Ginkgo, Inhaltsstoffe,Analytik

Otto Sticher

1 Einleitung In Europa, speziell in Deutschland und Frankreich, aber auch in anderen Landern der EG und der EFTA, existiert ein groi3er Markt fur Phytopharmaka, welche aus Extrakten von Ginkgo biloba-Blattern hergestellt werden. Der europaische Ginkgo-Markt hat einen Jahresumsatz von uber 800 Millionen DM (Publikumspreise). Daraus geht seine enorme Bedeutung hervor. Das Marktpotential scheint immer noch steigend zu sein, was bei der heutigen Bevolkerungsstruktur in den meisten europaischen Landern, welche mit zunehmender Uberalterung einhergeht, nicht verwunderlich ist. Die Indikationen von Ginkgo-Extrakten sind in erster Linie auf Gebrechen alterer Menschen ausgerichtet. Basierend auf den Untersuchungen des Ginkgo-Extraktes EGb 761 ergaben sich folgende Hauptanwendungsgebiete: a) Hirnleistungsstorungen (nachlassende intellektuelle Leistungsfahigkeit) mit den Symptomen Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Gedachtnisschwache, Stimmungslabilitat mit Angstlichkeit, b) periphere arterielle Durchblutungsstorungen mit erhaltener Durchblutungsreserve (intermittierendes Hinken) und c) infolge Zervikalsyndroms beeintrachtigtes Horvermogen [l].

Aus der erwahnten enormen Bedeutung der Ginkgo-Praparate innerhalb des Phytomarktes konnte abgeleitet werden, dai3 die verfiigbare Literatur bezuglich der Qualitatskontrolle ansehnlich groi3 sein mui3te. Dem ist aber nicht so. Fast iiber jede auch nur wenig gebrauchte Pharmakopoe-Droge sind meist mehr Publikationen erhaltlich. Allgemeine Qualitatskriterien fur Ginkgo-Blatter oder fur daraus hergestellte Phytotherapeutika sind bis heute in publizierter Form nicht verfugbar, obwohl sich einzelne Universitatslaboratorien mit der Analytik von Ginkgo-Inhaltsstoffen befaken oder befassen. Die Marketing-Strategie der meisten Hersteller von Fertigarzneimitteln1ai3t zudem offenbar nicht zu, dai3 firmeneigene Normen veroffentlicht werden. Es mui3 deshalb kurz der Frage

Ginkgo biloba - Analytik und Zubereitungsformen

nachgegangen werden, welche Inhaltsstoffe bei Ginkgo uberhaupt zur Qualitatskontrolle herangezogen werden konnen.

2

Inhaltsstoffe von Ginkgo biloba-Blattern, die fur eine Qualitatskontrolle in Frage kommen

Bis heute wurde eine Vielzahl von apolaren und polaren Substanzen aus den Blattern von Ginkgo biloba isoliert (neuere Ubersichten finden sich bei [2-41 sowie in Heft 5 bei Holzl): - Langkettige Kohlenwasserstoffe und Derivate

3

Analytik

Da bis heute keine Arzneibuchmonographie fur Ginkgo biloba existiert, bestehen auch keine offiziellen Anforderungen an die zu verarbeitende Blattdroge. Die Hersteller setzen dafiir und fur ihre standardisierten Extrakte, sofern solche verwendet werden, die Normen selbst. Die Standardisierung von Phytopharmaka ist in erster Linie eine pharmazeutische Mai3nahme zur Sicherstellung einer gleichbleibenden Qualitat von Arzneipflanzenextrakten. Sie erfolgt vorteilhafterweise mit wirksamkeitsrelevantenInhaltsstoffen, also nach heutigem Kenntnisstand mit Flavonoiden undloder mit Terpenen. 3.1 Analytik der Flavonoide

Die Analytik der Flavonoide hat seit der Einfuhrung der HPLC groi3e Fortschritte gemacht. Zu deren Quantifizierung bietet sich zwar primar die Gesamtflavonoidbestim- Flavonoide mung verschiedener Arzneibucher (z. B. - Isoprenoide Substanzen (Steroide, Terpene) DAB 10, Ph. Helv. VII) an. Diese Methode ist jedoch unspezifisch. Sie erlaubt keine detaillierteren Aussagen uber die qualitative und - ferner Substanzen wie (Z,Z)-4,4’-(1,4-Pentadien-l,5-diyl)diphenol, 6-Hydroxykynu- quantitative Zusammensetzung der Flavorensaure, Cytokinine, P-Lectine, Carotinoide noide in einer Pflanze. Sie ist zudem nicht problemlos von einer Pflanze auf die andere und andere. ubertragbar und hat sich fur Ginkgo-Blatter Fur die pharmakologischen Wirkungen von nicht bewahrt. Da ein wesentlicher Anteil der Blattextrakten kommen nach dem heutigen Flavonoide in Ginkgo biloba polarer ist als Stand der Wissenschaft hauptsachlich zwei bei den iiblichen Flavonoiddrogen der ArzNaturstoffgruppen in Frage: Flavonoide und neibucher, ist eine quantitative Extraktion mit Terpene. Nachdem sich die auf der Basis von der Arzneibuchmethode (Acetonextraktion) Blattextrakten hergestellten Phytopharmaka nicht moglich. Ferner scheint die Bestimals wirksame durchblutungsfordernde Mittel mung stark von der Methenamin-Menge abetabliert haben und sich die Ginkgolide als zuhangen, was mit dem hohen Gehalt von potente PAF(Plate1et aggregating Factor-)- storenden Proanthocyanidinen zusammenAntagonisten herausstellten, haben verschie- hangen konnte [3]. Selektiv ist andererseits dene Gruppen auf dem Gebiet der Isolierung die Flavonoidanalytik mittels RP-HPLC und von Flavonoiden und Terpenen gearbeitet. anschliei3ender UV-Detektion. Diese MethoBis heute wurden annahernd vierzig verschie- de darf heute dank vollcomputerisierterAnladene flavonoidartige Substanzen (acht bis- gen als Routineanalyseverfahrender Wahl beher nicht beschriebene Flavonoidglykoside zeichnet werden. vor kurzem durch Hasler [vgl. 3-51) und sechs verschiedene terpenoide Verbindungen Bis heute gibt es in der Literatur nur wenige Untersuchungen uber die Trennung und isoliert.

- Alicyclische Sauren, Cyclite, Kohlenhydra-

te und Derivate

P h a m z i e in unserer Zeit / 21.Jnhrg. 1992 / N u . 6 0 VCH VerkzgsgesellschaftmbH, W-6940 Weinheim, 1992

253 0048-3664/92/0611-0253 $03.50 + .25/0

Ginkgo, Flavonoide

quantitative Bestimrnung von Ginkgo-Flavonoiden. Als erste haben Brianqon-Scheid et al. [6, 71 eine HPLC-Trennung von Biflavonoiden vorgestellt. Ahnliche HPLC-Trennungen wurden von Song [8] sowie von Pietta et al. [9] beschrieben. BrianGon-Scheid et al. [6] evaluierten verschiedene Saulenmaterialien und Elutionsmittel und kamen zum Schlui3, dai3 eine optimale Trennung nur mit Normalphasen-Chromatographie moglich ist. Wahrend die Trennung der vier reinen Biflavone Bilobetin, Isoginkgetin, Ginkgetin und Sciadopitysin an einer LiChrosorb-Diol Saule (10 prn) mit einem Tetrahydrofuran/Chloroform-Gradienten erfolgreich durchgefuhrt werden konnte, war dieses System zur quantitativen Bestimmung der Biflavone in rohen Blattextrakten nicht verwendbar [7]. D a m wurde von denselben Autoren [7] ein weiteres Elutionssystem entwickelt, bei dem eine LiChroprep-Diol Vorsaule zur Entfernung von storenden SubstanZen, eine LiChrosorb-Diol Trennsaule (5 prn) sowie eine Kombination einer isokratischen Trennung mit einem Zweistufen-Gradienten (Hexan-Chloroform (25 : 75) und Tetrahydrofuran) eingesetzt wurden. Aus dem von den Autoren prasentierten HPLC-Chromatogramm (Abbildung 3 in [7]) Iai3t sich allerdings unschwer entnehmen, dai3 das vorgestellte System fur den qualitativen Nachweis und ganz speziell fur eine quantitative Bestimmung der Biflavone nicht genugen kann. Trennsystem wie Vorreinigung sind zu wenig selektiv. Pietta et al. [9] kritisierten vor allem die lange Analysendauer von 75 Minuten und entwickelten eine isokratische RP-HPLCTrennung unter Verwendung einer Novapak C,, Saule (mit Guard-Pak pBondapak C,, Vorsaule) sowie Tetrahydrofuran-1 -Propanol-Wasser (21 : 10 : 69) ah Elutionsmittel. Das prasentierte Trennsystem erlaubt eine schnelle (15 Minuten) und reproduzierbare Trennung der vier Biflavonoide. Diese konnen unter Verwendung von externen Standardsubstanzen quantitativ bestimmt werden. Trennsystem und Vorreinigung sind genugend selektiv, was dem HPLC-Chromatogramm (Abbildung 2 in [9]) entnommen werden kann. Zwei weitere isokratische HPLC-Systeme auf LiChroCart RP-18 250-4 Kartuschen (mit RP-8 Vorsaule) unter Verwendung von Methanol-Wasser-Ameisensaure (75 : 25 : 4) bzw. Methanol-WasserAmeisensaure (80 : 20 : 4) als Elutionsmittel wurden von Schennen [2] beschrieben. Sie erlauben 2.B. die Zuordnung oder die Reinheitskontrolle von isolierten Biflavonoiden, eignen sich aber weniger gut fur eine quant.

