Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 618—623

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ScienceDirect journal homepage: http://www.elsevier.com/locate/zefq

AUS- UND FORTBILDUNG

Initiierung von Promotionsvorhaben während des Medizinstudiums? Retrospektive Erhebung zum Anteil zeitnah nach Studienende abgeschlossener Promotionsvorhaben zum ,,Dr. med.‘‘ an der Universität Witten/Herdecke夽 Doctoral thesis projects for medical students? Retrospective estimation of the fraction of successfully completed medical doctoral thesis projects at Witten/Herdecke University Janna Scharfenberg ∗, Katharina Schaper, Frank Krummenauer Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke, Deutschland Eingegangen/submitted 11. November 2013; überarbeitet/revised 10. Juni 2014; akzeptiert/accepted 17. September 2014

SCHLÜSSELWÖRTER Promotion; Studiums-begleitende Promotion; ,,Dr. med.‘‘; Curriculum Forschungsmethodik





Zusammenfassung Fragestellung: Die Promotion zum ,,Dr. med.‘‘ nimmt in Deutschland eine Sonderstellung ein, da das Promotionsprojekt oft schon während des qualifizierenden Studiums begonnen wird. Unterstützt eine Fakultät grundsätzlich diese Praxis, sollte gleichzeitig das Studiums-begleitende Promotionsgeschehen bestmöglich umgesetzt werden. Hierzu gehört dann auch eine Sicherstellung der weitgehend Studiums-begleitenden Absolvierung von Promotionsprojekten. Im Rahmen einer retrospektiven Dokumentation von Promotionen zum ,,Dr. med.‘‘ an der Fakultät sollte vor diesem Hintergrund der Anteil faktisch im zeitlichen Umfeld des Medizinstudiums erfolgreich absolvierter Promotionsvorhaben geschätzt werden.

Anmerkungen. Kernaussagen dieser Arbeit wurden im Rahmen der Jahrestagung 2013 der Deutschen Ophthalmochirurgen (DOC) als Poster präsentiert und bei der Jahrestagung 2014 der Deutschen Jahrestagung Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) in einem Vortrag eingebracht. Ferner sind die präsentierten Ergebnisse Teil der Dissertation von Frau Janna Scharfenberg zur Promotion zum ,,Dr. med.‘‘ an der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke. Korrespondenzadresse: Janna Scharfenberg. Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Universität Witten/Herdecke, AlfredHerrhausen-Str. 50, 58448 Witten, Deutschland. Tel.: +49 (0)2302 / 926-763; Fax: +49 (0)2302 / 926-44785. E-Mail: [email protected] (J. Scharfenberg).

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.09.012 1865-9217/

Studiums-begleitende Promotionsprojekte zum ,,Dr. med.‘‘

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Methodik Für sämtliche im Zeitraum 07/2009 — 06/2012 am Department Humanmedizin der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke erfolgreich abgeschlossenen Promotionsverfahren zum ,,Dr. med.‘‘ wurde retrospektiv die Zeitspanne zwischen Staatsexamen (Abschlussdatum des qualifizierenden Studiums) und Verteidigung (Abschlussdatum des Promotionsverfahrens) dokumentiert. Eine im zeitlichen Umfeld des Medizinstudiums und damit ,,Studiums-begleitend‘‘ erstellte Promotion wurde unterstellt, wenn zwischen Verteidigung und Staatsexamen maximal 12 Monate lagen. Ergebnisse: Insgesamt konnten für den definierten Untersuchungszeitraum 56 Verteidigungen dokumentiert werden; davon erfolgten 30% innerhalb der ersten zwölf Monate nach Ablegen des Staatsexamens (95%-Konfidenzintervall 19 — 44%). Die mediane Dauer zwischen Staatsexamen und Verteidigung betrug dabei 27 Monate unter allen Promovierten (Quartilspanne 9 — 46 Monate). Der Anteil der Studiums-begleitenden Promotionen stieg entlang der drei Untersuchungsjahre von 14% im ersten Jahr der Untersuchung (07/2009 — 06/2010) auf 40% im dritten Jahr (07/2011 — 06/2012). Schlussfolgerung: Nur etwa jede dritte Promotion zum ,,Dr. med.‘‘ an der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke erfolgte in zeitlicher Nähe zum Medizinstudium. Dabei stieg dieser Anteil nach Einführung eines Curriculums zur Forschungsmethodik und -praxis im Medizinstudium merklich an. Wie weit hier eine Katalyse oder nur eine zeitliche Koinzidenz vorliegen, müssen prospektive Longitudinalstudien klären. Insbesondere hat sich die gewählte Methodik zur Bestimmung der Kenngröße ,,Anteil Studiums-begleitend absolvierter Promotionsvorhaben‘‘ bewährt.

