Leitthema Ophthalmologe 2013 · 110:1155–1159 DOI 10.1007/s00347-012-2675-z Online publiziert: 16. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

P. Steven · C. Cursiefen Universitätsaugenklinik Köln, Universität zu Köln

Glaukom und trockenes Auge Aktueller Stand und Zukunftsperspektiven

Ziel dieser Übersicht ist es zu erörtern, wie häufig das trockene Auge bei Patienten mit verschiedenen Formen des grünen Stars auftritt, warum es eine Assoziation zwischen trockenem Auge und Glaukom gibt und wie die Prävention und Therapie des trockenen Auges bei Glaukompatienten durch den Augenarzt gestaltet werden kann. Viele Patienten mit Glaukom, die längerfristig topisch mit antiglaukomatösen Augentropfen behandelt werden, klagen über Augenoberflächenbeschwerden [1– 10]. Diese Augenoberflächenbeschwerden sind nicht nur im Sinne einer Sehverschlechterung und eines okulären Dyskomforts für den Patienten störend, sondern sie beeinträchtigen in nicht unerheblichem Maß auch die Compliance und damit auch indirekt die Progression des grünen Stars [1, 11–25].

Nebenwirkungen topischer antiglaukomatöser Therapie Es gibt verschiedene lokale Nebenwirkungen längerfristiger oder auch kurzfristiger topischer antiglaukomatöser Therapien. Dazu zählen vor allem akute allergische und toxische Reaktionen auf den Wirkstoff oder die Begleitstoffe. Diese entzündlichen Reaktionen können unmittelbar nach Applikation oder auch erst im Verlauf der antiglaukomatösen Therapie auftreten und führen zu einer Destruktion von Epithelzellen sowie zur Aktivierung von Entzündungsmechanismen mit Entstehung eines u. U. chronischen

Reizzustands. Auf Basis dieses chronischen Reizzustands der Augenoberfläche kann es im Verlauf zu einem okulären „Pseudopemphigoid“ kommen. Hierbei findet sich das klinische Bild eines vernarbenden Schleimhautpemphigoids mit sub­epithelialer Fibrose der Bindehaut bis hin zu Verkürzungen der Fornices, die jedoch im Gegensatz zum echten vernarbenden okulären Schleimhautpemphigoid dessen immunhistochemische, serologische und ätiologische Kriterien nicht erfüllen. Die dritte wesentliche Komplikation ist das trockene Auge (. Abb. 1), das, wie oben aufgeführt, sowohl eine Tränenfilm- und Augenoberflächen-bedingte Sehverschlechterung, eine Verminderung der Therapiecompliance als auch okulären Dyskomfort verursacht.

Auftreten des trockenen Auges beim Glaukom Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren die Assoziation zwischen unterschiedlichen Formen des „trockenen Auges“ und verschiedenen Formen des grünen Stars untersucht [1]. Dabei zeigen sich grundsätzlich eine sehr hohe Inzidenz und Prävalenz von Augenoberflächenbeschwerden bei Patienten, die längerfristig antiglaukomatöse Augentropfen applizieren. In einer Studie von Fechtner et al. [2] wurden 630 Patienten mit grünem Star prospektiv multizentrisch auf das Vorhandensein von Augenoberflächenbeschwerden untersucht. Die Hälfte der Patienten litt unter einem „trockenen Auge“. Dieses war bei 21% der Patienten mild, bei 13% der Patienten moderat

und bei 14% der Patienten schwer ausgebildet. Es fand sich zudem eine Korrelation des trockenen Auges bei Glaukompatienten mit: F einem vorbestehenden trockenen ­Auge, F einer fehlenden Therapie mit Tränenersatzmitteln, F der Zahl der Glaukomaugentropfen und F dem Gebrauch von unkonservierten Augentropfen. Hieraus ergeben sich bereits die wichtigen Konsequenzen für die Vermeidung eines trockenen Auges bei Patienten, die längerfristig topisch antiglaukomatös behandelt werden müssen: F die ausreichende Therapie des vorbestehenden oder eines neu auftretenden trockenen Auges, möglichst mit unkonservierten Augentropfen, F der Versuch, mit möglichst wenig antiglaukomatösen Augentropfen (Kombinationspräparate) und möglichst unkonservierten Präparaten auszukommen, und F eine regelmäßige und zielgerichtete Diagnostik, um ein neu auftretendes oder sich verschlechterndes trockenes

