Leitthema Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:628–633 DOI 10.1007/s00063-013-0257-8 Eingegangen: 15. August 2013 Angenommen: 5. September 2013 Online publiziert: 24. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Redaktion

H. Messmann, Augsburg C. Trautwein, Aachen

Gastrointestinale Blutungen unter oralen Antikoagulanzien (OAK) und/ oder Thrombozytenaggregations­ hemmern (TAH) nehmen in ihrer Häu­ figkeit deutlich zu. In einer am Klini­ kum Augsburg durchgeführten ret­ rospektiven Analyse von 729 Patien­ ten, die im Jahr 2010 mit einer gas­ trointestinalen Blutung aufgenom­ men wurden, war bei 51% die Einnah­ me von OAK und/oder TAH ursächlich [1]. Seit der Einführung der neuen (N) OAK besteht eine Unsicherheit be­ züglich der Vorgehensweise bei Blu­ tungskomplikationen unter diesen neuen Substanzen. In dieser Über­ sicht wird nun versucht, eine Heran­ gehensweise bei schweren gastro­ intestinalen Blutungen unter OAK und/oder TAH zu etablieren.

Epidemiologie Schwere gastrointestinale Blutungen mit der Notwendigkeit einer Aufnahme auf eine internistische Intensivstation sind immer häufiger durch die Einnahme von OAK und/oder TAH getriggert. NOAK erhöhen im Vergleich zur Standardtherapie dieses Blutungsrisiko. In einer aktuellen Metaanalyse von 43 randomisierten kontrollierten Studien (151.578 Patienten) wurden Daten von 75.081 Patienten bezüglich des Auftretens gastrointestinaler Blutungen ausgewertet. Bei 1101 mit NOAK behandelten Patienten (1,5%) traten gastrointestinale Blutungen auf, in 89% der Fälle handelte es sich um Major-Blutungen mit einem ­Hämoglobin(Hb)-Abfall ≥2 g/dl inner-

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G. Braun · H. Messmann III. Medizinische Klinik, Klinikum Augsburg

Gastrointestinale Blutungen beim kardiologischen Patienten halb eines Tages, Bedarf von 2–3 oder mehr Erythrozytenkonzentraten, endoskopischer Diagnose der Major-Blutung bzw. letaler Blutung. Das Blutungsrisiko war abhängig von der Indikation für die NOAK. So traten mehr Blutungen im Vergleich zur Standardtherapie bei Patienten mit ­venöser Thrombembolie und akutem Koronarsyndrom (ACS) auf: „number needed to harm“ (NNH): 24, 95% CI: 17–42, bei ACS: NOAK plus TAH) Ebenfalls bestand eine Abhängigkeit von der verwendeten Substanz: Dabigatran: Odds Ratio (OR): 1,58, 95% CI: 1,29–1,93, Rivaroxaban: OR: 1,48, 95% CI; 1,21–1,82, Apixaban: OR: 1,23, 95% CI: 0,56–2,73. Bei der Indikation Vorhofflimmern bestand kein erhöhtes Blutungsrisiko unter Apixaban [2].

Gemäß einer retrospektiven Betrachtung von 614 Patienten, die in einem Zeitraum zwischen den Jahren 1999 und 2010 auf die gastroenterologisch-internistische Intensivstation am Universitätsklinikum Aachen aufgenommen wurden, lag bei 35,7% aller Patienten die Einnahme von OAK und/oder TAH vor, interessanterweise allerdings bei 51,7% der ­Patienten mit unterer gastrointestinaler Blutung (UGIB; [3]). Patienten, die unter OAK und/oder TAH eine Blutung entwickeln, sind häufig älter, haben mehr Begleiterkrankungen, bei Aufnahme einen signifikant geringeren Hb-Wert und nehmen insgesamt deutlich mehr unterschiedliche Medikamente ein [1].

Tab. 1  Übersicht über die Antikoagulanzien Substanzklasse Unfraktioniertes Heparin (UFH) i.v. Indirekte Faktor-Xa-Inhibitoren Niedermolekulares Heparin (NMH) Pentasaccharide Kumarinderivate Direkte Thrombininhibitoren

Direkte Faktor-Xa-Inhibitoren

i.v. intravenös, s.c. subkutan, p.o. per os.

