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Diagnose

Praxis 2014; 103 (9): 499-501

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Gastroenterologie

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Anamnese und Befunde Eine multimorbide 88-jährige Patientin wurde aufgrund einer Gicht-Gonarthritis sowie eines deliranten Zustandsbildes hospitalisiert und entsprechend behandelt. Während der Hospitalisation fiel neben einer schweren Malnutrition eine Dysphagie auf. Die Patientin musste für einen Nahrungsbissen wiederholt schlucken, es bestand ein gurgelndes Geräusch im Hals und es kam zur Régurgitation unverdauter Nahrung. Die Inspektion des Halses war unauffällig. Zur weiteren Abklärung erfolgte ein Gastrografin-Breischluck (Abb. la und b). Im Röntgenarchiv fand sich ausserdem unten dargestellte Gomputertomographie des Thorax aus dem Jahre 2006 (Abb. 2a undb).

Abb. ia und b: Schluckpassage.

Abb. 2a und b: Die Computertomographie (axial und seitlich) zeigt einen ösophagealen Fremdkörper.

©2014 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

DOl 10.1024/1661-8157/a001643

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Diagnose Grosses Zenker-Divertikel Verlauf und Therapie Unsere Patientin verweigerte sowohl die offene operative, als auch eine endoskopische Therapie. Die Einlage einer PEG-Sonde zur Sicherstellung einer bedarfsdeckenden Ernährung, sowie der medikamentösen Therapie, wurde ebenfalls abgelehnt. Kommentar Das Zenker-Divertikel ist eine erworbene pharyngo-ösophageale Ausstülpung der Schleimhaut durch das KilianDreieck, welche durch ungenügende Erschlaffung des M. cricopharyngeus und chronisch undulierende Druckerhöhung (Pulsation) meist an der linken Rachenhinterwand entsteht. Es manifestiert sich zumeist in der siebten oder achten Lebensdekade und kommt wahrscheinlich häufiger vor, als die in der Literatur angegebene Inzidenz von 2/100 000. Es steUt neben neuromuskulären Störungen wie Morbus Parkinson und Schlaganfall, eine der bedeutendsten Ursachen der oropharyngealen Dysphagie bei älteren, multimorbiden Patienten dar [1,2]. Anfänglich zeigen sich uncharakteristische Erscheinungen wie Schleimhautreizung, Hustenreiz, Fremdkörpergefühl und Auswurf zähen Schleims. Mit Zunahme der Divertikelgrösse tritt die Dysphagie in den Vordergrund. Aufgrund impaktierter Speisereste im Divertikel und deren Zersetzung, kann es zu starkem Foetor ex ore kommen. Dieser, zusammen mit eventuell während des Essens auftretenden lauten, glucksenden Geräuschen, kann soziale Probleme mit sich bringen, die eine zusätzliche Belastung für den Patienten darstellen. Die Régurgitation unverdauter Nahrung stellt eine besondere Gefahr wegen möglicher Aspirationen dar. Dies kann zu chronischen Bronchitiden, akuten

