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Die Hochfrequenz-Jet-Ventilation in der HNOHeilkunde – chirurgische und anästhesiologische Aspekte High-frequency Jet Ventilation in Otorhinolaryngology – Surgical and Anaesthesiologic Issues

Institute

Schlüsselwörter

▶ Jet-Ventilation ● ▶ laryngotracheale Chirurgie ● ▶ Mikrolaryngoskopie ● ▶ Tracheoskopie ● ▶ Beatmung ●

Key words ▶ jet ventilation ● ▶ laryngotracheal surgery ● ▶ microlaryngoscopy ● ▶ tracheoscopy ●

eingereicht 05. Oktober 2013 akzeptiert 02. Februar 2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1370925 Online-Publikation: 27.3.2014 Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 455–460 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0935-8943 Korrespondenzadresse Dr. Victor Helmstaedter Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover helmstaedter.victor@ mh-hannover.de

V. Helmstaedter1, R. Tellkamp2, B. Schwab1, T. Lenarz1, M. Durisin1 1 2

Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Zusammenfassung



Hintergrund: Dünne Leitungen bei der Hochfrequenz-Jet-Ventilation (HFJV) schaffen in der laryngotrachealen Chirurgie mehr Raum für chirurgische Maßnahmen, wobei einzelne Kontraindikationen bestehen. Der Anästhesie bieten sich ein eingeschränktes Monitoring und zahlreiche Kontraindikationen. Kenntnisse des Verfahrens und ein enges interdisziplinäres Arbeiten sind daher essentiell. Wir berichten unsere Erfahrungen und arbeiten relevante Aspekte für ein sicheres Vorgehen heraus. Material und Methoden: Retrospektiv wurden die in der HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover operierten Fälle bezüglich Patientencharakteristika, Besonderheiten und Komplikationen ausgewertet, die im Rahmen von Mikrolaryngoskopien und Tracheoskopien bei gutartigen Erkrankungen mittels HFJV beatmet wurden.

Einleitung



Seit über 30 Jahren stellt die Jet-Ventilation ein anästhesiologisches Verfahren zur Beatmung von Patienten im Rahmen verschiedener chirurgischer Eingriffe dar, wobei sie anfangs ihre Anwendung im Rahmen von Bronchoskopien und Lungenresektionen fand [1]. Sie ist gekennzeichnet durch die gerichtete Verabreichung eines komprimierten Gasvolumens mit hoher Geschwindigkeit durch eine Düse, wobei das Beatmungsgas stoßweise durch dünne, ungeblockte Leitungen in nach außen offene Atemwege appliziert wird. Elektronisch gesteuert werden die Beatmungsfrequenzen zwischen 100 und 350/min gewählt, sodass heute von einer HochfrequenzJet-Ventilation (HFJV) gesprochen wird [1, 2]. Bei Eingriffen in der Kopf-Hals-Region stellt die endotracheale Intubation nach wie vor den Goldstandard der Atemwegssicherung dar. Eine be-

Ergebnisse: Zwischen Juni 2012 und Februar 2013 wurden in HFJV 46 Mikrolaryngoskopien und Tracheoskopien bei 43 Patienten durchgeführt. Der durchschnittliche body mass index lag bei 27 kg/m². In 24 % der Fälle wurden die Patienten der ASA-Klasse I, in 54 % der ASA-Klasse II und in 22 % der Fälle der ASA-Klasse III zugeordnet. In 2 Fällen kam es zu korrigierbaren Entsättigungen auf bis zu 70 %. In einem Fall erfolgte eine notfallmässige Umintubation bei fortschreitender Entsättigung. Weitere Komplikationen traten nicht auf. Schlussfolgerung: Bei sorgfältiger Patientenauswahl stellt die HFJV ein sicheres Beatmungsverfahren dar, wobei insbesondere der Chirurg durch mehr Freiheiten im Operationssitus profitiert. Adipositas, Reflux- und kardiopulmonale Erkrankungen sind sorgfältig zu eruieren, da diese relative Kontraindikationen darstellen können. Einzelfallentscheidungen unter Beachtung von Komorbiditäten können getroffen werden.