KEYWORDS Doctoral degree; doctoral programme parallel with medical studies; Dr med; research methods curriculum

Summary Background: The German ‘‘Dr med’’ plays a specific role in doctoral thesis settings since students may start the underlying doctoral project during their studies at medical school. If a Medical Faculty principally encourages this approach, then it should support the students in performing the respective projects as efficiently as possible. Consequently, it must be ensured that students are able to implement and complete a doctoral project in parallel to their studies. As a characteristic efficiency feature of these ,,Dr med‘‘ initiatives, the proportion of doctoral projects successfully completed shortly after graduating from medical school is proposed and illustrated. Methods: The proposed characteristic can be estimated by the time period between the state examination (date of completion of the qualifying medical examination) and the doctoral examination. Completion of the doctoral project ‘‘during their medical studies’’ was then characterised by a doctoral examination no later than 12 months after the qualifying medical state examination. To illustrate the estimation and interpretation of this characteristic, it was retrospectively estimated on the basis of the full sample of all doctorates successfully completed between July 2009 and June 2012 at the Department of Human Medicine at the Faculty of Health of the University of Witten/Herdecke. Results: During the period of investigation defined, a total number of 56 doctoral examinations were documented, 30 % of which were completed within 12 months after the qualifying medical state examination (95% confidence interval 19 to 44 %). The median duration between state and doctoral examination was 27 months. The proportion of doctoral projects completed parallel to the medical studies increased during the investigation period from 14 % in the first year (July 2009 till June 2010) to 40 % in the third year (July 2011 till June 2012). Conclusion: Only about a third of all ,,Dr med‘‘ projects at the Witten/Herdecke Faculty of Health were completed during or close to the qualifying medical studies. This proportion, however, increased after the introduction of a curriculum on research methodology and practice in 2010; prospective longitudinal studies will have to clarify whether this is causal or mere chronological coincidence. In summary, the proposed method for determining the process efficiency of a medical faculty’s ‘‘Dr med’’ programme has proven to be both feasible and informative.

Einleitung Die Promotion zum ,,Dr. med.‘‘ nimmt grundsätzlich in Deutschland eine Sonderstellung ein, da das zugrunde liegende Promotionsprojekt oft schon während des zur Promotion qualifizierenden Studiums begonnen wird. Dies führt zu einer hohen Zahl an studentischen Promovierenden mit

vermutlich zum Teil begrenzter akademischer Eigenmotivation: Es ist davon auszugehen, dass bis zu 90% absolvierter medizinischer Promotionen Studiums-begleitend oder in zeitlicher Nähe zum Studium begonnen werden [1]. Gleichzeitig gaben bei einer Befragung an fünf Medizinischen Fakultäten in Deutschland 66% der Promovierenden und 82% der bisher nicht in einem Promotionsprojekt tätigen

