Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten | Commentary

Nahrungsmittelunverträglichkeiten Food intolerances S. C. Bischoff1 Ernährungsmedizin Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten | Commentary

Schlüsselwörter Nahrungsmittelunverträglichkeit Immuntherapie peanut allergy Kohlenhydrat-Malabsorption FODMAP Glutenunverträglichkeit

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Keywords food intolerance immunotherapy peanut allergy carbohydrate malabsorption FODMAP gluten intolerance

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Was ist neu? 3Sublinguale Immunotherapie (SLIT) und orale Immunotherapie (OIT) bei Erdnussallergie: Die SLIT ist sicher und effektiv bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 3Nahrungsmittelallergien bei Vorschulkindern: Unzureichende Betreuung, Aufklärung und Versorgung mit Notfallsets führt zu vermeidbaren Komplikationen und Einschränkungen in der Lebensqualität. 3FODMAP-Intoleranz: Meiden von Oligo-, Di-, u. Monosacchariden sowie Polyolen in der Nahrung bringt in etwa 50 % Besserung von Darmbeschwerden bei unspezifischen Nahrungsmittelintoleranzen. 3Das Thema Getreideunverträglichkeiten wird komplexer: Neben Zöliakie gibt es offensichtlich andere Formen von Glutenunveträglichkeiten bzw. Weizenunverträglichkeiten, die nicht IgE-vermittelt sind.

Sublinguale Immunotherapie (SLIT) und orale Immunotherapie (OIT) bei Erdnussallergie ▼

Institut Institut für Ernährungsmedizin, Universität Hohenheim, Stuttgart Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370198 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 1596–1598 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. S. C. Bischoff Institut für Ernährungsmedizin Universität Hohenheim 70593 Stuttgart, Germany Tel. 0711/459-24101 Fax 0711/459-24343

Die Erdnussallergergie gehört mit 1,3 % Prävalenz zu den häufigen Nahrungsmittelallergien in der Bevölkerung [14]. Sie kann zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen führen, u. a. weil das Erdnussallergen sehr resistent gegenüber Hydrolyse und anderen gastrointestinalen Verdauungsprozessen ist [6]. Die Therapie basiert auf 3 Vermeidung von Exposition, was dadurch erschwert wird, dass bereits kleinste Mengen schwere Reaktionen auslösen können, und 3 Vermeidung von lebensbedrohlichen Komplikationen, indem die Betroffenen ein „Notfallset'“ aus Adrenalin-Autoinjektor, Kortikosteroid und Antihistamininikum in flüssiger Form mit sich führen. In den letzten Monaten sind klinische Arbeiten publiziert worden, die eine wichtige weitere Therapieoption offerieren, die Immunotherapie, auch „Hyposensibilisierung“ genannt. Fleischer et al. [9] aus Denver konnten an 40 Probanden mit nachgewiesener Erdnussallergie zeigen, dass eine sublinguale Immunotherapie (SLIT) wirksam ist. Die Probanden waren 12–37 Jahre alt und wurden zunächst mit 2 g Erdnusspulver provoziert. Nach 44 Wochen Therapie war bei 14/20 (70 %) in der Verum-Gruppe und bei 3/30 (15 %)

in der Kontrollgruppe eine Besserung zu verzeichnen. Die vertragene Menge konnte bei den Respondern von 3,5 auf 496 mg (nach 44 Wochen) bzw. 996 mg (nach 68 Wochen) gesteigert werden. Nach 44 Wochen waren die Responder weitgehend beschwerdefrei bei üblichen Expositionen. Von über 10 000 Reaktionen blieben 63 % ohne Symptome. Wenn man die eher harmlosen oralen Symptome ausklammert, blieben sogar 95 % ohne Symptome. Die SLIT konnte sicher durchgeführt werden. Die zweite Arbeit, eine Crossover-Studie aus Cambridge, UK, untersuchte die Wirksamkeit einer oralen Immunotherapie (OIT) bei Kindern im Alter von 7–16 Jahren mit Erdnussallergie und vorwiegend gastrointestinalen Symptomen [1]. Bei 24/39 der Kinder in der Verumgruppe (62 %) war die Desensibilisierung erfogreich. Die tolerierte Erdnusspulvermenge konnte um 1345 mg (Median) bzw. 25-fach erhöht werden. Nur wenige milde Nebenwirkungen traten bei OIT auf. Lediglich bei einem Patienten mussten die Symptome mit Adrenalin behandelt werden. Die Lebensqualität konnte durch die Behandlung deutlich gesteigert werden. In einer retrospektiven Analyse an 352 Patienten wurde kürzlich bestätigt, dass nur 95 von 240 351 Expositionen (0,04 %) eine Behandlung mit Adrenalin erforderten [17]. Nach einer Studie von Vickery et al. [16] von der University of North Carolina School of Medicine, Chapel Hill, USA hält der protektive Effekt von OIT über die Zeit der Desensibilisierung hinaus an.