sondere Situation ergibt sich in der laryngotrachealen Chirurgie, bei welcher der anästhesiologische Luftweg und das Operationsgebiet eine konkurrierende Beziehung eingehen. Einliegende Endotrachealtuben mit den häufig gewählten Größen von 6,0 oder 7,5 mm Innendurchmesser (I.D.) können Sicht und Manipulationsfreiheit dabei einschränken. Hingegen finden bei der HFJV zum einen infraglottisch platzierte Katheter Anwendung, welche als 1-Lumen-, 2-Lumen- und Mehrlumenmodelle erhältlich sind. Erstere weisen Innendurchmesser von unter 3 mm auf und ▶ Abb. 1). Die dienen der Sauerstoffinsufflation (● 2- und Mehrlumenkatheter ermöglichen das Messen exspiratorischer Atemgase und eine Bestimmung des Atemwegsdrucks [3]. Zum anderen kann die Jet-Beatmung über ein supraglottisch platziertes, mit einem Jet-Lumen ausgestattetes Kleinsasser-Rohr erfolgen.

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Autoren

Die verbesserte Exposition des Operationsgebietes im Rahmen der HFJV ermöglicht ein effektiveres, mikro- und laserchirurgisches Operieren. Aus anästhesiologischer Sicht bedürfen die Beatmungsparameter einer diffizileren Abstimmung, wobei ein eingeschränktes Monitoring zur Verfügung steht. Zudem muss die Patientenauswahl in Hinblick auf pulmonale Vorerkrankungen, Refluxerkrankungen oder extreme Adipositas sorgfältig erfolgen, da diese relative oder absolute Kontraindikationen darstellen können [1]. Um potenzielle Risiken wie Hypoventilation, Barotraumen, Schädigungen der Trachealschleimhaut, Aspiration oder gar Verbrennungen im Rahmen von laserchirurgischen Eingriffen zu minimieren, ist daher eine noch engere Kooperation zwischen Chirurg und Anästhesist erforderlich. An der HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover seit 2004 in ausgewählten Fällen und seit 2009 routinemäßig genutzt, berichten wir im Folgenden über unsere Erfahrungen mit der Hochfrequenz-Jet-Ventilation im Rahmen laryngotrachealer Eingriffe bei gutartigen Erkrankungen. Wir gehen ein auf das praktische Management und arbeiten relevante Aspekte für ein erfolgreiches interdisziplinäres Vorgehen heraus.

Material und Methoden



Zwischen Juni 2012 und Februar 2013 wurden in der HNOKlinik der Medizinischen Hochschule Hannover 46 Mikrolaryngoskopien und Tracheoskopien bei benignen Erkrankungen in Vollnarkose elektiv durchgeführt, wobei als Beatmungsverfahren die Hochfrequenz-Jet-Ventilation gewählt wurde. Die elektronischen Krankenakten der behandelten Patienten wurden über das auf SAP basierende Krankenhaus-Informations-System (KIS) ermittelt und retrospektiv ausgewertet. Der Fokus galt neben der Charakterisierung des Patientenguts dem operativen und dem anästhesiologischen Vorgehen unter Berücksichtigung von Besonderheiten und Komplikationen.

Vorgehen Nach üblicher präoperativer Vorbereitung des Patienten wird nochmals Rücksprache mit dem betreuenden Anästhesisten über mögliche Kontraindikationen für eine Jet-Ventilation gehalten. Auf anästhesiologischer Seite zählen zu diesen eine exta