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Leitsubstanzen     Enoxaparin s.c. Tinzaparin s.c. Fondaparinux s.c. Arixtra® s.c. Warfarin p.o. Phenprocoumon p.o. Lepirudin i.v. Bivalirudin i.v. Argatroban i.v. Dabigatran p.o. Pradaxa® Rivaroxaban p.o. Xarelto® Apixaban p.o. Eliquis®

In einer retrospektiven Analyse von 723 Patienten, die unter Phenprocoumontherapie eine Blutungskomplikation entwickelten, war auffällig, dass bei 239 Patienten (33,1%) eine klinisch relevante Arzneimittelinteraktion vorlag. In erster ­Linie war hier die gleichzeitige Einnahme von TAH zu nennen, in zweiter ­Linie von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). In 62,8% der Fälle war die INR bei Aufnahme >3,0 [4].

Aufnahme auf die Intensivstation Durchführung kreislaufstabilisierender Maßnahmen Protonenpumpeninhibitor (PPI) i.v. Notfalllabor inklusive Blutbild, Quick-Wert, "international normalized ratio" (INR), partielle Thromboplastinzeit (PTT) Blutgasanalyse inklusive Laktat Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten Phytomenandion als spezifisches Antidot i.v. Dosierung: 10 – 20 mg über 20 – 30 min

Neue orale Antikoagulanzien

(Risiko anaphylaktischer Reaktionen) Prothrombinkonzentrat (PPSB) i.v. Dosierung: (20–)40 I.E./kgKG langsam i.v.

Endoskopie Erneute Kontrolle von Quick-Wert, INR und PTT eine Stunde nach PPSB-Gabe cave: Rebound-Koagulopathie im Verlauf

Es bestehen Hinweise, dass insbesondere die UGIB unter OAK und/oder TAH schwerer verlaufen als UGIB ohne bestehende Antikoagulation bzw. Thrombozytenaggregationshemmung. Die Notwendigkeit der Aufnahme auf eine Intensivstation besteht signifikant häufiger, die mittlere Verweildauer ist signifikant länger und das Mortalität signifikant höher: 10,5% vs. 1,4% [1].

Blutungen unter Antikoagulation Eine Übersicht über die Antikoagulanzien gibt . Tab. 1. Auf Blutungen unter intravenöser ­Gabe von unfraktioniertem Heparin oder subkutaner Gabe von niedermolekularem Heparin soll hier nicht eingegangen werden. Es wird aber darauf hingewiesen, dass mit Protamin ein spezifisches Antidot existiert.

Phenprocoumon Phenprocoumon bewirkt eine ­kompetitive Hemmung der Vitamin-K-Epoxid-­ Reduktase und hemmt damit die Karboxylierung von Vitamin-K-Epoxid zu ­aktivem Vitamin K. Es kommt zu einer

Abb. 1 9 ­Schwere gastrointestinale ­Blutungen unter ­oraler Phenprocoumon­ therapie

verminderten Bildung der Vitamin-Kabhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Zu beachten ist, dass Phenprocoumon eine Halbwertszeit von 90 bis zu 150 h hat. Eine Phenprocoumontherapie kann mittels Bestimmungen der „international normalized ratio“ (INR) überwacht werden. Ein Vorschlag zur Vorgehensweise bei schweren gastrointestinalen Blutungen unter Phenprocoumontherapie ist in . Abb. 1 dargestellt. Mit Phytomenandion (Vitamin K1) steht bei Blutung ein spezifisches Antidot zur Verfügung. Nach oraler Gabe und bei normaler Leberfunktion ist ein Wirkeintritt nach 24 h zu erwarten, nach intravenöser Gabe immerhin nach 90–180 min Bei zu rascher intravenöser Applikation sind anaphylaktische Reaktionen beschrieben. Die Halbwertszeit von Phytomenandion ist deutlich kürzer als die von Phenprocoumon (90–180 min), sodass die Gefahr einer Rebound-Koagulopa­ thie im Verlauf besteht. Bei gastrointestinalen Blutungen mit der Notwendigkeit der Aufnahme auf eine Intensivstation wird die intravenöse Gabe von (20–)40 I.E. Prothrombinkonzentrat (PPSB) pro kgKG empfohlen.

Prinzipiell muss zunächst zwischen den direkten selektiven Thrombininhibitoren mit der Leitsubstanz Dabigatran (­Pradaxa®) und den direkten selektiven Faktor-Xa(FXa)-Hemmern mit den Leitsubstanzen Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®) unterschieden werden.

