Klinische Studie

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Bulbustraumata durch Feuerwerkskörper von 2005 bis 2013

Autoren

J. D. Unterlauft, P. Wiedemann, P. Meier

Institut

Klinik & Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig

Schlüsselwörter " Trauma l " Feuerwerkskörper l " Epidemiologie l

Zusammenfassung

Abstract

!

!

Hintergrund: In der Silvesternacht gezündete Feuerwerkskörper können verschiedene Bulbustraumata hervorrufen, die oftmals eine aufwendige Akutversorgung erfordern. Die an unserer Klinik in den letzten 8 Jahren versorgten, durch Feuerwerkskörper hervorgerufenen Bulbustraumata sollen systematisch analysiert werden. Material und Methoden: Alter, Geschlecht, Seite, Verletzungsmuster, Versorgungsart und Folgen der an unserer Klinik von Silvester 2005 bis 2012 versorgten Patienten mit durch Feuerwerkskörper hervorgerufenen Bulbustraumata wurden ausgewertet. Zur statistischen Auswertung wurden die Augen in 2 Gruppen mit schweren und nicht schweren Traumata zusammengefasst. Ergebnisse: In den Silvesternächten der letzten 8 Jahre stellten sich insgesamt 122 Patienten (28 Frauen; 94 Männer; 26,2 ± 13,0 Jahre) mit 137 traumatisierten Augen (77 rechte, 60 linke Augen) in unserer Notfallambulanz vor. 24,6 % der Patienten waren ≤ 18 Jahre alt und 23,8 % der Patienten hatten den Feuerwerkskörper selber gezündet. 50 Augen von 46 Patienten (37,7 %) erlitten ein schweres Bulbustrauma. 26 Patienten (21,3 %) wurden stationär behandelt. 8 Augen (5,8%) erlitten eine penetrierende Verletzung oder eine Bulbusberstung und mussten primär operativ versorgt werden. Weitere 16 Augen (11,7%) erlitten ein schweres Trauma ohne Bulbuseröffnung und mussten zu einem späteren Zeitpunkt operativ versorgt werden. 11 Augen (8,0 %) erblindeten (Visus < 1/50) infolge des erlittenen Traumas. Geschlecht, Lateralität und die Rolle des Patienten beim Unfallhergang waren nicht signifikant unterschiedlich in beiden Gruppen. Das Alter des Patienten war in der Gruppe der schweren Bulbustraumata signifikant höher als in der Gruppe der nicht schweren Bulbustraumata (p = 0,01). Schlussfolgerung: Insbesondere nicht aktiv beteiligte junge Männer tragen ein hohes Risiko,

Purpose: Fireworks combusted during New Yearʼs Eve festivities can cause different eye traumas which often need complex reconstructive surgery. It was our aim to systematically analyse these eye trauma cases which were treated at our clinic during the last eight years. Materials and Methods: Age, gender, side, trauma mechanism, treatment methods and outcome were analysed for all eye trauma cases caused by fireworks during the New Yearʼs Eve celebrations from 2006 to 2013. For statistical analysis all trauma cases were divided into two groups of major and non-major eye trauma. Results: The total number of patients treated was 122 (28 women, 94 men, mean age 26.2 ± 13.0 years) with 137 traumatised eyes (77 right, 60 left). 24.6 % of patients were ≤ 18 years of age. 76.2 % were bystanders. 50 eyes from 46 patients (37.7 %) suffered from major eye trauma. 26 patients (21.3 %) were hospitalised. 8 eyes (5.8 %) suffered from a penetrating injury or globe rupture and underwent primary reconstructive surgery. Further 16 eyes (11.7 %) suffered from major eye trauma without open globe injury. In the aftermath 11 eyes (8.0%) went blind (visual acuity < 1/50). Gender, side and role of the patient were not significantly different between the two groups. Mean age was significantly higher in the major eye trauma group (p = 0.01). Conclusion: Young male bystanders have a high risk for suffering from eye trauma caused by fireworks. However older patients suffer from major eye trauma more often. More education and prophylaxis of eye trauma caused by fireworks is desirable.