620 Studierenden an, dass sie kein Promotionsprojekt beginnen würden, wenn der Titel ,,Dr. med.‘‘ mit dem erfolgreichen Studiumsabschluss automatisch verliehen werden würde [2]. Vor allem Forschungseinrichtungen sprechen sich aber gegen die Abschaffung der Studiums-begleitenden Promotion aus, trägt die studentische Forschungsarbeit doch maßgeblich zur Aufrechterhaltung der quantitativen und qualitativen Publikations- und Forschungsleistung wissenschaftlicher Institute bei [3]. Wie auch immer sich eine Fakultät vor dem Hintergrund der derzeit ambivalenten Diskussion ,,Studiums-begleitender‘‘ medizinischer Promotionen positioniert, sollte — wenn diese Fakultät grundsätzlich die Möglichkeit eines Projektbeginns im Studium vorhält — maximal mögliche Prozess- und Ergebnisqualität der entsprechenden Promotionsprojekte sichergestellt werden. Insbesondere ist es essentiell, dass Promotionsprojekte dann wirklich ,,Studiums-begleitend‘‘ absolviert werden können, um deren publikatorische Verwertung nicht durch Abwanderung des studentischen Forschungspersonals bei Eintritt ins Praktische Jahr und danach in den Ärztlichen Berufsalltag zu gefährden. Vor diesem Hintergrund sollte durch eine retrospektive Dokumentation von Promotionen zum ,,Dr. med.‘‘ der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke der Anteil faktisch im zeitlichen Umfeld des Medizinstudiums erfolgreich absolvierter Promotionsvorhaben geschätzt werden und die entsprechende Kenngröße der Prozessqualität auf Gangbarkeit und Aussagekraft hin bewertet werden. Einerseits sollte der Fakultät eine entsprechende Kenngröße zum Status Quo des diesbezüglichen Promotionsgeschehens der letzten Jahre bereit gestellt werden können, andererseits aber auch ggf. im Falle eines unerwartet geringen Anteils die Notwendigkeit für Maßnahmen zur Steigerung des Anteils ,,Studiums-nahe‘‘ absolvierter Promotionsvorhaben erkannt werden können.

Material und Methoden Studiendesign: Die Untersuchung sollte Aufschluss darüber geben, ob und wie häufig Promotionsvorhaben zum ,,Dr. med.‘‘ an der Universität Witten/Herdecke Studiumsbegleitend abgeschlossen wurden. Für diese Untersuchung wurde eine retrospektive Untersuchung implementiert zur Schätzung der Zeitspanne zwischen qualifizierendem Staatsexamen und Promotionsverteidigung ehemaliger Medizinstudierender der Fakultät für Gesundheit, die an der Universität Witten/Herdecke im dreijährigen Beobachtungszeitraum Juli 2009 bis Juni 2012 ihre Promotion verteidigt hatten. Die Untersuchung wurde in enger Abstimmung mit der Fakultätsleitung und auf Basis des positiven Votums des Datenschutzbeauftragten der Universität anonymisiert durchgeführt. Rohdaten: Um eine möglichst kontinuierliche universitätsinterne Datenlage nutzen zu können, konzentriert sich die vorliegende Studie auf ehemalige Studierende der Humanmedizin, die ihr Studium an der Universität Witten/Herdecke abgeschlossen haben. Zeitgleiche Voraussetzung für den Einschluss war, dass an einer strukturellen Einheit (Institut, Klinik, etc.) der Universität Witten/Herdecke eine Promotion angefertigt und im definierten Beobachtungszeitraum verteidigt wurde. In die Erhebung konnten laut Aktenlage des Promotionsbüros der