Dabigatran

Der direkte selektive Thrombinhemmer Dabigatran wird hauptsächlich renal eliminiert, sodass die Halbwertszeit stark von der Kreatininclearance abhängig ist. Bei einer Clearance von >80 ml/ min beträgt sie 13 h, bei einer Kreatininclearance 80 s mit einem erhöhten Blutungsrisiko einher [10]. Der Einnah-

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Leitthema mezeitpunkt sollte auf der Anforderung vermerkt sein. Eine Thrombelastometrie kann eine gleichzeitig bestehende Hyperfibrinolyse oder einen Fibrinogenmangel detektieren, auch wenn die Anwesenheit und Wirkung von Dabigatran wohl mittels Thrombelastometrie nicht diagnostiziert werden können. Alle Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung und Behandlung der Gerinnungsstörung sollten eine Endoskopie nicht wesentlich verzögern. Bei schweren gastrointestinaler Blutung unter Dabigatran mit der Notwendigkeit der Aufnahme auf eine Intensivstation wird aktuell noch die hochdosierte PPSB-Gabe (30–50 I.E./kg KG) empfohlen. Dies ist zumindest kritisch zu hinterfragen. In einer Studie an 12 gesunden männlichen Patienten konnte der Dabigatraneffekt durch PPSB-Gabe nicht antagonisiert werden [6]. Vorteile der PPSB-­ Gabe sind die ubiquitäre Verfügbarkeit und die Erfahrung im Umgang mit PPSB. Gelegentlich wird die Gabe von ­rekombinantem FVIIa (NovoSeven®) oder „factor VIII inhibitor bypassing activity“ (FEIBA®) als aktiviertes Prothrombinkomplexpräparat, beide angewendet in der Therapie der Hämophilie, empfohlen. Das nicht unerhebliche thrombogene Potenzial dieser Präparate ist aber zu beachten. Auch hier liegen nur beschränkte klinische Daten vor. Es gibt aber deutliche Hinweise, dass zumindest FVIIa bei Blutungen unter Dabigatran wirkungslos ist. Die NovoSeven®-Gabe kann nicht mehr empfohlen werden. Weiterhin kann eine Nierenersatztherapie, entweder konventionell und ohne Heparin oder alternativ mit Citrat, erfolgen [7]. Prinzipiell muss darauf hingewiesen werden, dass bei guter Nierenfunktion und endoskopisch beherrschbarer Blutung auch auf eine PPSB-Gabe verzichtet werden kann. Ein spezifisches Antidot (Antikörperfragment) befindet sich derzeit in Entwicklung [8].

Rivaroxaban

Der direkte selektive Faktor-Xa-Hemmer wird nur zu einem Drittel renal eliminiert. Die Halbwertszeit ist damit nahezu unabhängig von der Kreatininclearance und beträgt im Mittel 10 h. Rivaro-

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Zusammenfassung · Abstract Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:628–633  DOI 10.1007/s00063-013-0257-8 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 G. Braun · H. Messmann

Gastrointestinale Blutungen beim kardiologischen Patienten Zusammenfassung Gastrointestinale Blutungen unter ­neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) und/oder Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) nehmen in ihrer Häufigkeit zu. Gastrointestinale Blutungen verlaufen unter dieser ­Medikation schwerer als ohne, wobei dies insbesondere bei der unteren gastrointestinalen Blutung der Fall zu sein scheint. Mit Einführung der NOAK entstand eine Unsicherheit im Umgang mit Blutungskomplikationen. Der Beitrag soll helfen, einen Algorithmus für den Umgang mit schweren gastrointestinalen Blutungen unter Dabigatran, Rivaroxaban und TAH zu etablieren. Für Blutungen unter Phenprocoumon per os stehen mit Phytomenandion und Prothrombinkonzentrat (PPSB) etablierte Therapieansätze zur Verfügung. Betont werden soll die Abhängigkeit der Halbwertszeit von Dabigatran von

der Nierenfunktion. Bei der Festlegung der weiteren Vorgehensweise erscheinen Spiegelbestimmungen von Dabigatran und Rivaroxaban sinnvoll. Eine Messung der Thrombozytenfunktion sollte bei Blutungen unter TAH durchgeführt werden. Trotz geringer Evidenz wird aktuell bei Blutungen unter Dabigatran und Rivaroxaban eine hochdosierte PPSB-­ Gabe empfohlen. Bei schweren Blutungen unter TAH kann trotz normaler Thrombozytenzahl die Gabe von Thrombozytenkonzentraten erforderlich sein. Bei Blutungen unter Azetylsalizylsäure (ASS) soll die ASS-­Gabe rasch fortgesetzt werden. Schlüsselwörter Antikoagulans  · Phenprocoumon · Rivaroxaban · Dabigatran · Thrombozytenaggreagtionshemmer

