Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 202,175-180 (1977)

G r a e f e s Archiv forklinischeundexperimentelle

Ophthalmologie 9 by Springer-Verlag 1977

Folgefrequenz der Pupille bei flimmernden Lichtreizen E. A l e x a n d r i d i s und M. M a n n e r

Universit/its-Augenklinik Heidelberg (Gesch. ~irztl. Direktor: Prof. Dr. W. Jaeger) Abt. Klinische experimentelle Ophthalmologie (~,rztl. Direktor: Prof. Dr. E. Alexandridis), Bergheimerstrage, D-6900 Heidelberg, Bundesrepublik Deutschland

Frequencyof the Pupillary Response Following Flicker Stimuli Summary. Pupillary function was tested in 3 different age groups (20-30, 40-50, 6 0 - 7 0 years) of 8 patients each. The pupillary response was picked up by means of a portable IR-reflex-pupillometer, which registered the consensual pupillary light reflex in one eye, while the other eye was stimulated by flashes of different frequencies. Measurements were made of how many Hertz (Hz) the pupil dilated in the dark phases(intervals) between the flashes (flicker-fusion frequency). In the younger age group an average value of 3.15 Hz was obtained, the middle group fused at 2.89 Hz, the older group at 2.61 Hz. These differences are explained mainly by muscular and vascular degeneration of the iris.

Zusammenfassung.Bei je acht gesunden Probanden aus verschiedenen Altersgruppen (20 bis 30, 40 bis 50, und 60 bis 70 Jahren) wurde die Funktionstiichtigkeit der Pupille gepriift. Zur Registrierung des Pupillenspiels diente ein tragbares IR-Reflexpupillometer, mit welchem an einem Auge der konsensuelle Pupillenlichtreflex abgeleitet wurde. Das andere Auge wurde mit Lichtblitzen verschiedener Frequenzen gereizt. Es wurde festgestellt bei wieviel Hertz sich die Pupille in der zwischen den Lichtreizen verbleibenden Dunkelphase noch 6ffnet (,,Flimmerfusionsfrequenz"). In der jtingsten Altersgruppe ergab sich ein Durchschnittswert yon 3,15 Hz, in der mittleren von 2,89 Hz, in der ~iltesten yon 2,61 Hz. Diese Unterschiede werden haupts~ichlich durch Degenerationen im Muskelund Gefiigbereich der Iris erkl~irt. Wie jedes andere Organ ist auch die Iris im Verlaufe des Lebens degenerativen Prozessen unterworfen. Die Dehnbarkeit des Irisstromas nimmt im Alter deutlich ab (Vogelsang, 1960) und die zunehmende Festigkeit des Bindegewebes schr~nkt die

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Pupillenbewegung ein, sodag im Senium Verengerungen der Irisblende tiberwiegen (Behr, 1924; Lange, t954; Morone, 1971). Gliem (1971) untersuchte den Pupillendurchmesser in Dunkeladaptation bei Gesunden und Diabetikern und stellte dabei lest, d ~ sich die Pupille beim Zuckerkranken in Dunkelhek nicht so weir 6ffnet wie beim Gesunden. Auf~erdem fand er eine herabgesetzte Lichtreflexamplitude, eine normale Kontraktionszeit sowie eine verminderte Reaktion auf Doppel- und Flimmerreize. Im Gegensatz konnten Loewenfeld und Newsome (1971 a, b) eine mechanische Begrenzung der Pupillomot0fik durch die Blutgef~ige der Iris nicht finden. So bleibt die Frage often, ob ausschlieglich muskul/ire Ursachen wirksam werden oder ob nicht die tiberh6hte Regidit~it der Gef~ige yon Longtime-Diabetikern die normale Erweiterung der Pupille im Dunkeln behindert. Im Folgenden wird tiber Ergebnisse eigener Untersuchungen berichtet, die mit der Fragestellung durchgeftihrt wurden, ob und inwieweit die physiologischen Altersver~inderungen der Iris und insbesondere deren Gefiige die Pupillomotorik beeinflussen. Bei Probanden aus 3 verschiedenen Altersgruppen wurde die Reaktion der Pupille auf schnell hintereinander folgende Lichtreize geprtift. Mit den dabei gewonnenen Werten soll eine Bezugskurve ftir die Pupillomotorik in Abh~ngigkeit zum Alter aufgestellt werden, welche eine Basis fiir sp~itere Untersuchungen bei Kranken (bei Diabetes, bei Hypertonus) erstellen soil.