reme Adipositas, schwere restriktive oder obstruktive Lungenerkrankungen oder eine erhöhte Aspirationsneigung, welche im Rahmen einer regulären Intubationsnarkose einer rapid sequence induction bedarf. Aus HNO-ärztlicher Sicht schließt ein sehr hohes Blutungsrisiko die Nutzung der Jet-Ventilation meist aus. Insgesamt überwiegen die relativen Kontraindikationen, sodass zum Teil Einzelfallentscheidungen unter Abwägung aller relevanten Faktoren getroffen werden. Anschließend erfolgt analog zu allen Operationen ein gemeinsames Team-Time-Out, welches sich an der Surgical Safety Checklist der Weltgesundheitsorganisation orientiert [4]. Die Einleitung der Narkose erfolgt im Operationssaal. Narkoseinduktion und -aufrechterhaltung erfolgen mit Propofol und Remifentanyl in üblichen Dosierungen. Nach erfolgreicher Maskenbeatmung wird zur Relaxierung meist Mivacurium verwendet. Das Einführen des Jet-Katheters erfolgt schließlich durch den Anästhesisten oder den HNO-Chirurgen. Dazu werden herkömmliche McIntosh-Intubationslaryngoskope und gelegentlich eine MagillZange verwendet. In den meisten Fällen wird die orale Intubation gewählt. Die weicheren, nicht-laserresistenten Katheter können auch über einen Wendl-Tubus eingeführt werden. Aufgrund der größeren Distanz muss in diesen Fällen noch sorgfältiger die infraglottische Lage der Katheterspitze überprüft werden, um späteren Dislokationen durch Kopfreklination vorzubeugen. Nach erfolgreicher Operation erfolgt die Narkoseausleitung mittels Larynxmaske. Bei allen Eingriffen wird nach Intubation und vor Beginn der operativen Maßnahmen die Leere des Magens durch Legen einer Ablaufsonde überprüft. Kommt in der Operation ein CO2-Laser zur Anwendung, werden ausschließlich Katheter mit einer laserresistenten Beschichtung verwendet. Aufgrund ihrer Rigidität sind diese einfach zu handhaben. Zum transglottischen Einführen der weicheren, nicht-laserresistenten Katheter ist die Nutzung einer Magill-Zange meist unerlässlich. Zur Wahrung des maximalen chirurgischen Vorteils bei zunehmender Größe der 2- und Mehrlumenkatheter verwenden wir in unserer Klinik fast ausschließlich 1-Lumen-Modelle. Bei einer Eingriffsdauer von > 1 Stunde wird zusätzlich eine arterielle Verweilkanüle gelegt, um ein subtiles Beatmungsmonitoring durch regelmäßige Blutgasanalysen zu ermöglichen. Für Kinder verwenden wir noch dünnere 1-Lumen▶ Abb. 1). Katheter, wobei diese keine Laserresistenz aufweisen (● Abb. 1 (a und b): Die TwinStream 1-Lumen-JetKatheter (Carl Reiner GmbH, Wien, Österreich) im Vergleich zu konventionellen Endotrachealtuben der Größe 6,0 und 7,5 mm Innendurchmesser (8,0 und 10,0 mm Außendurchmesser; Rüschelit, Teleflex Medical, Athlone, Irland). 1: nicht-laserresistenter Katheter mit Außendurchmesser 2,7 mm; 2: nicht-laserresistenter Katheter mit Außendurchmesser 4,0 mm; 3: laserresistenter Katheter mit Außendurchmesser 4,0 mm.

1 2 3

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n ( %)

Chirurgische Maßnahmen (n)

Erwachsene Reinke-Ödem chronische Laryngitis Benigne Raumforderungen

8 (17,4) 4 (8,7) 13 (28,3)

2 (4,3) 2 (4,3) 3 (6,5) 1 (2,2)

Einseitige Abtragung (8) Inspektion und Probenentnahmen (4) Kaltchirurgische Zystenexstirpation (3) Kaltchirurgische Polypenabtragung (8) Laserchirurgische Zysteneröffnung (2) Einseitige Augmentation (5) Beidseitige Augmentation (1) Laser-Glottiserweiterung (2) Inspektion mit Probenentnahmen (2) Kaltchirurgisches Abtragen (2) Laser-Erweiterung (3) Replatzierung (1)