254

Ginkgo biloba

Fla vonoidglykoside

Reinigunguber '2-18

HPLC Analyse MeOH / H20 - Gradient in 12 min

Tab. 1: Chromatographische Parameter zur Bestimmung der Flavonoidaglyka von Ginkgo biloba

-

Mobile Phase

- Stationare Phase: - Gradientverlauf: - Flui3: - Druck: -

Temperatur: UV-Detektion: Injektionsvolumen:

A = Methanol, B = 0,5 % ortho-Phosphorsaure in Wasser Hypersil ODs, 5 pm (100 x 4 mm ID; Knauer-Kartusche) In 12 min von 38-48,2 % Methanol (0,85 % MeOHImin); 5 min 100 % MeOH, 5 min 38 % MeOH 2 ml/min ca. 180 bar 25 "C 370 nm 10 pl

1 Bestimmung, da sie fur das Paar Ginkgetin/Isoginkgetin keine Basislinientrennung erlauben. Diinnschichtchromatographische Nachweismethoden, auf die hier nicht naher eingegangen wird, sind bei Schennen [Z] sowie bei Wagner et al. [lo] beschrieben. Analyseverfahren zur quantitativen Bestimmung der Biflavone eignen sich nicht fur eine Standardisierung, da derzeit keine Hinweise auf einen Beitrag dieser Substanzen zur Wirkung bei den von Ginkgo-Praparaten zugelassenen Indikationen vorliegen. Ihr Nachweis kann hingegen zur Abklarung biologischer Fragestellungen [3-4, 7-8) sowie als Fingerprintanalyse zum Nachweis der in Ginkgo biloba genuin vorhandenen Flavonoide [3,11] eingesetzt werden. Eine Quantifizierung der genuin vorhandenen Flavonoidglykoside ware in der Arznei-

pflanzenanalytik wiinschenswert. Dies ist aber oft nicht moglich, weil entweder die entsprechenden Referenzsubstanzen kommerziell nicht erhaltlich sind oder das Spektrum der Flavonoidglykoside so komplex ist, dai3 die Analytik fur eine pharmazeutische Kontrolle zu kompliziert wird. Beides trifft fur die Flavonoide von Ginkgo biloba zu. Dennoch werden Ginkgo-Extrakte seit langerer Zeit von der Industrie auf ,,Flavon"glykoside standardisiert. Dabei wird die Tatsache ausgenutzt, dai3 sich diese durch eine Hydrolyse auf die Aglyka zuriickfiihren lassen. Eine Standardisierung IaGt sich so realisieren. Die W-Spektren dieser Flavonoidaglyka erlauben eine selektive Detektion bei Wellenlangen uber 300 nm. Methoden, welche durch Hydrolyse der Flavonoidglykoside die komplexe Einzelbestimmung von iiber 20 SubstanZen auf die Hauptaglyka Isorhamnetin, Kampferol, Quercetin und die Nebenaglyka

Pbanazie in unserer Zeit / 21. jahrg. 1992 / Nr. 6

Ginkgo, Fhvonoide

UV von Quercetin

Ginkgo-Blatter

Abb. 1. Analyseschema fur die HPLC-Bestimmung der Flavonoidaglyka von Gink-

100 70

go biloba.

.+ a

Abb. 2. HPLC-Chromatogramm mit UVSpektren der Aglyka nach Hydrolyse eines Blattextraktes von Ginkgo biloba.

60

60

9

t

3

a

E

50 Myricetin und Luteolin reduzieren, wurden 1988 von Schennen [2], 1989 von Wagner et al. [lo] und 1990 von unserer Arbeitsgruppe [12] vorgestellt. Schennen [2] und Wagner et al. [lo] trennten die nach Hydrolyse der Glykoside mit methanolischer Salzsaure erhaltenen Aglyka-Gemische nach Vorreinigung iiber Sephadex LH-20 auf einer LiChroCart RP18 Saule mit RP-8 Vorsaule und MethanolWasser-Ameisensaure (55 : 41 : 4) als Elutionsmittel [2] bzw. auf einer Nucleosil C,, ( 5 pm) Saule und einem MethanoVWasser-Gradienten [lo]. Wahrend bei [lo] die quantitative Bestimmung der Aglyka nach der Methode des externen Standards durchgefuhrt und zur Berechnung des Gesamtglykosidgehaltes auf ein Acylglykosid (mittleres Molekulargewicht = 745) oder auf Rutin (Molekulargewicht = 665) umgerechnet wurde, wurde bei [2] Rutin als interner Standard verwendet, ohne dai3 Angaben dariiber gemacht wurden, wie die publizierten Aglyka-Gehalte berechnet worden sind. Schennen benutzte seine Methode zur Abklarung biologischer Fragestellungen, Wagner et al. die ihrige zur Gehaltsbestimmung von Flavonoiden in Ginkgo-Blattern, -Extrakten und in Fertigarzneimitteln. In unseren Laboratorien wurden drei verschiedene HPLC-Methoden zum Nachweis bzw. zur quantitativen Bestimmung der Flavonoide aus Ginkgo-Blattern und -Extrakten entwickelt. Auf diese sol1 im folgenden im Detail eingegangen werden. Bestimmung der Flavonoidaglyka nach Hydrolyse der Glykoside Mit der ersten Methode werden die Flavonoidglyoside hydrolysiert und die daraus entstehenden Aglyka qualitativ und quantitativ erfai3t [3, 12-13]. Die Aufarbeitung besteht grundsatzlich aus zwei Schritten: Extraktion und Hydrolyse der Glykoside sowie Probenaufarbeitung. Die pulverisierte Droge oder der Trockenextrakt werden mit einem Methanol-Salzsaure-

Pbarmazie in unserer Zeit / 21. Jabrg. 1992 / Nr. 6

20

40 3

210

a

E

30

nm

400

UV von Kampferol 100

20

60

10

3

a

E 20

0

4 .

I

3

.

.

6

'

.

I

'

12

9

Zeit (min)

210

nm 400

Tab. 2: Umrechnung vom Aglykagehalt auf den Ginkgoflavonolglykosidgehalt (,,Ginkgoflavon"glykosidgeha1t)

Die Umrechnungsfaktoren fur die Aglyka Isorhamnetin (MG 316,27), Kampferol (MG 286,24) und Quercetin (MG 302,2) werden z. B. (es gibt verschiedene Moglichkeiten mit im Endresultat nur marginalen Unterschieden) mit Hilfe des Molekulargewichtesvon z. B. 3 - 0 [2-0-(6-0-[p-Cumaroyl)-~-D-glycosyl)-~-L-rhamnosyl]quercetin (MG 756,7) bestimmt: Umrechnungsfaktoren:

- Isorhamnetin: 2,39 - Kampferol: 2,64 - Quercetin: 2,51

+ mittlerer Umrechnungsfaktor:

2,51

Berechnung: Z (Aglyka) x 2,51 = Gehalt an Ginkgoflavonolgkykosiden

Gemisch (70 ml MethanolAO ml Salzsaure (25 %)) wahrend 60 Minuten unter Ruckflufi erhitzt (Abbildung 1). Anstelle von Aceton, das von der Ph. Helv. VII zur Hydrolyse zum Beispiel bei Birkenblattern vorgeschrieben wird, mufi Methanol eingesetzt werden, damit auch die polareren Tri- und Diglykoside extrahiert werden konnen. Der Zusatz von Salzsaure erlaubt eine direkte hydrolytische Spaltung der Glykoside wahrend der Extraktion. Die Losung mit den Aglyka wird iiber eine C,, Kartusche (zum Beispiel Bond Elut)

gereinigt und fur die HPLC-Analytik injiziert. Die Flavonoidaglyka konnen mit einer Reversed-Phase Saule (z. B. Hypersil ODs; 5 pm; nach vorheriger Validierung zur Optimierung des Trennmaterials) mit einem Methanol/Wasser-Gradienten unter Zugabe von 0,5 % ortho-Phosphorsaure und Detektion im UV bei 370 nm analysiert werden (Tabelle 1). Die Berechnung der Gehalte (Tabelle 2) erfolgt via eines Umrechnungsfaktors auf Fla-