Förderung DFG (Cu 47/4-1), DFG (SFB 634/B10), DFG (STE 1928/2-1), DFG (HE 6743/2-1), GEROK Programm Universität Köln (LMH), Bayer Graduate Program Pharmakologie (CC), Köln Fortune, Sicca-Forschungsförderung des BVA, Ruth und Helmut Lingen Stiftung Köln. Der Ophthalmologe 12 · 2013 

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Abb. 1 8 Typische klinische Zeichen eines trockenen Auges. a Reduzierte Tränenfilmstabilität mit Entstehung sog. „dry-spots“. b Ausgeprägte Anfärbbarkeit der Hornhaut mit Fluoreszein als Zeichen einer fortgeschrittenen Schädigung des Hornhautepithels

Auge frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Korrelation trockenes Auge und Glaukome Warum gibt es diese ungewöhnliche Häufung von Augenoberflächenbeschwerden bei Patienten mit Glaukomen? Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Es gibt möglicherweise eine direkte pathophysiologische Verbindung zwischen Glaukom und trockenem Auge.  Es gibt eine reduzierte basale Tränenreduktion bei verschiedenen Formen des primären Offenwinkelglaukoms. Ob dies auf eine autonome Dysfunktion und andere Ursachen zurückzuführen ist, ist bisher nicht vollständig geklärt. Es gibt sekundäre Offenwinkelglaukome wie das Pseudoexfoliationssyndrom, bei denen ebenfalls eine Reduktion der Tränenproduktion beschrieben ist. Die Glaukomtherapie verstärkt das trockene Auge.  Dies liegt einerseits an der medikamentösen Therapie die zu 90% für die beschriebenen Augenoberflächenbeschwerden verantwortlich ist. Zum einen reduzieren bestimmte Augentropfen wie β-Blocker die Tränenproduktion, zum anderen können Augentropfen allergisierend wirken und damit den Oberflächenreizzustand verschärfen, was wiederum ein trockenes Auge verstärkt. Des Weiteren sind Konservierungsmittel in Glaukomaugentropfen von ganz entscheidender Bedeutung für das Auftreten eines trockenen Auges. Konservierungsmittel können auf verschiedensten Wegen die Inte­grität des Tränenfilms beein-

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trächtigen und damit eine Entzündungskaskade initiieren, die in einem trockenen Auge münden kann [3, 4, 5]. Konservierungsmittel, hier vor allem das Benzalkoniumchlorid (BAC), zerstören die Meibom-Drüsen, die Epithelzellen und die Becherzellen, sie verursachen eine Entzündung der Augenoberfläche, und sie verursachen eine neurotrophe Keratopa­ thie durch Schädigung der Hornhautnerven. BAC desintegriert weiterhin die Lipidschicht des Tränenfilms und wirkt damit als sog. Detergens. Des Weiteren gibt es z. B. aus Arbeiten von Pisella eindeutige Hinweis darauf, dass die Zahl der Glaukomtropfen eindeutig mit den Symptomen und auch den klinischen Zeichen des trockenen Auges bei Glaukompatienten korreliert [6]. In der Summe führt also die wiederholte Applikation von vor allem Benzalkoniumchlorid-haltigen Augentropfen zu einer Destabilisierung des Tränenfilms, zu einer Zerstörung von Epithel- und Becherzellen und somit zu einer chronischen Entzündungsreaktion mit dem Vollbild eines trockenen Auges. Die Glaukomchirurgie führt zum trockenen Auge.  Filterkissenoperationen und die Verwendung von toxischen Substanzen wie Mitomycin C (MMC) führen zu einer assoziierten Tränenfilminstabilität. Andere operative Eingriffe wie die Zyklophotooder Kryokoagulation können zudem eine neurotrophe Keratopathie mit anschließendem trockenem Auge verursachen.

Folgen des trockenen Auges bei Glaukompatienten Die Konsequenzen des trockenen Auges sind nicht nur eine reduzierte Sehschärfe

und Oberflächenbeschwerden des Patienten, sondern – und das ist bei Glaukompatienten von ganz entscheidender Bedeutung – eine Reduktion der Com­pliance des Patienten bezüglich der Applikation von antiglaukomatösen Augentropfen. Patienten, bei denen die Glaukomtropfen Schmerzen verursachen und die Sehschärfe reduzieren, haben eine deutliche höhere Rate von Noncom­pliance und nehmen ihre Glaukomtropfen nicht, was wiederum zu einer Progression des grünen Stars führt. Des Weiteren führen die Oberflächenbeschwerden über die variable Sehschärfe auch zu Fehlinterpretationen von sinnesphysiologischen Untersuchungen wie z. B. der Gesichtsfelduntersuchung, die bei trockenen Augen oftmals unzuverlässige Ergebnisse liefert [7, 8].