2 (4,3) 1 (2,2) 1 (2,2) 1 (2,2)

Laser-Papillomabtragung (2) Laser-Erweiterung (1) Laser-Erweiterung (1) Laser-Abtragung (1)

Stimmlippenstillstand

Kontrolle nach Malignom Leukoplakien Trachealstenose Dislozierter Dumont-Stent Kinder Larynxpapillomatose Subglottische Stenose Trachealstenose Stimmlippensynechie

8 (17,4)

Alternativ platziert der HNO-Arzt ein Kleinsasser-Rohr, welches mit einem Jet-Lumen ausgestattet ist. Korrekt platziert tritt der Jet-Strahl zentral in das freie Lumen der Trachea ein. Anschließend wird über Adaptoren der sich im stand-by-Modus befindliche Jet-Ventilator angeschlossen (TwinStream Multi Mode Respirator for Superponed High Frequency Jet Ventilation, Carl Reiner GmbH, Wien, Österreich). Die Kontrolle einer regelhaften Beatmung erfolgt in beiden Beatmungsvarianten durch Beobachten der Thoraxexkursionen, welche im Vergleich zur konventionellen Beatmung deutlich geringer sind. Außerdem wird die seitengleiche Belüftung auskultatorisch und manuell verifiziert. Im Rahmen von laserchirurgischen Eingriffen wird der Lasermodus aktiviert, wodurch die inspiratorische Sauerstoffkonzentration automatisch auf 30 % gesenkt wird. Vorgeschriebene Laserschutzmaßnahmen in Anlehnung an die Unfallverhütungsvorschrift „Laserstrahlung“ der gesetzlichen Unfallversicherung werden getroffen [5]. Kleinere Blutungen werden mit Naphazolin-getränkten Tupfern komprimiert oder durch monopolare Elektrokoagulation verödet. Als Back-Up-Mechanismen steht bei diesen Eingriffen immer das konventionelle Beatmungsgerät betriebsbereit zur Verfügung. Außerdem werden Endotrachealtuben, Larynxmasken, Intubationsstäbe, starre Tracheobronchoskope und ein Notfalltracheotomieset bereitgestellt, um im Falle einer insuffizienten oder frustranen Jet-Beatmung den Atemweg alternativ sichern zu können.

Ergebnisse



Zwischen Juni 2012 und Februar 2013 wurden in der HNOKlinik der Medizinischen Hochschule Hannover in Hochfrequenz-Jet-Ventilation 46 Mikrolaryngoskopien und Tracheoskopien bei 43 Patienten durchgeführt, wobei gutartige Veränderungen die Indikationsgrundlage darstellten. Einen Überblick über die Indikationen und die chirurgischen Maßnahmen ▶ Tab. 1. Insgesamt wurden auf diese Weise 4 Kinder und gibt ● 39 Erwachsene behandelt. Zu den Erwachsenen zählten 15 Männer (38 %) und 24 Frauen (62 %). Diese hatten ein Durchschnittsalter von 59 Jahren (19–88 Jahre). 2 Patienten wurden in diesem Zeitraum 2-mal operiert. In der Kindergruppe waren 3 Mädchen und 1 Junge im Alter von 1, 3 und 11 Jahren. 2 von diesen wur-

Tab. 1 Überblick über Indikation und mikrochirurgische Maßnahmen im Rahmen der Mikrolaryngoskopien und Tracheoskopien, bei welchen die HFJV im untersuchten Zeitraum durchgeführt wurde (n = 46). Der CO2-Laser kam in 12 Fällen (26 %) zur Anwendung. In allen Fällen war die Exposition der Pathologie mittels KleinsasserRohr oder Tracheoskop uneingeschränkt möglich.

