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Praxis 2013; 102 (21): 1293-1297

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FMH Medicina Interna, Lugano'; Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Universitätsspital Zürich' Tranco Muggli, 'Paolo M. Suter

Präoperative Hypertonie: Wie vorgehen einige Praxistipps Dieser Artikel basiert auf einem Workshop am SGIM-Jahreskongress 2012 in Basel How to Deal with Preoperative Hypertension

Zusammenfassung Wenn immer möglich soUte ein normaler präoperativer Blutdruck angestrebt werden. Bei präoperativen Blutdruckwerten von > 180 mmHg soll bei Wahloperationen die Operation verschoben werden (adäquate Blutdruckmessung vorausgesetzt, z. B. bei Bedarf mittels 24h-ABPM). Bei Blutdruckwerten 180 mmHg soll bei Wahloperationen die Operation verschoben werden (adäquate Blutdruckmessung vorausgesetzt, i. e. bei Bedarf mittels 24 h-ABPM). • Die Problematik der prä- und perioperativen Hypertonie ist vorhanden, aber kontrollierbar, was aber nicht bedeutet, dass man dem perioperativen Blutdruck keine Aufmerksamkeit schenken soll. • Bei schwierigen Patienten Kontaktaufnahme mit dem Anästhesisten/Ghirurgen.

Lernfragen 1. Ab welchem Blutdruck ist es sinnvoll eine Wahloperation zu verschieben? (Einfachauswahl, 1 richtige Antwort) a) >180/> 110 mmHg b)>200/> 100 mmHg c) Eine OP zu verschieben, macht keinen Sinn. Der Operateur kann sich keine Verschiebungen leisten. 2. Welche Antihypertensiva sollten vor einer Operation sistiert werden? (Einfachauswahl, 1 richtige Antwort) a) Betabiocker und Kalziumantagonisten b) Nur Betabiocker c) Keine. Alle Antihypertensiva weiter einnehmen.

rien). In diesen Studien [12] war ein erhöhter Blutdruck mit einer erhöhten periooperativen myokardialen Ischämie verbunden, was auf eine erhöhte hämodynamische Instabilität dieser Patienten zurückzuführen ist. In einer Studie von Goldman et al. zeigte sich bei Patienten mit einer vorbestehenden Hypertonie kein erhöhtes Operationsrisiko [13,14]. Diese Autoren wiesen schon damals daraufhin, dass die intraoperative Blutdruckkontrolle wahrscheinlich

Tab. 1: Kardiovaskuläre Risikostratifizierung gemäss der Art des Eingriffs (nach ACC/AHA [22]) Risiko

Eingriff

Gering (oft)'

Ambulante Eingriffe, endoskopische Eingriffe, oberflächliche Eingriffe, Kataraktoperation, Mammachirurgie

Mittel (1-5%)'

Kopf- und Hals-Chirurgie, intrathorakale und intraabdominelle Eingriffe (auch laparoskopisch/thorakoskopisch), Karotischirurgie (Karotisendarterektomie), orthopädische Operationen, Prostatachirurgie

Hoch

Aortenchirurgie, Grosse periphere arterielle Gefässeingriffe

'publiziertes Risiko eines Herztodesfalls oder nicht-tödlicher Myokardinfarkt

wichtiger ist, als der Blutdruck vor der Operation [15]. So fanden die Autoren nicht überraschend, dass u. a. ein intraoperativer Blutdruckabfall vom mehr als 33% des präoperativen Blutdrucks mit einem deuthch erhöhten Operationsrisiko Risiko verbunden war [ 14]. Studien aus den 1990er Jahren zeigten ein deutlich erhöhtes operatives Risiko bei Hypertonikern, das allerdings in späteren Studien nicht mehr nachgewiesen werden konnte (Review von [16]), was wohl auch auf die Fortschritte der Anästhesiologie sowie Ghirurgie und zum Teil auch durch methodologische Aspekte dieser älteren Studien zurückzuführen ist. Das erhöhte Risiko in diesen Studien war gering (aber statistisch signifikant) [16]. Die klinische Signifikanz dieser statistischen Signifikanz wird allerdings als «vernachlässigbar» beurteilt [16]. In Einklang mit dieser Evidenz werden Blutdruckerhöhungen bis 180 mmHg