Methodik Die Registrierung der Pupillenlichtreflexe erfolgte nach dem Prinzip der InfrarotReftexphotometrie (Matthes, 1941). Der Patient mit einem tragbaren Pupillometer (Alexandridis et al., 1971) vor einer Leinwand sitzend, beobachtete das mitten im Adaptionsfeld projezierte Reizfeld. Als Lichtquelle zur Adaption und Reizung des zu untersuchenden Auges diente ein Lichtreizger~it mit Xenon-Hochdrucklampe (Osram XBO 900). Die Leuchtdichte des Adaptionsfeldes betrug ca. 10 cd/m 2 , die des Reizfeldes 316 cd/m 2 . Der Durchmesser des Adaptationsfeldes betrug 8 ~ die des Reizfeldes 5~ Mit Hilfe eines elektronischen Stimulators (Grass, $4) und eines elektromechanischen Photoverschlusses wurden kurzdauemde rechteckige Lichtreize (100 msec.) in variabler Frequenz erzeugt. Die pupillomotorischen Ausschl~ige wurden sowohl einem Kathodenstrahloscillographen als auch einem XY-Schreiber zugeleitet. Untersucht wurden je 8 gesunde Versuchspersonen aus 3 verschiedenen Altersgruppen (20-30, 4 0 - 5 0 , 60-70).

E rgebnisse Zu Beginn der Untersuchung wurde das eine Auge mit flimmernden Lichtreizen yon 1 Hz Frequenz gereizt und der konsensuelle Pupillenlichtreflex registriert. Das auf diese Weise erhaltene Pupillogramm hat den erwarteten sinusoiden Charakter (Stegemann, 1957). Die Kurve setzt sich aus einem kfirzer dauernden Abfall, die Pupillenverengerung und einem linger dauemdem Anstieg die Pupillenerweiterung, zusammen (Abb. 1).

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Pupille bei flimmernden Lichtreizen

T Pupillr welt l 1Hz __I--!.

2

J-[

Hz

FI

Pupille eng

..J-l.

5-1

r-1

J-I

F1

J-I

~ J 3Hz

[-~

~

3,3Hz ~

F-}.. 7]

J~ j~

[-1

~

[-~

r-~

[~

~

~

Abb. 1. Frequenz der Pupillenoscillationen eines 23-j~ihrigenProbanden bei flimmernden Lichtreizen. Reizdauer 100 msec

FFF' (Hz) 32 3,1 3,0

o

o o

oo o 0

2G 2~ 22 23 2~ 2s ~6 2) i~ 2~(Joh~)

Abb. 2. Frequenzwerte der Flimmerfusion der Pupille yon 8 jungen Probanden

In der Folge wurde die Reizfrequenz gesteigert und mit einer Genauigkeit yon 0,1 Hz diejenige Frequenz bestimmt, bei der die Pupille die einfallenden Lichtblitze eben noch mit einer Verengerung und nachfotgenden Erweiterung beantwortet. Gliem nannte diese Frequenz ,,Flimmerfusionsfrequenz". Diesen Ausdruck haben wit auch f/Jr diese Arbeit/ibernommen. Die Abbildung zeigt die ,,Flimmerfusionsfrequenz" bei einem jungen Probanden. Bei 3 Hz sieht man noch die Abh~ingigkeit der Pupillenbewegungen yon der Lichtreizfrequenz. Bei 3,3 Hz ist eine solche Abh~ingigkeit nicht

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Pupillr welt

Pupilie eng

1Hz __F1

[-1

__71

~

2,6 Hz_l-1

I-1

2Hz

I-I

fl

VI

VI

V]

~

VI

N

Vl

VI

R

FI

VL

Abb. 3. Frequenz der Pupillenoscillationen eines 68-jiihrigen Probanden bei flimmernden Lichtreizen. Reizdauer 100 msec

FFF (Hz 3,2 33 3,0

oOGDO O0 0

O

oCD

2,9

0

2,8

0

2,7 2,6 2:5 2,4

0

0

0

0 O0 0 o o o

Alter

7'0 (Jahre) "

Abb. 4. Flimmerfusionsfrequenz der Pupille in Abh~ngigkeit vom Alter mehr zu erkennen. Bei allen 8 untersuchten Versuchspersonen in dieser Altersgruppe verhielt sich die Pupille ~ihnlich (Abb. 2). Bei 5 Probanden wurde ein Grenzwert yon 3,2 Hz gemessen, bei 2 ein Grenzwert yon 3,1 Hz. Nur ein Proband erreichte den Wert yon 3,0 Hz. In der Gruppe zwischen 40 und 50-j~/hrigen Probanden lagen die Werte insgesamt niedriger. Die ,,Flimmerfusionsfrequenz" betrug hier zwischen 2,7 und 3,0 Hz. In der Gruppe zwischen 60 und 70-j~hrigen Probanden wurden die niedrigsten ,,Flimmerfusionsfrequenzen" gemessen. Die Abbildung 3 zeigt Flimmerpupitlogramme

Pupille b ei flimmernden Lichtreizen

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der/iltesten hier untersuchten Gruppe. Aus der Abbildung erkennt man, daf~ Reizfrequenzen yon 2 Hz gerade noch Pupillenspiel erzeugen, w~hrend bei 2,6 Hz die ,,Flimmerfusionsfrequenz" bereits fiberschritten ist (vergl. auch Abb. 1). Die Abbildung 4 zeigt die Frequenzwerte aller hier untersuchten Altersgruppen zusammen. Man kann erkennen, daft die ,,Flimmerfusionsfrequenz" der Pupille mit zunehmendem Alter abnimmt und dag diese Abnahme etwa nach dem 60. Lebensjahr steiler ist als vor diesem Alter. Ein 70-j~hriger Proband erreichte nur einen Wert yon 2,4 Hz, wohingegen bei einem 62-j[ihrigen noch Lichtreize mit 2,9 Hz Pupillenbewegimgen ausl6sten.

