Originalien Nervenarzt 2014 · 85:982–989 DOI 10.1007/s00115-014-4128-1 Online publiziert: 25. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C. Foerch · W. Pfeilschifter · P. Zeiner · R. Brunkhorst Klinik für Neurologie, Klinikum Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Saures Gliafaserprotein beim Patienten mit akuten Schlaganfallsymptomen Diagnostischer Marker einer Hirnblutung Das saure Gliafaserprotein („glial fibrillary acidic protein“, GFAP) ist ein in astroglialen Zellen in großer Menge exprimiertes Protein, das zu den Intermediärfilamenten gehört und damit für den Erhalt der Struktur der Zellen, die Ausbildung von Zellfortsätzen und die Migration von großer Bedeutung ist (. Abb. 1). Es weist ein Molekulargewicht (MG) von ca. 50.000 auf. Es wurde 1969 erstmals von Lawrence F. Eng charakterisiert und später dem Chromosomenabschnitt 17q21 zugeordnet [10]. Das saure Gliafaserprotein gilt als hirnspezifisches Protein, das in anderen Geweben allenfalls in Spuren nachgewiesen werden konnte [10]. Es wird als Strukturprotein üblicherweise nicht von den Zellen aktiv in den Extrazellularraum sezerniert, sondern nur dann freigesetzt, wenn es zur Destruktion der Zellen mit Verlust der zellulären Integrität kommt [6]. Dies ist u. a. bei der Zellnekrose zu beobachten. Es weist Eigenschaften auf, die in einschlägigen Arbeiten von einem potenziellen Zentralnervensystem(ZNS)-Bio­ marker gefordert werden [37]. Hierzu zählen u. a. die hohe Hirnspezifität und die Korrelation der GFAP-Spiegel mit dem Ausmaß der Hirnschädigung [12, 15, 16]. Das saure Gliafaserprotein ist zudem im Vollblut vergleichsweise stabil und mit immunbasierten analytischen Verfahren leicht nachzuweisen (z. B. „enzyme linked immunosorbent assay“, ELISA, [25]). In der vorliegenden Übersichtsarbeit wird ein Überblick über den aktuellen

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Stand der Forschung gegeben, und Zukunftsperspektiven werden diskutiert.

Pathophysiologie Prospektive Studien haben gezeigt, dass GFAP bei Patienten mit akuten Hirnblutungen bzw. akuten Hirninfarkten mit unterschiedlicher zeitlicher Latenz ins Plasma freigesetzt wird [9, 11, 12, 33]. Durch die unmittelbare mechanische Destruktion astroglialer Zellen, die nach Ruptur einer intraparenchymalen Arterie oder Arteriole durch das expandierende Hämatom vermittelt wird, kommt es bei Patienten mit Hirnblutungen zu einer raschen Freisetzung von GFAP ins Plasma. Im Unterschied hierzu ist bei Patienten mit zerebraler Ischämie in den ersten Stunden nach Auftreten des Gefäßverschlusses noch kein nekrotischer Zelltod in relevantem Ausmaß zu finden. Die astroglialen Zellen sind zwar funktionell

beeinträchtigt, aber strukturell noch intakt. Erst ca. 6–12 h nach Symptombeginn können beim Hirninfarkt histopathologisch typische Nekrosezeichen beobachtet werden. Entsprechend wird GFAP auch nur mit Verzögerung freigesetzt [6]. Signifikant erhöhte Plasmaspiegel finden sich erstmals ca. 12–24 h nach Auftreten des Gefäßverschlusses [9]. Insofern ergibt sich in den ersten Stunden nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik ein diagnostisches Fenster, in dem erhöhte GFAPWerte eine intrazerebrale Blutung anzeigen könnten (. Abb. 2).

Studienlage Erste Daten hierzu wurden 2006 publiziert. In einer explorativen Arbeit wurden 93 Patienten mit ischämischem Schlaganfall mit 42 Patienten mit akuten Hirnblutungen verglichen [11]. Blut wurde jeweils bei Aufnahme in die Klinik gewonnen,

Abb. 1 9 Immunfluoreszenz des sauren Gliafaserproteins (GFAP) im Astrozyten der Ratte in vitro. DAPI Diamin-Phenylindol. (Mit freundlicher Genehmigung von A. Derouiche, Dr. Senckenbergische Anatomie, Universitätsklinikum Frankfurt a. M.)

Zusammenfassung · Summary d. h. innerhalb von 6 h nach Symptombeginn. Die GFAP-Spiegel wurden mithilfe eines Prototyp-Immunoassay bestimmt. Es zeigte sich, dass die GFAP-PlasmaKonzentrationen bei Aufnahme in die Klinik bei Patienten mit Hirnblutungen signifikant höher waren als bei Patienten mit Hirninfarkten. Es bestand eine Korrelation zwischen den Blutungsvolumina und den GFAP-Plasma-Konzentrationen (. Abb. 3). Die Sensitivität bzw. Spezifität für die Diagnosestellung einer Hirnblutung wurde mit 79 resp. 98% angegeben (positiv-prädiktiver Wert 94%, negativ-prädiktiver Wert 91%). Nachfolgende Arbeiten haben den Verlauf der GFAP-Freisetzung beim Hirninfarkt und bei der intrazerebralen Blutung näher charakterisiert [9, 33]. Erhöhte GFAP-Werte fanden sich bei den Ischämiepatienten nicht vor 12 h nach Symptombeginn. Bei den Blutungspatienten hingegen waren die GFAP-Spiegel früh erhöht. Die beste Differenzierung ergab sich im Zeitfenster zwischen 2 und 6 h nach Symptombeginn. Zu noch früheren Zeitpunkten (1 h nach Symptombeginn) war die diagnostische Genauigkeit hingegen schlechter. Im Rahmen einer in Deutschland und der Schweiz durchgeführten prospektiven multizentrischen Studie „Biomarker for Rapid Diagnosis of Hemispheric ­Stroke (BE FAST)“ [12] konnte die diagnostische Aussagekraft von GFAP an einer größeren Patientenkohorte validiert werden. Insgesamt wurden 205 Patienten mit schweren Schlaganfallsymptomen („Hemisphärensyndrom“) innerhalb von 4,5 h nach Symptombeginn aufgenommen. Die GFAPPlasma-Konzentrationen bei Aufnahme wurden mithilfe eines Prototyp-Immunoassay gemessen. Sie waren bei Patienten mit Hirnblutungen im Median deutlich höher als bei Patienten mit Hirninfarkten (1,91 μg/l, Interquartil-Range 0,41–17,66 vs. 0,08 μg/l, Interquartil-Range 0,02– 0,14: p

[Glial fibrillary acidic protein in patients with symptoms of acute stroke: diagnostic marker of cerebral hemorrhage].

Glial fibrillary acidic protein (GFAP) is a highly brain-specific protein that is expressed in large quantities in astrocytes and has important functi...
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