Key words " Trauma l " fireworks l " epidemiology l

eingereicht 14. 12. 2013 akzeptiert 10. 2. 2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1368376 Online-publiziert 8.5.2014 Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 915–920 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Dr. med. Jan Darius Unterlauft Universitätsklinikum Leipzig Klinik & Poliklinik für Augenheilkunde Liebigstr. 10–14 04103 Leipzig jandarius.unterlauft@ medizin.uni-leipzig.de

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Firework-Related Eye Trauma from 2005 to 2013

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durch Feuerwerkskörper hervorgerufene Augenverletzungen zu erleiden, wobei ältere Patienten meist schwerer betroffen sind. Eine intensive Aufklärung und Verbesserung prophylaktischer Maßnahmen wäre wünschenswert.

Einleitung !

Häufig führt ein unsachgemäßer oder fahrlässiger Umgang mit Feuerwerkskörpern zu Verletzungen exponierter Körperteile wie dem Gesicht und dort im Speziellen der Augen [1–4]. Ungefähr ein Fünftel aller durch Feuerwerkskörper hervorgerufenen Verletzungen betreffen die Augen, wobei das Spektrum der Verletzungen von einfachen Läsionen des Oberflächenepithels bis zum kompletten Organverlust reicht [5–8]. Es werden insbesondere Einsprengungsverletzungen, Verbrennungen und Kontusionen des Auges beobachtet, in deren Mehrzahl eine Kombination " Abb. 1 und 2). verschiedener Schäden vorliegt (l In Deutschland werden dem diensthabenden Augenarzt in der Silvesternacht die meisten durch Feuerwerkskörper verursachten Verletzungen zur Behandlung vorgestellt. Es fällt auf, dass es sich bei den meisten Patienten um junge Männer handelt, die berichten, mit der Zündung des zum Trauma führenden Feuerwerkskörpers nichts zu tun gehabt zu haben. Diese Beobachtung findet sich häufig in der zum Thema veröffentlichten Literatur [5]. Die meisten

hierzu publizierten Untersuchungen wurden in den USA, Großbritannien und im skandinavischen Raum durchgeführt [4, 5, 9–12]. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, retrospektiv repräsentative medizinische und demografische Daten von Patienten zu sammeln, die sich im Verlauf der letzten 8 Jahre mit einem durch Feuerwerkskörper hervorgerufenen Bulbustrauma in unserer Notfallambulanz vorstellten. Zum Einzugsgebiet unserer Klinik gehört eine mittlere Großstadt und die umgebenden Landkreise mit einer Gesamteinwohnerzahl von ca. 1 Million Menschen. Die erhobenen Daten sollen mit veröffentlichten Daten aus anderen Ländern verglichen werden. Es sollte des Weiteren unterschieden werden zwischen nicht schweren Bulbustraumata, die ohne chirurgische Intervention abheilten, und schweren Bulbustraumata, die entweder operativ behandelt werden mussten oder mit Verletzungen von intraokularen Strukturen einhergingen. Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob das Alter, das Geschlecht, die Lateralität der Verletzung oder die aktive Rolle des Patienten am Unfallgeschehen bei schweren und nicht schweren Bulbustraumata signifikant unterschiedlich war.

Abb. 1 31-jährige weibliche Patientin mit schwerer Contusio bulbi et orbitae durch Silvesterrakete als Bystander. a, c, e Bei Erstvorstellung und b, d, f 5 Monate nach erlittenem Trauma. a Lidhämatom und Hautwunde mit Schmauchfremdkörper. b Tätowierungsartige Hautverfärbung durch Reste verbliebener Schmauchpartikel. c Aderhautruptur, Blutung und Berlinʼsches Ödem der Makula. d Aderhautnarbe und Pigmenepithelatrophie der Makula. e OCT-Aufnahme der Makula mit einsetzender (f) und ausgebildeter Photorezeptorschichtatrophie.

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Material und Methoden

Abb. 2 49-jähriger männlicher Patient mit Bulbusruptur durch selbst gezündete Batterie von Silvesterraketen. a Bei Erstvorstellung mit mehreren Hautwunden und implantiertem Schmauchfremdkörper im Unterlid. b Neun Monate nach dem Trauma mit einsetzender Phthisis bulbi und Hautverfärbung durch implantierten Fremdkörper im Unterlid. c Zwei Jahre nach dem Trauma mit angepasster Konjunktivalschale.

!