Konservierte versus unkonservierte Antiglaukomatosa Aufgrund der oben genannten Gründe sollten alle Patienten, die eine längerfristige Therapie am Auge mit Augentropfen benötigen, idealerweise mit unkonservierten Augentropfen behandelt werden. Andererseits ist es so, dass über die Hälfte der Patienten konservierte Augentropfen, zumindest mittelfristig, vertragen. Ein Umstieg auf unkonservierte Augentropfen ist deshalb vor allen Dingen zwingend bei Patienten mit trockenem Auge, bei Risikopatienten und bei jüngeren Patienten, bei denen eine sehr lange lokale Tropf­ therapie wahrscheinlich ist.

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Bei längerfristiger Therapie sollten unkonservierte Augentropfen verwendet werden Des Weiteren ist der Umstieg unmittelbar präoperativ nötig, um das Ergebnis der Filtrationschirurgie zu verbessern. Es gibt bereits aus den Substanzklassen der β-Blocker, der Sympathomimetika/Cholinergika, der Carboanhydrasehemmer und der Prostaglandinanaloga unkonservierte Präparate sowohl als Monopräparat als auch als Kombinationspräparate. Dennoch wäre eine Ausweitung des Spektrums unkonservierter Augentropfen wünschenswert und ist auch von der

Zusammenfassung · Abstract Industrie in Entwicklung. Außerdem gibt es „weniger“ toxische Konservierungsmittel, wie z. B. das Polyquad, die aber längerfristig auch das Auge schädigen.

Stufentherapie des trockenen Auges bei Glaukompatienten Wie bei Patienten mit trockenem Auge anderer Genese ist auch bei Patienten, bei denen das trockene Auge mit einer Glaukomerkrankung assoziiert ist, die Therapie auf die Basis der neuen Definition des trockenen Auges nach dem Dry Eye Workshop von 2007 zu stellen [9]. Danach ist das trockene Auge eine multifaktorielle Erkrankung, die zu einer Sehverschlechterung und zu Oberflächendyskomfort führt und die durch eine Tränenfilminstabilität, erhöhte Tränenfilmosmolarität und einer Entzündung der Augenoberfläche charakterisiert ist. Das heißt, bei der Therapie des trockenen Auges müssen sowohl die Tränenfilminstabilität als auch die Hyperosmolarität als auch die Entzündung der Augenoberfläche adressiert werden. Im Rahmen des Stufentherapiekonzeptes ist es zunächst wichtig, dem Patienten zu vermitteln, dass die Therapie des trockenen Auges oft eine dauerhafte Therapie ist, dass Therapieerfolge häufig erst verzögert einsetzen und dass im Zweifelsfall die für den Patienten optimale Therapie erst im Rahmen eines Trialand-Error-Verfahrens gefunden werden kann. Des Weiteren sollte dem Patienten unbedingt mitgeteilt werden, dass inzwischen neben den Tränenersatzmitteln diverse andere Therapiestrategien vorhanden sind, mit denen man in aller Regel das trockene Auge dann doch auf ein erträgliches Maß reduzieren kann.

Basistherapie Tränenersatzmittel Die Basistherapie des trockenen Auges bleibt der Ersatz der Tränenfilmkomponenten. Hier stehen inzwischen neben den klassischen Gruppen der synthetischen Polymere, der Cellulosederivate, der Pantothensäure oder der Hyaluronsäure auch modernere Präparate zur Verfügung wie antihyperosmolare Substanzen, die Lipidlayer-ersetzenden Tropfen oder auch thixotrope Substanzen. Interes-

sant sind hier vor allem Präparate die die Lipidschicht des Tränenfilms stabilisieren, die im Rahmen einer sog. „meibomian gland dysfunction“ (MGD, MeibomDrüsen-Dysfunktion) bei einem großen Prozentsatz der Patienten mit trockenem Auge beeinträchtigt ist. Inzwischen wird die MGD als wichtige Mitursache in der Pathogenese des trockenen Auges akzeptiert. Diese Tropfen und Sprays sollen den defekten Lipidlayer ersetzen bzw. stabilisieren. Grundsätzlich gilt, dass mit einem Tränenersatzmittel begonnen wird, um dann, wenn dieses nach 3 bis 4 Wochen Therapieversuch nicht anschlägt, ein Präparat aus einer anderen Substanzklasse gewählt wird. Grundsätzlich sollen tendenziell unkonservierte Augentropfen und ab 5-mal pro Tag eine Salbe zur Nacht verwandt werden.