255

Ginkgo, Fkzvonoide

vonoidglykoside. Das geschieht in Anlehnung an die Praxis in der pharmazeutischen Industrie, welche bei der Standardisierung ihrer Praparate statt auf Aglyka in erster Linie aus marktpolitischen Uberlegungen auf ,,Ginkgoflavon"glykoside umrechnet, wobei iiblicherweise auch eine Analyse der Aglyka durchgefiihrt wird, obwohl keine publizierten Angaben vorliegen. Unter dem Begriff ,,Ginkgoflavon"glykoside (richtigerweise Flavonolglykoside) werden dabei die mit Cumarsaure veresterten Kampferol- und Quercetinderivate (= Flavonole) mit einem mittleren Molekulargewicht um 760 verstanden, wodurch der Gehalt optisch nochmals hoher ausfallt. Da diese Flavonoide als LeitsubstanZen in Ginkgo-Blattern und Ginkgo-Extrakten betrachtet werden konnen, ist eine Standardisierung auf diese Inhaltsstoffe aus pharmazeutischer Sicht akzeptabel. Das Chromatograrnm eines hydrolysierten Ginkgo-Extraktes aus Blattern zeigt ein typisches Bild (Abbildung 2 ) . Kampferol und Quercetin bilden die Hauptpeaks, die sich in ihrer Gro8e meist entsprechen. Die Konzentration von Isorhamnetin ist etwa fiinfmal geringer als diejenige der Hauptaglyka. Die ganz kleinen Nebenpeaks stellen weitere Aglyka dar, z. B. Apigenin und Luteolin. Sie konnen, falls sie in groi3erer Menge vorkommen, ebenfalls erfai3t werden.

Gehaltin%

g

1.8C

i-60

i.40

1.20 1.oo (9

0

0.80

0.60

0.40

0.20

0.00

Mai

Juni

Juli

umgekehrt ist gegeniiber den iibrigen Monaten. Irn Gegensatz zu den Cumarsaurederivaten nimmt der Gehalt der drei Haupt-Rutinoside (Abbildung 5 ) vom Monat Mai bis Juli ab und steigt ab Juli bis November wieder kontinuierlich an.

Nach unseren Untersuchungen enthalten getrocknete Blatter aus dem Drogenhandel einen Gehalt von 0,2bis 0,4 % Aglyka, was einem berechneten Gehalt von 0,5 bis 1 % Ginkgoflavonolglykosiden entspricht. Die Die Biflavone verhalten sich anders als die griinen Blatter gelten als qualitativ wertvoller, Glykoside (Abbildung 6). Der Monat Mai obwohl wir in unseren Untersuchungen in fallt hier, im Vergleich mit den anderen Monabezug auf die Flavonoide (mit Ausnahme des ten, durch den tieferen Gehalt auf. In den Monats Mai, in welchem nicht voll ausge- griinen Blattern @mi bis Oktober) steigt der wachsene Blatter analysiert wurden) keinen Gehalt bis in den Monat August an und jahreszeitlich bedingten Unterschied im Fla- nimmt dann bis zum Oktober wieder ab. Invonoidgehalt von Ginkgo-Blattern feststellen teressant ist, dai3 der Monat November (gelkonnten (Abbildung 3). Allerdings bestehen be, bereits abgefallene Blatter) wieder einen Unterschiede in der Ontogenese einzelner markant hoheren Gehalt ergibt als der VorFlavonoidgruppen. Hasler [3] konnte zeigen monat. (Abbildung 4), dai3 innerhalb einer Vegetationsperiode der Gehalt an den zwei Zu teilweise ahnlichen Resultaten kamen Haupt-Cumarsaurederivaten 3-0-[2-0-(6- kiirzlich Lobstein et al. [14]. Ihre Untersu0-{p-Cumaroy1)-P-D-glucosy1)-a-l-rham- chungen, welche ebenfalls an Blattern eines nosyl]quercetin und 3-0-[2-0-(6-0-@-Cu- einzelnen Baumes durchgefiihrt worden sind, maroy1)-P-D-glucosyl)-a-L-rhamnosyll-ergaben den hochsten Gehalt an Acylflakampferol, bestimmt in Blattern eines vonolglykosiden in den Blattknospen im weiblichen Ginkgobaumes, stufenweise auf Friihjahr (Marz), wahrend die hochsten Geetwa die Halfte abnimmt. Ausnahme ist wie- haltswerte an Flavonoidglykosiden im April der der Monat Mai, in welchem auch das Ver- gemessen worden sind. Anschliei3end nahm haltnis der beiden Substanzen zueinander ihr Gehalt bis zum Oktober ab, wahrend er

256

August

Septernbe;

Oktober -

November-

Abb. 3. Gehalt an Flavonoidaglyka und Ginkgoflavonolglykosidenin Abhangigkeit der Erntezeit (weiblicher Ginkgo biloba, Zurich, Mythenquai, berechnet auf die getrocknete Droge; in [4] und [13] wurde falschlicherweise ein ,mannlicher" Ginkgo biloba dokumentiert).

im November wieder anstieg. Die Biflavone nahmen im Verlauf der Vegetationsperiode langsam zu, ohne allerdings hohe Gehaltswerte zu erreichen. Diese Resultate zeigen, dai3 zu ihrer Absicherung eine grogere Feldstudie, bei der Material von verschiedenen Standorten, wahrend verschiedener Jahre, von Baumen verschiedenen Alters sowie mannlichen und weiblichen Individuen beriicksichtigt wird, durchgefiihrt werden mui3.

Bestimmung der Fkzvonoidaglyka Nachweis der BifZdvone

und

Bei der zweiten Methode wird anschliei3end an dasselbe Extraktions- und Probenaufarbeitungs-Procedere als Eluent ein Methanol/Tetrahydrofuran-Gradient mit 0,5 % ortho-Phosphorsaure und als Trennsaule Nucleosil lOO-C,, (3 pm) venvendet. Sie er-

Pharmazie in unserer Zeit / 21. Jahrg. 1992 / Nr. 6

Ginkgo, Bifivone

Rutinoside

Curnarsaurederivate: R-3-0-rha(2"-+1"')glc(6"'+1 "")cum 25000 10000

@ Karnpferolrutinosid

fl

lsorharnnetinrutinosid Quercetinrutinosid

- 20000

- 8000

E

-% 15000 0

2

d

3

5 6000

v

2

Q

10000

E

4000

5000

2000

0

0

5

6

7 8 9 Ernternonat

10

11

5

Abb. 4. Curnarsaurederivate in Blattern von Ginkgo biloba wahrend der Vegetationsperiode (weiblicher Ginkgo biloba, Zurich, Mythenquai).

6

7 8 9 Ernternonat

Biflavone

Abb. 5. Rutinosidderivate in Blattern von Ginkgo biloba wahrend der Vegetationsperiode (weiblicher Ginkgo biloba, Zurich, Mythenquai).

m

1 I h

m Ill

lsoginkgetin Ginkgetin

Arnentoflavon

"

Phamazie in unserer Zeit / 21. Jahrg. 1992 / Nr. 6

fjSciadopitysin Btlobetin

Abb. 6. Biflavone in Blattern von Ginkgo biloba wahrend der Vegetationsperiode (weiblicher Ginkgo biloba, Zurich, Mythenquai).

laubt neben der quantitativen Analyse der Aglyka einen qualitativen Nachweis der Biflavone in einem Run in 20 Minuten (Abbildung 7) und ermoglicht in Vollextrakten und daraus hergestellten Praparaten den Nachweis, dai3 zur Verarbeitung wirklich Ginkgo-Blatter verwendet worden sind und nicht irgendein ahnliches Flavonoidmuster aufweisendes Pflanzenmaterial. Die ubiquitar vorkommenden Aglyka allein sind nicht spezifisch genug zur Identifizierung von Gink-

1 0 1 1

5

6

7 8 9 1 0 1 1 Ernternonat

go-Blattern und Vollextrakten. Diese Methode kann allerdings nicht zur Analyse angereicherter Extrakte verwendet werden, bei denen die Biflavonoide entfernt worden sind (2. B. beim Extrakt EGb 761). Der qualitative Nachweis der Biflavone mittels RP-HPLC hat gegeniiber der DC-Methode den Vorteil, da8 auch die Biflavone GinkgetidIsoginkgetin aufgetrennt werden konnen. Diese beiden Substanzen konnten mittels D C ( & l o ) bisher nicht aufgetrennt werden.