Ausgewertet wurden die Krankenakten derjenigen Patienten, die sich zwischen dem 30.12. und dem 3.1. eines Jahreswechsels zwischen den Jahren 2005 und 2013 mit einer durch Feuerwerkskörper verursachten Bulbusverletzung in unserer Notfallambulanz vorstellten. Als durch Feuerwerkskörper verursachte Bulbusverletzungen galten diejenigen Verletzungen, die durch das Abbrennen von Knallern, Raketen, Tischfeuerwerk und Wunderkerzen verursacht wurden. Jeder Patient wurde entsprechend seiner Beschwerden und des angegebenen Verletzungsmechanismus ophthalmologisch untersucht. Name, Alter, Geschlecht und Wohnort des Patienten wurden festgestellt. Zur Anamneseerhebung wurden Unfallhergang und ‑zeitpunkt erfragt. Darüber hinaus wurde jeder Patient über seine Rolle beim Unfallhergang befragt. Es wurde erfragt, ob der Patient selbst oder eine andere Person den Feuerwerkskörper gezündet habe. Zuerst wurde der bestkorrigierte Visus, der mit dem traumatisierten Auge zu erreichen war, ermittelt. Die übrige ophthalmologische Untersuchung fand bei ausreichender Kooperationsfähigkeit an der Spaltlampe statt. Kleinkinder und unkooperative Patienten wurden entweder in sitzender oder liegender Position mit der Handspaltlampe untersucht. Zur Erhebung des Vorderabschnittbefunds wurden Lider, Bindehaut, Sklera, Hornhaut, Vorderkammer, Regenbogenhaut und Linse auf pathologische Veränderungen oder etwaige vorliegende Fremdkörper untersucht. Der Augenhintergrund wurde soweit möglich mittels Funduslupe durch die neutrale Pupille hindurch untersucht. Der Augeninnendruck wurde mittels Applanationstonometer nach Goldmann gemessen. Fremdkörper der Bindehaut und Hornhaut wurden unter Tropfanästhesie an der Spaltlampe entfernt. Kleinere Hautläsionen wurden in Lokalanästhesie gesäubert und mittels Naht oder Pflasterverband versorgt. Die Lokaltherapie bestand in der Regel in der regelmäßigen Applikation von antibiotikahaltigen Augentropfen oder Salben. Schwere Verletzungen wurden stationär aufgenommen und intensiv antiinflammatorisch und antibiotisch behandelt oder, so die Indikation hierzu bestand, operativ versorgt. Offene Bulbusverletzungen mit oder ohne intraokularen Fremdkörper wurden zum nächstmöglichen Zeitpunkt operativ versorgt, d. h. binnen 24 Stunden nach eingetretenem Trauma. Zur statistischen Auswertung wurden die Traumata abhängig vom Schweregrad in 2 Gruppen eingeteilt. Als schwere Bulbusverletzungen galten solche mit Verletzungen intraokularer Strukturen, wenn eine stationäre Behandlung oder operative Intervention notwendig waren. Die übrigen Bulbusverletzungen wurden in der Gruppe der nicht schweren Traumata zusammengefasst. Ausgewertet wurden Alter, Geschlecht, Lateralität und Rolle des Patienten beim Unfallhergang. Patienten, die nicht aktiv an der Zündung des zur Verletzung führenden Feuerwerkskörpers beteiligt waren, werden im Folgenden als Bystander bezeichnet. Es wurde ausgewertet, ob die Verletzung durch die Explosion eines Knallers, einer Silvesterrakete oder durch Funkenflug verursacht wurde. Es wurden weiterhin Details zur Verletzung ausgewertet. Dabei wurde für jedes Auge festgestellt, ob Lidhämatome, Lidwunden, Verbrennungen der Haut, Bindehautreizung, Bindehautfremdkörper, Hyposphagma, (subtarsale) Bindehautfremdkörper, Hornhautverletzungen, Hornhautfremdkörper, schwere Kontusionen mit Verletzungen der Iris und Iridoplegien, Zonuladefekte, traumatisch bedingte Linsentrübungen oder Linsenverluste, Verletzungen der Netzhaut wie Berlin-Ödem oder Netzhautrisse, schwere Bulbusverletzungen mit und ohne Eröffnung