J. Scharfenberg et al. Fakultät 56 Verteidigungen zum ,,Dr. med.‘‘ an der Universität Witten/Herdecke einbezogen werden. Das Datum der Promotionsverteidigung wurde mit der individuellen Studiendauer abgeglichen, welche durch das Studiendekanat der Fakultät für Gesundheit eruiert werden konnte. Pro Promotion wurden somit das Datum der Verteidigung, des schriftlichen Staatsexamens, Immatrikulations- und Exmatrikulationsdatum und das Geschlecht der / des Promovierten dokumentiert. Hierbei wurden im ersten Schritt aus den jeweils (universitäts-) öffentlich bekannt gemachten Promotionsverteidigungen die im Untersuchungszeitraum absolvierten Verteidigungen dokumentiert. Seitens des Studiendekanats der Humanmedizin wurde dann für die entsprechenden Absolventen das Datum des Staatsexamens ermittelt und die entsprechende Zeitspanne bis Verteidigung bereit gestellt. Primärer Endpunkt und primäre Fragestellung: Als primärer Endpunkt dieser Untersuchung wurde pro Promovierendem erhoben, ob eine Verteidigung des absolvierten Promotionsvorhabens maximal 12 Monate nach Bestehen des Staatsexamens erfolgte. Dem entsprechend wurde die primäre Fragestellung ,,Wie häufig wurden an der Universität Witten/Herdecke Promotionen zum ,,Dr. med.‘‘ maximal 12 Monate nach Staatsexamen, also ,,Studiums-begleitend‘‘, verteidigt?‘‘ beleuchtet. Eine im zeitlichen Umfeld des Medizinstudiums und damit ,,Studiums-begleitend‘‘ absolvierte Promotion wurde also in diesem Projekt unterstellt, wenn zwischen Verteidigung und Staatsexamen eine maximale Zeitdifferenz von 12 Monaten lag. Hierzu sei ergänzt, dass inklusive Auslagefrist und Wartezeit auf einen Verteidigungstermin der Ablauf eines Promotionsverfahrens am Department Humanmedizin der Fakultät maximal zwei Monate in Anspruch nehmen darf; zuzüglich einer maximalen Gutachterfrist von drei Monaten ist also nach Ablegen des Staatsexamens noch ein Zeitraum von einem halben Jahr für die Verfassung der Dissertation eines Studiumsbegleitend absolvierten Promotionsprojektes zugestanden worden für die Attestierung eines erfolgreich ,,Studiumsbegleitend‘‘ absolvierten Promotionsprojektes. Sekundäre Endpunkte: Ferner sollte eruiert werden, welche Zeitspanne [in Monaten] die Promovierten im Falle einer erfolgreichen Dissertation seit Ihrem Staatsexamen bis zur Verteidigung benötigt haben. Ein weiterer Fokus lag auf der Frage, ob das Studium trotz Studiums-begleitender Promotion ohne zeitliche Verzögerung abgeschlossen werden konnte. Anhaltspunkt hierfür war die Länge der bundesweit vorgeschriebenen Regelstudienzeit mit maximaler Extension um ein Semester (etwa aufgrund von Inkompatibilitäten im Studienverlauf nach Rückkehr aus einem AuslandsSemester), was für diese Untersuchung als reguläre Dauer des Studiums definiert wurde. Erfolgte eine Verlängerung des Studiums um mehr als ein Semester, so wurde dies als zeitlich verzögerter Studiendurchlauf gewertet. Statistische Auswertung: Die konfirmatorische Fragestellung wurde mittels der relativen Häufigkeiten des primären Endpunktes ,,Zeitspanne zwischen qualifizierendem Examen und Promotionsverteidigung maximal 12 Monate‘‘ nebst exaktem 95%-Konfidenzintervall überprüft. Explorative Analysen zum primären Endpunkt erfolgten rein deskriptiv. Die statistische Auswertung sowie die Erstellung aller Graphiken und Tabellen erfolgten mittels SPSS® (Version 21.0 für Windows® ).

Studiums-begleitende Promotionsprojekte zum ,,Dr. med.‘‘ Tabelle 1 Kontingenztafel mit Angabe der Häufigkeit von Studiums-begleitenden Promotionen (Promotion ≤ 12 Monate nach Ablegen des Staatsexamen) in Relation zur Studiendauer (,,Regelstudienzeit‘‘ = reguläre Semesterzahl plus maximal ein weiteres Semester), absolute und relative Häufigkeiten für 56 Promotionsverteidigungen zum ,,Dr. med.‘‘ an der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke im Zeitraum 07/2009-06/2012.

Studiums-begleitende Promotion keine Studiums-begleitende Promotion

Studium in der Regelstudienzeit

prolongiertes Studium

9% (5)

20% (11)

20% (11)

52% (29)