Gastrointestinal bleeding in cardiological patients Abstract Oral anticoagulation and antiplatelet therapy are risk factors for gastrointestinal (GI) bleeding. GI bleeding—especially lower GI bleeding—seems to be associated with a poorer outcome. With the introduction of dabigatrane and rivaroxaban, difficulties in the ma­ nagement of bleeding complications arose. Thus, the goal of the authors was to establish a standard operating procedure (SOP) for the treatment of severe GI bleeding associated with rivaroxaban, dabigatrane, and antiplatelet therapy. Bleeding complications during phenprocoumon treatment should be treated with prothrombin complex concentrates and vitamin K1. Dabigatrane elimination is highly dependent to the renal function. The

xaban ist nicht dialysierbar und bei einer Clearance 150 ng/ml (gemessen 16– 24 h nach Einnahme) weisen auf ein

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measurement of drug concentrations of dabi­ gatrane and rivaroxaban is useful to indicate an increased risk of bleeding complications. Severe bleeding associated with dabigatrane or rivaroxaban therapy should trigger prothrombin complex therapy, whereby in ­cases with severe bleeding associated with antiplatelet therapy platelet transfusion should be initiated. Low-dose aspirin should be continued after 24 h. Keywords Anticoagulants · Phenprocoumon · Rivaroxaban · Dabigatran · Platelet aggregation Inhibitor

e­ rhöhtes Blutungsrisiko hin (Anmerkung: Apixabantalspiegel >100 ng/ml weisen auf ein erhöhtes Blutungsrisiko hin). Mittels Thrombelastometrie kann eine signifikante Rivaroxaban-Wirkung nicht ausgeschlossen werden [17]. Bei schwerer gastrointestinaler Blutung unter Rivaroxaban mit der Notwendigkeit der Aufnahme auf eine Intensivstation wird ebenfalls die hochdosierte PPSB-Gabe (30–50 I.E./kgKG) empfohlen. In der genannten Studie an den 12 gesunden männlichen Patienten konnte der Rivaroxabaneffekt durch PPSB-Gabe an-

tagonisiert werden [6]. Auch hier gilt, dass gerade bei guter Nierenfunktion und endoskopisch beherrschbarer Blutung ggf. auch abgewartet werden kann. Ein spezifisches Antidot befindet sich mit PRT064445 als modifizierter Faktor Xa in Entwicklung [9].

Aufnahme auf die Intensivstation Durchführung kreislaufstabilisierender Maßnahmen Protonenpumpeninhibitor (PPI) i.v. Notfalllabor inklusive Blutbild, Quick-Wert, "international normalized ratio" (INR), partielle Thromboplastinzeit (PTT)

Thrombozytenaggregationshemmung

Blutgasanalyse inklusive Laktat Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten Dabigatran-Spiegel Rotationsthrombelastometrie (ROTEM®)

Sicherstellung einer ausreichenden Diurese

Prothrombinkonzentrat (PPSB) i.v. Dosierung: (30–)50 I.E./kgKG langsam i.v. in Ausnahmefällen: "factor eight inhibitory bypassing activity" (FEIBA) i.v. (Dosierung: 50 I.E./kgKG langsam i.v.)

Endoskopie

Nierenersatztherapie

Abb. 2 9 ­Schwere ­gastrointestinale ­Blutungen unter oralem Dabigatran. (Adaptiert nach [11])

Aufnahme auf die Intensivstation Durchführung kreislaufstabilisierender Maßnahmen Protonenpumpeninhibitor (PPI) i.v.

Notfalllabor inklusive Blutbild, Quick-Wert, "international normalized ratio" (INR), partielle Thromboplastinzeit (PTT) Blutgasanalyse inklusive Laktat Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten Rivaroxabanspiegel Rotationsthrombelastometrie (ROTEM®) Sicherstellung einer ausreichenden Diurese

Prothrombinkonzentrat (PPSB) i.v. Dosierung: (30–)50 I.E./kgKG langsam i.v. ggf. Tranexamsäure i.v. in Ausnahmefällen: "factor eight inhibitory bypassing activity" (FEIBA®) i.v. (Dosierung: 50 I.E./kgKG langsam i.v.)