der Bulbuswand bei der Vorstellung in unserer Ambulanz vorlagen. Darüber hinaus wurden auch die Folgen der Verletzungen ausgewertet. Es wurde geprüft, ob Lidnarben, Hornhautnarben, Irisdefekte, Iridoplegien, Zonuladefekte, Katarakte, Linsenverluste, Aderhautnarben, Netzhautnarben, Netzhautablösungen, therapiebedürftige Sekundärglaukome oder eine Phthisis bulbi durch das erlittene Trauma hervorgerufen wurden. Auch der bestkorrigierte Visus wurde analysiert. Bei den schweren Traumata wurde der Visus bei der letzten Wiedervorstellung in unserem Hause zur statistischen Auswertung herangezogen. Ob und für wie viele Tage eine stationäre Behandlung aufgrund des erlittenen Traumas notwendig war, wurde ebenso untersucht wie die Anzahl der Operationen für jedes behandelte Auge. Schließlich wurden für jedes Auge der Ocular Trauma Score (OTS) ermittelt und für die Gesamtgruppe und beide Untergruppen Mittelwert und Standardabweichung errechnet [13]. Die Datenerhebung erfolgte mit Excel© (Microsoft; Redmond, USA). Die statistische Auswertung erfolgte mit SPSS (Version 12.0; Chicago, IL, USA). Alter, Visus und stationäre Verweildauer wurden als Mittelwert ± Standardabweichung angegeben. Zur statistischen Auswertung wurden die Augen in 2 Gruppen – schwere und nicht schwere Traumata – zusammengefasst und zusammen ausgewertet. Zum Vergleich von Alter, Geschlecht, Lateralität und Rolle des Patienten beim Unfallhergang zwischen den beiden Gruppen wurde der t-test für unabhängige Gruppen angewandt, wobei ein p < 0,05 als statistisch signifikant angesehen wurde.

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Abb. 3 Altersverteilung in der Gesamtgruppe der behandelten Patienten.

Ergebnisse !

Im Rahmen der Auswertung der Krankenakten der sich in den Silvesternächten von 2005 bis 2012 in unserer Notfallambulanz vorgestellten Patienten fanden sich insgesamt 122 Patienten mit 137 durch Feuerwerkskörper hervorgerufenen Bulbustraumata. Es stellten sich 94 Männer (77,0 %) und 28 Frauen (23,0 %) mit einem mittleren Alter von 26,2 ± 13,0 Jahren vor (1–72 Jahre, Median 23 Jahre). 30 Patienten (24,6%) waren ≤ 18 Jahre alt. Die Altersverteilung zeigte eine deutliche Häufung in der Patienten" Abb. 3). gruppe mit einem Lebensalter von 20 bis 30 Jahren (l 93 Patienten (76,2 %) waren Bystander. Die restlichen 29 Patienten (23,8 %) waren selbst an der Zündung des zum Unfall führenden Feuerwerkskörpers beteiligt. Für die Gesamtgruppe fand sich ein mittlerer OTS von 93,4 ± 16,0. Bei den traumatisierten Augen handelte es sich um 77 rechte (56,2 %) und 60 linke Augen (43,8 %). In der Gesamtgruppe wurden 85 Verletzungen (62,0 %) durch Knaller, 42 Verletzungen (30,7 %) durch Raketen und 10 Verletzungen (7,3%) durch Funkenflug verursacht. Der mittlere Endvisus in der Gesamtgruppe lag bei 0,23 ± 0,45 logMAR. Von dieser Berechnung waren die 7 Augen (5,1 %), die am Ende der Behandlung keine Lichtwahrnehmung mehr hatten, ausgeschlossen. Es fanden sich im Gesamtkollektiv 11 Augen (8,0 %) mit einer Erblindung nach dem Gesetz (Visus < 1/50). Unter den Patienten mit einem erblindeten Auge fanden sich 9 Männer und 2 Frauen, wovon 8 Bystander waren und 3 selbst den zum Trauma führenden Feuerwerkskörper zündeten. Eine detaillierte Auflistung der durch Feuerwerkskör" Tab. 1 für die Gesamtper verursachten Verletzungen ist in l gruppe so wie für die beiden Untergruppen der schweren und " Abb. 4 ist die nicht schweren Bulbustraumata abgebildet. In l Entwicklung der Fallzahlen in Abhängigkeit vom jeweiligen Behandlungsjahr dargestellt.

Nicht schwere Bulbustraumata In der Gruppe der nicht schweren Bulbustraumata handelte es sich meist um Bindehaut- und/oder Hornhautfremdkörper, Erosio corneae und leichte Kontusionsverletzungen des Bulbus ohne weitere schwerwiegende intraokulare Verletzungen. In dieser Untergruppe befanden sich 76 Patienten mit einem mittleren Lebensalter von 24,3 ± 12,2 Jahre (1–63 Jahre, Median 22,5 Jahre).