„Meibomian gland dysfunction“ Die Dysfunktion der Meibom-Drüsen mit oder ohne assoziierte hintere Blepharitis ist eine wichtige Mitursache für die Entstehung des trockenen Auges [10]. Bei Patienten mit MGD kommt außer einer Lidrandpflege, den feucht-warmen Umschlägen, vor allem eine lokale oder systemische Antibiose infrage. Bei Patienten mit z. B. Rosazea ist bisweilen eine längerfristige systemische Antibiose beispielsweise mit Doxycyclin 100 mg pro Tag nötig [11]. Zudem können verengte oder verschlossene Meibom-Drüsen-Ausführungsgänge mit einer Sondierung unter Lokalanästhesie wiedereröffnet werden. Für die Durchführung dieses Verfahrens ist jedoch die vorherige infrarotgestützte Meibographie zur Einschätzung der Meibom-Drüsen-Konfiguration und Verteilung sinnvoll [12, 13]. Die Glaukomtherapie führt ebenfalls zu einer Verringerung des Meibom-Drüsen-Areals.

Weiterführende Therapie Bei Patienten, bei denen diese Basistherapien nicht anschlagen, gibt es heute weitere intensivere Therapiemöglichkeiten wie die Therapie mit Punctum-Plugs und einer permanenten Verödung des Tränenpunktes. Außerdem sollte aufgrund der klar belegten entzündlichen Pathogenese des trockenen Auges frühzeitig

Ophthalmologe 2013 · 110:1155–1159 DOI 10.1007/s00347-012-2675-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 P. Steven · C. Cursiefen

Glaukom und trockenes Auge. Aktueller Stand und Zukunftsperspektiven Zusammenfassung Hintergrund.  Der aktuelle Stand und zukünftige Perspektiven der Prävention und Therapie des trockenen Auges unter Glaukomtherapie werden diskutiert. Methoden.  Zugrunde liegen eine Literaturrecherche aus Pubmed (Schlüsselwörter: „Glaucoma“ und „dry eye“) und eigene klinische und experimentelle Daten. Ergebnisse.  Das trockene Auge ist eine der Hauptkomplikationen einer längerfristigen lokalen Glaukomtherapie. Es gibt eine direkte Korrelation der Zahl konservierter antiglaukomatöser Tropfen mit dem Oberflächenschaden. Schlussfolgerung.  Vor und während längerfristiger topischer Glaukomtherapie ist unbedingt auf das Vorliegen eines trockenen Auges zu achten und dieses adäquat zu behandeln, um langfristige Schäden und eine reduzierte Compliance des Patienten zur verhindern. Schlüsselwörter Konservierungsmittel · Entzündung ·   Glaukomtherapie · Compliance ·   Oberflächenschaden

Glaucoma and dry eye. Current concepts and future perspectives Abstract Purpose.  Current concepts and future perspectives for therapy and prevention of dry eye in glaucoma patients are described. Methods.  Own clinical and experimental findings and PubMed based literature search (keywords: glaucoma and dry eye). Results.  Ocular surface disease is the main long-term complication of glaucoma therapy. Prevention of ocular surface inflammation by preservative-free antiglaucoma eye drops and concurrent dry eye therapy are important Conclusions.  It is mandatory to treat dry eye prior to and during glaucoma therapy. Preservative-free glaucoma medication can help to ameliorate the problem. Keywords Glaucoma therapy · Compliance · Surface   damage · Inflammation · Preservatives

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Leitthema eine antientzündliche Therapie eingeleitet werden (s. unten). Des Weiteren stehen inzwischen bei schweren Formen des trockenen Auges, gerade auch bei Patienten mit Sjögren-Syndrom oder bei Patienten mit okulärer Graft-vs.-Host-Erkrankung (GvHD), autologe Eigenserumaugentropfen zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um ein konservierungsmittelfreies, aus dem eigenen Blut hergestelltes Augentropfenpräparat mit einem Cocktail von Wachstumsfaktoren, das gerade bei schweren Formen des trockenen Auges und bei neurotroph bedingten Formen des trockenen Auges sehr gut wirkt [14, 15]. Die Abgabe der Eigenserumaugentropfen ist juristisch kompliziert, sodass in der Regel nur Institute für Transfusionsmedizin diese Tropfen legal herstellen und dann direkt oder indirekt abgeben können. An der Universitäts-Augenklinik in Köln ist dies durch eine Kooperation des Instituts für Transfusionsmedizin und einer zertifizierten Apotheke gesetzeskonform sowohl ambulant als auch stationär ermöglicht.

