Geriatrie | Commentary

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Alterstraumatologie – aktuelle Aspekte der interdisziplinären Betreuung von Patienten mit Fragilitätsfrakturen Geriatric traumatology: interdisciplinary management of patients with fragility fractures

3Die Betreuung geriatrischer Frakturpatienten erfordert einen interdisziplinären Ansatz. KoManagement-Modelle in enger Zusammenarbeit von Unfallchirurgie, Anästhesie und Geriatrie können den vielfältigen Herausforderungen gerecht werden. Vorrangiges Ziel bleibt es, Mobilität und Selbstständigkeit zu erhalten. 3Anästhesiologie: Ältere, multimorbide Patienten haben ein erhöhtes Narkoserisiko im Hinblick auf intra- und perioperative Komplikationen. Allerdings dürften diese nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Wahl der Narkoseform stehen, sondern viel eher durch die individuelle Ausgangssituation der einzelnen Patienten bedingt sein. Für die große Gruppe der Patienten mit Hüftfraktur ist die Regionalanästhesie die Methode der Wahl. 3Medikation: Bei der Osteoporosetherapie ist es von entscheidender Bedeutung, die Therapie rasch einzuleiten und den „osteoporosis care gap“ zu vermeiden. Aufgrund aktueller Entwicklungen scheint Strontiumranelat keine Option mehr für geriatrische Patienten zu sein. 3Chirurgische Verfahren: Die unmittelbare Versorgung bzw. Stabilisierung der Fraktur ist erst der Beginn der Behandlung. Um postoperativ frühzeitig mit der Mobilisierung beginnen zu können, muss die unmittelbare Vollbelastung postoperativ das Ziel sein. Neuartige Implantate, wie winkelstabile Platten und Schrauben sowie die Augmentation, bieten hier neue Optionen.

Einleitung ▼ Die demographischen Veränderungen führen zu einer deutlichen Zunahme betagter Patienten. So nimmt die Zahl der über 70-jährigen Notfallpatienten viermal schneller zu als in der Bevölkerung. Ältere Patienten benötigen zehnmal mehr Notaufnahmebetten als jüngere [2]. Neben internistischen und neurologischen Notfällen steigt vor allem auch das Unfallrisiko, vorrangig durch Stürze, im Alter deutlich an und übersteigt bei Weitem das Risiko bei jüngeren Altersgruppen [11]. Osteoporotische Frakturen („fragility fractures“) sind die häufigste Folge. Die Inzidenz osteoporotischer Femurfrakturen steigt weltweit an. Klinisch bleibt das Behandlungsergebnis unbefriedigend. Die 1-Jahres-Mortalität liegt nach wie vor bei bis zu 30 % [8]. Die 5-Jahres-Mortalität lag in einer Untersuchung bei 69 % [19]. Funktionell

hatten die Patienten dramatische Einschränkungen, so waren 25 % immobil, 50 % waren nicht mehr in der Lage das Haus zu verlassen [19]. Aber nicht nur Hüftfrakturen, auch Frakturen des proximalen Humerus, der Wirbelkörper sowie des Radius und der Rippen zählen zu den „fragility fractures“. Neben der Versorgung der Fraktur stellen vor allem die begleitenden Komorbiditäten bzw. deren auslösende Ursachen sowie Komplikationen im Verlauf große Anforderungen an das Behandlungsteam. Der Sekundärprävention – Reduktion der Sturzrisikofaktoren, Einleiten bzw. Überprüfen der Osteoporosetherapie – kommt eine wichtige Rolle zu. Um allen komplexen Fragestellungen in der Versorgung dieser Patienten gerecht zu werden, haben sich in den letzten Jahren immer mehr Zentren für Altersfrakturen gebildet. Friedman et al. [9] konnten die zahlreichen Vorteile eines Ko-Management-Modells eindrucksvoll zeigen.

M. Gosch1 C. Kammerlander2 T. Roth2 T. Luger3 M. Blauth2 Geriatrie, Osteologie Geriatrie | Commentary

Schlüsselwörter Alterstraumatologie Osteoporose Augmentation Medikation Sarkopenie

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Keywords orthogeriatric osteoporosis augmentation medication sarcopenia

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Anästhesiologie ▼ Etwa 60 % der Patienten eines Altersfrakturzentrums müssen operativ versorgt werden [20]. In der Literatur werden die Vor- und Nachteile der einzelnen Narkoseverfahren nach wie vor kontrovers beurteilt. Luger et al. [2] analysierten Daten aus 82 Studien und insgesamt 74 476 Patienten und kommen zu dem Schluss, dass allein durch die Anästhesie bedingte Komplikationen sehr selten sind. Sowohl die Allgemein- als auch die Regionalanästhesie sind bewährte Verfahren bei älteren Patienten. Die Regionalanästhesie führt zu einer verminderten Mortalität und Morbidität, z.B. weniger periphere Thrombosen, geringere Rate von postoperativen Delirien, eine Tendenz zu weniger intraoperativen Myokardinfarkten und tödlichen Pulmonalembolien. Die Allgemeinnarkose hat dagegen den Vorteil des geringeren Blutdruckabfalls sowie einer verkürzten Operationszeit.

Klinische Relevanz Bei Hüftfrakturen ist die Regionalanästhesie die Methode der Wahl. Aufgrund der vielen individuellen Faktoren bei älteren, multimorbiden Patienten sollte die Wahl der Anästhesieform weiterhin eine individuelle Einzelfallentscheidung bleiben. Das Risiko für Komplikationen wird vorwiegend durch individuelle Faktoren und nicht so sehr durch die Wahl der Anästhesieform bestimmt.

Institut 1Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Endokrinologie, Gastroenterologie & Stoffwechsel, Medizinische Universität Innsbruck 2Univ.-Klinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, Medizinische Universität Innsbruck 3Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Medizinische Universität Innsbruck Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370019 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:1207–1210 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Mag. Dr. Markus Gosch, MAS Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Endokrinologie, Gastroenterologie & Stoffwechsel, Medizinische Universität Anichstr. 35 A-6020 Innsbruck eMail [email protected]

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Was ist neu?

Geriatrie | Commentary Medikation ▼ Auch wenn die orale Antikoagulation (OAK) weiterhin ein Beispiel für eine medikamentöse Unterversorgung im Alter ist, steigt die Zahl der antikoagulierten Patienten an. Gerade in der Akutsituation eines Traumas stellt dies das Behandlungsteam vor eine große Herausforderung. Grundsätzlich gilt, dass das Mortalitätsrisiko im Alter unter OAK erhöht ist. Aus diesem Grund sollten gerade für diese Patientengruppe klare innerklinische Leitlinien ausgearbeitet werden. Auch unter dem Aspekt einer laufenden OAK sollte zum Beispiel bei hüftnaher Fraktur das optimale Zeitfenster für die Operation eingehalten werden, d. h. innerhalb von 24 bis maximal 48 Stunden. Aktuell sind keine spezifischen Gerinnungstest für die neuen oralen Antikoagulation erhältlich, sodass man sich an grundsätzliche Empfehlungen halten sollte, d. h. für Rivaroxaban und Epixaban 24 Stunden, für Dabigatran 48 Stunden nach der letzten Einnahme. Für die Kumarine gilt die Empfehlungen eines INR 

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