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Tab. 1 Anzahl der an den untersuchten Augen festgestellten Verletzungen für die untersuchte Gesamtgruppe so wie für die Untergruppen der schweren und nicht schweren Traumata.

Lidverletzung Lidhämatom Verbrennungen der Haut BH-Reizung Hyposphagma BH‑FK subtarsaler FK HH‑FK HH-Erosio HH-Verletzung Contusio (schwer) Hyphäma Iridoplegie Irisverletzung Zonulolyse Katarakt Linsenverlust Aderhautruptur Berlin-Ödem Wunde ohne Eröffnung Wunde mit Bulbuseröffnung

Gesamt-

schwere

nicht schwere

gruppe

Traumata

Traumata

46 34 22 124 16 28 21 25 85 6 41 32 18 19 9 6 2 13 11 5 8

30 22 13 41 10 12 2 7 27 6 39 32 18 19 9 6 2 13 11 5 8

16 12 9 83 6 16 19 18 58 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Hierunter befanden sich 56 Männer (73,7 %) und 20 Frauen (26,3 %). 46 rechte (52,9 %) und 41 linke (47,1 %) Augen waren betroffen. Verursacher des Traumas war bei 55 Augen ein explodierender Knaller (63,2 %), bei 24 Augen eine Rakete (27,6 %) und bei den restlichen 8 Augen Funkenflug (9,2%). Der mittlere Endvisus an diesen Augen lag bei 0,1 ± 0,2 logMAR. Bei 44 Augen (50,6 %) wurde ein oberflächlicher Fremdkörper an der Spaltlampe entfernt. Keines der Augen erblindete in der Folge des erlittenen Traumas. Für die Gruppe der nicht schweren Bulbustraumata fand sich ein mittlerer OTS von 98,6 ± 5,0.

Schwere Bulbustraumata In der Gruppe der schweren Bulbustraumata befanden sich 50 Augen von 46 Patienten. Damit erlitten 36,5 % aller Augen und

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37,7 % aller von uns während der Jahreswechsel von 2005 bis 2013 behandelten Patienten ein schweres Bulbustrauma. Hierunter befanden sich 38 Männer (82,6 %) und 8 Frauen (17,4 %) mit einem mittleren Lebensalter von 29,3 ± 13,9 Jahren (7–72 Jahre, Median 25 Jahre). Es handelte sich um 31 rechte (62 %) und 19 linke (38 %) Augen. 37 der Patienten in dieser Gruppe waren Bystander (80,4 %). Verursacher der schweren Traumata war bei 30 Augen (60 %) ein explodierender Knaller, bei 18 Augen (36%) eine Rakete und bei 2 Augen (4%) Funkenflug. Bei 8 Augen (16%) lag eine Berstungsverletzung vor, die umgehend einer operativen Bulbusrekonstruktion in Intubationsnarkose zugeführt werden musste. Der mittlere Endvisus der in dieser Gruppe zusammengefassten Traumata lag bei 0,51 ± 0,65 logMAR. In der Gruppe der schweren Bulbustraumata fand sich ein mittlerer OTS von 83,0 ± 22,8. 26 der Patienten (56,5 %) mit schweren Bulbustraumata mussten zur operativen Versorgung oder Überwachung stationär aufgenommen werden. Insgesamt ergaben sich aus diesen 26 Patienten 264 vollstationäre Behandlungstage im Krankenhaus, also im Durchschnitt 10,2 Tage stationäre Behandlungstage pro Patient. Von den 50 schwer traumatisierten Augen mussten 24 (48%) einer oder mehreren operativen Versorgungen zugeführt werden. Dabei wurde an diesen 24 Augen insgesamt 43 Operationen durchgeführt. Unter den operativ versorgten Bulbustraumata befanden sich 21 Männer (87,5 %), 3 Frauen (12,5 %), 15 rechte (62,5 %) und 9 linke Augen (37,5%). Der mittlere Endvisus an diesen Augen lag bei 0,8 ± 0,7 logMAR, wobei bei 7 Augen (29,2 %) am Ende der Behandlung keine Lichtscheinwahrnehmung mehr vorlag. 11 Augen (22 %) in der Gruppe der schweren Bulbustraumata erblindeten, wobei 7 Augen jede Lichtscheinwahrnehmung verloren. Sechs Augen (12 %) wurden in der Folge des schweren Traumas phthitisch und 2 dieser Augen mussten wegen weiterer Komplikationen zu einem späteren Zeitpunkt enukleiert werden.