Fingerprintanalyse der genuin vorkommenden FLavonoide

Bei der dritten Methode wird die Extraktion zweimal nacheinander mit Ethanol 80 % (zeigt augerst giinstige Losungseigenschaften fur die polaren Glykoside wie fur die apolaren Biflavone) durchgefiihrt. Nach Filtration iiber eine C,, Karmsche (Bond Elut) wird unter Verwendung von Nucleosil 1OO-C,, (3 pm) als Trennsaule als Eluent ein Isopro-

257

Ginkgo, HPLC

l?!4 60

4 20 1 4 2

40

Polaritatsunterschiede der in Ginkgo biloba vorkommenden Flavonoide (sehr polare, polare und apolare Verbindungen) groi3e Anforderungen an die HPLC-Adage, u. a. ist der Einsatz eines Drei-Pumpensystems erforderlich. Ein solches Fingerprint-Chromatogramm mui3 mit Hilfe der Dioden-ArrayTechnik uberpriift und die einzelnen Peaks mussen durch die UV-Spektren und durch entsprcchendc Reinstoffe qualifiziert wcrden.

Wmvelength (nm)

LC

B

332,4

558,lBB

228

200

168 148 7

1284

.-c

2B

0 Time 10.947

(R) 1

UV 1 4 . 2 9 2

( m i n . )

(R) I

UV 1 5 . 2 4 0

(R) I

UV 13.01

3

a E

YL-2l

Wavelength (nm)

Abb. 7. HPLC-Chrornatogramm mit UVSpektren der Aglyka und der Biflavone nach Hydrolyse eines Blattextraktes von

Ginkgo biloba.

258

panol-Tetrahydrofuran (25 : 65)/AcetonitrilGradient mit 0,5 % ortho-Phosphorsaure verwendet. Sie ermoglicht eine Fingerprintanalyse aller natiirlich vorkommenden Ginkgo-Flavonoide in einer einzigen HPLC-Analyse in 30 Minuten (Abbildung 8). Diese Methode erlaubt die Identifizierung von 22 Flavonoidglykosiden, 6 Flavonoidaglyka und 5 Biflavonen. Sie stellt aufgrund der gro8en

Diese Fingerprintanalyse ist besonders zur Durchfuhrung von Stabilitatskontrollen wertvoll. Es konnte gezeigt werden, da8 sowohl die Flavonoidglykoside als auch die Biflavone sich wahrend der Lagerung nicht zersetzen, und da8 das Verhaltnis der Verbindungen sich nicht veriindert [3]. Eine Zunahme des Aglykongehaltes, verbunden mit einer Abnahme des Glykosidgehaltes, wurde darauf hinweisen, da8 im Blatt- oder Extraktmatcrial unerwunschte Abbaureaktionen stattgefunden haben. Die Fingerprintanalyse ermoglicht besonders die Identifizierung der sehr typischen Flavonolcumarsaureester 21 und 22 (Abbildung 8 und Tabelle 3). Beide werden gut voneinander und von anderen Substanzen getrennt. Eine Fingerprintanalyse zur Trennung der Flavonoide in Ginkgo-Blattern wurde 1989 auch von Wagner und Mitarbeitern [lo] beschrieben. In dieser Arbeit konnten zwanzig Peaks in 55 Minuten unter Verwendung einer LiChroCart 125-4 Saule, einer Guard-Pak RP-18 Vorsaule sowie eines Acetonitril/Wasser-Gradienten als Elutionsmittel getrennt, aber nur zwei Flavonoide (Astragalin und Rutin), die vier Biflavone (Bilobetin, Ginkgetin/Isoginkgetin, Sciadopitysin) sowie Ginkgol, Shikimisaure und 6-Hydroxykynurensaure zugeordnet werden. Kurzlich veroffentlichten Pietta et al. [15] eine HPLC-Methode unter Verwendung einer C, Aquaporc RP-300 (7 pm) Saule und eines linearen Wasser-2-Propanol (95 : 5)/2-Propanol-Tetrahydrofuran-Wasser(40 : 10 : 50)Gradienten. Es gelang ihnen dabei, funfzehn bekannte Ginkgo-Flavonoide in 50 Minuten zu trennen. Die Zuordnung konnte fur sechs Flavonoide unter Einsatz von Referenzsubstamen vorgenommen werden. Die weiteren Flavonoidglykoside wurden durch Aufnahme der UV-Spektren mit der DiodenarrayTechnik vorgenommen, allerdings bei weniger als 10 Milliabsorptions-U (mAU). Solche Zuordnungen ohne weitere Untersuchungen mit Hilfe von Referenzsubstanzen sind sehr zweifelhaft. In beiden Arbeiten [lo, 151 sind

Pharmazie in unserer Zeit / 21. Jahrg. 1992 / Nr. 6

Ginkgo,HPLC

sowohl die beschriebenen Trennmethoden als auch die durchgefuhrten Peakidentifikationen nicht optimal und nicht vollstandig. Ebenfalls kurzlich publizierten Lobstein et al. [14] eine HPLC-Methode zur Trennung der GinkgoFlavonoide und Biflavone unter Verwendung einer LiChroCart 125-4, Superspher 100 Rl18 Saule (Vorsaule Lichroprep RP-18) und eines AcetonitriUWasser(mit 10 % 0,l N Phosphorsaure)-Gradienten. Da kein Diodenarray-Detektor zum Einsatz kam und nur wenig Referenzsubstanzen zur Verfiigung standen, konnten nur einzelne Peaks zugeordnet werden. 3-0-[2-0-(6-0-(p-Cumaro yl j-P-D-glucosy1)-a-L-rhamnosyl]quercetin und 3-0-[2-0-(6-0-@-CumaroylJ-P-

! -733

10

Zeit (min)

20

30

Abb. 8. Fingerprintchromatogramm eines ethanolischen Blattextraktes von Ginkgo biloba (oben) im Vergleich mit den isolierten Flavonoiden und Referenzsubstanzen (unten).

~

Tab. 3: Gradientenelutionsprofil der in Ginkgo biloba vorkommenden Flavonoide

t,

Flavonoid

1

3.21

3-0-[2-0-(6-04 p-Cumaroyl]-P-D-glucosyl)-a-L-rhamnosyl]-7-0[P-D-glucosyl]quercetin

2 3 4 5 6 7

3.47 4.09 4.71 4.97 5.96 6.53

3-0-[2-0,6-O-Bis(a-L-rhamnosy1)-~-D-glucosyl]quercetin 3-0-[2-0,6-O-Bis(a-L-rhamnosyl)-~-D-glucosyl]isorhamnetin 3-0-[2-0,6-O-Bis(a-L-rhamnosyl)-~-D-glucosyl]kampfero1 3-O-[6-O-(a-L-Rhamnosyl)-~-D-glucosyl]myricetin 3-O-[6-O-(a-L-Rhamnosyl)-~-D-glucosyl]-3’-methylmyricetin 3-0-[2-0-(6-0-{p-[P-D-Glucosyl]cumaroyl]-P-D-glucosy1)-a-L-

8 9

7.19 8.73

Nr.

rhamnosyllquercetin

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

8.73 9.68 10.37 10.74 11.39 13.00 13.58 14.58 15.22 16.65 17.05 17.60 18.51

3-O-[6-O-(a-L-Rhamnosyl)-~-D-glucosyl]quercetin 3-0-[2-0-(6-0-{ p-[P-D-Glucosyl]cumaroyl)-P-D-glucosyl)-a-L-

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

18.76 20.60 21.50 22.22 22.76 22.91 24.02 25.06 27.00 27.17 29.35

Myricetin Luteolin Quercetin Apigenin Isorhamnetin Kampferol Amentoflavon Bilobetin Ginkgetin Isoginkgetin Sciadopitysin

rhamnos yllkampferol 3-O-[6-O-(a-L-Rhamnosyl)-~-D-glucosyl]isorhamnetin 3-O-[~-D-Glucosyl]quercetin 3-O-[6-O-(a-L-Rhamnosyl)-~-D-glucosyl] kampferol 3-0-[2-0-( P-D-Glucosy1)-a-L-rhamnosyl]quercetin 3-O-[P-D-Glucosyl]isorhamnetin

3-O-[P-D-Glucosyl]kampferol 7-O-[P-D-Glucosyl]apigenin 3-0-[2-0-( P-D-Glucosy1)-a-L-rhamnosyl]kampferol 3-O-[a-L-Rhamnosyl]quercetin 3’-O-[P-D-Glucosyl]luteolin 3-O-[a-L-Rhamnosyl] kampferol 3-0-[2-0-(6-0-(p-Cumaroyl)-~-D-glucosyl)-a-L-rhamnosyl]quercetin 3-0-[2-0-(6-0-( ~-Cumaroyl}-~-D-glucosyl)-a-L-rhamnosyl]kampferol

Pharmuzie in unserer Zeit / 21. Jahrg. 1992 / Nr. 6

259

Ginkgo, Telpenkzctone

D-glucosy1)-a-L-rhamnosyl]kampferol sowie die Biflavone wurden in Ginkgo-Blattern quantitativ bestimmt.