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systolisch und bis 110 mmHg diastolisch ais «akzeptabel» und «kontrollierbar» betrachtet (Abb. 1). Erst bei Werten >180/>110mmHg wird die Blutdruckerhöhung «relevanter», wegen Neigung zu Arrhythmien und möglicherweise erhöhter kardiovaskulärer Mortalität [17,18,19]. Allerdings gibt es keine gute Evidenz, dass durch eine Verschiebung der Operation das perioperative Risiko bei diesen Patienten reduziert werden könnte [16]. Auch die im Alter häufige isolierte systohsche Hypertonie (ISH) per se ist keine Indikation für eine Verschiebung einer Wahloperation [20], ausser bei sehr hohen Blutdruckwerten oder symptomatischer Hypertonie (Abb. 1). Entsprechend soll auch bei der ISH ein deutlich erhöhter Blutdruck (systolisch > 180 mmHg) nach Möglichkeit auf < 160 mmHg gesenkt werden. Wie bereits erwähnt sind auch in diesem klinischen Setting die Komorbiditäten inklusive Blutdruck-bedingter Endorganschäden wegweisend [21]. Für die präoperative Risikostratifizierung gelten dieselben Richtlinien wie im normalen Praxisalltag [22]. Bei Hochrisiko-Patienten (z.B. jene mit einem Blutdruck von über 180 mmHg) sollte eine Optimierung der Blutdruckeinstellung mit entsprechender Aufschiebung der Operation erfolgen (Abb. 1). In diesem Zusammenhang muss allerdings berücksichtigt werden, dass man sich genügend Zeit lässt zur Blutdruckeinstellung und zur Etablierung eines erneuten steady state auf tieferem Blutdruckniveau. Was nicht gemacht werden darf, ist die «schnelle» Blutdruckeinstellung, d. h. während einiger weniger Tage oder «über das Wochenende» durch einen schnellen Ausbau der antihypertensiven Therapie. Auch wenn diese Empfehlungen nicht evidenzbasiert sind, sollten die diversen Regelkreise der Blutdruckregulation in einem steady state sein (idealerweise während mehreren Wochen) [23]. Komplikationen einer schnellen und aggressiven Blutdrucksenkung wie Hypokaliämie, Volumendepletion oder Verschlechterung der Nierenfunktion

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können das Anästhesie-/Operationsrisiko erhöhen. Für eine kardiovaskuläre Risikostratifizierung gemäss der Art der Operation sind die American College of Cardiology-Guidelines für den Praxisalltag zur Schnellorientierung geeignet [22] (Tab. 1).

Abstract Although there only limited supportive evidence it is suggested that in the setting of elective surgery whenever possible one should aim for a normal preoperative blood pressure in hypertensive patients. If preoperative pressure is > 180 mmHg (adequate and correct blood pressure measurement technique, whenever needed 24h-ABPM) an elective surgical intervention should be postponed and blood pressure control should be optimized. Blood pressure of < 180 mmHg is regarded as no contraindication for an elective surgical intervention. The perioperative risk in suboptimally treated hypertensive patients is not elevated as long as perioperative anesthesia handling is optimal and in the absence of relevant comorbidities. In summary present evidence suggests that the pre- and perioperative hypertension is a controllable risk factor of minor relevance. However this does not mean that one should ignore elevated preoperative blood pressure values. More than ten years ago an editorialist brought it to the point by saying: "Preoperative hypertension: remain wary? Yes - cancel surgery? No". Keywords: perioperative hypertension - clinical recommendation - perioperative risk

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sement est souhaitable lorsqu'il s'agit d'une intervention élective des Patients avec une pression artérielle systolique 180 mmHg un abais-

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[How to deal with preoperative hypertension].

L'hypertension est un problème régulier dans la période périopératoire. En général il est souhaitable d'avoir dans toutes les situations une pression ...
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