Statistische Auswertung Der t-Test für unabhängige Gruppen zeigte keine signifikanten Unterschiede in der Verteilung der schweren und nicht schweren Bulbusverletzungen zwischen Männern und Frauen (p = 0,35), rechtem und linkem Auge (p = 0,26) oder Bystandern und selber

aktiv beteiligten Patienten (p = 0,52). Verglich man die Altersverteilung zwischen den beiden untersuchten Gruppen von Bulbusverletzungen, so zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen mit durchschnittlich älteren Patienten in der Gruppe der schweren Bulbustraumata (p = 0,01).

Diskussion !

Die Auswertung der an unserer Klinik von 2005 bis 2013 behandelten, durch Feuerwerkskörper hervorgerufenen Bulbustraumata zeigt, dass es sich bei der Mehrzahl der Patienten um junge Männer handelt, die meist an der Zündung des Feuerwerkskörpers nicht direkt beteiligt sind. 24,6 % der Patienten mit durch Feuerwerkskörper verursachten Bulbusverletzungen waren jünger als 18 Jahre. Diese auffällige Häufigkeitsverteilung wurde auch schon von anderen Autoren beschrieben und könnte mit dem meist aggressiveren und risikobereiteren Verhalten dieser Personengruppe erklärt werden [5, 9, 10, 14]. Bei einem nicht geringen Anteil von 36,5 % der von uns behandelten Verletzungen handelte es sich sogar um schwere Bulbustraumata, welche stationär und/oder operativ versorgt werden mussten, oder mit schwerwiegenden intraokularen Verletzungen einhergingen. In der Gesamtgruppe der von uns untersuchten Patientenverläufen erblindeten 11 Augen, 6 Augen wurden phthitisch und 2 Augen entwickelten eine Phthisis dolorosa und wurden in der Folge des erlittenen Traumas enukleiert. Durch Feuerwerkskörper verursachte Verletzungen des Auges und der okulären Adnexe können schwerwiegende Folgen bis zum kompletten Funktionsverlust des Auges oder kosmetisch entstellenden Verletzungsfolgen für den Patienten haben. Der Umgang mit Feuerwerkskörpern wird in Deutschland durch das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe, das sogenannte Sprengstoffgesetz (SprengG), geregelt. Hierin wird seit 2009 die Richtlinie 2007/23/EG umgesetzt, durch die pyrotechnische Gegenstände in Kategorien eingeteilt werden und nicht mehr wie bis 2009 üblich in Klassen. Für Raketen galt bis dahin eine maximale Knallsatzmenge von 6 g Schwarzpulver, was nun auf eine Menge von 10 g je Rakete angehoben wurde. Für Batterien von Knallkörpern ist eine Netto-Explosivstoffmasse (NEM) von bis

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Abb. 4 Entwicklung der Anzahl von Patienten, verletzten Augen, notwendigen Operationen und Erblindungen im Untersuchungszeitraum zwischen 2005 und 2013.