Ergebnisse Für den dreijährigen Untersuchungszeitraum konnten insgesamt 56 Promotionsverteidigungen zum ,,Dr. med.‘‘ identifiziert werden; hierbei entfielen 29 der Promotionen auf männliche und 27 auf weibliche Promovierende. 29% dieser Promotionsvorhaben wurden im obigen Sinne Studiums-begleitend absolviert (95%- Konfidenzintervall 19%; 44%). Weiter zeigte sich, dass 34% der männlichen und 26% der weiblichen Promovierenden ihre Projekte in diesem Sinne ,,Studiums-begleitend‘‘ absolviert hatten. Die mediane Dauer zwischen Examen und Verteidigung der Promotion betrug 27 Monate mit einer Quartilspanne von 9 bis 46 Monaten; weibliche Promovierende waren im Median mit 26 Monaten einen Monat schneller als männliche. Im ersten Beobachtungsjahr 07/2009 — 06/2010 erfolgten insgesamt 14 Promotionsverteidigungen, im zweiten Beobachtungszeitraum 07/2010 — 06/2011 17 Disputationen und im dritten Zeitraum 07/2011 — 06/2012 insgesamt 25 Verteidigungen; unter diesen Verteidigungen erfolgten jeweils 14% respektive 29% und 40% maximal zwölf Monate nach dem qualifizierenden Staatsexamen. Im ersten Beobachtungsjahr betrug dabei die Zeitspanne zwischen der Promotionsverteidigung und dem Ablegen des Staatsexamens im Median 29 Monate (Quartilspanne 18 —72 Monate), im zweiten Beobachtungsjahr 31 Monate (Quartilspanne 6 — 45 Monate) und im dritten Beobachtungsjahr 23 Monate (Quartilspanne 7 — 44 Monate; siehe Abbildung 1). Im Median waren die 56 Promovierten 83 Monate (Quartilspanne 77 — 89 Monaten) im für die Promotion qualifizierenden Studium immatrikuliert. Nur 9% der 56 Promovierten schlossen ihr Studium maximal ein Semester über der Regelstudienzeit ab und erstellten zeitgleich ihre Promotion im obigen Sinne ,,Studiums-begleitend‘‘ (Tabelle 1); 20% absolvierten ihr Medizinstudium im dafür veranschlagten Zeitraum und promovierten später als 12 Monate nach Abschluss ihres Studiums. Weitere 20% der Promovierten verlängerten ihr Studium um mehr als ein Semester und promovierten dafür maximal ein Jahr nach Beendigung ihres Studiums; bei insgesamt 52% verzögerte sich das Studium um mehr als ein Semester und die Promotion wurde nicht im obigen Sinne ,,Studiums-begleitend‘‘ erstellt.

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Diskussion Insgesamt konnten im gewählten Untersuchungszeitraum von drei Jahren lediglich 56 Promotionsverteidigungen zum ,,Dr. med.‘‘ an der Universität Witten/Herdecke dokumentiert werden. Geht man von einer jährlichen Semestergröße von ca. 40 Studierenden am Department Humanmedizin der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke aus (wie es bis zum Wintersemester 2008 vor der Verdoppelung der jährlichen Studierendenzahl der Fall war), so würde dies bedeuten, dass lediglich knapp die Hälfte der Wittener Medizinstudierenden auch an der Universität Witten/Herdecke erfolgreich promovieren. Zudem erfolgte nur etwa jede dritte Promotion zum ,,Dr. med.‘‘ zeitnah zum Abschluss des dafür qualifizierenden Studiums: Im Median lagen zwischen der erfolgreichen Absolvierung des Staatsexamens und der Promotionsverteidigung nochmals mehr als zwei Jahre. Für die lange Phase zwischen Examinierung und Promotionsverteidigung könnte unter anderem der Einstieg ins Berufsleben ein ausschlaggebender Faktor sein. Laut aktuell gültiger Approbationsordnung (Stand 2002) beträgt die Regelstudienzeit für Humanmedizin 6 Jahre und drei Monate (entspricht 75 Monaten). Im Median studierten die in die Untersuchung einbezogenen Alumni der Universität Witten/Herdecke mit 83 Monaten 8 Monate länger als nach Regelstudienzeit vorgesehen. Ob der Grund hierfür primär bei einer parallelen Anfertigung einer Dissertation liegt ist fraglich, da ebenso gut das Wiederholen von Prüfungen, Auslandsaufenthalte, private Verpflichtungen, finanzielle Belastung, ein paralleles Zweitstudium oder anderweitige Verzögerungsmechanismen ursächlich für die Verlängerung des Studiums sein können. Lediglich ein Zehntel der in diese Untersuchung einbezogenen Absolventinnen konnte sowohl das Studium in der Regelstudienzeit (bzw. verlängert um ein Semester) abschließen als auch zeitnah zum Studium auch die Promotion zum ,,Dr. med.‘‘. Diese Konstellation ist somit eher als Ausnahme zu sehen und lässt sich vermutlich durch eine straffe Selbstorganisation des Studiums und ein zeitgleich gut betreutes und vorstrukturiertes Promotionsprojekt begründen. Die Anzahl der Studiums-begleitenden Promotionen unter der Wahrung der Regelstudienzeit ist jedoch sehr gering; genaue Gründe sollten in weiterführenden Untersuchungen erhoben werden, um durch ggf. erkannte spezifische Maßnahmen den Anteil zu steigern. Betrachtet man die drei Untersuchungsjahre, so ist im Verlauf der Anteil der innerhalb von 12 Monaten nach Ablegen des Staatsexamens absolvierter Verteidigungen monoton angestiegen. Dieser Gradient fällt zeitlich zusammen mit der Einführung eines strukturierten Curriculums zur Forschungsmethodik und -praxis im Medizinstudium an der Universität Witten/Herdecke zum Sommersemester 2010 [4]. Ob es sich beim Anstieg des Anteils der Studiumsbegleitenden Promotionen nur um eine zeitliche Koinzidenz bezüglich der neu implementierten Maßnahmen handelt oder eine Katalyse des Promotionsprozesses vorliegt, müssen prospektive Longitudinalstudien klären. Grundsätzlich scheinen jedoch entsprechende Initiativen einen wichtigen Diskussionsbeitrag zur Studiums-begleitenden Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Medizin darzustellen.