Getrocknete, pulveri-

GW7o fmba

Phytopharmaka

sierte Bltltter

3.2 Analytik der Terpenlactone

Die Analytik der Terpenlactone bereitete bis in die neueste Zeit grofle Schwierigkeiten, da die Konzentration der Terpene in den Blattern nur gering ist (nach [16] haufig unter 0,1 %), selektive Detektionsmethoden und eine die Ginkgolide und das Bilobalid nach Extraktion aus Blattern anreichernde analytische Probenaufbereitungsmethode nicht erarbeitet waren. Zwischen 1981 und 1991 sind einige HPLC-[17-211 sowie DC-Methoden [lo, 18-19,221 zur Analytik der terpenoiden Inhaltsstoffe publiziert worden. Guth et al. [17J und Lobstein-Guth et al. [I81 publizierten als erste HPLC-Systeme zur Trennung von Bilobalid und den Ginkgoliden A, B und C. Sie verwendeten LiChrosorb RP-18 (10 pm) als Trennsaule und UV-Detektion bei 220 nm zum Nachweis der Substamen. Sie kamen zum Schlufi, dafi von den untersuchten isokratischen Trennsystemen eine Mischung von Wasser-Methanol-Tetrahydrofuran (75 : 5 : 15) eine genugende Trennleistung fur Bilobalid und die Ginkgolide darstellt. Die vorgeschlagene Aufarbeitung und Vorreinigung eines Ginkgo-Extraktes war allerdings zeitaufwendig und wenig wirksam (vgl. Abbildung 3 in [18]), so dafl die prasentierte Methode unbefriedigende Resultate lieferte. 1988 beschrieb Teng [19] die HPLC-Trennung von Bilobalid und den Ginkgoliden A, B, C und J in einem GinkgoExtrakt. Er verwendete eine RP C,8 Trennsaule, Wasser-Methanol-Tetrahydrofuran(7 : 2 : 1) als Elutionsmittel und ein Refraktometer zum Nachweis der Substanzen. Nach ihm ist eine UV-Detektion nicht moglich, da bei der verwendbaren Wellenlange (220 nm) zuviele Verunreinigungen den Nachweis der Ginkgolide verunmoglichen. Leider publizierte Teng keine experimentellen Angaben, so dafl die Analyse nicht reproduziert werden kann. Ahnlich verhalt es sich mit einer

Verwerfen des MeOH-Extraktes

Verd iinnter Wasser- Extra kt

I

Probenaufarbeitung: a) Polyarnid Saule b) Bond Elut C18 SBule (2 und 5% w M r . MeOH)

Gereinigter Extrakt

1

Abdarnpfen des Lbsungsrnittels Auflbsen des Rijckstandesin MeOH

HPLC-Analyse 3

Terpenlactongesamtgehalt in Ginkgo-Bliittern Herkunft

Gehalt (%)

China Holland Holland (1989) Holland Frankreich Frankreic h Deutschland

0,134 0,037 0,196 0,006 0,266 0,252 0,032

Der Terpenlactongesarntgehalt variierte urn einen Faktor 40.

1 /

Holland (1989)

i:

*.

.!

t

time (mini-

Abb. 9. Analyseschema fur die HPLC-Bestimmung der Terpenlactone (Bilobalid und Ginkgolide) von Ginkgo biloba. Abb. 10. HPLC-Chromatogramme und Terpenlactongehalte von Ginkgo-Blattern verschiedener Herkunft (nach van Beek et al. [16]).

260

7

.

*

*

time

,

.

-.

-

"I

[minl-

Phamazie in unserer Zeit / 21. Jahrg. 1992 / Nr. 6

Ginkgo, Bilobalid, Ginkgolide

RP-HPLC-Methode unter Verwendung von Nova-Pak C,, Radial-Pak (4 ym) als Trennsaule und 33 % Methanol-Wasser als Elutionsmittel, welche ebenfalls 1988 von Komoda et al. [20] publiziert worden ist. Neben der Feststellung, dai3 die Verwendung des Refraktometers zum Nachweis der Terpenlactone bessere Resultate liefert als die UV-Detektion, fehlen wesentliche experimentelle Daten, welche cine Reproduzierbarkeit der Methode gewahrleisten wiirden. Pietta et al. [21] schlugen erstmals ein einfaches Proben-Vorreinigungsverfahren unter Verwendung einer Kornbination von Extrelut-Saule und Bakerbond-Aluminium-Saule vor. Als Trennsaule wurde Microsorb C,, (3 ym) und als Elutionsmittel 2-Propanol-Wasser (10 : 90) eingesetzt. Trotz der Fortschritte bei der Probenaufbereitung kann die vorgeschlagene Trennmethode hochstens zum Nachweis, nicht aber fur cine quantitative Bestimmung der Terpenlactone verwendet werden. Bei der von den Autoren vorgeschlagenen UV-Detektion bei 220 nm werden verschiedene Verunreinigungen zusarnmen mit den Terpenen detektiert, was dem HPLC-Chromatogramrn und den on-line-UV-Spektren (vgl. Abbildung 3 und 4 in [21]) entnommen werden kann. Die vorgestellte Methode ergabe wahrscheinlich unter Verwendung cines Refraktometers zur Detektion der Terpene tolerierbare Resultate, allerdings unter Verlusten bei der Nachweisgrenze. Zusammenfassend kann bemerkt werden, dai3 alle besprochenen Methoden entweder unbefriedigend sind, fehlerhafte Resultate ergeben oder in Ermangelung detaillierter experimenteller Angaben nicht reproduziert werden konnen [16]. Eine vielversprechende Probenaufbereitungs-, Detektions- sowie quantitative Bestirnmungsmethode fur die Terpenlactone ist 1991 von van Beek et al. [16] vorgestellt worden. In den folgenden Ausfuhrungen sol1 naher auf die Arbeiten dieser Autoren sowie auf personliche Mitteilungen von van Beek eingegangen werden. Ginkgo-Blatter werden selektiv mit Methanol-Wasser (10 : 90), Phytopharmaka rnit Wasser allein extrahiert (Abbildung 9). Nach einer Probenaufbereitung mit Polyamid (MN-SC 6 fur Saulenchromatographie) und C,, Kartuschen (Bond Elut) in Serie konnen die Terpene in den erhaltenen Extrakten mit RP-HPLC (Tabelle 4) unter Verwendung von Spherisorb (5 pm; selbstgepackte Saule) und Wasser-Methanol (67 : 33) als mobiler Phase getrennt und mit einern Refraktometer nach-

Pharmazie in unserer Zeit / 21. Jahrg. 1.992/ Nr. 6

Tab. 4: Chromatographische Parameter zur Bestimmung der Terpenlactone (Bilobalid und Ginkgolide) von Ginkgo biloba (nach van Beek et al. [16])

-

Mobile Phase: Stationare Phase: Fld: Temperatur: Detektion: Interner Standard:

Wasser-Methanol(67 : 33), isokratisch Spherisorb C,,, 5 km (231 x 4,6 mm ID; selbstgepackte Saule) 1 rnl/min Raurntemperatur RI-Detektor Benzylalkohol

gewiesen werden. Kochendes Wasser, das wenige Prozent Methanol enthalt, hat sich als selektives Extraktionsmittel fur die Ginkgolide erwiesen. Obwohl damit eine Reihe von storenden Substanzen mitextrahiert werden, konnen diese durch die vorgeschlagene Probenaufbereitung entfernt werden. Mit Hilfe der Polyamidkartusche werden die meisten phenolischen Stoffe (u. a. auch die Flavonoide) entfernt. Die Terpenlactone werden in der C,, Kartusche unter Einsatz cines Elutionsmittels mit einem niedrigen Methanolanteil zuriickgehalten. Nach Erhohung des Methanolgehaltes konnen sic von der Saule abgelost werden. Nach dieser Probenaufbereitung konnen die Terpenlactone unter Einsatz einer RI-Detektion, nicht aber einer UV-Detektion, analysiert werden. Eine fur die UV-Detektion notwendige optimale Vorreinigung konnte von den Autoren nicht gefunden werden. Van Beek et al. [16] konnten mit dieser Methode unter Verwendung von Benzylalkohol als internem Standard in allen untersuchten Ginkgo-Blattern und Ginkgo-Phytopharmaka Bilobalid und Ginkgolide nachweisen, wenn auch mit betrachtlichen Unterschieden zwischen Blattmustern verschiedener Herkunft oder zwischen Ginkgo-Praparaten von verschiedenen Herstellern. Von den untersuchten Blattprovenienzen (Abbildung 10) enthielten Blatter eines franzosischen Musters den hochsten Gesamtgehalt an Terpenlactonen, alle anderen enthielten viel weniger. Der Terpenlacton-Gesamtgehalt aller untersuchten Muster variierte urn einen Faktor 40. In allen untersuchten Mustern war der Gehalt an Bilobalid gleich groi3 oder hoher als derjenige aller nachgewiesenen Ginkgolide zusammen. Dieselben Autoren [16] konnten zeigen, dai3 Ginkgo-Phytopharmaka, die auf der Basis eines teilweise gereinigten Spezialextraktes beruhen, wie zum Beispiel Tebonin, Rokan und Tanakan viel hohere Gehalte an Ginkgoliden und Bilobalid enthalten als andere, speziell