Endoskopie

Abb. 3 9 Blutungen unter Rivaroxaban p.o. (Adaptiert nach [12])

Es muss zwischen dem Cyclooxygenase­ hemmer ASS und den ADP-Rezeptor-­ Antagonisten unterschieden werden. Bei den ADP-Rezeptor-Antagonisten unterscheidet man die Thienopyridinderivate Ticlopidin (1. Generation), Clopidogrel (2. Generation) und Prasugrel (3. Generation) von dem Cyclopentyltriazolopyrimidin Ticagrelor. ASS, Clopidogrel und Prasugrel bewirken eine irreversible Hemmung, Ticagrelor eine reversible Hemmung der Thrombozytenaggregation. Clopidogrel und Prasugrel sind Pro-Drugs. Ticagrelor ist ein oral applizierter aktiver Metabolit. Die Bioaktivierung von Clopidogrel ist u. a. vom Isoenzym CYP2C19 abhängig, was eine mögliche Erklärung für die ausgeprägten interindividuellen Schwankungen im Ansprechen sein kann [13]. Ein Vorschlag zur Vorgehensweise bei schweren gastrointestinalen Blutungen unter TAH ist in . Abb. 4 dargestellt. Unabhängig von der Thrombozytenzahl empfehlen die Autoren die Bereitstellung von Thrombozytenkonzentraten und ihre Gabe bei gastrointestinalen Blutungen, die eine intensivmedizinische ­Behandlung erfordern. Eine Messung der Thrombozytenaggregation (z. B. mittels Multiplate®) gibt rasch Auskunft über das Ausmaß der Hemmung der Thrombozytenfunktion und kann die Gabe von Thrombozytenkonzentraten triggern. Zwischenzeitlich wurde die Existenz eines optimalen Levels der Plättchenhemmung diskutiert. Man spricht vom „enhanced responder“ mit einem erhöhten Risiko für Major-Blutungen und vom „low responder“ mit dem Risiko für Stentthrombosen [14]. Die orale Gabe von ASS sollte nach Beherrschung der Blutungsepisode ­zügig fortgesetzt werden. In einer im Jahr 2010 erschienen Arbeit wurden 156 Patien-

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Leitthema

Prognose

Aufnahme auf die Intensivstation Durchführung kreislaufstabilisierender Maßnahmen Protonenpumpeninhibitor (PPI) i.v. Notfalllabor inklusive Blutbild, Quick-Wert, "international normalized ratio" (INR), partielle Thromboplastinzeit (PTT) Blutgasanalyse inklusive Laktat Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten und Thrombozytenkonzentraten Multiplate® ggf. Thrombozytenkonzentrate i.v. ggf. Desmopressin in Minirin® i.v. ggf. Tranexamsäure in Cyklokapron® i.v.

Endoskopie

Azetylsalizylsäure 100 mg p.o. nach 24 h fortsetzen

Rücksprache mit den Kollegen der Kardiologie

ten mit Ulkusblutung unter ASS nach ­e ndoskopischer Intervention untersucht. Von ihnen erhielten 78 Patienten im ­Anschluss ASS und Pantoprazol, die anderen ASS und Placebo. In der ASSGruppe verstarb ein Patient, in der Placebogruppe immerhin 10 Patienten. Lediglich die Reblutungsrate war in der ASSGruppe höher (8 Patienten vs. 4 Patienten, [15]). Dies wird in Kauf genommen. Gerade unter dualer Thrombozyten­ aggregationshemmung unmittelbar nach erfolgter Koronarintervention ist eine engmaschige Zusammenarbeit mit den Kollegen der Kardiologie erforderlich. Die Risiken für die Entstehung einer Stentthrombose (z. B. erfolgte Hauptstammoder Mehrgefäßintervention, Stentthrombose in der Vorgeschichte) müssen in ­Relation zur Gefahr einer erneuten Blutung gesetzt werden.

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Das Stentthromboserisiko muss in Relation zur erneuten Blutungsgefahr gesetzt werden Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit eines „bridging“ mit Tirofiban als GPIIB/IIIA-Antagonist mit einer Halbwerts-

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Abb. 4 9 ­Schwere ­gastrointestinale ­Blutungen unter Thrombozytenaggregationshemmung

zeit von knapp 2 h. Es ist zu beachten, dass eine Tirofibanwirkung durch die ­Gabe von Thrombozytenkonzentraten nicht antagonisierbar ist.

Transfusionsregime In einer kürzlich publizierte Arbeit wurde ein restriktives Transfusionsregime (Transfusionstrigger: Hb

[Gastrointestinal bleeding in cardiological patients].

Oral anticoagulation and antiplatelet therapy are risk factors for gastrointestinal (GI) bleeding. GI bleeding-especially lower GI bleeding-seems to b...
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