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J. Scharfenberg et al.

Abbildung 1 Boxplots zur Verteilung der Zeitspanne [Monate] zwischen Promotionsverteidigung zum ,,Dr. med.‘‘ und dafür qualifizierendem medizinischen Staatsexamen für 56 Promotionsverteidigungen an der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke im Zeitraum 07/2009-06/2012, stratifiziert bezüglich der Beobachtungsjahre, in welchen die Verteidigungen stattfanden.

Methodische Aspekte: In die Studie konnten lediglich 56 Alumni der Universität Witten/Herdecke einbezogen werden. In Relation zur Gesamtstudentenzahl von — nach Einführung einer semesterweisen und nicht nur jährlichen Studienaufnahme — aktuell knapp 500 Studierenden am Department Humanmedizin ist diese Zahl daher eher gering. Für weiterführende Untersuchungen ist daher eine prospektive Ausweitung der Teilnehmerzahl angestrebt; die Aussagekraft von 56 Promotionsverteidigungen muss als limitiert angesehen werden, auch wenn diese eine Vollerhebung des Beobachtungszeitraums darstellen. Weiter wurden zur Wahrung datenschutzrechtlicher Auflagen keinerlei biographische bzw. Studiums-relevante Informationen ermittelt. Daher liegen keine individuellen Charakteristika vor über die private Situation (z.B. Eigenfinanzierung, Familiengründung, Pflege von Angehörigen, etc.), den genauen Beginn und Ablauf der Promotion, die Motivation und den persönlichen Stellenwert der Dissertation. Alle diese Charakteristika haben jedoch einen maßgeblichen Einfluss auf die Arbeit an einem Promotionsprojekt sowie den Studiumsverlauf. Zudem wurde in dieser Arbeit nicht erhoben, in welcher Abteilung die Promotionsarbeiten angesiedelt waren und ob möglicherweise eine Korrelation zwischen der Promotionsdauer und der akademischen Expertise und Infrastruktur der betreuenden Abteilung vorliegt. Im Ergebnis hat sich die zur Charakterisierung des für die Humanmedizin und Zahnmedizin in Deutschland nach wie vor typische Modell der ,,Studien-begleitend‘‘ beginnenden und im wesentlichen auf fest konturierbaren Projekten basierenden Promotionsform ausgerichtete Kenngröße in der oben beschriebenen Form bewährt. Der Anteil zeitnah nach dem Studium erfolgreich verteidigter Promotionsprojekte