hollandische Praparate, die nach Vorschriften der homoopathischen Pharrnakopoe hergestellt worden sind (Abbildung 11). Ein franzosisches Praparat (Ginkgogink) zeigte eine vollstandig verschiedene Zusammensetzung gegenuber allen anderen, die untersucht worden sind. Es enthielt groi3e Mengen an Ginkgoliden, wahrend Bilobalid nicht nachgewiesen werden konnte. Da Bilobalid von den Terpenlactonen in allen untersuchten Blattern und Praparaten den Hauptinhaltsstoff darstellt, kann daraus geschlossen werden, dai3 bei diesem Praparat Bilobalid wahrend des Herstellungsprozesses selektiv entfernt worden ist. Zusatzlich konnten im Chromatogramm dieses Praparates einige zusatzliche Peaks nachgewiesen werden, die in allen anderen untersuchten Mustern nicht vorkamen. Die Verwendbarkeit der von van Beek et al. vorgestellten Methode zur Standardisierung von Ginkgo-Praparaten wird die Zukunft ergeben, sobald die Methode in der Routineanalytik erprobt worden ist. Nach einer privaten Mitteilung von van Beek eignet sich die beschriebene Methode gut zur Analyse der Ginkgo-Terpenlactone, obwohl die Probenaufbereitung recht zeitaufwendig ist und sehr stark von der Qualitat der kommerziell erhaltlichen C,, Reinigungskartuschen abhangt. Es ist deshalb zu hoffen, dai3 in Kurze eine stark vereinfachte Probenaufbereitung unter Verwendung von nur einer Saule beschrieben wird. Ebenfalls ware es wiinschenswert, dai3 durch die Probenaufbereitung samtliche eine UV-Detektion storende Substanzen entfernt werden konnten. Der Ersatz der RI-Detektion durch eine UV-Detektion hatte grof3e Vorteile, unter anderem bei der Peakidentifikation und der Peak-Reinheitskontrolle. Ebenso wiirden dadurch Nachweisgrenze (bei RI-Detektion ca. 10 ppm) und Basislinienstabilitat verbessert.

261

Ginkgo, Extvaktion

-

0

5

10

15

20

25

.

-

I

.

-

-

,,

t i m e IminJ-

time l m i n l IS

IS

,1&

Geriaforce

88

EO

I

Ginkgoplant

u . *

Praparate

Gehalt (%)

Tanakan (F) Rokan (D) Tebonin (D)

0,220 0,192 0,213

Geriaforce (NL) Ginkgoplant (NL) Naphyto DO (NL) Ginkgogink (F)

0,017 0,013 0,012 0,111

. , . . . .

t i m e Iininl-

“1 ’1 ‘1

I! I

Ginkgogink

‘/

GA

Der Terpenlactongesamtgehalt variierte urn einen Faktor 18. time l m i n l -

Abb. 11. HPLC-Chromatogramme und Terpenlactongehalte von Ginkgo-Phytopharmaka (nach van Beek et al. [16]). Abb. 12. Herstellung der Ginkgo-Extrakte und Standardisierung der daraus hergestellten Phytopharmaka.

Verschied. bzw. Trennschritte:

Flussig/FlussigExtraktion Fallung *

Konzentrierung

t

6% Terpenlactone

262

Pbarmazie in unserer Zeit / 21. Jabrg. 1992 / Nr. 6

Ginkgo, Extrakte

uber einen solchen ,,angereicherten oder Spezialextrakt" bekannt geworden, dessen Herstellungsverfahren in den ForschungslaboraDer Extrakt als Wirkstoff von Phytopharma- torien der Firrna Schwabe, Karlsruhe, entwickelt worden ist. Er wurde unter der ka Bezeichnung EGb 761 bekannt. Zur HerstelIn der Phytotherapie stellt der Extrakt als lung dieses klinisch und pharmakologisch geGanzes den Wirkstoff dar. Eine allgemeingiil- priiften Ginkgo-Extraktes wird gem& der tige Definition dazu fehlt allerdings. Von der 1989 abgelaufenen Patentschrift (Deutsches Ansicht, Phytopharmaka mufiten alle Kom- Patentamt, Offenlegungsschrift 21 17429) ein ponenten des pflanzlichen Ausgangsmaterials recht aufwendiges Aufarbeitungs- und Reiniim natiirlichen Mengenverhaltnis enthalten, gungsverfahren eingesetzt, wobei die an der bis hin zu der Ansicht, sie mufiten nur die fur Wirkung mitbeteiligten erwiinschten Inhaltsdie Wirkung verantwortlichen Substanzen stoffe, die Flavonoide und Ginkgolide angeenthalten, ist der Ubergang fliefiend. Letzt- reichert werden. Hohermolekulare Inhaltsendlich entscheiden bei der Extraktherstel- stoffe wie Gerbstoffe, Eiweiherbindungen lung die eingesetzten Verfahren (verwendete und Polysaccharide, aber auch andere unerLosungsmittel, Methoden und Schritte der wunschte Verbindungen, z. B. Biflavone und Extraktion) uber die Art und Menge der In- Ginkgolsauren, die wegen Komplexbildung mit anderen Substanzen oder allergener Eihaltsstoffe [23,24]. genschaften u n e d n s c h t sind, werden entWie bei anderen Arzneipflanzen gibt es auch fernt, bzw. ihr Anteil im Extrakt wird stark bei Ginkgo ,,Vollextrakte", auch als ,,Roh- reduziert [23, 241. Ein solches Verfahren ist oder Einfachextrakte" bezeichnet (Abbildung insbesondere dann notwendig, wenn ein 12). In ihnen liegen die meisten Inhaltsstoffe Ginkgo-Extrakt als Injektionslosung verarin ahnlichem Verhaltnis vor wie im pflanzli- beitet werden soll. Solche sind in der Phytochen Ausgangsmaterial. Solche Extrakte wer- therapie der Bundesrepublik Deutschland den meist mit Alkohol-Wasser als Extrak- verbreitet, wahrend z. B. in der Schweiz enttionsmittel hergestellt, dessen Losungseigen- sprechende Praparate nicht zugelassen sind. schaften dam fiihren, dafi eine recht Fertigarzneimittel auf der Basis des Extraktes komplexe Mischung von polaren (jedoch we- EGb 761 beanspruchen aufgrund der pharnig Zucker) bis ziemlich apolaren (jedoch we- makologischen und klinischen Belege Indikanig Wachse und Fette) Naturstoffen aus der tionen, die in der Regel eine Verschreibung Matrix der Geriistsubstanzen herausgelost der Praparate erfordern. Der Einsatz von werden. Im Falle von Ginkgo sind zur Erzie- Ginkgo-Extrakten bei fortgeschrittenen perilung einer hohen Ausbeute an Flavonoiden 40 pheren und zerebralen Durchblutungsbis 60 Prozent Alkohol zu empfehlen. Geeig- storungen ohne Abklarung der mannigfaltinet ist auch wafiriges Aceton. Ein solcher gen Ursachen durch den Arzt und ohne Vollextrakt enthalt in der Regel zwei bis vier Uberwachung lafit sich nicht verantworten. Prozent Ginkgoflavonolglykoside.Fertigarz- Urn fortschreitende degenerative Prozesse neimittel auf der Basis von Vollextrakten wer- aufzuhalten oder zu verlangsamen, ist die den in verschiedenen Landern Europas fur Medikation nur ein Element eines umfassendie Selbstmedikation zugelassen. Fur die den Therapiekonzeptes, das im Falle von Selbstmedikation zulassige Indikationen sind Hirnleistungsstorungen z. B. ein Gedachtnis-, z. B. in der Schweiz: Nachlassende geistige im Fall von peripheren Durchblutungsund korperliche Leistungsfahigkeit, Kon- storungen ein Gehtraining mit einschliefien zentrations-, Gedachtnis- und Antriebs- mufi. schwache, arteriosklerotische Beschwerden wie Schwindelgefuhl und Vergefilichkeit so- Dariiber hinaus sind auch homoopathische Praparate und Kombinationsprodukte, z. B. wie weitere, ahnliche Symptome. mit Ginseng- oder Knoblauchextrakten, im Daneben existieren ,,angereicherte oder Spe- Handel, auf die hier nicht naher eingegangen zialextrakte". Sie werden nach der Extraktion wird. durch mehrstufige Reinigungs- bzw. Trennschritte aufbereitet und enthalten dadurch ei- Standardisierung nen hoheren Gehalt an erwiinschten Wirkstoffen, wahrend unerwiinschte Inhaltsstoffe Bis vor kurzem waren alle Ginkgo-Fertigarzweitgehend eliminiert worden sind. Ginkgo neimittel auf einen Gehalt an ,,Ginkgoflabiloba-Praparate sind in Europa auf dem Weg von"g1ykosiden eingestellt. Seit kurzem wer-