Klinische Relevanz Bei Patienten mit klinisch relevanter Erdnussallergie sollte eine orale bzw. sublinguale Immunotherapie erwogen werden.

Nahrungsmittelallergien bei Vorschulkindern ▼ In einer Studie an 512 Kindern im Alter von 3–15 Jahren wurde über eine Nachbeobachtungszeit von ca. 36 Monaten die Wirkung von OIT auf Erdnuss und andere Nahrungsmittelallergene untersucht [10]. In dieser Zeit kam es bei 367 von 512 Kindern zu insgesamt 1171 Reaktionen, was einer Reaktionsrate von 0,81 entspricht. Die meisten Reaktionen wurden durch Milch (42 %), Ei (21 %) und Erdnuss (8 %) ausgelöst. Von den 11,4 % schweren anaphylaktischen Reaktionen

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Nahrungsmittelallergien sind nicht nur ein Risiko für lebensbedrohliche anaphylaktische Reaktionen, sondern auch für die Lebensqualität von Betroffenen und im Fall von (Klein-)Kindern deren Eltern. Die Selbst-Regulation („self regulation"), d. h. das angeleitete Selbst-Engagement im Umgang mit der Erkrankung kann das Selbstvertrauen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern [2].

Getreide-/Weizen-/Gluten-Intoleranzen

Mechanismus

allergisch

autoimmun

Trigger

Weizenproteine

Gluten, ATIs & Autoantigene

Krankheit

Weizenallergie

Zöliakie

Krankheitsformen

Bäckerasthma Bäckerrhinitis Anstrengungsinduziertes Asthma (WDEIA*) Weizenallergie (IgE-abhängig)

Symptomatische Stille Mögliche Zöliakie

FODMAP-Intoleranz ▼ Zuckerunverträglichkeiten wie Fruktoseund Laktoseunverträglichkeit sind hinreichend bekannt. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass auch kleinmolekulare Kohlenhydrate, „Fermentable Oligo-, Di-, Monosaccharides and Polyols“ (FODMAP), Auslöser gastrointestinaler Intoleranzen sein können. Diese fermentierbaren kurz- und mittelkettigen Kohlenhydrate (Mono-, Di- und Polysaccharide) sowie Zuckeralkohole (Polyole) kommen in zahlreichen natürlichen, aber auch in verarbeiteten Lebensmitteln vor und werden im Darm oft schlecht absorbiert. Dadurch können sie in das Kolon gelangen, wo sie von Bakterien metabolisiert werden. Die dabei entstehenden Gase verursachen abdominelle Symptome wie Schmerzen, Blähungen und Flatulenz. Auch können FODMAP Diarrhöe bewirken, indem sie im Dickdarm Wasser binden, d. h. osmotische Wirkung entfalten. FODMAP können deshalb für Beschwerden im Gastrointestinaltrakt, wie sie bei Intoleranzen, aber auch bei Reizdarmsyndrom und chronisch-entzündli-

Gluten

ATIs**

FODMAP

Getreide/Gluten-Intoleranz

NCGS (Non-Celiac-Gluten Sensitivity) Andere Formen von Weizen/ Getreideintoleranzen

*wheat-dependent exercise-induced asthma, **wheat amylase-trypsin inhibitors

Abb. 1 Differenzialdiagnose der Getreide- bzw. Weizen- oder Glutenunverträglichkeit (Erläuterungen siehe Text). FODMAP: fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols

chen Darmerkrankungen auftreten, (mit)verantwortlich sein [3, 15].

Klinische Relevanz Bei Kindern mit klinisch relevanter Nahrungsmittelallergie ist eine umfassende Aufklärung und Edukation der Betroffenen (Kinder soweit möglich, Eltern) sowie eine Ausstattung mit einem „Notfallset“ an Medikamenten (Adrenalin, Kortikosteroid, Antihistaminikum) obligatorisch.

andere Mechanismen

Neue klinische Studien zeigen nun, dass eine FODMAP-arme Diät tatsächlich eine Verbesserung von Symptomen bei Patienten mit Reizdarmsyndrom [8, 11] und bei der „Nicht-Zöliakie-Gluten-Sensitivität“ (NCGS, s. u.) [5] bewirkt. De Roest et al. von der University of Otago in Neuseeland untersuchen den Effekt von FODMAP-armer Diät an 90 Patienten mit Reizdarmsyndrom über eine mittlere Beobachtungsdauer von 16 Monaten [8]. Die meisten Symptome wie Schmerzen, Blähungen, Flatulenz und Diarrhö konnten verbessert werden, insbesondere bei solchen Patienten, die einen positiven H2-Atemtest auf Fruktose aufwiesen. 72 % der Patienten waren mit dem Effekt zufrieden und 3/4 hielten sich über den Zeitraum an die Diätvorgaben. In der neuesten Studie zu diesem Thema wurden 38 Personen (30 mit Reizdarmsyndrom, 8 Gesunde) eingeschlossen und im Cross-over-Design über je 21 Tage mit FODMAP-Diät ( 

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