Schweiz. Ophthal. Ges., 67. Vers., Interlaken 1974 Ophthalmologica, Basel 172: 90 92 (1976)

Genetische Beratung bei hereditären Hornhauterkrankungen W. H ammerstein Universitäts-Augenklinik (Direktor: Prof. H. P a u ), Düsseldorf

Bei hereditären Erkrankungen ergibt sich die Notwendigkeit, den Probanden und die Familienangehörigen genetisch zu beraten. An zwei Beispielen werden die Prinzipien näher erläutert.

Die gittrige Hornhautdystrophie wird bekanntlich mit regelmässiger Dominanz autosomal vererbt (Abb. 1). Es lassen sich folgende Gesetz­ mässigkeiten an der Sippentafel demonstrieren: a) Jeweils ein Elternteil eines Patienten ist von dem gleichen Leiden betroffen. Die Sippentafel zeigt, dass die Vererbung durch Väter und Mütter auf Söhne und Töchter erfolgt, b) Die Kinder der Merkmalsträger weisen zu etwa 50% ebenfalls die gittrige Hornhautdystrophie auf. Diese Tatsache wird an den beiden Geschwisterschaften IV/19-27 und 1V/28-38 deutlich, die vollständig untersucht werden konnten. Die Relation Erkrankte:Gesunden beträgt 9:7. c) Unter den Nachkommen gesunder Familienmitglieder trat die Er­ krankung in dieser Sippe nicht mehr auf. Bemerkenswert ist, dass in der Generation V nur 2 Merkmalsträger festgestellt wurden. Die Erklärung ergibt sich aus dem späten Manifesta­ tionsalter der Erkrankung. Erst zu Beginn der 3. Lebensdekade konnten pathologische Hornhautveränderungen bei den Familienmitgliedern beob­ achtet werden. Viele Personen der Generation V hatten den Manifesta­ tionszeitpunkt noch nicht erreicht, so dass später unter ihnen ebenfalls Merkmalsträger zu finden sein werden, sofern sie einen erkrankten Elternteil hatten. Zwei Voraussetzungen sind bei der Beratung zu beachten. Wenn das Manifestationsalter noch nicht erreicht ist, können noch keine konkreten

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Gittrige Hornhautdystrophie

H ammerstein

91

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Abb. 1. Dominante Vererbung der gittrigen Hornhautdystrophie.

Aussagen gemacht werden. Dies trifft für die Geschwisterschaft V/3036 zu, bei der im höheren Lebensalter mit einem Risiko von 50% zu rechnen ist. Bei jeder Person, die beraten wird, ist eine Spaltlampen­ untersuchung unerlässlich.

Unter 162 blutsverwandten Familienmitgliedern aus 52 Keratokonus­ familien wurden 13 Merkmalsträger ermittelt (8%). An zwei Modell­ stammbäumen können die Ergebnisse demonstriert werden (Abb. 2, 3). Da beide Geschlechter unterschiedlich häufig beteiligt sind, wurden die Befunde nach weiblichen und männlichen Probanden unterschieden. Es wurden nur Personen untersucht, die das 14. Lebensjahr vollendet hatten, da der Keratokonus bekanntlich erst später auftritt. Es können folgende Feststellungen getroffen werden: a) Verwandte 1. Grades Eltern, Ge­ schwister und Kinder der Probanden waren häufiger betroffen (11 Merk­ malsträger = 10%) als Familienangehörige mit entfernterem Verwandt­ schaftsgrad (2 Keratokonusträger = 4%). b) Das Risiko für die Familien-

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Keratokonus

H ammerstein

92

Q

Q Q Q

Ein Merkmalsträger Zwei und mehr Merkmaistrager

O D

Gesunde Familienmitglieder

P

Proband

Abb.2. Keratokonusträger in den Familien weiblicher Probanden.

Q

Q

Em Merkmalsträger

Q Q

Zwei und mehr Merkmalsträger

OD

Gesunde Familienmitglieder

P Proband

Abb.3. Keratokonusträger in den Familien männlicher Probanden.

Dr. W. H

a m m e r s t e in

,

Universitäts-Augenklinik, Düsseldorf (BRD)

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angehörigen ist relativ gering. Unter 49 Geschwistern wurden nur 5 Kera­ tokonusträger ermittelt, c) Da die Hornhautektasie erst zwischen 14 und 40 Jahren manifest wird, ergibt sich mit zunehmendem Alter eine etwas höhere Erkrankungsrate, d) Das weibliche Geschlecht wird häufiger be­ troffen als das männliche. Die empirischen Werte ergeben ein Erkrankungsrisiko von 10% bei Verwandten 1. Grades. Diese Angabe wird durch Alter und Geschlecht entsprechend modifiziert. Bei Familienangehörigen mit entfernterem Ver­ wandtschaftsgrad waren dagegen nur 4% Merkmalsträger zu ermitteln. In 52 Familien trat das Merkmal etwa in jeder 5. Sippe familiär auf. Ins­ gesamt ist die Erkrankungsrate im Vergleich zu anderen hereditären Leiden relativ gering.

[Genetic counseling in hereditary corneal diseases].

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