30 25 20 15 10 5 0

ASA I

ASA II

ASA III

Abb. 2 Einteilung der Patienten gemäß ASA-Klassifikation der American Society of Anaesthesiologists (n = 46). ASA I: normaler, gesunder Patient, ASA II: Patient mit leichter Allgemeinerkrankung, ASA III: Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung.

den wegen einer Trachealstenose, eines wegen einer Synechie der vorderen Stimmlippen und eines wegen einer rezidivierenden Larynxpapillomatose behandelt. Im Rahmen der Prämedikation wurde der Allgemeinzustand der Patienten anhand der ASA-Klassifikation der American Society of Anaesthesiologists be▶ Abb. 2). urteilt (● In 40 Fällen (87 %) kam ein durch den Anästhesisten in die Trachea eingeführter Jet-Katheter zur Anwendung, wobei regelmäßig eine Magill-Zange als Einführhilfe verwendet wurde. Einmal war ein Videolaryngoskop notwendig, da die Glottisebene mit konventionellem McIntosh-Intubationslaryngoskop nicht zu exponieren war (Cormack & Lehane Grad IV; CL IV). Insgesamt wurde von der Anästhesie 21 Mal (60 %) ein CL I, 10 Mal (28 %) ein CL II, 2 Mal (6 %) ein CL III und 2 Mal (6 %) ein CL IV dokumentiert. Hingegen konnte der HNO-Arzt in allen Fällen die Glottisebene mit den üblichen Kleinsasser-Rohren gut exponieren. In 4 Fällen der Katheternutzung (10 %) erfolgte die Einlage über einen nasalen Wendl-Tubus. In den übrigen 6 Fällen (13 %) erfolgte die Ventilation über das durch den Operateur supraglottisch platzierte Kleinsasser-Rohr. In keinem der Fälle kam es zu Intubationsschäden oder primären Fehllagen der Katheter. Zweimal (4 %) kam es im Verlauf des Eingriffes zu einem kurzzeitigen peripheren Sauerstoffsättigungsabfall auf bis zu 70 %, was durch eine Lageveränderung der Jet-Katheter rasch behoben wurde. In einem weiteren Fall (2 %) waren die Korrekturversuche frustran, sodass eine rasche

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Chirurgische Indikation

Tab. 2 Übersicht über die Verteilung des body mass index (BMI) in unserer Studienpopulation bei 39 dokumentierten Fällen (außer Kinder). Einteilung

BMI (kg/m²)

n ( %)

Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Präadipositas Adipositas Grad I Adipositas Grad II Adipositas Grad III

< 18,5 18,5–24,9 ≥ 25,0 25,0–29,9 30,0–34,9 35,0–39,9 ≥ 40,0

3 (7,7) 10 (25,6) 26 (66,7) 17 (43,6) 8 (20,5) 0 1 (2,6) n = 39

Entsättigung des Patienten resultierte. Bei frustraner Maskenbeatmung und einem CL IV gestaltete sich die konventionelle Umintubation unmöglich, sodass der Endotrachealtubus mittels starrem Tracheoskop und Cook-Stab durch den HNO-Arzt eingeführt wurde. Weitere Atemwegsprobleme traten nicht auf. Der durchschnittliche body mass index (BMI) lag in der Erwachse▶ Tab. 2). Die durchnengruppe bei 27 kg/m² (17 bis 42 kg/m²; ● schnittliche Anästhesiezeit (Gabe Narkosemittel bis Wiedererlangung Schutzreflexe und Spontanatmung) betrug 59,5 min (34– 130 min). Die Operationszeit betrug im Mittel 35,5 min (3– 88 min), wobei in der Mehrzahl mit kalten Instrumenten gearbeitet wurde. In 12 Fällen (26 %) kam der CO2-Laser zur Anwendung, weshalb hier ein laserresistenter Jet-Katheter und ein laserresistentes Mikrolaryngoskopieset benutzt wurden. Alle laryngotrachealen Befunde konnten ausreichend mit Kleinsasser-Laryngoskopen und starren Tracheoskopen eingestellt werden. Unter Nutzung eines Zahnschutzes sind keine Schäden aufgetreten. Stärkere Blutungen, Aspiration oder Verbrennungen im Rahmen von Laser-Eingriffen wurden nicht beobachtet. Nach Abschluss der Operation erfolgte in allen Fällen die Narkoseausleitung über Larynxmasken. Postoperativ konnten alle Patienten nach der Aufwachraumphase auf Normalstation verlegt werden.