Ginkgo-Extrakte und -Handelspraparate

Phanazie in unserer Zect / 21. Jahrg. 1992 / Nr. 4

den einzelne Praparate auch auf Terpenlactone standardisiert. Die Praparate auf der Basis des Spezialextraktes EGb 761, wie Tebonin forte (Schwabe), Rokan (Intersan), Tanakan (Ipsen) und Ginkobil (Ratiopharm) werden auf einen Gehalt von 24 % ,,Ginkgoflavon"g1ykosiden standardisiert. Andere, auf gleichem oder ahnlichem Herstellungsverfahren beruhende Extraktpraparate wie Kaveri (Lichtwer Pharma), Craton (Bioplanta Arzneimittel), Gincosan [Ginkgo/GinsengPraparat] (Pharmaton) werden auf einen ,,Ginkgoflavon"glykosidgehalt von 16-25 % standardisiert, zwei weitere Praparate, Ginkgo-Dragees (Duopharm) und Ginkgo-Dragees (Salus-Haus) auf einen solchen von 7,4 %. Praparate auf der Basis von Vollextrakten wie Valverde Vital-Dragees (Ciba-Geigy) oder Allium Plus [Ginkgo/KnoblauchPraparat] (Zeller) sind auf einen FlavonoidMindestgehalt von 2 %, das franzosische Praparat Arkogelules Ginkgo (Arkopharma) auf 0,5 % Flavonoide standardisiert. Entsprechend unterscheiden sie sich in der Dosierung (2.B. Tagesdosis Tebonin forte 120 mg Extrakt, Valverde Vital-Dragees 500 mg Extrakt). Zur Standardisierung wird, wie unter Analytik der Flavonoide beschrieben, eine HPLC-Analyse der Flavonoidaglyka durchgefuhrt und anschliefiend auf den Glykosidgehalt umgerechnet. Neuerdings werden Praparate, die auf dem Extrakt EGb 761 beruhen (Tebonin forte, Rokan, Tanakan, Ginkobil) auch auf 6 % Terpenlactone (Ginkgolide und Bilobalid) standardisiert. Van Beek et al. [16] erhielten in ihren Untersuchungen bei Tebonin forte Tropfen einen Totalgehalt an Terpenlactonen von 0,21 %, was umgerechnet auf den Extrakt einem Gehalt von 5,25 % entspricht. In diesem Zusammenhang mufi klar festgehalten werden, dafi die deklarierten 24 % ,,Ginkgoflavon"g1ykoside bzw. 6 % Terpenlactone sich auf die Standardisierung der fur die Herstellung der Fertigarzneimittel verwendeten Extrakte beziehen. Da G r die Produktion der Fertigarzneimittel nur ein Aliquot dieses Extraktes verwendet wird, z. B. im Fall der Tebonin forte Tropfen 4 g Extrakt auf 100 ml Losung, ist der Endgehalt an Wirkstoffen im Fertigarzneimittel um einen Faktor 25 niedriger. In bezug auf die Verwendung wirksamkeitsrelevanter Inhaltsstoffe fur die Standardisierung ist der Bezug auf Flavonolglykoside und Terpenlactone begriifienswert. Es ist zu vermuten, dafi andere Firmen bei ihren Praparaten damit bald nachziehen werden.

263

Ginkgo, Generika

Generika bei den Phytopharmaka - Phytogenerika Seit Erloschen des Patentschutzes von EGb 761 wird die Frage, ob es auch bei Phytopharmaka Generika gibt, wohl aus marktpolitischen Uberlegungen mit aui3erster Vehemenz diskutiert. Zweifellos kann festgehalten werden, daB ,,Extrakt nicht gleich Extrakt" ist. Herstellungs- und Reinigungsverfahren eines angereicherten Extraktes, speziell im Falle von Ginkgo biloba, umfassen eine ganze Reihe von Schritten, welche in einem anderen Betrieb kaum vollstandig reproduzierbar sind. Folglich sind Extrakte verschiedener Herkunft in der Regel von mehr oder weniger unterschiedlicher Zusammensetzung. Dies ist gerade bei solchen Extrakten von Bedeutung, bei denen die Wirkung nicht vorherrschend durch einen einzelnen Stoff hervorgerufen wird, sondern durch das komplizierte Zusammenspiel verschiedener Inhaltsstoffe [23,24]. Doch daraus kann nicht abgeleitet werden, dai3 auf dem Gebiet der Phytopharmaka keine Generika moglich sind, es sei denn, man wiirde bei der Zulassung von Phytopharmaka in Zukunft Normen anlegen, die auch gut dokumentierte Extrakte derzeit kaum erfullen konnen. SchlieBlich konnen auch zwischen Generika synthetischer Arzneimittel und entsprechenden Originalpraparaten Unterschiede bestehen, etwa bedingt durch ein anderes galenisches Verfahren bei der Herstellung. Wahrend jedoch bei den Synthetika-Monopraparaten Methoden fur den Vergleich der Bioverfugbarkeit zur Verfugung stehen, fehlen solche fur Phytopharmaka, so dai3 eine Beurteilung schwieriger ist. Sie wird in diesem Fall nur mit vergleichbaren Wirkungs- und Wirksamkeitsnachweisen moglich. Hier liegt generell die Hauptproblematik bei der Beurteilung von Phytopharmaka. Im Falle von Ginkgo liegen bisher keine pharmakologischen und klinischen Untersuchungen von Blattern vor. Alle Untersuchungen sind mit standardisierten Extrakten und den daraus hergestellten Praparaten durchgefuhrt worden, in erster Linie mit dem ehemals patentierten Extrakt EGb 761 [25]. Praktisch alle anderen (eine Ausnahme stellt Kaveri dar [26]), nicht mit diesem Extrakt hergestellten Spezialitaten beziehen sich mit ihren Indikationen auf die Resultate von EGb 761, unabhangig davon, wie sie hergestellt worden sind. Ein solches Vorgehen lai3t sich in keiner Weise rechtfertigen. O b allerdings die Zulassung eines neuen Ginkgo-Praparates mit analytisch

264

nachweisbaren hohen Flavonoid- und Terpenlactongehalten verweigert werden kann, nur weil das Herstellungsverfahren nicht in allen Punkten demjenigen des Extraktes EGb 761 entspricht, wie das derzeit in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert wird, ist fragwurdig. Mindestens stellt ein solches Vorgehen aus der Sicht der bisherigen Praxis im Falle von Generika eine Novitat dar. Eine Ausdehnung dieser Praxis auch auf Phytopharmaka anderen pflanzlichen Ursprungs brachte eingreifende Konsequenzen auf die heute sich auf dem Markt befindenden Fertigarzneimittel.

Die mit dem Erloschen des Patentschutzes von EGb 761 entstandene Generika-Situation sollte nicht dazu fiihren, daR andere, auf einen hohen Terpenlacton- und Flavonoidgehalt standardisierte Praparate nicht zugelassen werden, nur weil das Herstellungsverfahren nicht in allen Punkten identisch ist. Damit ware jede Art von Phytogenerika ausgeschlossen. Die Hersteller neuer Ginkgo-Extrakte und Ginkgo-Praparate sind dennoch aufgerufen, Methoden fur den Vergleich der Bioverfugbarkeit zu erarbeiten, oder, solange noch keine solchen zur Verfugung stehen, ihre Produkte einer klinischen Priifung zu unterziehen.

Bilanz Heute sind jedem Laboratorium gut zugangliche HPLC-Methoden fur die Qualitatskontrolle bzw. Standardisierung sowohl der Flavonoide als auch der Terpenlactone von Ginkgo-Blattmaterial und Ginkgo-Praparaten verfugbar. Das rechtfertigt die Forderung nach standardisierten Praparaten bei der Zulassung neuer Ginkgo-Phytopharmaka. Die urspriinglich praktizierte Einstellung auf Flavonolglykoside geniigt dem Verlangen nach einer Standardisierung auf wirksamkeitsrelevante Inhaltsstoffe nicht mehr. Deshalb sollten in Zukunft sowohl Flavonolglykoside als auch Terpenlactone (Bilobalid und Ginkgolide) erfai3t werden. Nicht standardisierte Praparate sollten in Zukunft nicht mehr zugelassen werden. Ginkgo-Praparate mit niedrigerem Flavonoid- bzw. Terpenlactongehalt, die nicht den hohen Indikationsanspruch des Extraktes EGb 761 beanspruchen, werden in verschiedenen Landern Europas fur die Selbstmedikation zugelassen. Zur Diskussion steht damit die Frage, ob fur die Behandlung von primaren Symptomen einer beginnenden Mangeldurchblutung ein Spezialextrakt mit hohem Flavonoid- und Terpenlactonanteil oder ein Vollextrakt, wie er in der Phytotherapie iiblicher ist und bei anderen FlavonoidProanthocyanidindrogen (z. B. WeiRdorn) Standard ist, benotigt wird. Dosisfindungsstudien, die zur Losung dieses Problems beitragen wurden, liegen nicht vor. Es gibt Hinweise in Form von Erfahrungsberichten, dai3 Vollextrakte Vigilanz und geistige Leistungsfahigkeit im Alter verbessern. Darauf deutet auch die Verbreitung der Urtinktur hin. Sorgfaltig durchgefuhrte psychometrische, aber auch andere Studien, mussen dies bestatigen. Die Zulassung von Praparaten fur die Selbstmedikation sollte in Zukunft im Rahmen einer EG-Zulassung vereinheitlicht werden.