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Aspirationspneumonien sowie Lungenabszessen führen. Eine schwerwiegende Komplikation ist die Divertikelblutung. Weiterhin können besonders grosse Divertikel Nachbarorgane komprimieren und es kann zur Eistelbildung in Trachea, Mediastinum oder Perikard kommen. Beschrieben werden auch die obere Einflussstauung oder das Horner-Syndrom. Selten ist die Entstehung von Karzinomen. Letztlich kann, wie bei unserer betagten Patientin, durch die erschwerte Nahrungsaufhahme eine Malnutrition mit Gewichtsverlust, bis hin zur Kachexie resultieren. Als erster diagnostischer Schritt erfolgt die Kontrastdarstellung mit BariumSchluck oder Gastrografin bei Aspirationsgefahr. Somit kann die Perforationsgefahr durch Eingehen ins falsche Lumen und das Übersehen kleinerer Zenker-Divertikel vermieden werden. Als zweiter Schritt erfolgt die obere Endoskopie. Bei der Behandlung von Zenker-Divertikeln gibt es eine ausgeprägte Methodenvielfalt; zum einen die klassische transzervikale Operationstechnik, zum anderen verschiedene endoskopische Verfahren, die von Gastroenterologen und HNO-Arzten angewandt werden. Die Therapie beschränkt sich auf symptomatische Patienten. Die offene Operationstechnik erfolgt in Allgemeinanästhesie. Bei der klassischen transzervikalen Operationstechnik wird das Divertikel, je nach Grosse, meist vollständig entfernt. Komplikationen sind sehr selten, bei ihrem Auftreten jedoch von grosser Bedeutung. Besonders gefürchtet wird die Mediastinitis und die Verletzungen des Nervus recurrens. Weiterhin ist die Entwicklung von Osophagusstrikturen oder Fisteln möglich [1,2]. Für fortgeschrittene Divertikel stellen die endoluminalen Behandlungsmethoden eine Alternative dar: Transorale Schwellenspaltung (Mukomyotomie) mit dem starren oder flexiblen Endoskop. Hierbei wird das Divertikel nicht beseitigt, sondern die Trennwand, beste-

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hend aus Schleimhaut und dem M. cricopharyngeus, zwischen Divertikel- und Ösophaguslumen, durchtrennt. Das Resultat ist mit der offenen Chirurgie vergleichbar. Es fehlen prospektive Studien, sodass ein direkter Vergleich schwierig ist, die Morbidität scheint jedoch bei den endoskopischen Verfahren deutlich geringer zu sein [1,2]. Weitere Vorteile sind die kürzere Operations- und Hospitalisationszeit, weniger Rekurrensparesen, schnellere Wiederaufnahme der oralen Nahrungsaufiiahme und keine sichtbaren Narben [2,3]. Die Schwellenspaltung mit einem flexiblen Endoskop kann ohne Allgemeinanästhesie erfolgen und bietet sich somit vor allem bei multimorbiden, älteren Patienten oder auch bei Unvermögen einer Reklination des Kopfes an. Im Vergleich zur offenen Chirurgie und der starren Methode besteht jedoch eine deutlich höhere Rezidivrate [1-3]. Insgesamt sollte sich die therapeutische Intervention beim Zenker-Divertikel an den Bedürfnissen der typischerweise älteren und multimorbiden Patienten orientieren. Der Eingriff sollte minimal-invasiv, wenig belastend und komplikationsarm sein, sowie zu einer effektiven Besserung der Dysphagie führen [3]. Eine Herausforderung bleibt letztlich das Vorgehen bei Patienten, die therapeutische Massnahmen ablehnen. Diese Patienten haben zwangsläufig eine geringere Lebensqualität und wahrscheinlich höhere Morbidität aufgrund möglicher Komplikationen wie u.a. Aspiration, Malnutrition sowie unkontrollierbarer Bioverfügbarkeit bei erschwerter Medikamenteneinnahme. Autoren Allgemeine Innere Medizin', Radiologie^ Luzerner Kantonsspital 'Pract. med. Nicole Schwan, 'Dr. med. Daniel Vogel, ^Dr. med. Thomas Bader

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Korrespondenzadresse Dr. med. Daniel Vogel Infektiologie Inselspital 3000 Bern [email protected]

Interessenskonflikt: Die Autoren erklären, dass kein interessenskonflikt besteht.

Manuskript eingereicht: 9.11.2013, revidierte Fassung angenommen: 20.1.2014.

Bibliographie 1.

Dzeletovic I, Ekbom DC, Baron TH: Flexible endoscopie and surgical management of Zenker's diverticulum. Expert Rev Gastroenterol Hepatol 2012; 6:449-466.

2. Feussner H: Zenker-Divertikel: Pro Operation. Chirurg 2011; 82:484-489. 3. Meier PN: Zenker-Divertikel: Pro endoskopische Septumdurchtrennung. Chirurg 2011)82:479-483.

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[Gastroenterology. What is your diagnosis? Large Zenker diverticulum].

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