Antientzündliche Therapie Ein ganz wichtiger Baustein der Therapie des trockenen Auges ist inzwischen die antientzündliche Therapie [16, 17]. Wir wissen, dass es bei allen chronischen Formen des trockenen Auges zu einer Entzündung der Augen und zu einer autoreaktiven Entzündung der Augenoberfläche kommt. Diese Entzündung schädigt dauerhaft die Augenoberflächenzellen und führt in der Folge zu einer Instabilität des Tränenfilms, was wiederum zu einer verstärkten Hyperosmolarität des Tränenfilms führt und so einen Circulus vitiosus in Gang setzt, der zu weiteren Folgeschäden des trockenen Auges führt. Der Grad der Entzündung ist klinisch oft nicht direkt feststellbar, wobei an der Spaltlampe z. B. eine verstärkte Durchblutung sichtbar ist oder indirekt durch die Ursache, wie z. B. ein Sjögren-Syndrom, auf eine systemische Entzündungsreaktion geschlossen werden kann. Eine weitere Möglichkeit der Diagnose der Entzündung im Rahmen des trockenen Auges ist die In-vivo-Quantifizierung von Entzündungszellen der Augenoberfläche mittels konfokaler Laserscanning-Mikrosko-

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pie, die sowohl eine Indikationsstellung als eine Verlaufsbeobachtung ermöglicht. Da aber, wie oben gesagt, bei chronischer Sicca immer einer Entzündungsreaktion vorliegt, ist bei Ausbleiben einer Besserung unter der Basistherapie eine antientzündliche Therapie als nächster Therapieschritt indiziert.

pieren. So sind Präparate, die sog. kompatible Solute enthalten, auf dem Markt, die eine Dehydrierung der Oberflächenzellen durch die Hyperosmolarität des Tränenfilms verhindern helfen.

Bei Ausbleiben einer Besserung unter Basistherapie ist eine antientzündliche Therapie indiziert

Bei der sehr schweren Form des trockenen Auges steht uns die Therapie mit Amnionmembrantransplantationen zur Verfügung. Dies trifft vor allen Dingen auf neurotrophe Formen des trockenen Auges zu, bei denen ein nicht heilender Epitheldefekt mit einem Amnionpatch relativ zuverlässig behandelt wird [20, 21]. Hier können auch nahtfreie Formen des Amnionmembrantransplantates zur Anwendung kommen [22]. Des Weiteren kann unter topischem Antibiotikaschutz und regelmäßigen Kontrollen auch auf eine temporäre Verbandslinse oder eine Skleralinse zugegriffen werden. In Kooperation mit den internistischen Kollegen können auch orale cholinerge Agonisten bei schwersten Formen des trockenen Auges angewendet werden.

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Praktisch ist eine temporäre Stoßtherapie mit einem Kortisonpräparat über 4 Wochen 5-mal täglich durchzuführen, idealerweise mit einem unkonservierten Steroid. Sollte der Patient darunter eine Symptombesserung bemerken, sollte auf eine antientzündliche Dauertherapie mit Cy­ closporin-A-Augentropfen 0,05% umgestiegen werden. Die Vorbehandlung oder Überlappung mit Kortison reduziert des Weiteren die Oberflächenbeschwerden wie das Brennen, das in der Regel bei Cyclosporin-A-Augentropfen auftritt [18]. Cyclosporin-A-Augentropfen können über die internationale Apotheke als Restasis (Allergan Inc., USA) bestellt oder über eine lokale Apotheke hergestellt werden. Jede Apotheke kann nach dem neuen Rezepturformular (NRF 15.21) diese Augentropfen herstellen, was jedoch in der Regel nur von größeren Apotheken durchgeführt wird. Die Tropfen werden 2-mal am Tag appliziert. Der Patient muss wissen, dass die Tropfen initial brennen und dass der Wirkeintritt mit bis zu 4 bis 6 Wochen Verzögerung stattfindet. Die Symptombesserung kann sich bis über 1 Jahr hinziehen, und die Therapie ist als Dauertherapie gedacht. Es gibt jedoch die Möglichkeit, nach 1 Jahr einen Auslassversuch zu machen, um dann zu sehen, wie sich die Symptome stabilisieren [19].