Literatur [l] Firrnenbroschure ,,Tebonina, Ginkgo-bilobaSpezialextrakt EGb 761", Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co., Karlsruhe, 1991, p. 14. [2] Schennen, A. (1988): Neue Inhaltsstoffe aus den Blattern von Ginkgo biloba L. sowie Praparation "C-markierter Ginkgo-Flavonoide. Dissertation, Universitat Marburg. [3] Hasler, A. (1990): Flavonoide aus Ginkgo biloba L. und HPLC-Analytik von Flavonoiden in verschiedenen Arzneipflanzen. Dissertation Nr. 9353, ETH Zurich. [4] Sticher, O., A. Hasler, B. Meier (1991): Ginkgo biloba - eine Standortbestimmung. Dtsch. Apoth.

Ztg. 131,1827-1835. [5] Hasler, A., G.-A. Gross, B. Meier, 0. Sticher (1992): Complex Flavonol Glycosides from the leaves of Ginkgo biloba. Phytochemistry, 31, 13911394. [6] BrianGon-Scheid, F., A. Guth, R. Anton (1982): High-performance liquid chromatography of biflavones from Ginkgo biloba L. J. Chromatogr. 245, 261-267. [;1BrianGon-Scheid, F., A. Lobstein-Guth, R. Anton (1983): HPLC Separation and Quantitative Determination of Biflavones in Leaves from Ginkgo biloba. Planta Med. 49,204-207. [8] Song, Y. (1986): Chemical Composition and Utilization of Ginkgo biloba L. Chem. and Ind. of Forest Prod. 6, Nr. 3,l-4. [9] Pietta, P., P. Mauri, A. Rava (1988): Reversed-

phase high-performance liquid chromatographic method for the analysis of biflavones in Ginkgo biloba L. extracts. J. Chromatogr. 437,453-456. [lo] Wagner, H., S. Bladt, U. Hartmann, A. Daily, W. Berkulin (1989): Ginkgo biloba. DC- und HPLC-Analyse von Ginkgo-Extrakten und Ginkgo-Extrakte enthaltenden Phytopraparaten. Dtsch. Apoth. Ztg. 129,2421-2429.

Pharmazie in unserer Zeit / 21. Jahrg. 1992 1Nr. 6

Ginkgo, Literatur

[ll] Hasler, A., 0.Sticher, B. Meier (1992): Qualitative and quantitative high-performance liquid chromatographic determination of the flavonoids from Ginkgo biloba. J. Chromatogr., 605,4148. [12] Hasler, A., 0.Sticher, B. Meier (1990): Highperformance liquid chromatographic determination of five widespread flavonoid aglycones. J. Chrornatogr. 508,236-240. [13] Hasler, A., B. Meier, 0.Sticher (1990): Ginkgo biloba. Botanische, analytische und pharmakologische Aspekte. Schweiz. Apoth. Ztg. 28, 342347. [14] Lobstein, A., L. Rietsch-Jako, M. Haag-Berrurier, R. Anton (1991): Seasonal Variations of the

Flavonoid Content from Ginkgo biloba Leaves. Planta Med. 57,430433. [15] Pietta, P., P. Mauri, A. Bruno, A. Rava, E. Manera, P. Ceva (1991): Identification of flavonoids from Ginkgo biloba L., Anthemis nobilis L. and Equisetum arvense L. by high-performance liquid chromatography with diode-array W detection. Planta Med. 57,430-433. [16] Van Beek, T. A., H. A. Scheeren, T. Rantio, W. Ch. Melger, G. P. Lelyveld (1991): Determination of ginkgolides and bilobalide in Ginkgo biloba leaves and phytopharmaceuticals. J. Chromatogr.

[25] DeFeudis, F. V. (1991): Ginkgo biloba Extract (EGb 761): Pharmacological Activities and Clinical Applications. Editions ScientifiquesElsevier, Paris, pp. 1-187. [26] Hartmann, A., V. Schultz (eds.) (1991): Ginkgo biloba: Aktuelle Forschungsergebnisse 1990/91. Munch. med. Wschr. 133, S. 1-64

Danksagung Meinem friiheren Mitarbeiter Dr. Andreas R. Hasler (Zeller Sohne AG, Romanshorn) danke ich fur die im Rahmen seiner Dissertation [3] in den Jahren 1986-1990 durchgefuhrten experimentellen Arbeiten. Ihm sowie Priv.Doz. Dr. Beat Meier (ETH Zurich/Zeller Sohne AG, Romanshorn) danke ich ferner fur wertvolle Informationen und fur viele anregende und konstruktive Diskussionen, welche u. a. auch zur Publikation der zwei zitierten Ubersichtsarbeiten [4, 131 gefuhrt haben.

543,375-387. [17] Guth, A., F. BrianGon-Scheid, M. Haag-Berrurier, R. Anton (1981): Analyse qualitative et

quantitative des terpknes de Ginkgo biloba par HPLC. Planta Med. 42,129-130. [18] Lobstein-Guth, A., F. BrianGon-Scheid, R. Anton (1983): Analysis of terpenes from Ginkgo biloba L. by high-performance liquid chromatography. J. Chromatogr. 267,431-438. [19] Teng, B. P. (1988): Chemistry of Ginkgolides. In: Ginkgolides - Chemistry, Biology, Pharmacology and Clinical Perspectives, P. Braquet (ed.), J. R. Prous. Science Publishers S. A., Barcelona, p. 37-41. [20] Komoda, Y., H. Nakamura, M. Uchida (1988): HPLC analysis of ginkgolides by using a differential refractometer. Reports of the Institute for Medical & Dental Engineering 2 2 , 8 3 4 5 . [21] Pietta, P. G., P. L. Mauri, A. Rava (1990):

Analysis of Terpenes from Ginkgo Biloba extracts by Reversed Phase High-Performance Liquid Chromatography. Chromatographia 29,251-253. [22] Tallevi, S. G., W. G. W. Kurz (1991): Detection of Ginkgolides by Thin-Layer Chromatography. J. Nat. Prod. 54,624-625. [23] Hksel, R. (1990): Analytische Differenzierung verschiedener Ginkgo-Extrakte. Bedeutung des Herstellungsverfahrens fur die Extraktzusammensetzung. Arztliche Forschung 37,l-3. [24] Hansel, R. (1991): Ginkgo biloba: Das Arzneimittelangebot aus pharmazeutischer Sicht. Apotheker Journal No. 1, 38-42; Arztezeitschrift fur Naturheilverfahren 32,295-303.

Pharmazie in unserey Zeit / 21. Jahg. 1992 / NY.6

Prof. Dr. Otto Sticher Ug. 1936) studierte Pharmazie an der ETH Zurich. Nach seiner Promotion unter der Leitung von Prof. Dr. H. Fluck (ETH) und einem Postdoktorat am Organisch-chemischen Institut der Universitat Zurich (Prof. Dr. H. Schmid) Habilitation an der ETH Zurich, 1970 Privatdozent und seit 1972 Professor fur Pharmakognosie und Phytochemie. Zur Zeit auch stv. Vorsteher des Departements Pharmazie an der ETH, Prasident der Subkommission Arzneidrogen und Drogenzubereitungen der Eidg. Pharmakopoekommission, Vertreter der Schweiz in der Gruppe 13 der Europaischen Pharmakopoekommission sowie externer Experte fur Medikamente der Humanmedizin/Phytotherapie bei der IKS in Bern. Forschungsschwerpunkte: Nachweis, Isolierung, Charakterisierung und Strukturaufklarung biologisch aktiver Naturstoffe, Standardisierung von Arzneidrogen und Phytopharmaka, EntwicMung von Trennverfahren und Optimierung chromatographischer Verfahren. Prof. Dr. Otto Sticher, Departement Pharmazie, Eidgenossische Technische Hochschule Zurich.

265

[Ginkgo biloba--analysis and dosage forms].

Ginkgo, Inhaltsstoffe,Analytik Otto Sticher 1 Einleitung In Europa, speziell in Deutschland und Frankreich, aber auch in anderen Landern der EG und...
1MB Sizes 0 Downloads 0 Views