Diskussion



Die Auswahl der Patienten zur Durchführung einer Hochfrequenz-Jet-Ventilation im Rahmen der laryngotrachealen Mikrochirurgie bedarf besonderer Sorgfalt und mögliche Kontraindikationen sind gründlich zu eruieren. So verbietet sich die JetVentilation beim nicht-nüchternen Patienten, da diese Beatmung ein offenes System darstellt und kein ausreichender Aspirationsschutz besteht. Eine Ausnahme kann die (Nofall)Situation mit obstruktiver Atemwegsverlegung darstellen, für welche das perkutan-transtracheale Vorgehen beschrieben wird [6, 7]. Hingegen stellen Refluxerkrankungen und Übergewichtigkeit relative Kontraindikationen dar [1]. Das zeigt sich auch in unserem Patientengut, in welchem zwei Drittel der Patienten als übergewichtig einzustufen sind. Lediglich ein Viertel der Studienpopulation zeigte mit einem BMI von 18,5 bis 24,9 kg/m² ein Normal▶ Tab. 2). Eine Patientin hatte außerdem eine gastrogewicht (● ösophageale Refluxerkrankung, die jedoch unter Therapie asymptomatisch war. Gerade bei diesen Patienten sind eine tiefe Narkose und eine durchgehende Muskelrelaxation essentiell, um Regurgitationsreizen vorzubeugen und gleichzeitig die thorakale Beatmungsmechanik zu verbessern. Die Einlage einer Magenablaufsonde ermöglicht die Restentleerung des Magens, wodurch die Gefahr eines spontanen Refluxes minimiert wird.

Unterstützend wirkt eine Anti-Trendelenburg-Lagerung von 20 bis 30 °, die den abdominalen Druck senkt. Als anästhesiologische Grenzfälle für eine Jet-Beatmung sollten Patienten mit einer extremen Adipositas eingestuft werden, da die Erhöhung der Beatmungs- bzw. Arbeitsdrücke nicht immer eine ausreichende Oxygenierung sicherstellt. Wie bei einem unserer Patienten (BMI von 42,4 kg/m², Mikrolaryngoskopie bei chronischer Laryngitis mit Probenentnahme) kann unter sorgfältiger Abwägung ein Versuch der Jet-Beatmung unternommen werden. Voraussetzung sind eine kurze Operationsdauer (< 30 min) und geringe Manipulationen im laryngotrachealen System. Als häufigste Komplikation resultiert sonst eine Hypoventilation, die regelmäßig zu einer raschen Entsättigung führt. Betroffen sind häufig Patienten mit einer reduzierten pulmonalen Compliance, wie sie bei restriktiven Lungenerkrankungen oder auch bei Übergewichtigkeit auftreten [1, 8]. Durch Erhöhung der Arbeits- bzw. Beatmungsdrücke zur Verbesserung der Oxygenierung steigt wiederum das Risiko eines pulmonalen Barotraumas. In unserem Patientengut traten 2 Fälle (4 %) auf, bei welchen die pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung auf bis zu 70 % sank. Durch Lagekorrektur des Jet-Katheters durch den Operateur wurden diese Vorfälle schnell behoben. Eine strikt zentrale Positionierung des Jet-Strahles im Tracheallumen scheint dabei nicht grundlegend, was aufgrund der Vorkrümmung der TwinStream-Katheter auch nicht möglich ist. Aus der Erfahrung heraus ergibt sich das Problem bei Lageänderungen des Kopfes oder des Kleinsasser-Rohres, wodurch die Spitze des Jet-Katheters regelmäßig gegen die Trachealschleimhaut gepresst wird. Ist das Lumen verschlossen, schaltet sich die Beatmung automatisch ab. Ein versehentlicher Verschluss der weicheren, nicht-laserresistenten Katheter resultiert durch Abknicken bei Manipulation oder durch ungewollte Kompression von außen. Die Einlage über einen Wendl-Tubus ist daher sinnvoll, um den Katheter in der Längsachse zu stabilisieren. Katheter anderer Hersteller, wie der Hunsaker Mon-Jet-Katheter (Xomed, Jacksonville, FL, USA), zeichnen sich durch entfaltbare Körbchen am distalen Ende aus, was eine zentrale Ausrichtung des Jet-Strahles sicherstellt [9]. Die Nutzung der rigideren, einfacher zu handhabenden laserresistenten Katheter bei nicht-Lasereingriffen sollte aufgrund der deutlich höheren Anschaffungskosten (ca. 130 € vs. 8 €) vermieden werden. In einem weiteren Fall (2 %) waren die Korrekturversuche frustran, sodass die Entsättigung rasch fortschritt. Konventionelle Intubationsversuche gestalteten sich frustran, sodass nach Einführen eines starren Tracheobronchoskops die Intubation über einen Cook-Stab erfolgte. Aufgrund dieser Erfahrung sollte die Umintubation unverzüglich bei noch liegendem KleinsasserRohr durch den bereits am Kopf sitzenden Chirurgen mittels Intubationsstab erfolgen. Anderenfalls führen der Positionswechsel der Ärzte und ein Austausch des Instrumentariums zu Zeitverlusten. Obligate Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten auf solche Situationen praktisch und mental vorbereitet sind und die vorhandenen Atemwegsalternativen kennen. Sollte sich Widererwarten die Atemwegssicherung unmöglich gestalten, muss auch hier die Koniotomie oder Tracheotomie als ultima RatioMaßnahme bereits in der präoperativen Patientenaufklärung bedacht sein [10]. Der Chirurg genießt bei der HFJV fast ausschließlich Vorteile. Bei fehlendem Endotrachealtubus lassen sich die Kleinsasser-Rohre leichter einführen. Dies offenbart sich in Fällen mit eingeschränkten Platzverhältnissen wie bei Retrognathie und Zun-