Diskussion Nach Friedman et aI. (1967) ist die verlangsamte Pupillenreaktion bei Diabetikern auf eine diabefische Neuropathie zurfickzufiihren. Nach Feudell (1963) und nach Gibbels et al. (1970)dagegen ist eine Beeintrachtigung der Pupillenfunktion dutch die Zuckerkrankheit nicht sicher. Ebenso wie bei Diabetes konnten die Autoren auch bei/ilteren Patienten keine Neuropathie feststellen. Morone (1971) fand in seinen Untersuchungen vielmehr einen guten Zustand der myelenisierten und auch der nicht myelenisierten Nervenfasern der Pupillenreflexbahn vor. Die Iris ist besonders reichlich mit Blutgefiigen versehen. Nach Rohen (1964) nehmen die Gefiige im Rahmen der Pupillenbewegung eine mechanische Stabilisierung des Bindegewebsgerfistes unter ihrer Funktion. Ein Gef/ig und das umgebende Bindegewebsgeriist miissen also bei der Kontraktion bzw. Dilatation gedehnt oder gestaucht werden. Dureh die Sklerorisierung beim alten Menschen wird die Gef/igwand fester und das gesamte Gefiig gewinnt an Rigitifiit. Daraus resultiert wohl, so nehmen wir an, ein groger Teil der Bewegungseinschr~tnkung der alten Iris. Von besonderer Bedeutung sind hier wahrscheinlich die radiiir verlaufenden, in der Pars ciliaris der Iris liegenden Gefiif~e, weft in diesem Abschnitt der Iris die liingste gerade Gefiigstrecke vorhanden ist und somit speziell hier eine verminderte Stauch- und Dehnbarkeit zum Ausdruck kommt. Nach Loewenfeld und Newsome (1971b) spielt augerdem bei Flimmerreizen h6herer Frequenz der lineare Teil des Pupillenlichtreflexes, der ja yon der Pars ciliaris der Regenbogenhaut getragen wird, eine wichtige Rolle. Ebenso wie die Veriinderungen der Gef~ge diirffe die Degeneration der Irismuskulatur eine wichtige Ursache fiir die verminderte Funktionstiichtigkeit der Pupille im Alter sein.

Literatur Alexandridis, E., Krastel, H.: Ein tragbares Infrarot-Reflexpupillometer. Ber. dtsch. ophthal. Ges., 7 1 , 6 5 2 - 6 5 4 (1971) Behr, C.: Die Lehre yon den Pupillenbewegungen. In: Graefe-Saemisch. Handbuch der gesamten Augenheilkunde, Bd. II, Berlin: 1924 Feudell, P.: Neuropathia diabetica. Berlin: VEB-Verlag 1963 Friedman, S.A., Feinberg, R., Podolak, E., Bedell, R.H.S.: Pupillary abnormalities in diabetic neuropathy, Ann. intern. Med. 6 7 , 9 7 7 - 9 8 3 (1967)

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E. Alexandridis und M. Manner

Gibbels, E., Schliep, G.: Diabetische Polyneuropathie: Probleme der Diagnostik und Nosologie. Fortschr. Neurolog. Psychiat. 38,369-436 (1970) Gliem, H. : Pupillomotorische Ver~inderungen bei Diabetikern. Acta ophthal. 49, 955-963 (1971) Lange, F.: Ober die Pupillomotorik im Alter. Klin. Mbl. Augenheilk., 124, 76-81 (1954) Loewenfeld, I., Newsome, D.: Iris mechanics. I. Influence of pupil size on dynamics of pupillary movements. Amer. J. Ophthal. 71, 347-361 (1971a) Loewenfeld, I., Newsome, D.: Iris mechanics. II. Influence of pupil size on details of iris structure. Amer. J. Ophthal. 71, 553-573 (1971b) Matthes, K. : giber die Registrierung von Bewegungsvorgiingen mit dem lichtelektrischen Reflexionsmesser. Klin. Wschr. 20, 2 9 5 - 2 9 7 (1941) Morone, G.: L'iride e la pupille nella senilitY. Syrup. Geriatrie, Sain Vincent 1971 Rohen, J.W.: Handbuch der mikroskopischen Anatomie des Menschen. Bd. III, Teil IV, Berlin-G6ttingen-Heidelberg: Springer 1964 Stegemann, J.: Ober den Einflug sinusf6rmiger Leuchtdichten~inderungen auf die Pupillenweite. Pfltigers Arch. 264, 113-122 (1957) Vogelsang, K.: Gewebsmechanik und Augenheilkunde. Zwangl. Abh. Augenheilk. 1960 Eingegangen am 2. Dezember 1976

[Frequency of the pupillary response following flicker stimuli (author's transl)].

Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 202,175-180 (1977) G r a e f e s Archiv forklinischeundexperimentelle Ophthalmologie 9 by Springer-Ver...
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