Antihyperosmolare Therapie Auch beim dritten pathogenetischen Faktor des trockenen Auges, der Hyperosmolarität, sind wir inzwischen über die Osmolaritätsmessgeräte in der Lage, Hyperosmolarität zu quantifizieren, und es gibt erste Ansätze, antihyperosmolar zu thera-

Sehr schwere Formen des trockenen Auges

Fazit für die Praxis F Ein hoher Prozentsatz der Patienten mit Glaukomen leidet an einem koexistenten trockenen Auge. Dies ist zum einen über die Erkrankung an sich, aber auch über die topische Glaukomtherapie und die chirurgischen Maßnahmen erklärt. F Vor allen Dingen konservierte Glaukomaugentropfen tragen in erheblichem Maß zum Entstehen eines trockenen Auges bei. Wichtig ist deshalb, ein präexistentes trockenes Auge zu erkennen und zu behandeln und bei Patienten mit Beschwerden spätestens dann auf unkonservierte Augentropfen umzusteigen. F Bei Glaukompatienten mit trockenem Auge steht das normale Stufenarmamentarium der Therapie des trockenen Auges zur Verfügung [23–27]. Schwerpunkte sind die antientzündliche Therapie, die antihyperosmolare Therapie und die Stabilisierung des Tränenfilms.

Fachnachrichten Korrespondenzadresse Prof. Dr. C. Cursiefen Universitätsaugenklinik Köln,   Universität zu Köln Kerpener Str. 62, 50924 Köln [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  P. Steven hat Honorare, Reisemittel und/oder Forschungsförderungen von folgenden Firmen erhalten: Allergan, Alcon, Bausch+Lomb, Chefaro, Novaliq, MSD, Oculus, Haag-Streit Surgical. C. Cursiefen: Consultant Allergan, Gene Signal, Novaliq.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.  

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Neue Gentherapie bei Netzhautdefekten Für verschiedene erblich bedingte Gendefekte, die zur Netzhaut-Degeneration führen, könnte bald eine Gentherapie mit ausgewählten Vektoren eine riskante Operation am Auge überflüssig machen. Netzhautdefekte führen häufig innerhalb weniger Jahre zur Blindheit. Bei einigen erblichen Krankheiten, die durch Genmutationen entstehen, ist die Netzhautstruktur zu Beginn noch intakt. An diesem Punkt setzt die Gentherapie an: Bevor die Genmutation zu einer Degeneration der Netzhaut führt, kann dieser Abschnitt der DNA durch einen DNA-Strang ohne Mutation ersetzt werden. Dafür werden adeno-assoziierte Viren (AAV) als Transporter für die intakte DNA eingesetzt und in das Auge injiziert. Erste klinische Studien zeigten, dass das Sehvermögen nach der Behandlung, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, marginal zunahm. Der Grund liegt u.a. darin, dass die Viren in dem relativ dichten Gewebeverband der verschiedenen Schichten der Netzhaut nur einen Teil der defekten Zellen erreichen. Nun schafften Forscher, durch Einsatz einer „in-vivo-directed-evolution“, mittels Selektion aus unterschiedlichen Virushüllen effektivere Transporter zu finden, die fast alle Zellen der Photorezeptoren und des Pigmentepithels in Mäusen erreichten. Im letzten Jahr ließ die Europäische Arzneimittelbehörde EMA die AAV-Viren bei Hyperchylomikronämie, einer seltenen erblichen Stoffwechselkrankheit, zu. In Zukunft könnte dies auch bei der Leberschen kongenitalen Amaurose (LCA) der Fall sein, einer erblichen Form der Netzhaut-Degeneration. Literatur: Dalkara D, Byrne LC, Klimczak RR et al (2013) In Vivo-Directed Evolution of a New Adeno-Associated Virus for Therapeutic Outer Retinal Gene Delivery from the Vitreous. Sci Transl Med 5:189ra76 Quelle: Berkeley, University of California, www.berkeley.edu

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[Glaucoma and dry eye. Current concepts and future perspectives].

Current concepts and future perspectives for therapy and prevention of dry eye in glaucoma patients are described...
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