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b

Abb. 3 Einliegender Jet-Katheter bei ausgeprägtem Reinke-Ödem links a. Der Befund lässt sich sehr gut exponieren und der Operateur hat ausreichend Platz für chirurgische Maßnahmen. Im Vergleich dazu einliegender Endotrachealtubus bei einer hyperplastischen Laryngitis b. Die hintere Glottis wird ausgefüllt, wodurch nicht der gesamte Befund einzusehen ist. Tubusverlagerung und operative Maßnahmen gestalten sich deutlich schwieriger.

gengrundhyperplasie oder in Fällen mit eingeschränkter Kopfreklination. Eingebrachte Jet-Katheter lassen sich zudem unkompliziert im Luftweg durch Manipulation am Kleinsasser-Rohr bewegen bzw. aufladen, wodurch eine uneingeschränkte Sicht in ▶ Abb. 3) [11]. Bei der Nutzung heralle Bereiche möglich wird (● kömmlicher, auch kleinerer Endotrachealtuben der Größe 6,0 mm I.D. ist die adäquate Exposition der hinteren Larynxanteile hingegen häufig schwierig. Bei der infraglottischen HFJV verhindert der passive Atemgasrückstrom im wandnahen Bereich eine Verschleppung von Blut, Sekret und Gewebepartikeln in den distalen Tracheobronchialbaum [8, 12]. Außerdem reduziert der kontinuierliche und langsame Rückstrom bei der infraglottischen HFJV eine störende Stimmlippenbewegung und –traumatisierung [3, 13], weshalb wir dieses infraglottische Vorgehen bei der Behandlung von Reinke-Ödemen und anderen Stimmlippenpathologien bevorzugen. Bei der Behandlung von kindlichen Larynxpapillomatosen stellt die infraglottische Jet-Beatmung ebenfalls eine sehr gute Alternative dar, da obstruierende Papillome das Einführen von regulären Tuben häufig verhindern bzw. die anatomische Enge kaum Platz für weitere Manipulationen lässt. Die supraglottische HFJV setzen wir hier nur in Ausnahmefällen ein, da die Wahrscheinlichkeit einer pulmonalen Verschleppung infizierter Zellen erhöht wird [1]. Neben den bekannten Vorteilen eines CO2-Lasers hat dieser bei der Papillomabtragung den Vorteil, dass virusinfizierte Zellen abgetötet werden. Wenn auch kontrovers diskutiert, scheint auf diese Weise eine Raumluftkontamination mit infektiösen Partikeln unwahrscheinlich [14, 15]. Dennoch sollten übliche Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Augen- und Mundschutz getroffen werden und ebenso ist die kontinuierliche Laser-Smogabsaugung essentiell [1].