kann mit wenig Aufwand geschätzt und gut interpretiert werden als Maß der Notwendigkeit von Investitionen in die Prozessqualität des Promotionsgeschehens an einer entsprechende Promotionsformate unterstützenden Fakultät. Gleichzeitig sei an dieser Stelle jedoch vermerkt, dass die betrachtete Kenngröße wirklich nur eine Charakterisierung der Prozessqualität — und nicht der Ergebnisqualität — des Promotionsgeschehens an einer Fakultät abbilden kann. Nachfolgende Untersuchungen, welche dann auch individuelle Informationen jenseits der vollständigen Anonymisierung werden einbringen müssen, sollen klären, ob und wie weit solche frühzeitig erfolgreich abgeschlossenen Promotionsprojekte eine andere Publikationsaktivität nach sich ziehen als merklich später begonnene respektive abgeschlossene Promotionsvorhaben. Ausblick: Laut dem aktuellen Positionspapier des Wissenschaftsrats zur ,,Anforderung an die Qualitätssicherung der Promotion‘‘ sind studentische Doktoranden weiterhin ein unverzichtbarer Garant für die Zukunft des deutschen Wissenschaftssystems. Dennoch muss systematisch an der Qualitätssicherung speziell in solchen Promotionskonstellationen gearbeitet werden. Bisher gibt es kaum valide Aussagen bezüglich der Leistungsfähigkeit des deutschen Promotionswesens; Anzahl und Verwertungsprofil (zahn-) medizinischer Studiums-begleitend initiierter Promotionsprojekte sollten entlang einheitlicher Prinzipien erhoben werden [5]. In diesem Sinne hat sich die hier gewählte Methode zur Bestimmung der Kenngröße ,,Anteil Studiumsbegleitend absolvierter Promotionsvorhaben‘‘ bewährt als mit moderatem Aufwand unter Wahrung datenschutzrechtlicher Standards ableitbar und — eventuell für die Einführung forschungsmethodischer Lehrangebote zur Vorbereitung von

Studiums-begleitende Promotionsprojekte zum ,,Dr. med.‘‘ Promotionsvorhaben — sensitiv. Gleichzeitig ist es anzustreben und auch in Planung, das hier beschriebene Vorhaben multizentrisch zu wiederholen unter Einbezug mehrerer Fakultäten für Medizin — und Zahnmedizin mit Blick auf eine sehr ähnliche Situation bei der Promotion zum Dr. med. dent.; wie weit sich die oben beschriebenen Ergebnisse dann reproduzieren und die abgeleiteten Folgerungen generalisieren oder eher als für die betrachtete Fakultät spezifisch darstellen lassen, wird sich dann zeigen.

Interessenkonflikt

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[2]

[3]

[4]

Keiner der Autoren hat finanzielle oder politische Interessen an den Inhalten dieser Arbeit.

Literatur [1] Bitter-Suermann D. 2009: Promovieren in der Medizin — ein Plädoyer für den studienbegleitenden Dr. med., Forschung und

[5]

Lehre, August 2009, http://www.academics.de/wissenschaft/ promovieren in der medizin - ein plaedoyer fuer den studienbegleitenden dr med 36474.html (abgerufen am 18. Oktober 2013). Kuhnigk O, Böthern AM, Reimer J, Schäfer I, Biegler A, Jueptner M, Gelderblom M, Harendza S. Nutzen und Stolpersteine wissenschaftlicher Forschung in der hochschulmedizinischen Ausbildung. in: GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung 2010;27:1—7. Altunbas A, Cursiefen C. Forschungsaktivität von Medizinstudenten in Deutschland am Beispiel der Universitätsklinik Würzburg. in: Dtsch med Wochenschr 1998;123(20):617—20. Krummenauer F, Lipps HJ, Geraedts M, Fischer M. Investition in den wissenschaftlichen Nachwuchs — das Integrierte Curriculum ,,Forschungsmethodik und —praxis‘‘ für Studierende der Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke. 56. In: Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS); 2011 (Poster). Wissenschaftsrat. Anforderungen an die Qualitätssicherung der Promotion — Positionspapier; 2011.

Herdecke University].

The German "Dr med" plays a specific role in doctoral thesis settings since students may start the underlying doctoral project during their studies at...
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