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zu 500 g erlaubt. Zu erwähnen bleibt auch, dass diese Mengen von Sprengstoff vom 28. bis 31.12. jeden Jahres frei im Handel erhältlich sind. In der Folge der Anhebung dieser Grenzwerte zeigte sich ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen zu den Jahreswechseln " Abb. 4). Dass das 2009/2010 und 2010/2011 an unserer Klinik (l unkontrollierte Zünden solcher Mengen von Sprengstoff zum Jahreswechsel, oftmals durch alkoholisierte Personen, zum Auftreten von schweren Verletzungen und insbesondere Bulbustraumata führen muss, ist logisch. Kuhn et al. zeigten bereits in einer Auswertung von 4150 Fällen, die in einem Zeitraum von 16 Jahren an das Eye Injury Registry of Alabama (EIRA) gemeldet wurden, dass die Mehrzahl der Patienten, die ein Bulbustrauma durch Feuerwerkskörper erleiden, junge männliche Personen sind, die mehrheitlich an der Zündung des zum Bulbustrauma führenden Feuerwerkskörpers nicht beteiligt sind [9]. Anhand einer multizentrischen Untersuchung über 3 Jahre in Westschweden konnte ebenfalls gezeigt werden, dass es sich bei den Patienten mit durch Feuerwerkskörper hervorgerufenen Bulbusverletzungen meist um junge, unbeteiligte Männer handelt [12]. Eine Auswertung von 26 zum Thema veröffentlichten Artikeln zeigte ebenfalls, dass meist junge, unbeteiligte Männer durch Feuerwerkskörper bedingte Bulbustraumata erleiden [5]. Von den zwischen 2005 und 2013 von uns behandelten Patienten waren 77 % männlich und 76,2 % Bystander mit einem mittleren Patientenalter von 26,2 ± 13,0 Jahren. Uns ist es durch die Einteilung der Augen in schwere und nicht schwere Bulbustraumata gelungen, einen Zusammenhang zwischen der Schwere des Traumas und dem Alter des Patienten aufzuzeigen. So lag das Alter der Patienten in der Gruppe, die ein schweres Bulbustrauma erlitt, signifikant höher als in der Gruppe mit den nicht schweren Traumata (p = 0,01). Der Grund hierfür könnte möglicherweise die zunehmende Reaktionszeit im höheren Lebensalter sein [15]. Möglicherweise spielen auch die größeren finanziellen Möglichkeiten älterer Personen im Vergleich zu jüngeren hier eine Rolle. Kein Zusammenhang konnte zwischen der Schwere des erlittenen Traumas und dem Geschlecht des Patienten, der Seite des Traumas und der Rolle des Patienten beim Unfallhergang nachgewiesen werden. Anhand verschiedener Untersuchungen konnte bereits gezeigt werden, dass die Zahl der durch Feuerwerkskörper verursachten Bulbustraumata durch präventive oder legislative Maßnahmen wenn nicht komplett vermeidbar, so doch deutlich reduzierbar sind. In Dänemark konnte bspw. die Prävalenz dieser Verletzungen durch eine gezielte Aufklärung und die Empfehlung, Schutzbrillen zu tragen, gemindert werden [11]. In Norwegen wurden seit 2006 Schutzbrillen gratis zu jedem Kauf von Feuerwerkskörpern mitgegeben und seit 2008 Raketen komplett verboten, was zu einer Abnahme von durch Feuerwerkskörper verursachten Augenverletzungen führte [16]. Das Gegenteil zeigte sich in Nordirland, wo 1996 das strikte Verbot für den Besitz und Gebrauch von Feuerwerkskörpern aufgehoben wurde, was wie zu erwarten zu einem deutlichen Anstieg von durch Feuerwerkskörper verursachten Bulbusverletzungen führte [4]. Kuhn und Kollegen verglichen die Prävalenz solcher Verletzungen in Alabama, wo der Besitz und Gebrauch von Feuerwerkskörpern erlaubt ist, mit der in Ungarn, wo ein striktes Verbot für den privaten Besitz von Feuerwerk gilt [9]. Die Prävalenz solcher Verletzungen war erwartungsgemäß in Alabama signifikant höher als die in Ungarn. Als Konsequenz hieraus könnte eine verstärkte Aufklärung und eine Empfehlung präventiver Maßnahmen, wie das Tragen von Schutzbrillen, zum Zwecke einer Abnahme von Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper eingesetzt werden.

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Eine entsprechende Empfehlung zur Durchsetzung einer solchen legislativen Maßnahme in der BRD wäre wünschenswert. In Ländern mit einem strikten Verbot oder restriktiveren Gesetzen, was den Verkauf und Besitz von Feuerwerkskörpern betrifft, ist die Rate für durch diese hervorgerufene Bulbustraumata 87 % geringer als in Ländern ohne eine solche Einschränkung [5]. Die Folgen solcher Verletzungen sind divers und können von kleineren Verletzungen der Haut bis zum kompletten Verlust von Körperteilen oder eines Sinnesorgans wie dem Auge führen [17]. Über einen Zeitraum von 8 Jahren mussten in unserer Klinik 137, teils schwere, durch Feuerwerkskörper verursachte Augenverletzungen behandelt werden, wobei 11 Augen in der Folge der erlittenen Verletzungen erblindeten. Meist handelt es sich bei den Patienten um junge, unbeteiligte Männer. Es bleibt zu untersuchen, welchen volkswirtschaftlichen Schaden eine solche Verletzung verursacht. Des Weiteren bleibt zu klären, ob dieses weiter in Kauf genommen werden soll oder entsprechende Konsequenzen, wie anderswo bereits geschehen, gezogen werden sollen.

Interessenkonflikt !

Nein.

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[Firework-related eye trauma from 2005 to 2013].

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