Schlussfolgerung



Die Hochfrequenz-Jet-Ventilation überzeugt durch eine deutlich bessere Sicht und effektivere mikrochirurgische Manipulationsmöglichkeiten im Rahmen laryngotrachealer Eingriffe. Dabei mindert der infraglottisch platzierte Katheter das Risiko einer distalwärtigen Gewebs- oder Sekretverschleppung im Vergleich zum supraglottisch platzierten Rohr. Beide Möglichkeiten bieten einen gewissen Aspirationsschutz für Blut aufgrund des passiven Atemgasrückstromes. Auf anästhesiologischer Seite gilt dieses Verfahren ebenfalls als sicher, wenn auch das Monitoring deutlich eingeschränkt ist. Grunderkrankungen müssen sorgfältig erfragt werden, um mögliche Kontraindikationen zu eruie-

ren. Dazu zählen insbesondere eine extreme Adipositas, Refluxerkrankungen, Infektions- und schwere kardiopulmonale Erkrankungen. Relative Kontraindikationen überwiegen, sodass regelmäßig Einzelfallentscheidungen getroffen werden können. Grundlegende Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten mit dem Verfahren der HFJV vertraut sind. Back-Up-Mechanismen müssen bei jeder Operation vorbereitet sein, um im Falle einer Verschlechterung der Beatmungssituation frühzeitig den Atemweg alternativ sichern zu können.

Abstract

High-frequency Jet Ventilation in Otorhinolaryngology – Surgical and Anaesthesiologic issues



Background: High-frequency jet ventilation (HFJV) through thin catheters creates more room for surgical procedures in laryngotracheal surgery, while few contraindications exist. In contrast, the anaesthesiologist has to cope with reduced monitoring and numerous contraindications. Therefore, every participating discipline has to thoroughly know the method. We report our experiences with HFJV and focus on relevant points, which contribute to a safe and cooperative procedure. Material and Methods: We performed a retrospective chart review for patients, who were operated for benign laryngotracheal lesions using HFJV at the Hannover Medical School, Department of Otorhino-Laryngology between June 2012 and February 2013. We analyze patient characteristics, complications and important anaesthesiologic and operative steps. Results: A total of 46 cases of microlaryngoscopies and tracheoscopies were included in this study. The median body mass index was 27 kg/m². According to the ASA-classification, 24 % of patients were categorized class I, 54 % class II and 22 % class III. In 2 cases we had reversible, peripheral desaturations down to 70 %. In one case, emergent re-intubation with an endotracheal tube was inevitable due to rapid desaturation below 50 %. Further complications were not observed. Conclusion: HFJV represents a safe ventilation approach in laryngotracheal surgery, when patients are thoroughly selected. Especially the surgeon benefits from more room in the operating field. Obesity, reflux and cardiopulmonary diseases have to be evaluated well, as these can represent relative contraindications. Individual decisions can be made under consideration of all comorbidities.

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[High-frequency jet ventilation in otorhinolaryngology - surgical and anaesthesiologic issues].

High-frequency jet ventilation (HFJV) through thin catheters creates more room for surgical procedures in laryngotracheal surgery, while few contraind...
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