuchungen zum Ausschlu B eines Malignoms zeigten eine unauffallige Scintigraphie der Schilddriise; eine '31J-Anreicherung der Skeletts kam ebenfalls nicht zur Darstellung Das Skelett-Scintigramm mit 98Sr hatte wegen der Oberlagerung im HWS-Bereich keinen verwertbaren Befund am Hals ergeben, zeigte jedoch eine unklare Aktivitatsanreicherung im LWS-Bereich Die entsprechende R6 ntgendarstellung (Abb 3) der LWS zeigte einen destruierenden Proze B am 3 LWK Die Patientin hatte hierjedoch keine Schmerzen; diese traten erst im Zusammenhang mit der postoperativen Zeit auf. Wir hatten uns angesichts der heftigen Schmerzsymptomatik unter der Verdachtsdiagnose ,,maligner

Abb 3 K E , 20 Jahre; LWS wahrend stationarer Behandlung. Destruktion von LWK 3

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U Schierholz: Metastasierendes Fibrosarkom der Halswirbelsiule

Tumor" zur operativen Revision des HWS-Befundes entschlossen Da ein intraoperativer Schnellschnitt eindeutige ossare Malignitatskriterien zeigte, entschlossen wir uns zur Palliativ-Osteosynthese mit PMMA, einer langen Corticalisschraube (Abb 4) und einer zusatzlichen Drahtcerclage. Postoperativ wurde eine Gipskrawatte angelegt. Die Schmerzfreiheit nach der Operation war von seiten des Halses und beider Arme beeindruckend, allmaihlich traten jedoch Kreuzschmerzen auf (s o ). Die histologische Aufarbeitung des intraoperativ entnommenen Knochenmaterials zeigte ein Fibrosarkom Inseln erhaltenen Knochens wurden von malignem Gewebe umgeben Der intraoperativ gewonnene Eindruck, da B der M longus colli von fischfleischahnlich sulzigem Gewebe durchsetzt sei, wurde im histologischen Schnitt aus den paraossiren Proben dokumentiert; das maligne Gewebe durchsetzte die quergestreifte Muskulatur Des weiteren erkennt man den Einbruch des Tumorgewebes in GefaBe, wie das Wachstum eines Tumorzapfens in einer kleinen Vene zeigt (Abb 5) Die Patientin kam alio loco nach einem halben Jahr ad exitum.

Diskussion der Befunde

Abb 4 K E , 20 Jahre; Intraoperatives Rontgenbild der Palliativ-Osteosynthese mit PMMA Spitze der Corticalis-Schraube in dens axis nach Einfalzung des Kopfes in HWK 5, zusitzliche Sicherung mit Drahtcerclage

Die Wirbelkorper der menschlichen Wirbelsaule sind von einem oder mehreren Gefa Ben durchsetzt jber die langen axialen Venensysteme der Wirbelsaule kommunizieren die Venen eines jeden Wirbels aus HWS, BWS und LWS untereinander Clemens (1961) fand, daf 3 diese Venenanatomie der Wirbelsaule wegen ihrer

Abb 5 K E , 20 Jahre; Histologischer Schnitt aus dem intraoperativ entfernten tumorosen Gewebe von HWK 3 Ein Tumorzapfen wachst nach Einbruch in einer kleinen Vene

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Klappenlosigkeit von Segment zu Segment die Kommunikation zula 13t, lediglich beeinflu Bt durch die Lage des K6 rpers im Raum unter dem Einflu B der Schwerkraft. Die Besonderheit des vorliegenden Falles ergibt sich aus dem histologischen Schnitt, der die enge Beziehung des Tumorgewebes zu der erkennbaren Vene darstellt (Abb 5). Wenn wir auch nicht iber einen histologischen Befund uiber die Veranderungen an LWK 3 verfigen, so interpretieren wir doch die hier dokumentierte destruierende Veranderung als hmatogen entstandene Wirbelsaulenmetastase eines b 6 sartigen WirbelsaulenInteressanterweise ist gerade der primartumors 3 LWK iberhaupt das haufigste Ziel in der menschlichen WS fuir Metastasen (Dominok und Knoch, 1971). Fur die iiberlassenen histologischen Schnitte danken wir Herrn Priv -Doz Dr Pesch, Pathologisches Institut der Universitit Erlangen-Niirnberg (Direktor: Prof Dr V Becker).

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[Fibrosarcoma of the cervical spine. Case report (author's transl)].

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